Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal zu dem Punkt mehr Investitionen in die Bildung etwas sagen. Die Forderung kommt mir bekannt vor. Ich persönlich habe grundsätzlich Sympathie dafür. Nur, das muß man Ihnen ernsthaft sagen – und das ist auch mir als Bildungspolitiker, der sozusagen ein Herz für die Bildung hat, in diesen vier Jahren Parlament und insbesondere im letzten Jahr deutlich geworden –: Die CDU kann diese Forderung ernsthaft nicht glaubwürdig vertreten, weil sie in jeder Debatte Stellen in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes fordert. Ich wüßte im Moment keinen Bereich, der ausgeklammert ist. Sie stellen Forderungen, die immer auch die Erhöhung des Personalbestandes betrifft, und das kann ernsthaft keine seriöse Politik sein. Eine Sache wird dadurch verhindert, nämlich die Frage und die Diskussion, einmal ernsthaft darüber nachzudenken, wofür wir tatsächlich das Geld ausgeben und ob wir es richtig ausgeben, denn der Hinweis von Günter Frank ist völlig berechtigt. Günter Frank hat darauf hingewiesen, daß Hamburg die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Schüler in der ganzen Republik hat. Das ist eindeutig richtig. Wenn wir sagen, wir wollen mehr Investitionen für den Bildungs- und Schulbereich, dann müssen wir uns Gedanken darüber machen, wo wir denn das Geld, das wir jetzt schon haben, ausgeben. Da vermisse ich im ganzen Hause – und da kann sich jeder an die eigene Brust fassen – eine ernsthafte und transparente Diskussion, die zum Beispiel beinhalten würde, die ProKopf-Ausgaben für Schüler in Hamburg sind so teuer, weil wir uns bestimmte Sachen leisten, wie zum Beispiel Integration. Ich persönlich finde Integration in jeder Beziehung richtig, aber wir müssen wissen, daß das die Sache insgesamt teuer macht, und wenn wir das wollen, wenn wir dazu stehen, stehen wir auch dazu, daß wir viel Geld ausgeben und benötigen.

Ein zweites Beispiel wäre die Lehrerbesoldung nach A 13. Ich halte es auch für richtig, einheitliche Ausbildung zu haben, die Grund- und Hauptschullehrer nicht abzukoppeln, weil die auch anders ausgebildet werden. Aber darüber muß man sich Gedanken machen und in eine ernsthafte Diskussion gehen.

Meine Damen und Herren! Ein letzter Punkt.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Der zweite letzte Punkt!)

Der allerletzte. Ich würde es auch interessant finden, in Hamburg einmal über Hessen zu reden. Was ist ernsthaft in Hessen passiert nach der Ankündigung, mit der man in Hessen Wahlen gewonnen hat, etwas gegen Unterrichtsausfall für Lehrereinstellungen zu machen? Woher ist das Geld gekommen? Auf wessen Kosten ist in Lehrereinstellungen investiert worden? In welchen Bildungsbereichen sind Leute und ist Bildung zu kurz gekommen? Das wäre eine interessante Frage. Sie sehen, es gibt noch ziemlich viel Diskussions- und Klärungsbedarf, aber nicht mehr vor den Wahlen.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Koppke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich sagen, daß die Situationsbeschreibung, so wie die CDU sie gegeben hat, natürlich richtig ist.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Natürlich?)

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

A C

B D

Selbst Herr de Lorent hat eingeräumt, daß es richtig ist, daß Hamburg neue und vor allem junge Lehrerinnen braucht. Aber daß das aus unserer Sicht, so wie die CDU sich das vorstellt, natürlich nicht geht, möchte ich kurz begründen. Es ist so, daß die CDU außer Werbemaßnahmen und Imagekampagnen für den Lehrerberuf – auch Zulagen und Weiterbildungsmaßnahmen werden genannt – zu der Frage, wie sie sich vorstellt, wo denn die neuen Lehrerinnen und Lehrer herkommen sollen, antwortet, dies müsse in Form von Quereinsteigern und -einsteigerinnen passieren und in Form von Ehemaligen. Insbesondere zu diesen Quereinsteigern möchte ich dann doch noch folgendes in Erinnerung rufen. Wir erinnern uns einfach an die frühen siebziger Jahre. Da herrschte nämlich auch in Hamburg Lehrer- und Lehrerinnenmangel.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Wie alt warst du denn damals?)

Der damalige Senator Apel tönte: Wir rollen allen Lehrerinnen und Lehrern, die kommen, in Fuhlsbüttel den roten Teppich aus. Und in der Tat kamen dann auch auf diese Einladung zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus den USA, aus Schweden, aus England. Es kamen auch Externe, also Nichtpädagogen, Diplomnaturwissenschaftler und -schaftlerinnen, Diplomsportler und -sportlerinnen, Diplommusiker und -musikerinnen und so weiter, und sie wurden auch eingestellt. Aber, was mußten wir dann feststellen? Über 80 Prozent dieser neuen Kolleginnen und Kollegen waren nach einem Jahr wieder ausgeschieden, und zwar, weil sie entweder a) als Externe den pädagogischen Anforderungen nicht gewachsen waren – für mich eigentlich fast der wichtigste Grund – oder b) ihnen die Bezahlung zu schlecht oder der Streß zu groß war oder c) sich – ganz besonders die Kolleginnen aus dem Ausland – ausgegrenzt fühlten, übrigens auch in materieller Hinsicht, weil sie nämlich damals nur eine abgesenkte Besoldung bekamen.

