richtig sehen, auch im Verhältnis zur kommunalen Entlastung. Ich kann mich noch gut an einen Gesetzentwurf seitens der SPD-Fraktion im Hinblick auf eine Beitragsentlastung erinnern; sie ist ja letztendlich in der Systematik der Freistellung eines dritten Beitragsjahres geblieben. Schauen Sie sich daher einmal im Vergleich an, was an Entlastungen da ist und was von Ihnen an Zahlen im Hinblick auf die Gebühren genannt wurde; und dann setzen Sie das in Relation und fragen: An welcher Stelle wird wer wie hoch entlastet? Auf dieser Ebene können wir dann gern über weitere Schritte diskutieren. Man kann nämlich nicht den Eindruck erwecken, dass wir mit einer vollständigen Beitragsfreistellung das Leck schließen könnten, zwischen den 330 Millionen €, die 2015 aufgewendet worden sind, und den 2 Milliarden € an Gesamtkosten.
Nein, ich sage nur: Man muss in dieser Diskussion aufpassen, dass man nicht den Eindruck erweckt, dass dies das Ziel sei. Dieses wird man an keiner Stelle erreichen können.
Wenn ein Ziel die Entlastung ist, dann gehört zu einer soliden Diskussion, dass man wenigstens einmal sagt, woher man das Geld nehmen will, das dafür aufgewendet werden soll. Das ist bisher leider noch im Nebulösen. Die Diskussion werden wir in den nächsten Wochen und Monaten noch weiter führen.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, begrüße ich auf der Tribüne den Oberbürgermeister der Stadt Rüsselsheim, unseren früheren Kollegen Patrick Burghardt. Herzlich willkommen.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Opel Rüsselsheim: starker Standort für For- schung, Entwicklung und Produktion – Hessen steht weiterhin fest an der Seite der Opel-Beschäftigten) – Drucks. 19/4552 –
Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Opel und die weitere Entwicklung der hessischen Automobilindustrie – Drucks. 19/4566 –
Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Sicherung der Arbeitsplätze bei Opel ist für die hessische Wirtschaft von zentraler Bedeutung – Unternehmen benötigt zukunftsfeste Perspektiven – Drucks. 19/4568 –
Zunächst wird der Ministerpräsident das Wort erhalten. Ich möchte noch darauf hinweisen: Wir haben vereinbart, dass alle Fraktionen die gleiche Redezeit wie der Ministerpräsi
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Opel ist seit Generationen ein starkes Stück Hessen. Wir wollen alles dafür tun, dass es auch in Zukunft so bleibt.
Opel ist ein starker Standort für Forschung, für Entwicklung, für Produktion und Arbeitgeber für viele Tausend Menschen und ein herausragender Industriestandort für unser Land. Genau darum geht es, zu schauen, wie dies auch zukünftig gesichert werden kann.
Am Dienstag vor einer Woche wurden die Landesregierung und, wie sich später herausstellte, auch die Bundesregierung, aber auch die Unternehmensleitung von Opel, die Gewerkschaften und Betriebsräte völlig überrascht von der Meldung, General Motors wolle Opel verkaufen. Sofort kamen nicht nur bei den Beschäftigten Erinnerungen an die zurückliegenden Krisen, an die Verkaufsabsichten von General Motors aus früherer Zeit und die damit verbundenen Verunsicherungen und Veränderungen wieder hoch.
Die Landesregierung, vertreten durch mich und Herrn Kollegen Al-Wazir, hat bereits an diesem Dienstag selbst mit der Unternehmensleitung, also mit dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Dr. Neumann und mit Herrn Dr. SchäferKlug, den Gewerkschaften und mit dem Rüsselsheimer Oberbürgermeister, Herrn Burghardt, Kontakt aufgenommen, um zu erfahren, was eigentlich los ist.
Ich habe am gleichen Tag mit der Bundeskanzlerin telefoniert. Wir haben vereinbart, dass wir, Bundesregierung und Landesregierung – einen Tag später haben wir das auch gemeinsam mit Rheinland-Pfalz und Thüringen getan, dort sind zwei weitere Standorte –, uns nicht nur gegenseitig informieren, sondern auch eng abstimmen, wie es weitergehen soll.
Am vergangenen Mittwoch, also Mittwoch vor acht Tagen, gab es unter Führung der Bundeswirtschaftsministerin die erste gemeinsame Runde mit der Unternehmensleitung, mit den Betriebsräten und den drei Ministerpräsidenten, um abzustimmen, wie wir in diesem Prozess miteinander vorgehen. Die Bundesregierung hat Wirtschaftsstaatssekretär Machnig zum Koordinator auf der Ebene der Bundesregierung ernannt.
