Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Jetzt will ich Ihnen einmal vorlesen, wie in Deutschland im Jahr 2014, selbst wenn man den Sachverhalt kennt, die Zahlen in Bezug auf die Verurteilungen aussahen – 2014, 2015, 2016 gab es dies auch schon, das haben Sie gesagt –: Nur 84 Personen wurden wegen des Ausspähens von Daten, 46 Personen wegen Datenveränderungen und nur 22 Personen wegen Computersabotage verurteilt. Warum? – Weil es Strafbarkeitslücken gibt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Daher muss man unterscheiden, ob es um den Vollzug geht oder um die gesetzliche Lücke.

(Florian Rentsch (FDP): Sie haben sich für die Lücke entschieden! Mut zur Lücke!)

In Deutschland und in vielen anderen Staaten kann man nur zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es einen Straftatbestand gibt. Für viele Phänomene in diesen Bereichen gibt es keinen Straftatbestand.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer also bisher ein solches Botnetz nutzt, um damit Schadsoftware einzuspielen und andere Dinge zu machen, kann derzeit – jetzt hören Sie gut zu, Herr Kollege von der SPD – nicht bestraft werden. Der Kollege Kutschaty in dem großen Bundesland Nordrhein-Westfalen als einer der wichtigsten Partner hat das im Übrigen auch erkannt und sich an die Spitze der Bewegung gestellt. Viele der SPD-Justizminister haben dieser Initiative im Bundesrat zugestimmt, weil sie wissen, dass in der Praxis die Gefahr für die Länder sehr groß ist.

Sie haben daher von der Theorie, aber nicht von der Praxis geredet. Einen Vorschlag, wie man dagegen vorgeht, habe ich von Ihnen nicht gehört, außer der Vorsicht in bestimmten Bereichen. Wir sind in einem Prozess; alles ist ausgelotet worden. Der Gesetzentwurf, den wir in den Bundesrat eingebracht haben, hat den Vorteil, dass in den AGBs, z. B. bei Facebook, steht, dass keine Botnetze benutzt werden sollen. Wenn das am Ende in den AGBs steht, kann es unter Strafe gestellt werden, wenn jemand Botnetze einspeist. Die Social Bots haben auch die Brexit-Debatte, den US-Wahlkampf, die Börsenkurse und viele Dinge mehr beeinflusst. Wir stehen vor einer Bundestagswahl – ich habe

eben beschrieben, was beim amerikanischen Wahlkampf passiert ist –: Alle Parteien, bis auf die AfD, haben sich davon distanziert, den Einsatz von Social Bots im anstehenden Bundestagswahlkampf zu nutzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD)

Herr Kollege Rentsch, wenn diese Vorschrift nicht schnell beschlossen wird, dann gibt es für den Bundestagswahlkampf keine gesetzliche Regelung, um auch den Parteien zu verbieten – so wie es die AfD macht –, im Wahlkampf Social Bots zu benutzen.

(Florian Rentsch (FDP): Da sind wir einer Meinung!)

Bei diesem Phänomen, das unter diesen Tatbestand fallen würde – jetzt rede ich gar nicht von den ganzen anderen Strafbarkeitslücken, die davon auch noch betroffen sind –, lohnt es sich, dafür zu kämpfen und mit aller Macht dafür zu sorgen, dass im Deutschen Bundestag schnell die Entscheidung fällt, dass dieses Gesetz beschlossen wird, damit die Meinungsbildung in Deutschland durch Social Bots nicht so beeinflusst werden kann, dass Computer und wenige Einzelne die Meinung beeinflussen und nicht die Masse der Wählerinnen und Wähler sowie die Bevölkerung. In diesem Sinne lassen Sie uns zusammen dafür kämpfen, dass dieser Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag möglichst schnell beschlossen wird und ganz schnell in Kraft treten kann.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Kühne-Hörmann. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 32 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessen zusammenhalten und nicht spalten, doppelte Staatsbürgerschaft erhalten – Ministerpräsi- dent Bouffier muss sich klar und eindeutig von rechten Populisten wie Herrn Willsch und Herrn Irmer distan- zieren) – Drucks. 19/4301 –

Nach der Aktuellen Stunde befinden wir über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD.

