Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

Pilotprojekt niedrigschwellige Beschäftigung für ältere Langzeitarbeitslose und arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger – Drs 16/6175 – 5231 D

Beschluß 5231 D

Beginn: 15.03 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.

Der Präsident des Senats hat mich gebeten, ihm gemäß Paragraph 12 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung vor Eintritt in die Tagesordnung die Gelegenheit zu geben, eine Erklärung zum Thema „Neuer Finanzausgleich – Erfolg für den Föderalismus: Hamburgs Zukunft gesichert“ abzugeben.

Im Ältestenrat wurde einvernehmlich vereinbart, daß hierzu eine Beratung stattfinden soll. Es wurde ebenfalls festgelegt, daß den Fraktionen und der Gruppe jeweils zehn Minuten zusätzliche Redezeit zur Verfügung stehen. Im übrigen kann die Gesamtredezeit in Anspruch genommen werden.

Herr Bürgermeister, Sie haben das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor vier Monaten, am 28. Februar, habe ich von dieser Stelle aus über eine für Hamburg wichtige Entscheidung gesprochen. Es war die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Realisierbarkeit des Zukunftsprojekts A380. Vier Monate später ist erneut für Hamburg eine wichtige Entscheidung gefallen, diesmal auf politischer Ebene, und wieder liegt nahe, von einer wichtigen Wegmarke für Hamburg zu sprechen.

Die Einigung über den Länderfinanzausgleich hat für Hamburg eine herausragende Bedeutung. Sie sichert unsere Existenz, sie garantiert unsere Stadtstaatlichkeit, sie verbessert unsere finanzielle Situation. Hamburg hat sich in den Verhandlungen mit allen seinen Zielvorstellungen durchsetzen können,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

was aber nicht heißt, daß dafür jemand anderes benachteiligt worden wäre. Mir war im Gegenteil von Anfang an sehr wichtig, daß die Verhandlungen keine Verlierer produzierten. Nichts wäre für ein gedeihliches Miteinander im föderalen System schädlicher, als wenn einzelne Länder permanent das Gefühl haben müßten, unterlegen zu sein. Deshalb durfte und mußte auch kein Land den Verhandlungstisch mit roten Zahlen verlassen.

Bundesratspräsident und Hamburgs Erster Bürgermeister Herbert Weichmann sprach am 9. Mai 1969 von einem historischen Geschehen, als der Bundesrat das Finanzreformgesetz beschloß. 32 Jahre später, im Jahre 2001, darf man erneut von einer historischen Wegmarke sprechen, denn die Übereinkunft über den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt II hat für Deutschland in der Tat herausragende Bedeutung. Sie sichert den Fortbestand eines solidarischen Föderalismus, sie schafft Planungs- und Zukunftssicherheit für einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten. Daß diese für den Föderalismus so weitreichende Entscheidung in unserer neuen Landesvertretung in Berlin entwickelt wurde, möchte ich als Randbemerkung hinzufügen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, genau!)

Hamburgs Repräsentanz in Berlin ist also bereits wenige Monate nach der Eröffnung zu einem wichtigen politischen Ort in der Hauptstadt geworden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Der Weg bis zur Entscheidung vom Samstag war lang und dornig, war mal von Hoffnungen und mal von Enttäuschungen geprägt. Es waren zähe und äußerst mühselige Verhandlungen. Um so größer ist die Freude, daß der Knoten nun durchgeschlagen werden konnte. Dies ist auch dem Bund zu verdanken, der die Länder dauerhaft um jährlich rund 1,5 Milliarden DM entlastet. Ohne die Hilfe des Bundeskanzlers und des Bundesfinanzministers hätten wir am Samstag wohl schwerlich eine einvernehmliche Lösung präsentieren können.

(Beifall bei der SPD)

Mein Dank gilt daher dem Bund, der entscheidend dazu beigetragen hat, die Verhandlungen zu einem guten Ergebnis zu führen, zu einem Ergebnis, das zunächst unerreichbar schien, vor allem kurz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Damals habe ich mit Sorge gesehen, daß ein regelrechter Kampf zwischen Nord und Süd, zwischen Geber- und Nehmerländern vom Zaun gebrochen wurde, vor allem aber ein Kampf gegen die Stadtstaaten und die Einwohnerwertung. Unser Hauptziel war deshalb und mußte sein, die Einwohnerwertung der Stadtstaaten zu erhalten.

