Protokoll der Sitzung vom 14.06.2001

Worum geht es denn eigentlich? Es geht darum, daß im Hamburger Meldegesetz geregelt ist, daß Parteien und auch Wählervereinigungen Adressen aus dem Melderegister zwecks Wahlwerbung zur Verfügung gestellt werden. Wir kennen das aus den letzten Jahren. Auch in den letzten Jahren haben sich zu den Wahlkämpfen immer mehr Hamburgerinnen über die unerwünschten Zusendungen und die Privilegierung, die die Parteien dadurch haben, beschwert, vor allem natürlich dann, wenn sie Post von rechtsextremistischen und neonazistischen Parteien bekommen haben. Aber auch viele Angestellte der Post fühlten sich zum wiederholten Male als Wahlkampfhelferinnen für solch eine menschenverachtende Politik mißbraucht. Mittlerweile ist die Datenweitergabe auch eine konkrete Bedrohung für Leute geworden. Der Hamburger Verfassungsschutz – ich zitiere ihn nicht oft und nicht gerne – beobachtete aber in den letzten Jahren eine Zunahme von Anti-Antifa-Aktivitäten. Daten, Adressen, Bilder von sogenannten Feinden des nationalen Widerstandes oder, wie sie auch schreiben, „Verrätern des deutschen Volkes“ werden gesammelt und veröffentlicht. Durch die enge Verbindung zwischen den rechtsextremistischen und neonazi

stischen Parteien und den militanten Neonazis in Hamburg, die der Verfassungsschutz auch konstatiert, kann eine Weitergabe von Daten gar nicht mehr ausgeschlossen werden.

Es ist also aus vielen Gründen höchste Zeit, das Gesetz endlich zu ändern, und zwar hier und heute.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die SPD möchte das Thema ganz gerne verschieben, wie mir scheint. Sie beantragen eine Überweisung an den Innenausschuß, und das kann – nach den Erfahrungen, die es aus den vergangenen Jahren gibt – eigentlich nur das eine bedeuten, nämlich eine Beerdigung zweiter Klasse. Wir wissen alle, daß noch ein Antrag im Innenausschuß schmort, der noch gar nicht abgelehnt worden ist und genau dieses zum Ziel hat. Das heißt, auch im Innenausschuß ist zu diesem Thema geredet worden. Der Datenschutzbeauftragte hat die Parteien vor dreieinhalb Jahren im Innenausschuß intensiv aufgefordert, diese gesetzliche Grundlage endlich zu ändern. Es ist bis heute nicht passiert. Heute sind wir wieder in der Situation, daß die Daten benutzt werden, und ich finde, das sollte allemal Anlaß sein, nicht weiter zuzuwarten, sondern die Kenntnisse der vergangenen Jahre zu nutzen und heute das Gesetz zu ändern. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Frau Weise.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Argumente des REGENBOGEN überzeugen mich nicht.

(Zuruf von REGENBOGEN – für eine neue Linke: Ach!)

Auch ich – wie so viele andere Postkunden – finde Wahlwerbung von rechtsextremen Parteien abscheulich und rege mich auch richtig darüber auf. Aber es gibt verschiedene Wege, damit umzugehen. Zum einen kann man verweigern, daß die Adresse überhaupt weitergegeben wird – das ist im Gesetz von uns so vorgesehen –, zum anderen kann man die Post ungelesen wegwerfen. Das ist der bequemste Weg.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das ist voll politisch, wie Sie argumentieren!)

Darf ich noch einmal meine Empfehlung an die Bürger, die sich darüber aufregen, hier vollenden. Die Postsendungen können Sie einfach ungelesen wegwerfen. Damit kostet es den Rechtsparteien Geld, das sie anderweitig nicht mehr ausgeben können. Man kann noch darüber nachdenken, ob das denn nun Altpapier oder Restmüll oder vielleicht sogar Sondermüll ist. Sie können aber auch, wenn Sie diese Post nicht lesen wollen, schlicht die Annahme verweigern und die Briefe zurück an den Absender schicken. Sie sehen, man macht es hier genauso wie mit anderen unerwünschten Werbesendungen, die man auch in den Papierkorb wirft.

Wenn Sie jetzt vorschlagen, man sollte das Gesetz ändern, damit keine unerwünschte Wahlwerbung mehr ins Haus flattert, dann gibt es die Möglichkeit, sich bei kommerziellen Anbietern Adressen zu kaufen, und schon hat man das Gesetz umgangen. Man kann auch bei der Post Hauswurfsendungen per Tagespost verteilen lassen. Das war auch, was Sie vorhin ansprachen, daß die Postboten sich

geweigert hätten, diese Umschläge zu verteilen. Das war nicht der Verkauf von Adressen aus dem Einwohnermeldeamt.

