Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

Einen weiteren wichtigen Punkt möchte ich erwähnen. Seit 1999 arbeitet in Hamburg der von der Opferhilfe initiierte Runde Tisch zur Bekämpfung von Männergewalt. Auch dieser Schritt der Zusammenarbeit war überfällig. Endlich arbeiten in Hamburg die Frauenhäuser, die Beratungsein

richtungen, die Polizei und die Justiz zusammen. Dort wurden auch die Stellungnahme Hamburgs zum Gewaltschutzgesetz genau so wie die veränderten Polizeidienstvorschriften beraten.

(Beifall bei der SPD und bei Heide Simon GAL)

Für die öffentliche Debatte ist ein anderer Punk sehr wichtig. Die Initiative des Notrufs in Hamburg, die Kampagne „Zweitausend und ein Mann gegen Vergewaltigung“ ist ein sehr guter Anknüpfungspunkt. Viele Männer werden sehr nachdenklich, wenn sie aufgefordert werden, diese Kampagne durch die Unterschrift zu unterstützen. Bürgerschaft und Senat haben die Kampagne finanziell unterstützt und eine Reihe von Abgeordneten – allerdings überwiegend der rotgrünen Regierungsfraktionen – haben das unterschrieben. Das wäre auch eine Möglichkeit für die männlichen Abgeordneten der CDU, ihren Worten Taten folgen zu lassen und gegen Gewalt gegen Frauen einzutreten.

(Beifall bei der SPD – Uwe Grund SPD: Genau!)

Ich komme zu einem letzten Punkt. Es geht nicht nur um den konkret verbesserten Umgang bei Gewalt gegen Frauen. Entscheidend ist auch, daß sich die Gesellschaft im Umgang mit Männergewalt anders verhält. Niemand soll mehr wegschauen oder weghören, der mit dieser Gewalt konfrontiert wird. In keinem Freundeskreis soll es unwidersprochen bleiben, wenn bekannt wird, daß es in einer Partnerschaft zu Gewalt kommt. Es sollten auch keine lockeren Sprüche darüber, daß ein Mann seiner Frau mit Schlägen wieder einmal zeigen mußte, wer das Sagen hat, unkommentiert bleiben.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Bundesgesetz und das Hamburger Polizeigesetz, die vielen Veränderungen sind ein Durchbruch für konkreten Opferschutz im Bereich der innersten Sicherheit. Darüber sind wir froh.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Veränderungen des SOG mit dem sogenannten Wegweisungsrecht werden auch von der CDU unterstützt. Warum hier andere Aussagen getätigt worden sind, verstehe ich gar nicht.

(Günter Frank und Jürgen Schmidt, beide SPD: Wir auch nicht!)

Das wissen Sie aus den Ausschüssen in den letzten drei Jahren, in denen wir umfangreich über dieses Thema debattiert haben; daher verstehen wir diese Äußerung nun gar nicht.

Zwanzig Tage Entfernung aus einer Wohnung, vielleicht sogar von der Arbeitsstätte der Frau oder vom Kindergartenplatz des Kindes, sind sehr wichtig. Die Opfer brauchen manchmal diesen Schutz. Der bisherige Platzverweis war in vielen Fällen nicht erfolgreich.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Auch diese Punkte sieht die CDU als erheblichen Handlungsbedarf an.

In den letzten drei Jahren ist viel geredet und untersucht worden, aber passiert ist relativ wenig. Insoweit unterstütze ich zwar viele Punkte und Analysen von Frau Ernst,

(Britta Ernst SPD)

und wir werden heute bestimmt auch noch mehr hören, aber es ist einfach zu wenig passiert.

Die Umsetzung des SOG muß nun hauptsächlich von der Polizei getragen werden. Es wird eine erhebliche Mehrarbeit auf sie zukommen, die wir unterstützen müssen. Sehr positiv ist, daß die Gewerkschaften dieses erkannt haben, sehr viele Schulungen anbieten und sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Das sind Punkte, die es zu honorieren gilt und bei denen wir uns überlegen müssen, wie wir es schaffen, die Polizei weiter zu sensibilisieren beziehungsweise die bisherige Resignation in diesen Bereichen aufzufangen. Eines müssen wir tatsächlich sehen: Frauen durchleben das Erlittene immer wieder und leiden weiter darunter; sie fürchten, daß der Täter wieder auftaucht, und scheuen sich davor, Anzeigen zu erstatten. Das letzte Beispiel, das wir kürzlich mit einer Verurteilung erleben konnten, ist der Fall Böttcher in Wilhelmsburg. Der Täter war dort bereits stadtbekannt, er hatte seine ExFreundin bedroht, und das Ergebnis konnte man dann hinreichend lesen.

