Protokoll der Sitzung vom 23.02.2017

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn die Steuereinnahmen höher sind und die Entlastung durch den Bund größer ist, wird man über die Prioritätensetzung natürlich neu diskutieren.

Für die GRÜNEN ist es ganz wichtig, dass wir den KiföGBericht ernsthaft evaluieren und herausfinden, welchen Nachsteuerungsbedarf es bei der Betreuungsqualität gibt. Auch das wird es nicht zum Nulltarif geben. Auch das wird man nebeneinander auf den Tisch legen und abwägen müssen: Ist es uns wichtig, jetzt bedeutende Schritte bei der Qualitätsverbesserung zu gehen, oder ist es uns wichtig, schon jetzt eine Kostenfreiheit anzustreben? – Über all das wird an dieser Stelle zu diskutieren sein.

Aus heutiger Sicht haben wir, die Koalition von CDU und GRÜNEN, uns für Folgendes entschieden: Ausbau von Quantität und Qualität, bessere Bildung und Betreuung von Anfang an. Das werden wir jetzt machen. Wir treten jetzt in die Diskussion über das KiföG ein. Daran wird sich die Koalition beteiligen. Ich bin mir sicher, wir werden bei der Qualität noch Wege der Nachsteuerung finden, und ich bin mir sicher, früher oder später wird es auch um die Kostenfreiheit gehen. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Kollege Bocklet. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich etwas nicht machen will, finde ich immer eine Begründung dafür, warum ich es nicht tun will. Ob diese der Wahrheit entspricht oder ob ich mir gerade irgendeinen Vorwand ausdenke, ist für andere schwer zu durchschauen. Herr Bocklet, wenn aber, wie Sie es gerade getan haben – Ihre Kollegin hat das in der Vergangenheit auch schon so gemacht –, über Quantität und Qualität versus Kosten und Kostenübernahme durch das Land debattiert wird, ist das fadenscheinig; denn es ist doch nicht so, dass sich die Qualität durch Ihr KiföG sehr verbessert hat. Ganz im Gegenteil, Sie müssen sich einmal anhören, was Ihnen die Menschen erzählen, die vor Ort die Arbeit machen.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber Sie waren gar nicht bei der Veranstaltung. Wissen Sie, derzeit finden Veranstaltungen statt, in denen über die Evaluation gesprochen wird und in denen viele Menschen zusammensitzen: die Vertreter von Trägern, von Kommunen und in den Einrichtung arbeitenden Menschen. Da glänzen die Regierungsfraktionen durch Abwesenheit.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Er hört gar nicht zu!)

Er hört wieder nicht zu; denn zuzuhören fällt ihm extrem schwer.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Bocklet, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie gehört, was aus den Kinderkrippen berichtet wird.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist immer das Gleiche, was Sie erzählen!)

Nein, es kann gar nicht das Gleiche sein;

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenrufe von der LINKEN)

denn es ist eine völlig neue Situation, dass die Gruppen kleiner Kinder voll besetzt werden und dass es keine Eingewöhnungszeit mehr gibt – früher hat man sich gesagt, dass man sich für jedes einzelne Kind Zeit nimmt; bei den Einjährigen könne jeweils nur ein Kind pro Gruppe hinzukommen –, weil der Druck, den Sie über Ihr KiföG dahin gehend ausgeübt haben, dass die Gruppen bis zum Stichtag möglichst voll sind, so hoch ist, weil es hier keine Refinanzierung gibt, dass zulasten der Kinder, zulasten des Personals und damit zulasten der Eltern gearbeitet werden muss. Sich hierhin zu stellen und zu sagen: „Wir verbessern die Qualität, und deswegen können wir die Kommunen nicht noch mehr entlasten“, ist ein fadenscheiniger Vorwand. Das ist einfach nur eine Begründung dafür, weshalb Sie es nicht machen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hätten sich Ihre Redezeit sparen und sagen können: Wir wollen es nicht; wir setzen andere Prioritäten in diesem Land. – Aber das machen Sie nicht. Wenn ich mir anhöre, wie Sie damit umgehen, dass die Kommunen hochgradig belastet sind und dass ein enormer Teil dieser kommunalen Belastungen der ist, Kitas zu finanzieren, sage ich: Auch das ist etwas ganz anderes als das, was die Kommunen erleben.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Oh!)