Wenn man Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger fördern will, muß man sie natürlich zunächst qualifizieren, um ihnen, aber auch den Kindern, insbesondere den pädagogischen Frust zu ersparen und – und das ist mir noch wichtiger – eine Dequalifizierung des Lehrerinnenberufs zu verhindern.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ähnliches wie für diese potentiellen Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gilt auch für die Gruppe der Ehemaligen, die nach Vorstellung der CDU in den Schuldienst geholt oder zurückgeholt werden könnten, nämlich die Gruppe der ehemaligen Referendare und die der längerfristig ausgeschiedenen Lehrerinnen und Lehrer, die wieder einsteigen könnten. Die Schulbehörde hat vor circa eineinhalb Jahren alle ihnen bekannten Personen aus diesen beiden Gruppen angeschrieben. Die meisten Betroffenen lehnten eine Einstellung ab, und zwar insbesondere aus finanziellen Erwägungen, weil sie in der Wirtschaft – oder wo auch immer sie arbeiteten – bessere und auch streßfreiere Arbeitsbedingungen bei vergleichbarer oder besserer Bezahlung erhalten haben. Aus all diesen Erfahrungen zieht der REGENBOGEN den Schluß, daß man die Bedingungen in der Schule und vor allem aber auch in der Ausbildung attraktiver gestalten muß, um so zu mehr Neueinstellungen zu kommen, weil das für uns eine verantwortungsvolle Schulpolitik ist und insofern auch ein verantwortungsvoller Umgang mit der Lehrerinnenversorgung an Hamburger Schulen. Dann kann man sich natürlich fragen, was das heißt, die Bedingungen in der Schule und in

der Ausbildung attraktiver zu gestalten. Dazu noch ein paar Stichworte. Für die Studienphase heißt das aus unserer Sicht, die Inhalte im Studium reformieren – das wird jetzt auch langsam getan –, die Zahl der Hauptseminare zu erhöhen und die Einführung einer bedarfsdeckenden Studienfinanzierung, denn gerade diese beiden letzten Punkte würden auch automatisch lange Studienzeiten verkürzen. Für die Phase des Referendariats hieße das die Abschaffung des bedarfsdeckenden Unterrichts und Erhöhung der Bezüge. Für die Situation in der Schule heißt das zum Beispiel Absenkung der Klassenfrequenzen und Absenkung der Unterrichtsverpflichtung.

Es wäre auf diese Art und Weise durchaus möglich, schon in ungefähr sechs Jahren, wenn also die Pensionierungskurve drastisch nach oben steigt, viele neue Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen und einzustellen, und nicht erst irgendwann langfristig, wie Herr Beuß das behauptet hat. Eine andere Möglichkeit wäre – und darüber könnte man auch einmal nachdenken –, über die Landesgrenze hinauszugucken. In den neuen Bundesländern, zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, wird es in drei bis vier Jahren aufgrund sinkender Schüler- und Schülerinnenzahlen einen drastischen Überhang ausgebildeter Lehrerinnen und Lehrer geben. Es wäre doch überlegenswert, den Ländertausch zu vereinfachen, allerdings muß das natürlich im Einvernehmen zwischen den Ländern passieren, um dann eine Regelung zu finden, und nicht so, wie das in Hessen passiert ist.

Meine Damen und Herren! Ich muß Schluß machen. Wir lehnen den CDU-Antrag ab, da er aus unserer Sicht die Situation und ihre Bedingungen nicht ernsthaft zu lösen versucht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Frank.

Ich möchte einige Anmerkungen zu dem Kollegen de Lorent machen. Ich kann es mir nicht verkneifen. Gelbes Jackett hin, gelbes Jackett her, teilweise war das ein Rückfall in die Mentalität eines GEW-Vorsitzenden.

(Antje Möller GAL: Na, na, na!)

Aber ich räume gerne ein, daß er das Bildungsherz am rechten Fleck hat.

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Im übrigen könnte ich auch aus vielen Reden des damaligen GEW-Vorsitzenden einiges zitieren. Das muß aber jetzt nicht sein. Ich will nur zu ein, zwei Punkten etwas sagen, weil das auch als Kritikpunkt hier angemerkt worden ist. Verbeamtung oder Angestelltenverhältnis. Das war ja eine lange Diskussion, aber in dieser Frage gab es nach meiner Wahrnehmung eine große Übereinstimmung zwischen der GAL und der SPD. Diese Frage ist entschieden, aber auch die GEW selbst ist ja im Kern der Auffassung, daß Lehrer nicht unbedingt verbeamtet sein müssen. Da gab es Finanzprobleme, Finanzfragen, aber das kann man nicht als Kritikpunkt vortragen. Die Frage der Dreiviertelverträge ist auch entschieden. Aber auch hier waren wir der Auffassung, daß so etwas – allerdings für einen begrenzten Zeitraum, das war anfänglich etwas unbestimmt formuliert – möglich sein muß, um mehr junge Menschen für diesen Beruf zu gewinnen und auch in Arbeitsverhält