Was aber viel nötiger ist, ist nicht nur eine einfache Gesetzesänderung, sondern ein Gesamtkonzept. Den Frauen wird es nichts nützen, daß ein Täter weggewiesen wird, sondern wichtiger ist ein Beratungs- und Begleitangebot; die Frauen müssen begleitet werden. Ich kenne das aus Scheidungsverfahren, bei denen ich als Anwältin dabei bin und bei denen die Mandantinnen einfach nicht mehr wissen, ob sie diese Schritte noch weitergehen wollen oder nicht. Das heißt, sie müssen jemanden haben, der ihnen genau sagt, was passiert. Daher ist es für uns ganz wichtig, daß Frauen- und Kinderschutzhäuser weiter erhalten werden. Sie bilden einen sehr wichtigen Bereich dieses Maßnahmeplans, bei dem wir mit einem Gesamtkonzept weiter vorangehen müssen. Der erste Punkt wird aber sein, die Polizei zu stärken und das neue Gesetz umzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Simon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ab sofort ist alles anders, und das ist das Entscheidende in dieser Stadt. Frau Spethmann, wenn Sie sagen, Sie unterstützen seitens der CDU das, was wir hier vorgelegt haben, dann freuen wir uns selbstverständlich darüber. Wenn Sie aber gleichzeitig sagen, daß Sie seit drei Jahren viele Reden über dieses Thema verfolgen mußten, jedoch sehr wenig Handlungskonzepte und Ansatzmöglichkeiten erkennen konnten, dann weise ich das schlichtweg zurück;

(Dr. Roland Salchow CDU: Mit Empörung zurück!)

das ist eine falsche Darstellung.

Zum Thema Gewalt gegen Frauen sind wir seit langer Zeit dabei, zusammen mit allen beteiligten Institutionen und Trägern Handlungskonzepte zu erarbeiten, und zwar nicht nur bei diesem Thema im häuslichen Bereich, sondern ebenso bei Menschen- und Frauenhandel sowie vielen anderen Themen in der Stadt. Bei dem, was der Senat heute vorgelegt hat, gilt unser Dank auch den beteiligten Senatorinnen, Frau Sager, Herrn Scholz und Frau Peschel-Gutzeit, die jetzt nicht mehr anwesend ist. Das ist sozusagen die Folge und das Resultat der langwierigen Verhandlungen und Handlungskonzepte, die wir in diesem Bereich bearbeitet haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Roland Sal- chow CDU: Herrn Scholz haben Sie nicht gelobt!)

Soviel ich weiß, habe ich Scholz gesagt. Ich habe Herrn Scholz erwähnt, und auch sein Vorgänger hat natürlich einen entsprechenden Anteil daran.

Was bleibt weiterhin zu tun? Wir wissen, daß die betroffenen Frauen – Frau Spethmann, das haben Sie eben zu Recht angesprochen – erst einmal unter Schock stehen. Wir wissen auch, daß die Zwanzig-Tage-Frist, die wir jetzt durchgesetzt haben, überaus positiv ist, aber unter Umständen für die Frauen nicht ausreicht, sich zu entscheiden. Das heißt, sie müssen überlegen, wie es in ihrer Lebens- und Familiensituation weitergeht. Sie sind oftmals auf sich allein gestellt, auf Sozialhilfe angewiesen, und das ergibt einen Umbruch in der Lebenssituation. Daß Beratung und Begleitung für die Frauen gleichzeitig stattfinden, dafür haben wir in der Stadt eine Menge getan. Die entsprechenden Beratungsstellen, die eine sehr wichtige und sinnvolle Arbeit leisten, werden auch weiterhin finanziert. Dazu gehören der Notruf, der bereits angesprochen wurde, die Frauenhäuser, wie auch alle anderen Frauenberatungsstellen in der Stadt, die in diesem Umfeld tätig sind.