Auch da hören Sie nicht zu. Sie haben in der Anhörung nicht zugehört, und Sie haben in der Anhörung keine Fragen gestellt. Sie haben den Vertretern der Kommunen nicht zugehört, die gesagt haben: Ja, es würde uns enorm entlasten. – Sie haben auch nicht zugehört, als es darum ging, was für ein Aufwand es ist, mit den Gebühren und dieser ganz unglaublich komplizierten Rechnerei im KiföG umzugehen. Sie hören nicht zu, weil es Sie nicht interessiert. Sie haben jetzt, da Sie Teil der Regierung sind, einem Gesetz zugestimmt, das Sie vorher abgelehnt haben. Sie finden es jetzt gut, Sie verteidigen es immer wieder, und Sie haben es auch heute verteidigt, weil Sie jetzt Teil eines Ganzen sind, das Ihnen wichtiger als die Inhalte ist, nämlich der Regierung.

(Beifall bei der LINKEN – Marcus Bocklet (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das Gesetz ist vorher in Kraft getreten!)

Ja, es ist vorher gemacht worden. Aber Sie hätten die Möglichkeit gehabt, ihm nicht wieder zuzustimmen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Gesetz ist vorher in Kraft getreten!)

Ja, Sie haben ihm nicht zugestimmt. Aber Sie verteidigen es in jeder Situation bis aufs Blut. Das heißt, es geht Ihnen nicht um dieses Gesetz, sondern einfach nur darum, Teil dieser Regierung zu sein.

(Beifall bei der LINKEN – Marcus Bocklet (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön!)

Leider muss ich an der Stelle aber sagen: Auch ich weiß nicht genau, worum es der SPD geht. Wir haben hier nämlich ein Jahr lang anhand von zwei Gesetzentwürfen darum gerungen, wie man die Situation in den Kommunen und für die Eltern verbessern kann. Da gab es unseren Entwurf, in dem es hieß: Wir können die Kommunen und die Eltern enorm entlasten, indem wir die Gebühren für die Eltern abschaffen. – Wenn Ihnen der eine oder andere Punkt an dem Gesetz nicht gefallen hat oder untragbar erschienen ist, hätte es die Möglichkeit gegeben, darüber zu reden, ihn gemeinsam zu verändern und so zu gestalten, dass wir es hier mit viel mehr Nachdruck von einer größeren Opposition und mit viel mehr Nachdruck von einer größeren Gruppe von Menschen zu tun gehabt hätten, mit deren Hilfe wir ihn hier hätten vertreten können.

Das haben Sie dezidiert nicht getan. Sie haben diesen Gesetzentwurf abgelehnt. Sie haben vor vielen Wochen in diesem Haus den Gesetzentwurf abgelehnt, um hier und heute eine Aktuelle Stunde zu beantragen, die frei von Vorbereitungsarbeit war, um zu sagen: Wir wollen an dieser Stelle eine Veränderung. – Wo und wie wollen Sie diese Veränderung denn haben, nachdem wir ein Jahr lang hier beraten haben? Dann können wir auch sagen: Wir repetieren und repetieren. – Das führt uns nicht weiter, wenn man es nicht wirklich so meint.

Es gibt auch eine Geschichte, von der man sagt – –

(Gerhard Merz (SPD): Frau Kollegin, Sie sagen seit einem Jahr das Gleiche!)

Es gibt auch die Möglichkeit, links zu blinken und rechts abzubiegen.

(Gerhard Merz (SPD): Ei, ei, ei!)

Das, was Sie hier tun und sagen, geht einfach auseinander, und zwar ganz weit. Ich kann nicht mehr nachvollziehen, warum das hier auf diese Weise läuft.

Ich möchte mit einem Zitat von Nelson Mandela schließen:

Eine Gesellschaft offenbart sich nirgendwo deutlicher als in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern umgeht …, die in einer jeden Gesellschaft zugleich die verwundbarsten Bürger und deren größter Reichtum sind.