Meine Damen und Herren! Für mich stellt sich die grundsätzliche Frage, wohin das führen soll, wenn wir das Gesetz mit der Begründung ändern wollen, es nütze Rechtsaußen. Müssen wir Demokraten uns deswegen in unseren Rechten einschränken lassen? Eine ähnliche Diskussion wird auch immer im Zusammenhang mit dem Demonstrationsrecht angestellt. Ich denke, die Demokratie muß das aushalten, und sie kann das auch aushalten.

(Beifall bei Dietrich Wersich CDU)

Sosehr wir auch mit Zähneknirschen zusehen müssen, wie sich extreme Gruppen...

(Glocke)

Frau Abgeordnete Weise, wenn ich klingele, dann bitte ich Sie innezuhalten.

(Helga Weise: Entschuldigung!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Uhl?

Ich gestatte die Zwischenfrage, wenn ich zu Ende geredet habe. Dann können wir uns auf dem Flur darüber unterhalten.

Auch wenn wir mit Zähneknirschen zusehen müssen, wie sich extreme Gruppen demokratischer Mittel bedienen, so sehr müssen wir die Demokratie schützen und beibehalten, denn sonst geben wir denen nach, die die Demokratie bekämpfen. Freiheit ist immer nur die Freiheit des Andersdenkenden. Der vorliegende Antrag wäre nur ein symbolischer Akt. Ich kann dessen Intention natürlich verstehen. Gegen die Rechtsextremen hilft aber nur die inhaltliche Bekämpfung ihrer Ziele. Sie erwecken hier die falsche Hoffnung, man könne mit diesen administrativen Mitteln der dumpfen Torheit Einhalt gebieten.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Da haben Sie nicht zugehört!)

Ich glaube eher an die Wirksamkeit von Aussteigerprogrammen. Wir sollten auch nicht verhehlen, daß die demokratischen Parteien selber auch ein Interesse an den Adressen haben, denn es wird für die demokratischen Parteien zunehmend schwieriger, an die Bürgerinnen und Bürger heranzukommen. Wahlversammlungen werden wenig besucht, den Passanten ist kein Umweg zu weit, damit sie bloß unbeschadet an unseren Info-Ständen vorbeikommen. Die gehen eher auf die andere Straßenseite, als daß sie sich ein Faltblatt in die Hand drücken lassen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Und genauso wollen das die Nazis machen!)

Das sind nur zwei Beispiele.

Ich hätte gar nichts dagegen, wenn sich die Wahlmanager unserer Parteien einmal zusammensetzten und zum Beispiel über eine Begrenzung der Anzahl der Wahlplakate oder Anzeigen oder über den Verzicht von Radio- und Fernsehspots sprechen würden.

Meine Damen und Herren! Trotz meiner grundsätzlichen Skepsis zu diesem Antrag des REGENBOGENS können wir gerne im Innenausschuß weiter darüber sprechen, wie sich das bisherige Meldegesetz bewährt hat und ob man

es vielleicht an bestimmten Stellen verfeinern sollte. Daher beantragen wir die Überweisung an den Innenausschuß.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Lüdemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag, das Meldegesetz zu ändern, ist nicht neu. Er ist in ähnlicher Form, mit der gleichen Zielrichtung, bereits im Oktober 1997 von der damaligen GAL-Abgeordneten und jetzigen Zweiten Bürgermeisterin Sager und dem jetzigen Senator Maier – damals noch GAL-Abgeordneter – und anderen GAL-Abgeordneten gestellt worden.

Damals wurde der Antrag im Innenausschuß beraten. Auf Antrag der GAL-Abgeordneten wurde die Beratung ausgesetzt. Die GAL hat damals gesagt, sie werde zu gegebener Zeit die erneute Beratung beantragen. Das hat sie offensichtlich bis heute nicht getan. Ich frage mich allerdings – Frau Bürgermeisterin Sager sitzt ja nun heute im Senat –, warum sie denn aus ihrem damaligen Antrag nicht schon einmal einen Senatsantrag gemacht hat und den erneut eingebracht hat, wenn ihr denn noch etwas an der Sache läge.

Eigentlich ist aber über den Antrag in der Sache schon diskutiert und entschieden worden. Zwar hat die GAL den Antrag nicht weiterverfolgt, wir haben aber zusammen mit dem Datenschutzbeauftragten im Unterausschuß „Datenschutz“ sehr ausführlich über dieses Problem diskutiert. Nach dem Protokoll der Sitzung vom 21. Dezember 1998 ist der Ausschuß einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, daß keine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt. Dies hat die Bürgerschaft am 17. Februar 1999 so auch zur Kenntnis genommen, nachdem Sie alle sicherlich den Ausschußbericht ausführlich gelesen haben. Auch die Mitglieder der REGENBOGENGruppe haben dem nicht widersprochen, sondern haben das auch so zur Kenntnis genommen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Bei einer Kenntnisnahme kann man nicht widersprechen!)

Sie hätten es ja vielleicht zur Debatte anmelden können.