Die Erfahrungen – wie in Berlin und in Kiel – haben gezeigt, daß sich Frauen oft scheuen, nach solchen gewalttätigen Vorfällen in die Beratungsstellen zu gehen. Ich glaube, wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob wir nicht aufsuchende Beratungsarbeit zu Hause bei den Frauen leisten. Ich spiele auf einen Modellversuch an, den es in Berlin gibt, bei dem ausprobiert wird, die Beratung für eine gewisse Zeit vor Ort in die Wohnungen zu verlagern – weil sich die Frauen so wenig öffnen und in die Beratungsstellen gehen – und sie dort sehr schnell aufzuklären. Die Polizei, Frau Spethmann, hat natürlich eine ganz wichtige Funktion und muß, wenn sie zu Familienstreitigkeiten gewalttätiger Art gerufen wird, vor Ort mit der Situation sehr sensibel umgehen. Auch da sind wir auf dem guten Wege, Erfahrungen von Berlin und Kiel mit einfließen zu lassen und den Polizistinnen und Polizisten, die vor Ort eintreffen, Handlungskonzepte mitzugeben, damit sie relativ objektiv und unbefangen das Geschehen und das Täter-Opfer-Verhältnis beurteilen können.

Das Wegweisungsrecht ist eine ganz entscheidende und wichtige Neuerung, reicht aber mit Sicherheit nicht aus – davon bin ich zumindest überzeugt –, denn es muß uns gelingen, den Mann dauerhaft von der Wohnung fernzuhalten, der vorher oder immer wieder gewalttätig war und wird. Wir müssen aber in einer gewissen Art und Weise kontrollieren, daß die Gewalttätigkeiten nicht weitergehen.

Die Erfahrungen zeigen, daß Frauen und Kinder sich oftmals sehr schlecht gegen diese Belästigungen und Bedrohungen wehren können, auch wenn sie in der Wohnung bleiben können. Wir müßten darüber nachdenken, dieses Wegweisungsrecht, ähnlich wie in Österreich, mit einem Rückkehrverbot zu koppeln. Es gibt juristische Hindernisse, weil bei uns für das eine der Bund und für das andere das Land Hamburg zuständig ist, aber wir sind auf einem guten Weg. Die Bundesjustizministerin in der Berliner Koalition wird beziehungsweise hat schon einen entsprechenden Regierungsentwurf vorgelegt.

Ich komme zum Thema des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt, den wir in Hamburg eingeleitet haben. Dieser Runde Tisch – das hatte bereits Frau Spethmann angesprochen, und sie fand es sehr wichtig, so wie ich sie verstanden habe – wird ein koordiniertes Handlungskonzept

(Viviane Spethmann CDU)

für Hamburg vorlegen. Dort sitzen alle Institutionen und betroffenen Träger an einem Tisch, und es wird um ein Handlungskonzept für die Polizistinnen und Polizisten vor Ort gehen.

Ein weiterer Punkt ist der Täter-Opfer-Ausgleich. Sie wissen, daß das Senatsamt für die Gleichstellung 1997 ein Gutachten zum Täter-Opfer-Ausgleich, verbunden mit Mediation, in Auftrag gegeben hat. Ziel war es, neue Wege der Konfliktregelung und Gewaltprävention im deutschen Strafrecht zu finden und vorzuschlagen. Genau auf der Grundlage dieses Gutachtens findet jetzt mit der Justizbehörde ein Modellversuch zum Täter-Opfer-Ausgleich bei von Gewalt betroffenen Paarbeziehungen in Hamburg statt, die in einem sogenannten Ko-Schlichtungsverfahren reguliert werden sollen. Dieser Versuch läuft seit Januar 2001. Wir werden diese Ergebnisse hier im Hause sehr genau zu bewerten haben, weil Ko-Schlichtung nicht immer das geeignete Instrument sein muß, besonders wenn es in Paarbeziehungen um Fälle extremer Gewalt geht, um Fälle sexualisierter Gewalt oder um Körperverletzung. Dann sind die Frauen in der Regel stark traumatisiert und können im Rahmen der Ko-Schlichtung des Verfahrens keine Einigung mit dem gewalttätigen Partner erzielen; das zeigen Erfahrungen. Bedauerlicherweise muß ich deutlich sagen, daß das auch die Kritik von Einrichtungen in der Stadt zeigt. Ich finde, daß wir diese Kritik ernst nehmen müssen und genau auswerten, ob dieses Verfahren das geeignete Instrument für Hamburg sein wird, da wir es dann unter Umständen zu einem Regelverfahren durch die Justizbehörde machen würden.