Wir haben vor zwei Tagen gemeinsam bei Opel die Dinge sehr intensiv erörtert und uns verständigt, wohin wir wollen. Am Nachmittag habe ich mich noch einmal mit der Bundeskanzlerin verständigt. Das ist bekanntlich der Tag gewesen, an dem der Chef von Peugeot, Herr Tavares, mit der Bundeskanzlerin gesprochen hat.
Meine Damen und Herren, inzwischen sieht man klarer. General Motors und Peugeot bzw. PSA haben ihre Verkaufsabsicht bestätigt. Ich gehe davon aus, dass in sehr überschaubarer Zeit eine grundsätzliche Vereinbarung zwischen diesen beiden Konzernen getroffen wird. Das ist das berühmte Signing, nichts anderes als eine Art Grundvertrag, dass man sich verständigt hat, diesen Verkauf zu vollziehen. Nach meiner Einschätzung wird es dann einige Monate dauern, in denen die konkreten Verhandlungen
stattfinden, bis es zu dem sogenannten Closing kommt, bei dem man dann weiß, was konkret vereinbart wird.
Genau da setzt es ein. Genau in dieser Zeit muss alles getan werden, damit der Standort Rüsselsheim und natürlich auch die anderen Standorte nicht nur bis 2020, sondern auch über 2020 hinaus eine Zukunft haben, in der dieses Unternehmen wettbewerbs- und zukunftsfähig ist.
Ganz wichtig und für die Beschäftigten natürlich von überragender Bedeutung ist die Frage: Was wird aus ihren Arbeitsplätzen? – Für mich erfreulich, ich denke, für alle anderen auch, ist, dass es am vergangenen Montag zwischen dem europäischen Betriebsrat von Opel, dem Vorsitzenden der IG Metall und Herrn Tavares eine Begegnung gab, in der PSA versicherte, dass man die bisherigen Vereinbarungen, also das, was General Motors bisher für Opel zugesagt hat, einhalten und übernehmen wolle. Das ist aus unserer Sicht zwingend, aber keineswegs selbstverständlich, wenn es um eine solche Großtransaktion geht.
Wenn wir uns das näher anschauen, sehen wir, es geht um den Kündigungsschutz und um Investitionsverpflichtungen. Ich gehe davon aus, das ist auch die allgemeine Meinung von den Gewerkschaften bis zur Bundesregierung, dass es ernst gemeint ist, wenn PSA sagt: Wir übernehmen diese Verpflichtungen. – Das ist schon einmal gut. Das führt auch zu einer gewissen Beruhigung.
Wichtig ist die Frage: Was passiert nach 2020? – Meine Damen und Herren, deshalb ein Blick auf die Gesamtsituation. Die Automobilindustrie ist in einem dramatischen Umbruch. Sie muss gleichzeitig eine ganze Reihe von Herausforderungen stemmen, die ein einzelnes Unternehmen in aller Regel nicht alleine stemmen kann.
Zur allgemeinen Erinnerung, das ist auch die Abteilung Politik: Wenn wir z. B. Vorgaben machen, dass der Schadstoffausstoß immer geringer werden soll, dann muss vorhandene Technik auf immer höherem Niveau entwickelt werden. Das gilt sowohl für die Ottomotoren wie auch für die Dieselmotoren. Das bedeutet hohe Aufwendungen in die bisherige Technik.
Es kommt aber noch etwas hinzu. Jeder weiß, dass sich die Zukunft der Automobilindustrie verändern wird. Es ist nur noch nicht so ganz klar, wohin. Wir reden von Elektromobilität, von einer Batterietechnik, von Brennstoffzellentechnologie, von Hybridtechnologie – dies alles gleichzeitig und alles nebeneinander. Obendrauf steht die große Herausforderung der Digitalisierung, Stichwort: selbst fahrendes Auto.
Jede dieser Entwicklungen macht Milliarden Euro an Investitionen erforderlich, die kein normales Unternehmen alleine stemmen kann. Das kann Opel nicht, und nach allgemeiner Einschätzung auch PSA nicht. Daraus ergibt sich dann eine Chance. Wenn die beiden zusammengehen, wird daraus der zweitgrößte Automobilkonzern Europas. Sie erreichen eine Größe, mit der sie diese Herausforderungen stemmen können, neben vielen anderen Fragen mehr.