Das ist das Motto unserer Tagung zu Kinder- und Jugendrechten, die am 25. März in Frankfurt stattfindet. Sie sind alle herzlich eingeladen, sich dort an der Debatte mit den Expertinnen und Experten zu beteiligen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der festen Überzeugung, dass dies ein Thema ist, das man im Grunde genommen in jeder Plenarrunde ausgiebigst debattieren kann, zeigt es doch, dass sich alle mit der Frage auseinandersetzen: Wie schaffen wir es, diejenigen, die die Zukunft unserer Gesellschaft darstellen, bestmöglich in diese Zukunft zu führen? Dazu gehören selbstverständlich auch Kinderbetreuungseinrichtungen. Aber das ist ein Punkt, den ich in der Argumentation des Kollegen Rock nie so richtig verstehe; denn Kinderbetreuungseinrichtungen sind keine Einrichtungen, die dafür Sorge tragen, dass Eltern Einkommen erwirtschaften, damit sie wiederum Steuern bezahlen.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wer eine so verkürzte Sichtweise in Bezug auf die Aufgaben von Kinderbetreuungseinrichtungen hat, wird meines Erachtens dem umfassenden Inhalt, auch dem pädagogischen, dem bildungspolitischen Inhalt von Kindertagesstätten nicht gerecht. Auch verstehe ich eine solche Diskussion nur schwer, weil wir vor einigen Jahren in der Tat gemeinsam intensiv darum gerungen und dafür gekämpft haben, wie man mit einem Kinderförderungsgesetz insbesondere auch Fragen der Qualität in die Arbeit der Kindertagesstätten mit einbringen kann.

Ich finde, darauf gehört auch ein Blick, wenn es um die Fragestellung geht: Bildung von Anfang an. Dabei stellt sich die Frage: Welche Inhalte versuchen wir denjenigen, die die Bildungsarbeit machen, tatsächlich an die Hand zu geben? Wir sind lange und intensiv in der Überlegung gewesen, ob wir beispielsweise die Arbeit nach dem Bildungs- und Erziehungsplan – diesen haben wir zwischenzeitlich seit zwölf Jahren; das ist ein etabliertes Instrument – verpflichtend machen können oder nicht. Es ist klar gesagt worden, auch von den Trägern von Kindertagesstätten: Nein, wir wollen nicht, dass es verpflichtend gemacht wird. – Also haben wir einen finanziellen Anreiz gesetzt, damit Kindertagesstätten danach arbeiten. Auch dies war in der damaligen Diskussion um dieses Gesetz konsensfähig, als es um solche Qualitätspauschalen gegangen ist. Letztendlich ist festzustellen, dass das ein echtes Erfolgsmodell ist, auch da man sieht, wie viele Fachkräfte die kostenfreien Fortbildungsangebote wahrnehmen. In den Kindertagesstätten werden diese Bildungsansätze also schon längst gelebt.

Dann ist natürlich auch klar, wenn ein Evaluationsbericht vorliegt – ja, das ist ein Auftrag, den der Gesetzgeber der Landesregierung gegeben hat; der Evaluationsbericht ist von einem Institut erarbeitet worden, das kann man nicht häufig genug sagen, und wird von uns letztlich breit verteilt; man kann ihn auch im Internet einsehen –, dass es in den rund 500 Seiten auch Passagen gibt, von denen man sagen kann: Die nehmen wir jetzt heraus, weil sie ein Stück weit unsere Argumentationslinie unterstützen. – Wenn man sich aber dann hier hinstellt und sagt: Aufgrund des KiföG ist ein Zwang entstanden, die Gruppen bis zur Grenze zu vergrößern, wie es gerade Frau Schott gemacht hat, dann hat sie schlicht und einfach den Bericht nicht gelesen, oder aber sie will ihn nicht verstehen.

(Beifall bei der CDU)

Der Bericht besagt ausdrücklich, dass es an keiner Stelle zu einer Veränderung der Gruppengröße gekommen ist. Auch dies ist keine Feststellung der Landesregierung, sondern die eines Instituts auf der Grundlage der Befragungen. Sie waren in vielen Teilen mit dabei. Ich finde, das ist auch ein Punkt, wo man sagen kann, ja, das hat der Bericht auch herauskristallisiert: Was ist mit der Umsetzung einer Inklusionsvereinbarung zwischen der Liga auf der einen Seite und den kommunalen Vertretern auf der anderen Seite und damit mit einer Verringerung der Gruppengröße? – Ja, diese Vereinbarung wird von den Vereinbarungspartnern nicht eingehalten. Wir werden uns überlegen müssen, wie wir damit umgehen, weil es nämlich besonders schützenswerte Kinder sind, die mit betroffen sind.