Um dieses Ziel zu erreichen, mußten wir uns nach Bündnispartnern umschauen. Wir fanden sie im sogenannten Hannoveraner Kreis, einer Gruppe aus elf Ländern, außer Hamburg allesamt sogenannte Nehmerländer. An Skepsis und Kritik gegenüber unserer Bündnispolitik hat es nicht gefehlt. Uns wurde vorgehalten, wir sollten uns doch nicht mit den armen Schluckern, den Nehmerländern, an einen Tisch setzen, sondern auf die Seite der Zahlerländer schlagen, wo wir hingehörten. Doch der Angriff der südlichen Zahlerländer richtete sich vor allem gegen die Stadtstaaten. Deswegen war es mir wichtig, daß sich die Stadtstaaten nicht auseinanderdividieren lassen. Es war ein Gebot politischer Klugheit, eine Koalition der Stadtstaaten zu bilden; diese Strategie hat sich dann ja auch bewährt. Es war eine Strategie unabhängig von parteipolitischer Zugehörigkeit, es war eine Strategie mit dem Berliner Senat in der großen Koalition mit Herrn Diepgen, und es war am Ende eine Strategie mit Herrn Wowereit und einem rotgrünen Senat. Es war auch eine Strategie, in der Herr Perschau im Bremer Senat sich immer dann freute, wenn der Hamburger Bürgermeister die Interessen Bremens mitvertrat.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ein Bündnis haben wir aber auch innerhalb Hamburgs gebildet. Es ist unter dem Namen „Allianz für Hamburg“ überregional bekannt geworden, ein Bündnis, das es in dieser Form wohl noch nicht gegeben hat. Von der Hamburger Allianz ging als klares Signal aus, daß sich Hamburgerinnen und Hamburger in dieser existentiellen Frage nicht auseinanderdividieren lassen. Auch die „Allianz für Hamburg“ hat sich bewährt. In den Verhandlungen hat mir das Wissen um partei- und fraktionsübergreifenden Konsens in der Stadt den Rücken gestärkt. Daß Gewerkschaften, Arbeitgeber und Kammern dabei waren und wir auch ökumenischen Segen hatten, also die Kirchen ihre schützende Hand über uns hielten, war sicherlich hilfreich.

Nach dem Erfolg, den wir gemeinsam errungen haben, gilt mein Dank allen, die diese Allianz mitgetragen haben. Sie zeigt einmal mehr, was diese Stadt zu bewegen imstande ist, wenn sie sich geschlossen an große Projekte wagt, sei es der A380, sei es unsere Position im Länderfinanzausgleich. Ich würde mir wünschen, daß wir auch bei anderen Themen, die unsere Stadt bewegen, mit größerer Ge

A C

B D

schlossenheit agieren. Der Erfolg vom Samstag ist ein Erfolg, an dem viele mitgewirkt haben, jede und jeder auf seine Weise. Dafür danke ich allen herzlich.

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Eine kurze Bewertung der Ergebnisse vom Samstag: Die Einigung über Solidarpakt II und Finanzausgleich enthält auch eine Frist; die Vereinbarungen gelten bis zum 31. Dezember 2019. Hinter diesem Datum steckt die Hoffnung, daß wir 30 Jahre nach Überwindung der politischen Teilung auch die innere Einheit vollzogen haben werden, eine grundlegende Reform der föderalen Finanzbeziehungen danach macht dann Sinn. Vereinbart haben wir, daß der Bund für die Jahre 2005 bis 2019 die Annuitäten des Fonds Deutsche Einheit übernimmt, also 6,85 Milliarden DM. Außerdem übernimmt er am 31. Dezember 2019 die Restschuld allein. Der Bund erhält für diesen Zeitraum einen Festbetrag an der Umsatzsteuer in Höhe von 5,35 Milliarden DM; dies war übrigens ein Hamburger Vorschlag. Die Differenz ist der sogenannte Einigungszuschuß des Bundes an die Länder in Höhe von 1,5 Milliarden DM.

Diese 5,35 Milliarden DM verringern sich pro Jahr um eine weitere Milliarde DM durch eine zusätzliche Tilgungsstreckung des Fonds Deutsche Einheit bis zum Ablauf des neu vereinbarten Finanzausgleichs 2020. Für die Jahre 2002 bis 2004 erfolgt außerdem eine weitere Tilgungsstreckung. Das ist eine komplexe Materie, macht aber Spaß, wenn man es versteht und sieht, was am Ende herausgekommen ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dieses Modell der Einbeziehung des Fonds Deutsche Einheit war aus Hamburger Sicht nicht ganz uneigennützig, denn es bestand ein Risiko aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, speziell zum Fonds Deutsche Einheit, in Höhe von 30 Millionen DM. Deshalb war die Idee, den Fonds ganz an den Bund abzugeben, auch die sicherste Methode, diese Risiken von uns fernzuhalten.

