Protokoll der Sitzung vom 22.02.2017

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt acht Jahre und knapp einen Monat her, da trafen sich die Verhandlungsgruppen der CDU und der FDP im Kloster Eberbach. Der damalige CDU-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Roland Koch bat den künftigen FDPKoalitionspartner, doch bitte das fortzusetzen, was in der Zeit der Regierung der Union beschlossen wurde, nämlich

wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise ein Hilfspaket in Höhe von 1,7 Milliarden € allein aus Hessen weiter zu betreiben.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben schnell und kurz in unserem Buch für ordnungspolitisch Liberale nachgeschaut, ob darin steht, man legt ein staatlich finanziertes Programm auf – schuldenfinanziert oder nicht. Bei uns Liberalen stand das nicht, aber wir haben trotzdem gesagt: Okay, die Union hat damit begonnen – 1,7 Milliarden € für die Konjunktur, schuldenfinanziert. Aber es gibt eine Bedingung. Wie so häufig hat jede Münze zwei Seiten. Auf der anderen Seite soll es, das war der Vorschlag von Dieter Posch in Person, eine verschärfte Schuldenbremse in Hessen geben.

Ich wundere mich immer, dass die Christdemokraten und auch Sie, Herr Arnold, vergessen, das vorzutragen. Das kam nicht in einem einzigen Satz vor.

(Michael Boddenberg (CDU): Wir wussten doch, dass Sie noch Redezeit haben! – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Sie tun so, als sei das die Erfindung der Union gewesen. Ich würde sagen, man erkennt daran immer mehr, dass die Union bei diesem Thema nie ambitioniert gewesen ist.

(Beifall bei der FDP – Dr. Walter Arnold (CDU): Na, na, na!)

Vielmehr haben Sie das dem Koalitionspartner zubilligen müssen, da Sie sonst Ihr schuldenfinanziertes 1,7-Milliarden-€-Programm nicht hätten durchführen können.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Hat der Bund eigentlich auch eine Schuldenbremse, Herr Kollege?)

Herr Arnold, Sie können mich nicht aus dem Konzept bringen. Ich unterstelle Ihnen, dass Sie wissen, dass es einen Unterschied zwischen der Schuldenbremse auf Bundesebene und der Schuldenbremse auf Landesebene gibt.

(Beifall bei der FDP)

Das war gerade die Forderung der FDP, dass wir nicht das lasche System des Bundes übernehmen, sondern ein verschärftes Modell umsetzen. 70 % der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes fanden dieses Modell in Ordnung. Darauf will ich nur hinweisen.

(Zurufe der Abg. Dr. Walter Arnold und Michael Boddenberg (CDU))

Brüllen Sie bitte nicht dazwischen. Ich merke, dass Sie versuchen, die Argumentationsstränge zu relativieren, die Sie hier laufend vortragen.

Vor einigen Wochen gab es in der Deutschen Bank eine Veranstaltung der VhU. Am meisten ärgert mich, dass der Finanzminister immer wieder versucht, die FDP so darzustellen, als habe sie den Abbaupfad verlassen. Zum damaligen Zeitpunkt war Dr. Thomas Schäfer bereits Finanzminister des Landes Hessen. Das war also kein Erbstück, und wenn, dann wäre es das von Karlheinz Weimar. Das wäre auch nicht besonders schlimm.

Ich will es Ihnen verdeutlichen. Im Jahr 2013, nachdem die Koalition geschlossen worden ist, sind wir in der mittelfristigen Finanzplanung von folgenden Einnahmen ausgegangen: 21,6 Milliarden € im Jahr 2013, 22,5 Milliarden € im

Jahr 2014, 23,3 Milliarden € im Jahr 2015 und 24,046 Milliarden € im Jahr 2016.

(Zuruf von der FDP: Aha!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das haben die Papiere ausgewiesen, die uns das Finanzministerium unter der Leitung von Dr. Thomas Schäfer vorgelegt hat. Dem haben wir natürlich vertraut – wie man Kabinettskollegen vertraut. Nur hat bisher noch kein Finanzminister in diesem Land so arg danebengelegen. Die Einnahmen des Jahres 2013 betrugen im Soll-Ist-Vergleich plus 382 Millionen €. 2014 gab es Mehreinnahmen in Höhe von 463 Millionen €, 2015 waren es 1,1 Milliarden € Mehreinnahmen und 2016 Mehreinnahmen in Höhe von 3,036 Milliarden €.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, entgegen der Finanzplanung der CDU/FDP-Regierung zu dem Zeitpunkt, als wir den Schuldenabbaupfad beschlossen haben, hatte das Land Hessen Mehreinnahmen in Höhe von über 5 Milliarden €. Trotzdem feiern Sie sich, weil Sie den Abbaupfad von früher noch halten. Werden Sie da nicht schamrötig, wie der Datterich sagen würde,

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

weil Sie diesen Abbaupfad nicht um Längen dynamischer, um Längen ambitionierter gestalten?

Wenn ich in Ihrem Antrag lese, dass Sie die Vorgaben der Schuldenbremse auch 2019 einhalten wollen, klingt das ähnlich ambitioniert, als würde Jogi Löw sagen: Aber unser Ziel ist die Teilnahme an der Weltmeisterschaft.