Für mich als Teilnehmer eines runden Tisches war es schon sehr erstaunlich, wie wortreich die Vereinbarungspartner versucht haben, zu erklären, dass sie mindestens ein Kindergartenjahr Anpassungszeit brauchen, um letztendlich eine gemeinsam geschlossene Vereinbarung umzusetzen. Dies müsste im übertragenen Sinne dann auch für alles andere gelten. Dann sind wir irgendwann beim Verwaltungsaufwand und bei vielem anderen mehr. – Natürlich haben wir auch festgestellt, dass es mehr Verwaltungsaufwand gegeben hat. Aber das ist doch selbstverständlich, wenn ich ein System umstelle und erstmalig in einen neuen Bereich komme.

Dann stellt sich aber auch die Frage: Wie sieht es mit den Gebühren und Kosten aus? Wie gehen die Kommunen mit verschiedenen Sachen um? Dazu empfehle ich Ihnen, noch einmal den Evaluationsbericht zu lesen. Wenn ein Bürgermeister erklärt, dass er im Sinne des Gesetzes die Vorgaben des Gesetzes als Mindest- und nicht als Maximalvoraussetzungen sehe, seine bisher gegebenen Leistungen weiter fortführe, in der Bürgermeisterdienstversammlung aber von seinen Bürgermeisterkollegen sozusagen in eine Ecke gestellt werde, unter dem Gesichtspunkt: „Das musst du doch gar nicht machen. Warum machst du das denn überhaupt?“, dann zeigt dies, dass es keine Frage der Wirkung eines Gesetzes ist, sondern des Umsetzens von Mindestvoraussetzungen in kommunales Handeln. Solange ich, unter dem Deckmantel des KiföG wegschleichend, versuchen kann, Leistungen einzuschränken, die ich vorher gegeben habe, mag das ein gängiger Weg sein; dieser hat aber nichts mit einer Sonderbelastung der Kommunen zu tun. An der Stelle gibt es andere Möglichkeiten der Entlastung als die Fragestellung, die Sie eben aufgeworfen haben.

(Beifall bei der CDU)

Noch ein Letztes dazu. Das war eine der Grundvoraussetzungen – darüber müssen wir doch gar nicht reden –, warum wir das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt haben; denn wir wollten den Übergang von der Kindertagesstätte in die Schule, die Vorbereitung für die Schulzeit, stärken und mit dieser Beitragsfreiheit einen Anreiz setzen, dass Kinder in die Kindertagesstätte gehen. Man kann darüber diskutieren, ob das der richtige Weg ist. Da bin ich auch gern dabei. Sie wissen, dass ich in manchen Diskussionen sage: Aufgrund der Erfahrungen hätte man eigentlich das erste Kindergartenjahr beitragsfrei stellen müssen und können.

Wenn es aber um Entlastungen geht, muss man natürlich das, was bisher an Vorlagen vorgelegt worden ist, immer

richtig sehen, auch im Verhältnis zur kommunalen Entlastung. Ich kann mich noch gut an einen Gesetzentwurf seitens der SPD-Fraktion im Hinblick auf eine Beitragsentlastung erinnern; sie ist ja letztendlich in der Systematik der Freistellung eines dritten Beitragsjahres geblieben. Schauen Sie sich daher einmal im Vergleich an, was an Entlastungen da ist und was von Ihnen an Zahlen im Hinblick auf die Gebühren genannt wurde; und dann setzen Sie das in Relation und fragen: An welcher Stelle wird wer wie hoch entlastet? Auf dieser Ebene können wir dann gern über weitere Schritte diskutieren. Man kann nämlich nicht den Eindruck erwecken, dass wir mit einer vollständigen Beitragsfreistellung das Leck schließen könnten, zwischen den 330 Millionen €, die 2015 aufgewendet worden sind, und den 2 Milliarden € an Gesamtkosten.