Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Mehr Wertschätzung für Busfahrerinnen und Busfahrer – ÖPNV zurück in die öffentliche Hand“ – unter diesem Titel haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Ich freue mich sehr, dass auf der Besuchertribüne Vertreter der Busfahrer anwesend sind, der Streikleiter, die Mitglieder der Verhandlungskommission und Vertreter der Gewerkschaft ver.di.
Hessen hat zwei Wochen Streik bei den privaten Busunternehmen hinter sich. Ja, das war eine schwere Zeit für viele Menschen, die auf Busse angewiesen sind. Es war aber auch eine schwere Zeit für die streikenden Busfahrer, die
in dieser Zeit Lohneinbußen hingenommen und auf Zulagen verzichtet haben. Das haben sie nicht leichtfertig getan. Die Busfahrer streiken nämlich auch im Interesse der Fahrgäste, die ein Interesse daran haben, dass sie und ihre Kinder von qualifizierten, gut bezahlten und ausgeruhten Beschäftigten gefahren werden.
Wir waren in der letzten Woche an mehreren Standorten. Wir haben mit den Streikenden gesprochen. Die Busfahrerinnen und Busfahrer haben gute Gründe für ihren Streik. Sie fordern einen Stundenlohn von 13,50 € statt bisher 12 €. Ich finde, das ist für diesen verantwortungsvollen Job wirklich nicht zu viel verlangt.
Denn Busfahrer lenken nicht nur ein Fahrzeug mit Dutzenden Insassen durch oft dichten Verkehr, sie verkaufen nebenher noch Fahrscheine, sie geben Auskünfte, und sie müssen mit Konflikten umgehen. Dafür haben sie unsere Wertschätzung verdient.
Es hat aber nichts mit Wertschätzung zu tun, wenn Busfahrerinnen und Busfahrer trotz Vollzeitjob aufstocken oder Wohngeld beantragen müssen, weil das Gehalt für ihre Familien nicht reicht. Das ist nicht hinnehmbar. Wenn ein Busfahrer oder eine Busfahrerin 45 Jahre lang zu den jetzigen Bedingungen des LHO arbeitet, kann er oder sie mit 750 € Rente rechnen. Es kann doch nicht sein, dass Menschen ihr ganzes Leben lang arbeiten und dann im Alter in Armut leben müssen.
Ich will darauf hinweisen, dass der Busführerschein mehrere Tausend Euro kostet. Das bezahlen viele aus der eigenen Tasche und verschulden sich sogar dafür. Besonders wichtig ist aber, dass die Arbeitszeit vollständig bezahlt wird. Heute ist es bei vielen Unternehmen Usus, dass die Wartezeiten an den Endstationen, die Wendezeiten, nicht bezahlt, sondern als Pause abgezogen werden. Wir reden hier nicht einfach nur über eine Mittagspause, sondern laut ver.di reden wir teilweise über 14-Stunden-Arbeitstage, von denen nur acht Stunden bezahlt werden. Das heißt, auf die tatsächliche Arbeitsstunde gerechnet, fallen die Busfahrer so schnell auf Mindestlohnniveau. Ich finde, auch das ist ein mehr als berechtigter Grund, zu streiken. Die hohe Beteiligung am Streik zeigt ja auch, wie groß der Unmut bei den Kolleginnen und Kollegen ist.
Diese Missstände sind eine direkte Folge des Unterbietungswettbewerbs der Busunternehmen auf Kosten von Mensch und Material. Deshalb ist dieser Arbeitskampf auch ein Thema für uns im Landtag. Auch wenn immer EU-Regelungen vorgeschoben wurden, war Hessen Vorreiter, wenn es darum ging, Busverkehre auszuschreiben, die zuvor von kommunalen Unternehmen gefahren wurden. Als „hessischer Weg“ wurde das seit 2003 verfolgt.
Seitdem gab es immer neue Ausschreibungen und Vergaben an private Unternehmen. Darunter leiden der Komfort der Fahrzeuge, vor allem aber die Arbeitsbedingungen der Busfahrer.
Die Deutsche Bahn z. B. hat ihre klassischen Busbetriebe mit den alten Tarifverträgen eingestellt, um in Ausschreibungen eine Chance zu haben mit der neuen Billigtochter DB Busverkehr Hessen. Genauso machen es die Stadtwerke Frankfurt, die ihre Busfahrer über die 100-prozentige Stadtwerketochter ICB beschäftigen, die tariflich als privates Busunternehmen zählt und dementsprechend schlechter zahlt. Das wirkt sich in der Praxis aus, und darunter leiden auch die Fahrgäste.
Die DB-Billigtochter übernahm im letzten Jahr viele Buslinien neu, gerade zuletzt im Main-Taunus-Kreis und im Wetteraukreis. Jedes Mal war die Umstellung eine Katastrophe für die Fahrgäste. Von Busfahrern war in der Presse zu lesen, die sich verfahren haben und die ihre Fahrgäste nach dem Weg fragen mussten. Personal- und Fahrzeugmangel war an der Tagesordnung. Oder denken wir an das Chaos in Bad Homburg und Oberursel vor einem Jahr, als der Busanbieter sich offensichtlich verkalkuliert hatte und das Handtuch warf.
Deswegen: Der Weg der Ausschreibung im ÖPNV hat keineswegs die versprochenen Ziele erreicht. Er hat zu deutlichen Lohnsenkungen und zu einem Massensterben mittelständischer Verkehrsunternehmen geführt, bei einem wachsenden Einfluss internationaler Konzerne, die ihre Monopolstellung mittlerweile nutzen, um drastische Preissteigerungen durchzuführen.