Es beginnt Kollege Günter Rudolph, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Der CDU-Bundestagsabgeordnete und -Kreisvorsitzende des Rheingau-TaunusKreises, Herr Willsch, schließt offensichtlich eine Koalition mit der AfD nicht aus. Jetzt wird zwar zitiert, das habe er dem hr so nicht gesagt, aber vor ein paar Tagen hat er genau dies in einem „Focus“-Interview gesagt, dass AfDMenschen eben keine Leprakranken seien und man deshalb natürlich mit ihnen reden müsse.

Ein Populist will offensichtlich mit anderen Populisten zusammenarbeiten. In seinem neuesten sogenannten „Hauptstadtbrief“ behauptet Herr Willsch, die Hessinnen und

Hessen werde die Migrationskrise 50 Milliarden € kosten. Damit könne man 870.000 BAföG-Empfängern 57.000 € in die Hand drücken oder rund 43 Millionen Erwerbstätigen bereits geleistete Steuern in Höhe von 1.162 € zurückzahlen. Die Liste ließe sich, laut Herrn Willsch, beliebig fortsetzen. Mit einem solch absurden und zynischen Vergleich versucht Herr Willsch eine Neiddebatte anzustacheln, und damit spaltet er die Gesellschaft. Genau das brauchen wir nicht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Er schürt Ängste und betreibt damit das Geschäft der AfD, die diese Beiträge übrigens gut findet, genauso wie die sogenannten Deutschen Konservativen. Dies ist im Übrigen eine Organisation, die vom Verfassungsschutz wiederholt als rechtsextrem eingestuft wurde und deren Vorsitzender ein verurteilter Volksverhetzer ist. Es ist kein Wunder, dass Herr Willsch von solchen Gruppierungen belohnt und herausgehoben wird.

Aber auch Herr Irmer ist sich in seinem sogenannten „Wetzlar Kurier“, seinem Kampfblatt, nicht zu schade, eine Anzeige dieser Deutschen Konservativen zu veröffentlichen.

(Zuruf von der SPD: Da kommt er gerade!)

Herr Bouffier, Sie haben Herrn Irmer vor ein paar Wochen in der „Wetzlarer Neuen Zeitung“ als Ihren Freund bezeichnet, den Sie seit 40 Jahren kennen würden und der sich in der Politik nicht nur durch Prinzipientreue, Berechenbarkeit und Geradlinigkeit auszeichne, sondern vor allem durch sein offenes Wort, zu dem er aus Überzeugung stehe. – Ja, Herr Irmer ist ein gnadenloser Vereinfacher. Er ist immer scharf am rechten Rand und darüber hinaus unterwegs.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Herr Bouffier, sagen Sie einmal als Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender, was Sie von solchen Aktionen von Herrn Irmer und Herrn Willsch halten; der Landtag ist hierfür der richtige Ort.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Natürlich führt die CDU die Diskussion: Wie halten wir es mit der AfD? Der Innenminister ist stellvertretender CDUVorsitzender sowie Kreistagsmitglied im Rheingau-Taunus-Kreis, und dort haben Sie mit der AfD schon Verfahrensanträgen zugestimmt, damit sie überhaupt auf die Tagesordnung gekommen sind. Sie stimmen teilweise also schon mit der AfD.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Ja, Herr Pentz, das ist der Sachverhalt. Da müssen Sie sich erst einmal sachkundig machen. Wie sagte Herr Kunkel, Bürgermeister von Eltville, CDU, heute Morgen im „Wiesbadener Tagblatt“ – das ist nachzulesen –:

Am rechten Rand der CDU wird inzwischen offen mit AfD-Gedankengut sympathisiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben das Problem an der Backe, wie Sie mit der AfD umgehen. Finden Sie daher klare Worte, und distanzieren Sie sich davon, Herr Ministerpräsident Bouffier.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Enttäuschte Wähler von der AfD zurückzugewinnen, ist ein legitimes Ziel. Nicht alle werden wir zurückgewinnen.