Die Frauenhäuser und Beratungsstellen, das ist schon angesprochen worden, sind weiterhin sehr wichtig für uns. Wir haben in der rotgrünen Koalition dafür Sorge getragen, daß der Notruf, die Frauenhäuser und die Beratungsstellen von uns weiterhin finanziell gut ausgestattet werden, um diese Arbeit mit den Frauen und den betroffenen Kindern weiter fortführen zu können. Solange wir Gewalt in Paarbeziehungen und gegen Frauen in Hamburg nicht endgültig verhindern können, sind diese Einrichtungen zwingend notwendig.

Unabhängig von diesem für uns sehr wichtigen und entscheidenden Schritt in Hamburg, das Wegweisungsrecht eingeführt zu haben, müssen wir weiter daran arbeiten, daß Gewalt gegen Frauen insgesamt gesellschaftlich geächtet wird, weil es kein Kavaliersdelikt, sondern eine Menschenrechtsverletzung ist. Es ist kein Problem der betroffenen Frauen, kein Einzelschicksal, sondern ein gesellschaftliches Problem und damit auch ein rechtsstaatliches.

Wir haben eine Menge für die Verbesserung der betroffenen Frauen getan, für den Täter-Opfer-Ausgleich und für den Schutz von Opfern von Gewalttaten. Die strukturellen Änderungen, die wir insgesamt langfristig herbeiführen müssen, erfordern, wie ich einleitend sagte, ein abgestimmtes Handlungskonzept. Wir beschreiten hier in Hamburg unter Rotgrün einen neuen Weg, auf den wir sehr stolz sein können und der sehr erfolgversprechend zu sein scheint, und zwar nicht für uns, sondern für die betroffenen Frauen und die Opfer, denen diese neue Handlungskonzeption eine gewaltlose Zukunftsperspektive bieten kann.

Wir wollen gemeinsam an diesem Konzept weiter arbeiten. Es ist ein Konzept, das die Gewalt gegen Frauen und Kinder ächtet. Ich bitte Sie alle hier im Hause um die nötige Unterstützung – vor allem an die Reihen der CDU gerich

tet –, wenn es im Wahlkampf um das Thema Innere Sicherheit geht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Koppke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir begrüßen es natürlich, daß wir heute schon in einem Punkt weiter sind, als es noch in der Drucksache steht, daß wir nämlich bald eine Änderung des SOG zum Wegweisungsrecht im Parlament verabschieden werden. Das ist tatsächlich gut.

Hamburg war dabei nicht besonders schnell. In anderen Bundesländern gibt es das schon wesentlich länger. Trotzdem ist Hamburg der Aufforderung der Bundesregierung gefolgt und hat das Landespolizeigesetz im Vorgriff auf das Bundesgesetz so geändert, daß die Polizei einem Gewalttäter das Betreten der Wohnung verbieten kann. Das ist absolut zu begrüßen.

Ferner ist zu begrüßen, daß sich der Senat in Person von Herrn Scholz endlich zu einer eindeutigen Aussage entschlossen hat, daß aufgrund dieser Gesetzesänderung keine Frauenhausplätze gestrichen werden. Das Herumgeeiere des Senats noch im April zu dieser Frage war für mich schlichtweg unerträglich.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU und bei Andrea Franken GAL)

Schlecht ist es allerdings, das muß man auch sagen, daß es offensichtlich noch immer keine Überlegungen dazu gibt, wie die Männerarbeit verändert werden soll. Denn Opferschutz ist auch Täterarbeit. Blickt man nach Mecklenburg-Vorpommern, so soll dort beispielsweise flächendeckend ein Beratungsangebot für Gewalttäter eingeführt werden. Ich denke, hier hat Hamburg noch einiges zu tun.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)