(Beifall bei der FDP)

Nein, unser Ziel ist nicht, den damals mutigen, im Laufe der letzten drei, vier Jahre durch erhöhte Steuereinnahmen aber langweiligen Abbaupfad einfach weiterzugehen, sondern wir wollen intensiver sparen, wir wollen intensiver umstrukturieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist denn die „ergriffene Konsolidierungsmaßnahme“, von der Sie in Punkt 2 Ihres Antrags gesprochen haben? Herr Kollege Arnold, wo ist denn irgendetwas konsolidiert worden? Es gibt Umbauten in der Verwaltung. Beispielsweise hat der damalige Ministerpräsident Roland Koch bewusst die Staatsbauverwaltung getrennt. Ihr habt sie wieder zusammengelegt.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Was?)

Der damalige Justizminister hat Gerichtszusammenlegungen organisiert, die nicht fortgeführt worden sind. Die damalige Schulministerin hat ein Landesschulamt eingerichtet, damit weniger Bürokratie stattfindet. Sie haben es wieder aufgelöst. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie veranstalten doch keine Konsolidierungsmaßnahmen, sondern Sie verfrühstücken diese 5 Milliarden €. Das hat mit Nachhaltigkeit aber überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Das ist unambitioniert und ohne Elan. Langsam bin ich es auch leid, immer wieder hören zu müssen, dass die Vorschläge, die hier von der FDP oder den Sozialdemokraten unterbreitet worden sind, mit dem Schuldenabbaugesetz nicht in Einklang zu bringen seien.

(Norbert Schmitt (SPD): Quatsch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erklären Sie mir einmal, wie die Dr.-Thomas-Schäfer-Rücklage bei Ihrer

Argumentation denn mit dem Schuldenabbaugesetz in Einklang zu bringen ist. Das ist doch Hohn, was Sie da tun.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage es einmal sehr bildhaft. Wir wollen hinsichtlich des Überschusses des vergangenen Jahres eine Zweiteilung vornehmen. Die eine Hälfte geht – hören Sie bitte gut zu – in den Schuldenabbau, nicht in die Reduzierung der Kreditaufnahme. Die andere Hälfte soll Investitionen dienen, die unseren Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen, sei es im Bereich der Infrastruktur, des Straßenbaus, der Digitalisierung oder der frühkindlichen Bildung. Das sind derzeit die Mangelbereiche in unserem Land, und wir könnten das finanzieren.

Wer 5 Milliarden € mehr auf dem Konto hatte als 2013 eingeplant, der muss doch irgendetwas falsch gemacht haben, wenn das Geld nicht mehr vorhanden ist. Der muss es verfrühstückt haben. Nehmen Sie von dem Verfrühstücken endlich Abstand, und handeln Sie wie ein ordentlicher Kaufmann, betreiben Sie nachhaltige Politik.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Wo wurde das denn verfrühstückt? Völlig falsche Aussage!)

Lieber Walter Arnold, offenbar wissen noch nicht einmal Sie als haushaltspolitischer Sprecher, wo das ganze Geld geblieben ist. Ich habe das Gefühl, dass die Unionsseite gerade überrascht ist, weil ich Ihnen mitteile, dass Sie 5 Milliarden € mehr eingenommen haben

(Michael Boddenberg (CDU): Nein, nein! Ich komme gleich darauf zurück, keine Sorge!)

als im Jahr 2013 auf der Grundlage der Zahlen von Dr. Thomas Schäfer vorgesehen.

(Beifall bei der FDP)

Das überrascht Sie jetzt anscheinend. Offensichtlich haben Sie das bisher gar nicht zur Kenntnis genommen – wir aber schon.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie in der Finanzpolitik tun, ist so unambitioniert, dass ich das Gefühl habe, Sie denken noch immer kameral. Die Doppik wird zwar gemacht, und es entstehen dadurch hohe Kosten, sie ist Ihnen aber egal. Wir haben Ihnen das bei den Haushaltsberatungen ja bewiesen. Wir haben eine einzige doppische Zahl genommen und Ihnen diese zur Abstimmung gestellt. Wir haben gefordert, dass im Landesstraßenbau mindestens so viel investiert wird, wie wir an Abschreibungen in unserer Bilanz haben. Noch nicht einmal dazu waren Sie bereit, Herr Kollege Arnold, und dann erzählen Sie irgendetwas von nachhaltiger Politik.

(Beifall bei der FDP)

Fazit: Es war eine kluge Idee, eine Schuldenbremse einzuführen. Die Bürgerinnen und Bürger haben diese kluge Idee, die vor acht Jahren und einem Monat bei den Koalitionsverhandlungen von FDP und CDU im Kloster Eberbach geboren wurde, zu 70 % goutiert. Setzen Sie diese Idee aber bitte mit den neuen Zahlen um und nicht mit den alten Kamellen aus dem Jahr 2013. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Für eine Kurzintervention erhält Herr Kollege Boddenberg das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Hahn, zwei Bemerkungen. Zum einen gibt es überhaupt keinen Grund dafür, die Geschichte der letzten zehn Jahre – die der Koalition von CDU und FDP – hier außer Acht zu lassen. Ich glaube aber, Herr Kollege Arnold weiß sehr wohl, dass die FDP, wenn sie nach ihm spricht, nicht versäumt, darauf hinzuweisen, wie wir in dieser Zeit der Koalition finanzpolitisch agiert haben.

(Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich will noch einen zweiten Punkt anführen. Herr Kollege Hahn, Sie haben gesagt, dass Sie sich ärgern. Auch ich ärgere mich, wie und mit welcher Wortwahl Sie hier darüber sprechen, was mit den Mehreinnahmen passiert sei.