Die Optionspflicht wird der Vielfalt unserer Gesellschaft nicht gerecht, in der Millionen von Kindern mit mehreren Staatsbürgerschaften aufwachsen: Die Zamperonis, die McAllisters und die Al-Wazirs dieses Landes sind Realität, und das ist gut so.
In dieser Frage waren wir als GRÜNE immer sehr klar. In dieser Frage sind wir auch weiterhin sehr klar. Weil uns diese Frage so wichtig war und weil wir gerade in Hessen eine besondere Erfahrung in der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft hatten, haben wir in der Koalition mit der CDU dazu klare Regelungen getroffen. Ich will das noch einmal in Erinnerung rufen und aus dem Koalitionsvertrag, Seite 58, zitieren:
Auf bundespolitischer Ebene werden wir die Aufhebung der Optionspflicht und die Akzeptanz von Mehrstaatigkeit im Staatsangehörigkeitsrecht für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern unterstützen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, klarer geht es nicht. Wir werden also nicht zulassen, dass die Uhr in dieser Frage wieder zurückgedreht wird. Daran ändern auch Parteitagbeschlüsse der CDU auf Bundesebene nichts. Das hat im Übrigen der Ministerpräsident dieses Landes sehr klar und sehr deutlich in der „FAZ“ vom 08.12.2017 erklärt.
Unter der Überschrift: „Bouffier: Doppelpass-Beschluss war falsch“ kann man nachlesen, dass der Ministerpräsident das genauso sieht.
… deshalb denke ich nicht, dass dieser Beschluss in die Regierungsarbeit in Berlin eingehen wird. Wir
haben uns bei der Bildung der Großen Koalition mit der SPD aus gutem Grund auf diesen Kompromiss geeinigt. Darauf müssen sich beide Seiten verlassen können. Das ist ein Stimmungsbild des Parteitages.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ministerpräsident hat sich sehr klar und sehr deutlich geäußert.
Er ist damit auch klar auf Distanz zu denen gegangen, die in der Öffentlichkeit etwas anderes fordern. Das finde ich gut so.
Die Koalition in Hessen ist in dieser Frage klar und eindeutig. Der Ministerpräsident ist in dieser Frage klar und eindeutig. Ich frage mich aber, warum Sie schon wieder ein Thema, bei dem Sie offensichtlich ein Problem mit ihrem Koalitionspartner in Berlin haben, in die Aktuelle Stunde des Hessischen Landtags einbringen. Das frage ich mich in der Tat.
Die doppelte Staatsbürgerschaft, also das Staatsbürgerschaftsrecht, ist Bundesrecht. Frau Kollegin Faeser, die Bundesregierung wird gestellt mit Beteiligung der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
Die Koalition im Bund wird mit Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gebildet. Warum rufen Sie dieses Thema im Hessischen Landtag auf? – Weil Sie mit dem Thema Doppelpass Parteipolitik machen wollen.
Frau Kollegin Faeser, wenn wir jetzt noch einmal über das Thema reden wollen, dann bringen Sie doch bitte diesen Antrag, den Sie unter der Drucksachennummer 19/4328 im Hessischen Landtag eingereicht haben in den Deutschen Bundestag ein, also:
Der Deutsche Bundestag lehnt die Wiedereinführung der Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht ab.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Dann wäre das, was Sie hier vertreten, ehrlich. Ich kann Ihnen zu diesem Tagesordnungspunkt nur eines sagen: Wir werden dem Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, unsere Zustimmung geben. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Frömmrich, ich würde vorschlagen, dass wir uns nicht immer gegenseitig Ratschläge erteilen, wer hier was thematisiert. An dieser Stelle hätte auch die Standardformulierung der GRÜNEN gepasst: Eine Aktuelle Stunde eignet sich nicht, ein solches Thema zu behandeln. – Meine Damen und Herren, wir sind hier in einem Parlament. Wir diskutieren über unsere Positionen. Jede Fraktion kann jedes Thema setzen. Deswegen können die Sozialdemokraten auch dieses Thema einbringen.
Natürlich ist es legitim, wenn man über die größte Regierungspartei in Berlin und über die Kanzlerin spricht und die Situation beobachtet, dass sich der CDU-Parteitag bewusst ein Ventil gesucht hat, um in einer wichtigen Frage einen anderen Akzent zu setzen, dass das an einem Bundesland nicht spurlos vorbeigeht. Wenn die Kanzlerin als Parteivorsitzende sagt, sie interessiere sich nicht für diese Beschlusslage, ist das nicht mein Problem. Fakt ist aber, dass es anscheinend immer noch einen Bedarf gibt, über die Frage der Zuwanderungspolitik in Deutschland zu diskutieren, vielleicht gerade jetzt.