Rechtspopulisten wie die AfD bekämpft man aber nicht mit solchen Aktionen wie die Herren Willsch und Irmer, sondern mit einem überzeugenden Eintreten für freiheitliche Werte – nicht mit mehr Populismus.

Herr Ministerpräsident, ich habe mir Ihre Rede zur Einzelplandebatte im letzten November noch einmal angeschaut. Sie haben davon gesprochen, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Das haben wir letztes Jahr gemeinsam mit dem Flüchtlingspaket vereinbart. Das wird mit solchen Erklärungen von Herrn Irmer oder von Herrn Willsch immer wieder diskreditiert. Schauen Sie sich einmal die Leserbriefspalten im „Wiesbadener Kurier“ oder im „Wiesbadener Tagblatt“ an. Dort wird explizit auf Äußerungen von Herrn Willsch, wie ich sie eben vorgetragen habe, Bezug genommen. Die Saat scheint offensichtlich aufzugehen.

Wir haben dieser Tage 70 Jahre Hessen gefeiert, ein tolerantes und weltoffenes Bundesland. Wir haben einen Ministerpräsidenten, der in dieser Hinsicht vorbildlich war und Hessen geprägt hat. Deswegen dürfen wir dem Treiben der Willschs und Irmers nicht tatenlos zusehen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ja, er liest seinen „Wetzlar Kurier“. Das ist eine bewusste Provokation. Herr Ministerpräsident, Herr Bouffier, Herr CDU-Vorsitzender, was halten Sie von dem „Wetzlar Kurier“? Was halten Sie von den Anzeigen der Deutschen Konservativen, die gegen Minderheiten hetzen? – Hier und heute ist der Ort dazu, sich zu äußern. Herr Ministerpräsident, wenn Sie heute schweigen, dann goutieren Sie dieses Verhalten und nehmen es hin, nach dem Motto: Am rechten Rand darf irgendwer wildern. – Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Offensichtlich rückt die CDU nach rechts, deswegen heute auch ein Antrag zur doppelten Staatsbürgerschaft. Wir wollen, dass die Optionspflicht eben nicht wieder eingeführt wird. Das war ein Kompromiss der Großen Koalition. Es war ein wichtiger Beitrag für eine gelungene Integrationspolitik. Deswegen sprechen wir uns dafür aus, dieses Recht eben nicht abzuschaffen. Der Hessische Landtag wird heute in namentlicher Abstimmung die Gelegenheit haben, sich zu positionieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Das Wort hat Herr Abg. Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will das, was Herr Kollege Rudolph bereits gesagt hat, am Anfang betonen: Wir haben vor wenigen Tagen 70 Jahre Hessen gefeiert. Wir haben die Geschichte Hessens gewürdigt. Hessen ist ein weltoffenes und tolerantes Land. Wir als Politikerinnen und Politiker sind gut beraten, dafür zu kämpfen, dass das auch in Hessen so bleibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Wir sollten allen eine Absage erteilen, die das andere wollen. Wir sollten uns als Politikerinnen und Politiker diese Themen nicht zu eigen machen. Wir sollten herausstellen, was unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und unseren Rechtsstaat ausmachten. Das sind unsere Stärken, dafür sollten wir kämpfen. Wir sollten nicht auf den Leim derer gehen, die mit Ausländerfeindlichkeit und Hetze ganz anderes im Sinn haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Herr Kollege Rudolph hat es angesprochen, die doppelte Staatsbürgerschaft ist für uns ein wichtiges und wirkungsvolles Instrument der Integrationspolitik. Die Möglichkeit, zwei Pässe zu haben, nimmt den Druck von jungen Menschen, sich irgendwann zwischen dem Herkunftsland der Eltern und dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, zu entscheiden. Die jetzt wieder geforderte Optionspflicht würde diesen Zwang und diesen Druck wieder einführen. Deswegen lehnen wir das entschieden ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)