Es wäre nicht das erste Mal, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Erfahrung machen, dass es nicht um den Zusammenschluss von zwei Gleichen geht und dass es nicht um ein Projekt geht, bei dem am Ende der Zugewinn und der Nutzen für beide steht, sondern dass es um ein Projekt geht, bei dem sich der eine einen Vorteil zulasten des anderen verschafft.
Diese Sorgen sind berechtigt. Deshalb war es auch gut, dass in den vergangenen Tagen über diese Sorgen gesprochen wurde. Deshalb ist es auch gut, dass die ersten Zeichen, die wir von PSA haben, ein anderes Signal senden, nämlich dass man wirklich einen Zusammenschluss von zwei Unternehmen zum Nutzen beider haben will. Das sind erste wichtige Signale bei diesem Prozess. Entschieden ist das aber noch keinesfalls.
Deshalb ist es wichtig, dass dieser Prozess auch von politischer Seite begleitet wird. Die Unternehmensführung von Opel, aber vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen wissen, dass die deutsche Politik und die hessische Politik auf ihrer Seite stehen. Sie wollen die Standorte in Hessen, in Deutschland und in Europa erhalten.
Es ist wichtig, dass wir das tun. Denn die französische Regierung macht das auch. Wir sollten nicht so tun, als sei das ein Prozess, aus dem sich die französische Regierung völlig heraushalten würde. Der französische Staat ist Anteilseigner bei PSA. Deshalb ist es gut, dass auch wir unseren Beitrag leisten, die Sorgen der Beschäftigten bei Opel
zu minimieren, und unseren Beitrag dazu leisten, dass es ein fairer Zusammenschluss von zwei Unternehmen wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Timon Gremmels (SPD))
Vor diesem Hintergrund empfinde ich es als ziemlich zynisch, dass einige politische Mitbewerber, aber auch Leute, die uns beobachtend begleiten, die Frage aufwerfen, warum sich die Politik mit diesem Thema beschäftigt. Sollen wir die Sorgen der Menschen in diesem Land ignorieren? Soll der Hessische Landtag schweigen, wenn sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Opel fragen, was da gerade passiert? Hat diese globalisierte Welt und hat dieser Unternehmenszusammenschluss irgendetwas mit mir zu tun? Oder werde ich hier Opfer von Interessen, die mit mir gar nichts zu tun haben? Soll die Politik, soll die Interessenvertretung der Bürgerinnen und Bürger dazu schweigen?
Ich meine Nein. Wir müssen klar Position beziehen. Wir sollten uns nicht überhöhen. Wir sollten nicht so tun, als seien wir in diesem Prozess die Entscheider. Wir sollten die Verantwortlichkeiten klar benennen. Die Verantwortung liegt bei den Unternehmensführungen von General Motors, von Opel und von PSA.
Aber wir dürfen doch als politische Menschen und als Interessenvertreter der Menschen unseres Landes eine Meinung dazu haben. Wir dürfen auch alles – und ich finde, wir müssen auch alles – dafür tun, dass die Interessen der Beschäftigten bei Opel gewahrt werden.
Deshalb sage ich: Man darf vorsichtig optimistisch sein, dass die Anstrengungen, die ergriffen wurden, und die Zusagen, die PSA bislang gegeben hat, tatsächlich dazu führen werden, dass das ein Zusammenschluss auf Augenhöhe und zum Nutzen beider werden wird.
Das muss es auch werden. Opel war und ist auf einem guten Weg mit der neuen Unternehmensstrategie. Es ist nicht der Unternehmensführung und schon gar nicht den Beschäftigten von Opel anzulasten, dass diese Strategie, die auf einem erfolgreichen Weg war, durch das Votum der Briten, mit dem Brexit die Europäische Union zu verlassen, einen erheblichen Rückschlag erlitten hat. Natürlich hat das Auswirkungen auf Absatzmärkte und auf die Standorte von Opel in Deutschland und Hessen. Wenn die Leute manchmal fragen: „Was hat diese Europäische Union denn eigentlich mit uns zu tun?“, dann sieht man genau an diesem Beispiel, dass sie sehr viel mit uns zu tun hat, weil der Brexit die Chancen von Opel, ihre erfolgreiche Strategie zu verwirklichen, minimiert hat. Das müssen wir in dieser Debatte einmal klarstellen. Meine Damen und Herren, mehr Europa und der Zusammenhalt von Europa sind eine Chance für Opel. Manche Schwierigkeit, die jetzt entstanden ist, wäre vielleicht nicht so ausgeprägt aufgetreten.