Ich denke, dass sich alle Parteien in dieser Frage einig sind. Wir diskutieren seit Jahren die Frage, was der richtige Weg ist. Ich unterstelle einmal, dass wir es gemeinsam schaffen wollen, Menschen aus anderen Ländern in dieses Land zu integrieren. Wir laden sie ein, hierherzukommen, und verlangen aber von ihnen, zu akzeptieren und anzuerkennen, welche Sitten, Gebräuche, moralischen Grundsätze und Strukturen dieses Land hat. Integration bedeutet für mich nicht Assimilation, aber es bedeutet für mich schon Anerkennung von Grundsätzen, die in diesem Land bestehen.
Diesen Weg zu gehen, ist kein einfacher. Auch wir haben über die Frage gestritten, ob die Entscheidung für oder gegen die doppelte Staatsbürgerschaft positiv oder negativ ist, wenn man das gemeinsame Ziel, das wir alle verfolgen, erreichen will. Ich glaube aber, dass die Frage der Wiedereinführung der Optionspflicht am wahren Thema vorbeiführt.
Wir müssen diskutieren: Wie kann Deutschland für Menschen aus anderen Ländern attraktiv werden, die wir hier z. B. dringend brauchen, wenn es um die Frage geht, wo wir gute Leute herbekommen, um die Zukunft des Arbeitsmarkts positiv zu gestalten? Ich glaube, dass es da übrigens sogar eine Übereinkunft von SPD, GRÜNEN und Freien Demokraten darüber gibt, dass wir in diesem Land endlich ein Zuwanderungsgesetz brauchen.
Wir müssen darüber nachdenken: Was können wir dafür tun, um attraktiv für Menschen zu werden, die hierherkom
men und die wir dringend für unseren Arbeitsmarkt brauchen? Wie können wir für sie attraktiv werden? – Da glaube ich, dass – auch wenn man das Thema unterschiedlich beleuchten kann – die Wiedereinführung der Optionspflicht eher ein Hindernis ist, weil sie letztendlich ein Stück weit die Attraktivität einschränkt.
Kollege Frömmrich hat einen Punkt genannt, den ich teile: Es ist für die Leute eben nicht so einfach, aus einem anderen Land zu kommen, sich dann zu Deutschland zu bekennen, aber die eigene Identität komplett loszuwerden. Viele sind stolz auf ihre Herkunft, nicht ohne zu sagen, dass sie hier ankommen wollen. Wenn man dieses beides gemeinsam forcieren will, dann glaube ich, es wäre ein Fehler, die Optionspflicht wieder einzuführen und dieses Thema wieder aufzumachen. Wir hatten vorhin ein Thema, über das das Land auch sehr lange sehr kontrovers diskutiert hat. Ich glaube, wir sollten jetzt über die Probleme reden, die wirklich auf der Tagesordnung stehen. Die Wiedereinführung der Optionspflicht ist es mit Sicherheit nicht.
Fakt ist aber auch, dass wir Situationen erleben, die – das sage ich sehr offen – mich auch besorgt machen. Ich habe das gerade vor kurzer Zeit mit einem türkischen Bekannten diskutiert, der sehr stark die Position von Erdogan gelobt hat. Er ist hier geboren, er hat einen deutschen Pass, und seine Kinder gehen hier in deutsche Institutionen. Als ich mit ihm diskutiert habe, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich mit jemandem diskutiere, der Deutscher ist.
Er hat mir in der Diskussion deutlich den Eindruck gemacht, dass er sehr stark türkische Sichtweisen übernimmt. Das sind ja häufig Leute, die eigentlich das Problem haben, dass sie nicht richtig wissen, wo sie hingehören. Sie sind in der Türkei keine Türken. Sie sind in Deutschland nicht die Deutschen. Sie stehen irgendwo zwischen diesen Kulturen. Aber ich will auch einmal ganz klar in diesem Parlament sagen: Menschen, die in diesem Land leben und die diese Demokratie mit all ihren Vorzügen genießen, diese Freiheit, die wir hier haben, sollten nicht ein unfreies System loben, das Herr Erdogan gerade in der Türkei einführt. Das sollte nicht die Position sein.
Das ist etwas, was mich wirklich umtreibt. Es kann nicht sein, dass die Freiheit, die wir hier haben und die wir den Menschen in allen Bereichen durch das Grundgesetz ermöglichen – wir haben ja gestern über die Initiative des Innenministers im Rahmen von Religionsfreiheit im Zusammenhang mit „Lies!“ gesprochen – instrumentalisiert wird gegen unsere Freiheit. Da sollten Demokraten zusammenstehen und alles dafür tun, dass klar ist, wo wir stehen und dass diese Werte nicht verhandelbar sind.
Wenn es Menschen gibt, die unsere Werte und Rechte und Chancen nutzen wollen, um sie ins Gegenteil zu verkehren, müssen wir ganz klar ein Stoppschild aufzeigen. Das machen wir definitiv nicht mit.