Wenn man sich das anschaut und insbesondere intensive Gespräche geführt hat, wie ich, dann kann man sagen: Die Stimmung bei Opel ist heute komplett anders, als sie vor einigen Jahren war, als es auch um die Zukunft von Opel ging. Seinerzeit herrschte Panik, teilweise Verzweiflung. Das ist heute anders.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Unternehmensleitung sind der Auffassung, dass hier Chancen
bestehen. Niemand wird mit Sinn und Verstand davon ausgehen dürfen, dass sich gar nichts verändert. Mit oder ohne Verkauf würden sich die Dinge verändern. Deshalb will ich mich nicht bei den Untergangspropheten beteiligen, die in regelmäßiger Reihenfolge immer wieder erklären, wie viele Tausend Arbeitsplätze das alles kosten wird und welche Standorte geschlossen werden.
Meine Damen und Herren, das sind letztlich Spekulationen, da tröstet mich auch kein Expertentum. Uns kann es nicht darum gehen, das Elend zu beschreiben, und es kann auch nicht darum gehen, die Menschen zu verunsichern.
Es muss darum gehen, einen nüchternen Blick zu bewahren und die Stärken, die Opel hat, entsprechend zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, im Rahmen einer Aktuellen Stunde und mit begrenzter Redezeit will ich nur einen Hinweis geben.
Das Entwicklungszentrum, das wir in Rüsselsheim haben, ist das größte der Welt von General Motors. Dort arbeiten 7.000 Ingenieure. 3.000 davon arbeiten zurzeit nur für General-Motors-Produkte. Es wird noch Jahre dauern, bis man Opel aus dem Konzern General Motors herausgelöst und sozusagen in die neue Zukunft integriert hat. Auf beiden Seiten des Atlantiks werden noch jahrelang Autos gebaut und aus ihren Komponenten zusammengesetzt, die immer noch unter General Motors laufen. Das wird Jahre dauern.
Hier sind viele Experten. Wenn Sie sich allein einmal vorstellen, wie kompliziert es ist, die IT von zwei Weltkonzernen irgendwie kompatibel zu machen, darf man davon ausgehen, dass da noch eine Menge Zeit vergeht. Trotzdem ist die Herausforderung gewaltig.
Warum ist das Entwicklungszentrum so wichtig? – Ich mag mir nicht vorstellen – egal, wie das am Ende im Einzelnen aussieht –, dass ein Konzern, der auf Zukunft setzt – und warum sollte es PSA sonst überhaupt machen? – so töricht wäre, das Herzstück, das wertvollste Stück der Zukunftsgestaltung, zu opfern. Motoren zusammenschrauben können Sie überall auf der Welt. Aber forschen, moderne Technologie und moderne Werkstoffe entwickeln und das in exzellenter Weise zusammenführen braucht viel Expertise und viel Erfahrung, viel Know-how und diese exzellenten Ingenieure, die wir dort haben. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass Rüsselsheim und Opel auch eine Zukunft über 2020 hinaus haben. Dafür wollen wir werben, und das wollen wir unterstützen. Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft dieses Tages.
Es wird einigen von Ihnen so gehen wie mir: Ich werde permanent gefragt, im Fernsehen und anderswo: Was kann denn die Politik überhaupt machen? – Damit es klar ist: Wir sollten uns nicht wichtiger nehmen, als wir sind. Wir können keine Autos bauen. Wir sollten es auch nicht versuchen. Wir könnten wahrscheinlich auch nicht sehr gut einen Weltkonzern führen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Aber drei Dinge können wir tun:
Erstens. Wir können allen Betroffenen unsere Solidarität vermitteln und ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind.
Zweitens. Wir können darauf dringen und deutlich machen, dass wir erwarten, dass die Vereinbarungen, die es gibt, eingehalten werden und dass die weiteren Verhandlungen nach dem deutschen Mitbestimmungsrecht zu vollziehen sind.
Ich habe das Gefühl – und nicht nur ich –, dass es klug sein wird – und Herr Tavares scheint genau diesen Weg zu gehen –, diesen Transformationsprozess nicht nur für die beiden Unternehmen, sondern in einer ganzen Schlüsselindustrie nicht gegen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, sondern mit den Arbeitnehmern zu machen und auch mit denen, die vor Ort eine gewisse Verantwortung tragen. Denn die Herausforderungen sind gigantisch.
Drittens. Was kann Politik tun? – Politik macht eine ganze Menge. Wir setzen Rahmenbedingungen. Man kann sie für richtig oder falsch halten. Aber wir setzen sie. Wer technologische Standards vorschreibt, wer eine ständige Reduzierung der Schadstoffemissionen vorschreibt, der macht Politik. Das wollen wir. Wir können nicht auf der einen Seite über die Rettung des Klimas reden und auf der anderen Seite außer Acht lassen, was das ganz konkret bedeutet.