Diese Debatte wirft – gerade was die über- und supranationale Zusammenarbeit angeht – sehr spannende und grundsätzliche Fragen auf. Wir haben in Deutschland in den vergangenen Jahren aus guten Gründen eine Haltung vertreten, dass sich die öffentliche Hand – der Staat – aus privat
wirtschaftlichen Unternehmen zurückgezogen hat. Ich sage ausdrücklich: Wir haben das aus guten Gründen gemacht. Wir haben aus guten Gründen eine Politik vertreten – Kollege Michael Boddenberg hat darauf hingewiesen –, die auf einen freien und fairen Welthandel gesetzt hat. Das war ausdrücklich richtig. Wir sollten aber schauen, was gerade andere Akteure in diesem Welthandelt tun. Wir sollten nicht aus dem Blick verlieren, dass der französische Staat an PSA Peugeot nicht unerheblich beteiligt ist. Wir sollten ebenfalls nicht aus dem Blick verlieren, dass das chinesische Staatsunternehmen Dongfeng auch an Peugeot beteiligt ist. Hier ist es wieder die Aufgabe, politisch wachsam zu sein. Wenn wir uns am Ende zurückhalten oder – wie mancher politischer Beobachter meint – die Politik gar nichts dazu sagen sollte, aber gleichzeitig der Einfluss anderer Staaten über Staatsbeteiligungen an diesen Unternehmen zunimmt,
dann haben wir nichts gewonnen. Das hat dann auch nichts mit einem fairen und freien Welthandel zu tun.
und aufzupassen, dass unsere Haltung, uns aus privatwirtschaftlichen Unternehmen zurückzuziehen, am Ende nicht dazu führt, dass die Chinesen den Einfluss auf diese Unternehmen haben
und uns Technologiefortschritte, die wir haben, vielleicht verloren gehen. Das gehört auch in eine politische und ökonomische Debatte über Opel.
In diese Debatte gehört natürlich auch – das haben die Kollegen Vorredner schon angesprochen – die Frage nach der Zukunft der Automobilindustrie. Deutschland ist das Land, in dem das Automobil erfunden wurde und in dem die Automobilindustrie eine große, lange und sehr erfolgreiche Tradition hat. Diese erfolgreiche Tradition hat die Automobilindustrie in Deutschland, weil sie immer etwas kreativer und innovativer war und die Tüftler in Deutschland immer ein bisschen besser waren. Das hat den Vorsprung der deutschen Automobilindustrie ausgezeichnet. Das wird und muss den Vorsprung der deutschen Automobilindustrie auch weiterhin auszeichnen; denn Deutschland als hoch entwickeltes Land wird den Wettbewerb allein um Arbeits- und Produktionskosten wahrscheinlich nicht gewinnen können. Unser Wettbewerbsvorteil – das, was wir beitragen können und was unsere Produkte auszeichnet – sind die Innovation und das Faktum, dass wir an technischen Prozessen und an gesellschaftlichen Entwicklungen näher dran sind. Das ist der Vorteil, der die deutsche Automobilindustrie wettbewerbsfähig gehalten hat und weiterhin wettbewerbsfähig halten wird.
Deshalb sind solche Themen wie Elektromobilität, Automobilkonzerne als Mobilitätsdienstleister, die Entwicklung rund um die Brennstoffzelle und emissionsarme oder -freie Autos natürlich aufgerufen. – Das ist die Zukunft der Automobilindustrie. Diesen technologisch extrem anspruchsvollen Themen muss sich die Automobilindustrie widmen.
Sie widmet sich ihnen auch, weil hier der entscheidende Wettbewerbsvorteil liegt. Hier können wir besser sein und früher als andere Antworten geben. Meine Damen und Herren, hier können wir mit der Innovation einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die deutsche Automobilindustrie und die Arbeitsplätze bei uns und in Europa erhalten bleiben.
Wer glaubt, mit dem Festhalten am Bestehenden und dem Festhalten am Verbrennungsmotor sowie der bisherigen Technik sei und werde schon alles gut, der verkennt völlig die ökologische Herausforderung, vor der der Individualverkehr steht.
Die GRÜNEN haben schon vor 30 Jahren gesagt: Was würde passieren, wenn alle Chinesen Autos mit den gleichen Emissionswerten – von vor 30 Jahren – fahren?
Herr Kollege Schäfer-Gümbel ruft dazwischen: „Das geht gar nicht!“ Das haben wir vor 30 Jahren schon gesagt.