Die CDU-Fraktion, um hier deutlich Position zu beziehen, steht heute noch hinter ihrem damaligen Beschluß. Ich halte die Weitergabe von Adressen für kein neues Phänomen, denn man muß bedenken, daß es das Meldegesetz in der Form seit den sechziger Jahren gibt und seit Jahrzehnten so angewandt wird. Seit Jahrzehnten besteht die Möglichkeit, diese Auszüge zu bekommen, und davon wird auch Gebrauch gemacht. Darüber hat sich bislang nie jemand aufgeregt. Zum scheinbaren Problem ist es natürlich erst durch die zunehmende rechtsextremistische Werbung der Parteien geworden, die ihren damit sehr menschenverachtenden Schwachsinn verbreiten können. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu.

Die Frage – und da sehe ich sicherlich Parallelen zur SPDArgumentation – ist, ob es denn Sinn macht, das durch eine Gesetzesänderung zu verbieten. Im Prinzip halte ich die Möglichkeit der Wahlwerbung durch Postzusendungen für sehr sinnvoll. Es gibt die Möglichkeit, dadurch gezielt Jungwähler anzusprechen und um sie zu werben. Den Haushalten wird dadurch auch der Wahltermin ganz bewußt ins Feld gerückt, und das trägt vielleicht auch ein

(Helga Weise SPD)

A C

B D

bißchen mit dazu bei, die Leute aufzurütteln und die Wahlbeteiligung zu erhöhen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Es gibt ja Wahlbenachrichtigungskarten!)

Sie regt sicherlich in einzelnen Haushalten auch zu Diskussionen an, denn viele Leute – das haben Sie selbst gemerkt – regen sich darüber auf, aber das führt vielleicht auch dazu, daß innerhalb der Familie oder mit Freunden über diese Werbung diskutiert wird. Ich bekomme im übrigen auch andere Werbung, die mich aufregt, die ich auch nicht haben möchte, wenn ich an diesen ganzen Schrott von der Süddeutschen Klassenlotterie denke. Das landet bei mir auch immer gleich im Mülleimer. Wenn man da irgendwo widersprechen kann, würde ich gerne Gebrauch davon machen.

Ich meine, es muß aber gewährleistet werden, daß die Daten nur an die Parteien und Vereinigungen herausgegeben werden, die zur Wahl zugelassen sind. Der Datenschützer muß sich auch davon überzeugen, daß die Daten nur zu diesem Zweck verwendet werden und nach der Wahl, also in der vorgeschriebenen Wochenfrist, alle Daten gelöscht werden.

Weiterhin muß sichergestellt werden, daß die Wahlwerbung auch als Werbung zu erkennen ist und nicht, wie es oft gemacht wird, ein bißchen getarnt als offizielle Wahlunterlage. Es muß eindeutig zu erkennen sein, daß es sich hier um eine Werbezusendung handelt und nicht um eine offizielle Wahlunterlage.

Dann gibt es – das ist auch schon angesprochen worden – seit 1969 auch das Recht auf Widerspruch. Man kann ganz deutlich bei den Meldeämtern sagen, dagegen widerspreche ich, ich möchte solche Werbung nicht ins Haus haben. Ich glaube, beim letzten Mal waren es immerhin schon 11700 Leute, die davon Gebrauch gemacht haben. Der Datenschützer wirbt dafür. Wenn man das den Leuten mehr ins Bewußtsein bringt, dann kann jeder, der das nicht haben möchte, auch dagegen widersprechen.

Ich glaube, daß das nicht nur eine Parteienprivilegierung ist, wie angeführt worden ist. Das gleiche Privileg gilt auch für wissenschaftliche Untersuchungen oder Meinungsforschungen. Gegen die rechten Parolen helfen keine Gesetzesänderungen. Davon bin ich überhaupt nicht überzeugt. Das gleiche Argument bringt es auch nicht, was in den Bezirksversammlungen versucht worden ist, die Geschäftsordnung zu ändern, um der DVU über solche Tricks den Fraktionsstatus irgendwie abzuerkennen. Ich glaube, das bringt überhaupt nichts, sondern nur die inhaltliche Auseinandersetzung bringt wirklich etwas.

Das Mittel ist auch nicht effektiv – das ist hier auch schon angesprochen worden –, denn zur Not gibt es – ich glaube, sogar von der Deutschen Post AG angeboten – Datensätze zu kaufen, auch von privaten Unternehmern. Wenn es die Daten vom Meldeamt nicht mehr gibt, wofür auch noch viel Geld bezahlt werden muß, können sich die Leute das auf anderem privatrechtlichen Wege, aber völlig legal besorgen. Zur Not gibt es noch die Hausverteilung. Also, wenn sie das wollen, wenn die DVU weiterhin diese Werbung machen will, dann wird sie es machen. Daran können wir nichts ändern.

(Antje Möller GAL: Aber den Unterschied sehen Sie schon!)