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

nisse zu bekommen. Das ist uns zu einem großen Teil auch gelungen. Selbst, wenn wir bei der Lehrerbedarfsprognose 1995 vielleicht noch nicht die Erkenntnisse der Jahre 2005 bis 2010 gehabt haben sollten – das weiß ich im Moment nicht –, so 1997 mit Sicherheit. Wir waren und sind immer noch in einem Konsolidierungsprogramm, selbst wenn wir 1995 oder 1997 gewußt haben sollten – ich bin mir sicher, wir haben ja einmal eine Bedarfsprognose im Ausschuß gehabt –, hätte es nichts daran geändert, daß wir den Schulbereich, wenn auch auf einem viel geringeren Sockel, mit einbeziehen müssen in die Konsolidierung dieser Stadt. Die Entscheidung – das finde ich geradezu richtig –, 100 Lehrer, die Referendare, die diese Stadt sonst verlassen würden, jetzt zu halten – ich weiß nicht, ob es anders gemeint gewesen ist –, mußte jetzt fallen. Es geht im Kern in Zukunft – spätestens ab 2005 – um die Frage Motivation, diesen Beruf zu ergreifen, um die Kapazitäten auch an der Universität, um die Zahl der Studierenden, um die Kapazitäten im Studienseminar und um die Rahmenbedingungen für diesen Beruf, und ich glaube, daß uns das in Hamburg, zumindest im Vergleich zu anderen Bundesländern, besser gelingen wird.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Beuß.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Das war wirklich eine interessante Debatte, insbesondere mit den Beiträgen des Kollegen de Lorent, aber auch dieser gebetsmühlenartigen Schönrederei immer wieder durch Sie, Herr Frank. Das finde ich wirklich ganz toll, und das ist ein Zeichen dafür, daß Sie offensichtlich überhaupt nicht sehen und begriffen haben, wie die Realität, die praktische Situation tagtäglich an den Schulen ist. Die ist nämlich nicht genauso, wie Sie sie dargestellt haben, sondern umgekehrt. Ich rede nicht die Schulen runter

(Günter Frank SPD: Doch!)

und auch nicht diesen Beruf, sondern Sie haben diese Situation an den Hamburger Schulen durch Ihre miserable Schulpolitik in den letzten Jahren zu verantworten.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie mit Hessen kommen, dann kann ich nur sagen, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß Hamburg das meiste Geld ausgibt. Aber wenn ich Ihnen einmal vorhalten darf, daß wir zum Beispiel jährlich 12 Prozent haben, die keinen Schulabschluß in dieser Stadt bekommen, und nach der Hauptschule 20 Prozent keine Ausbildungsstelle finden, dann muß da doch irgend etwas faul am System sein. Dann muß man der Sache doch einmal auf den Grund gehen und sich hier nicht hinstellen und sagen, das ist alles toll und wir sind im Bund die Größten und so weiter. Das ist unredlich, Herr Frank.

Ein letzter Punkt.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Oh, ja!)

Die Dreiviertelstellen und die falschen Prioritäten, die Sie da gesetzt haben, haben Sie zu verantworten. Wenn diese Senatorin nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alleine, ohne Sie, entschieden hätte, dieses Gerichtsurteil zu exekutieren, dann hätten wir heute noch Dreiviertelstellen und die Verbeamtung wäre immer noch in weiter Ferne. Nebenbei gesagt höre ich von Referendaren immer wieder,

daß sie jetzt ganz schwierige perspektivische Aussagen erhalten, was ihre Anstellung anbelangt. Ich kenne junge Kollegen, die immer noch nicht verbeamtet worden sind oder daß die Verbeamtung herausgeschoben wird, aus welchen Gründen auch immer. Nur, das ist die Politik, die Sie hier zu vertreten haben.

Es wurde dann noch gesagt, lieber Herr de Lorent, Sie hörten immer nur Stellen, Stellen, Stellen. Wir haben ein ganz solides Finanzierungskonzept vorgelegt, und ich würde Ihnen das bei Gelegenheit noch einmal erklären.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Mir auch!)

Ja, gerne. Das machen wir dann im Anschluß.

Es ist auch unseriös, uns vorzuwerfen, wir würden hier immer nur fordern, fordern, fordern. Wir haben auch ganz konkrete Vorstellungen, wie wir Bildungspriorität setzen wollen. Das haben Sie in den letzten Jahren versäumt, und wir haben gesagt, wie wir es bezahlen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Antrag, Drucksache 16/6019, abstimmen.

Wer möchte denselben annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 54 und 55 auf, die Drucksachen 16/6117 und 16/6118: Anträge der GALFraktion zur Verwendung der Troncabgabe.

[Antrag der Fraktion der GAL: Haushalt 2001 Einzelplan 9.2 Titel 9500.971.01 Verwendung der Troncabgabe für einmalige Zwecke – Drucksache 16/6117 –]