Die heutige Situation ist: Alle Chinesen schicken sich an, Auto zu fahren. Es ist auch ihr gutes Recht, dass sie an Mobilität teilhaben wollen. Sie sehen aber auch die Probleme, die das mit sich bringt. Ich glaube nicht, dass China und andere Staaten unsere Fehler wiederholen wollen. Nein, sie werden die Produkte kaufen, die diese Fehler nicht wiederholen und die Antworten auf die Schadstoffprobleme geben, die man in den Riesenstädten Chinas heute schon hat. Auch deshalb ist es der richtige Weg, dass die deutsche Automobilindustrie einmal mehr die innovativste Automobilindustrie ist. Wir glauben nicht, dass wir den Wettbewerbskampf allein über niedrige Arbeitskosten werden gewinnen können. Meine Damen und Herren, es muss um Innovation gehen.
Weil es um Innovation geht, hat Opel bei dieser Übernahme auch gute Chancen – ich möchte das einmal betonen –, diese tatsächlich als Partner unter Gleichen zu gestalten. Wir haben in Rüsselsheim mit dem Entwicklungszentrum genau die Kompetenzen für diese Technologien, um für diesen Prozess in die Zukunft des Automobils zu schauen.
Diese Neuaufstellung und die Produktstrategie des Unternehmens wurden in den letzten Jahren von der Unternehmensführung und dem Betriebsrat entwickelt. Das muss jetzt Früchte tragen und darf nicht verloren gehen. Das hat Opel beizutragen. Wenn das tatsächlich in den gemeinsamen Konzern eingebracht wird, wenn wir als Politik das leisten, was wir leisten können, ohne uns zu überhöhen, dann kann das ein Zusammenschluss zum Nutzen von beiden sein. Meine Damen und Herren, daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten. Wir sollten das heute in diesem Landtag mit dem Abstimmungsverhalten zu unserem Antrag auch zum Ausdruck bringen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Wagner, es ist richtig, dass uns das Thema Opel hier nicht zum ersten Mal beschäftigt. Ich freue mich, dass Volker Hoff heute da ist. Wir haben in einer Zeit der Krisen versucht, nach einer langen Diskussion der damals von CDU und FDP geführten Landesregierung, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Opel nach der Insolvenz des Mutterkonzerns GM in einer Situation bleiben kann, die den Fortbestand der Produktion der Marke Opel gewährleistet. Damals ist aber auch – die Kollegen erinnern sich an die Diskussion – durch den Versuch des Verkaufs an Magna probiert worden, eine Eigenständigkeitsstrategie zu unterstützen.
Ich sage für meine Fraktion sehr offen, wir waren damals an vielen Stellen skeptisch; die Kollegen können sich vielleicht noch erinnern. Wir haben uns damals auf das Minimum geeinigt, was möglich war. Ich glaube aber im Nachhinein, dass es kein Fehler war, diese Bürgschaft zu übernehmen. Heute müssen wir aber die Diskussion führen. Deshalb bin ich nicht gerade sehr begeistert über das, was wir hier diskutieren. Nicht, dass wir das bedauern würden nach dem Motto: „Das ist alles nicht schön“, oder „Wir haben Sorgen“. Die Sorge teilen wir. Meine Damen und Herren, die Frage ist aber: Was kann der Hessische Landtag tun, damit sich die Situation für den Automobilbau in Hessen und in Deutschland besser gestaltet als derzeit?
Die Frage, ob Peugeot Opel von GM kauft, ist eine unternehmerische Entscheidung. Meine Damen und Herren, die Frage, warum sie das verkaufen, ist die eigentliche Frage, die heute hier auf die Tagesordnung gehört.
Erstens kann man feststellen, das Vertrauen von GM in die Politik scheint nicht mehr so groß zu sein. Vor einigen Jahren war die Politik sehr frühzeitig eingebunden. Jetzt ist die Politik im Nachhinein hinzugekommen. Das muss nicht schädlich sein. Das muss aber auch nicht gut sein.
Zweitens. Richtig ist, dass wir hier darüber diskutieren, weil das Auswirkungen auf unseren Standort hat. Ich bitte aber auch darum, dass bei diesen Debatten über die Fragen diskutiert wird, die wir beeinflussen können. Es sollte nicht eine der vielen Sonntagsreden darüber gehalten werden, wie schlimm das doch alles ist und welche Gefahren sich hier ergeben. Das entwertet letztlich auch ein Stück weit das Parlament.
Drittens. Wer sich mit den Opel-Mitarbeitern unterhält – ich denke, das werden alle getan haben –, wird feststellen, dass die Aussage des GM-Aufsichtsrats, man sehe für Opel
keinen Business Case mehr ab 2020, im Hessischen Landtag die Alarmglocken schrillen lassen muss. Wer keinen Business Case mehr sieht, scheint doch im Umkehrschluss zu sagen, dass die Rahmenbedingungen für die Produktion von Automobilen in Europa offenbar nicht mehr so sind, wie sie sein sollten, um damit Geld zu verdienen.