Ich komme zum Schluss. – Wir wünschen dem laufenden Schlichtungsverfahren einen möglichst guten Ausgang für die Busfahrerinnen und Busfahrer.
Um die Löhne und Arbeitsbedingungen zu verbessern, müssen sich aber auch die politischen Rahmenbedingungen wieder ändern und der ÖPNV-Betrieb als öffentliche Aufgabe wieder ganz in der öffentlichen Hand liegen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir grüßen die Vertreter der Gewerkschaft und der Streikenden sehr herzlich im Landtag – guten Morgen.
Ja, da dürft ihr ruhig applaudieren. – Normalerweise würde ich an der Stelle sagen: „Jährlich grüßt das Murmeltier“, oder: „Durch die Brust ins Auge“. Rein zufällig wird die Aktuelle Stunde beantragt, während draußen eine Tarifauseinandersetzung läuft. Dass sich der Landtag in sol
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist kein Zufall! – Janine Wissler (DIE LINKE): Er hat sich doch eingemischt durch die Ausschreibung! – Zurufe der Abg. Jürgen Lenders und Nicola Beer (FDP))
Aber es hat natürlich eine besondere Qualität, weil eine Schlichtung läuft und eigentlich eine gewisse Friedenspflicht herrscht. Das ist normalerweise – –
Sie hören mir zu, ich habe Ihnen zugehört. Wir kommen gleich auf den Punkt. Da hilft auch die trickreiche Überschrift nichts.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen sagen, uns ist das Thema auch viel zu wichtig, als das wir es hier in Schaufensterdebatten besprechen.
Ich will an der Stelle auch sehr deutlich sagen: Uns geht es auch bei diesem Streik und bei diesem Thema um den Wert der Arbeit und vor allen Dingen um den Respekt vor der Arbeit. Das hat die sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause an vielen Stellen in der Vergangenheit auch schon mehr als deutlich gemacht.
Aber wenn ich schon hier oben stehe und das Thema auf den Tisch kommt, will ich Ihnen auch für meine Fraktion sagen, dass wir die Forderung von ver.di nach 13,50 € ab 01.01.2018 für völlig angemessen halten.
Darüber müssen wir auch gar nicht länger diskutieren. Schließlich reden wir hier über eine verantwortungsvolle Tätigkeit: „Wir finden, wir sind mehr wert: Wir fahren jeden Tag durch den dichtesten Verkehr und tragen dabei Verantwortung für viele Menschen …“, schreibt das Fahrpersonal in einem Flugblatt an ihre Fahrgäste. – Recht haben sie damit.
Sie haben auch mit ihrer Forderung recht, dass Wartezeiten laut Fahrplan und Wendezeiten künftig bezahlt werden müssen und nicht mehr als unbezahlte Pausen gelten dürfen. Auch das ist abzüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen schließlich Arbeitszeit. Auch das sehen wir so.
Es ist eben schon zitiert worden: Offensichtlich gibt es Fälle, dass Fahrer bis zu 14 Stunden auf dem Bock sitzen, aber nur 8 Stunden bezahlt kriegen. Bei 12 € die Stunde bedeutet das eine Unterschreitung des Mindestlohns. Meine Damen und Herren, das ist nicht akzeptabel, das gehört geändert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der LIN- KEN sowie der Abg. Martina Feldmayer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))
Übrigens: Würde das in einer Bäckerei passieren oder in einer Gaststätte festgestellt werden, würden die Betreffenden, glaube ich, richtig Ärger mit dem Zoll bekommen. Das nur nebenbei bemerkt. Auch die Forderung nach einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung ist nachvollziehbar. Die von Bundesarbeitsministerin Nahles und Finanzminister Schäuble angeschobene Reform der Betriebsrente könnte dort auch Wege öffnen. Alles in allem sind wir auch ohne diese Aktuelle Stunde ganz auf der Seite der Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Aber wenn wir schon die Probleme der Branche hier ansprechen, dann intelligent; dann sollten wir uns die Wurzel des Übels einmal genauer anschauen. Dazu darf ich auf einen Artikel der „HNA“ vom 16. Januar hinweisen. Darin sagt der Geschäftsführer des Fachverbands Omnibusverkehr Hessen, dass die aktuellen Warnstreiks Folge der hessischen Ausschreibungspolitik seien und nicht Schuld der Gewerkschaften.
In die Kritik zu nehmen seien vielmehr die politisch Verantwortlichen, die vor Jahren die Weichen für den ruinösen Preiskampf um hessische Buslinien gestellt hätten.
Sie trügen Verantwortung für den Verdrängungswettbewerb und für Sozialdumping zulasten der Belegschaft. Ohne politische Korrektur sei der Tarifkonflikt nicht zu lösen. Die Politik müsse dazu aufgefordert werden, in den Verkehrsverträgen Klauseln zu verankern, die Tarifabschlüsse der Busbranche ausgleichen, damit faire Busfahrerlöhne auch in Hessen bezahlt und refinanziert werden könnten. Und weiter: Die Politik müsse dafür ihren Sparkurs stoppen und die Mittel für den hessischen Bus-ÖPNV aufstocken. – In unseren Ohren klingt das wie zarte Harfenmusik. In Ihren Ohren muss es klingen wie schrille Fanfarenstöße. Meine Damen und Herren, der Mann sagt das, was wir Ihnen schon lange sagen, Sie aber hier nie hören wollten.