Für Hamburg ist die wichtigste Vereinbarung die Sicherung der Einwohnerwertung der Stadtstaaten, und das ohne Wenn und Aber, also ohne irgendeine Revisionsklausel, um die der Süden noch bis kurz vor der Einigung am Sonnabend hart gerungen hat. Die wollten nämlich nach sieben Jahren wieder eine Revisionsklausel für die Einwohnerwertung. Und jeder, der weiß, wie schnell sieben Jahre vergehen, weiß, daß wir dann keinen Friedenszustand über 15 bis 20 Jahre gehabt hätten, sondern der Krieg und die Bedrohung gleich weitergegangen wären; das wäre nicht verantwortlich gewesen.

Weiter wurden folgende Punkte vereinbart: Ein vierundsechzigprozentiger Einbezug der Gemeindefinanzkraft, gekoppelt mit einem flacheren Tarif, mit dem Hamburg als starkes Geberland sehr gut leben kann. Außerdem wurden eine Deckelung der Abschöpfung auf 72,5 Prozent und eine Anreizkomponente vereinbart, die überdurchschnittliche Steuerzuwächse zu 12 Prozent Ausgleich freistellt, und zwar Steuerzuwächse sowohl der Nehmerländer als auch der Geberländer, also ein intelligentes System, das für alle wirkt. Die Gemeindeeinwohnerwertung ist etwas anderes als die Einwohnerwertung für die Stadtstaaten. Sie wird für alle Stadtstaaten von 129,2 Prozent auf 135 Prozent erhöht, und das ist die Auflösung des Rätsels, Frau Hajduk, das in unserer letzten Debatte noch offen war. Das beantwortet die Frage von Herrn Waldhelm, wie habt ihr es denn geschafft, das auszugleichen, daß die Ge

meindefinanzkraft in größerem Umfang als bisher einbezogen wird. Das haben wir geschafft, indem wir die Einwohnergewichtung auf 135 angehoben haben. Das hat auch den Vorteil, wenn 2018 mein Nachfolger

(Michael Waldhelm CDU: Das kommt schon viel schneller!)

und die künftige Finanzsenatorin oder die künftige Bürgermeisterin und der künftige Finanzsenator in Folgeverhandlungen gehen, daß sich dann die 135 Prozent noch sehr viel tiefer im Gedächtnis eingegraben haben. Die Angleichung dieser beiden Werte dient letztlich also der Stabilisierung der 135 Prozent bei der Einwohnerwertung für die Landessteuern.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Bis 2018 durchhal- ten!)

Die Hafenlasten existieren in veränderter Form weiter. Sie werden gesetzlich verankert und gleichwertig abgesichert, aber außerhalb des Rechenwerks des Länderfinanzausgleichs, und von der Ländergesamtheit getragen. Ich erinnere daran, daß Ministerpräsident Stoiber zu betonen pflegte, Genua sei ihm näher als Hamburg. Das ist geographisch zwar korrekt, spiegelt aber nicht die wirtschaftlichen Realitäten wider. Der Hafen für die Bayern ist eben auch Hamburg, und wir bringen für die Bayern entsprechende Dienstleistungen. Diese sind mit der Vereinbarung vom Samstag nunmehr von allen akzeptiert. Auch dies ist ein großer Erfolg für Hamburg. Jetzt kann auch Herr Stoiber wieder zum Übersee-Club eingeladen werden.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Muß aber nicht!)

Seine Reden werden uns dann nicht mehr so ärgern.

Meine Damen und Herren! In der Gesamtschau ergibt sich folgende Bewertung. Mit der Einigung im Länderfinanzausgleich haben wir unsere Position nicht nur behauptet, sondern stehen unter dem Strich sogar ein gutes Stück besser da. Die Lösung beschert Hamburg ab 2005 eine ansehnliche Besserstellung im Vergleich zum Status quo. Diese Besserstellung drückt sich in einer Summe von rund 63 Millionen DM oder rund 37 DM pro Kopf im Jahre 2005 aus. Diese Besserstellung ist überdurchschnittlich im Ländervergleich, der bei 31 DM liegt. Das ist noch nicht alles. Hinzu kommen noch 40 Millionen DM Hafenlasten, macht zusammen gut 100 Millionen DM Besserstellung bezogen auf das Rechnungsjahr 2005. Nicht berücksichtigt in diesen Zahlen ist außerdem die Anreizkomponente. Angesichts der Wettbewerbskraft und der Standortqualitäten Hamburgs bin ich zuversichtlich, daß allein aus der Anreizkomponente nochmals für Hamburg ein Bonus, vielleicht sogar ein beachtlicher Bonus, zu erzielen sein wird.

Summa summarum sichert das Ergebnis vom Samstag Hamburgs Zukunft, ja, es garantiert unsere Eigenstaatlichkeit und unsere Finanzkraft. Deshalb kann Hamburg mit diesem Ergebnis mehr als zufrieden sein.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Doch auch für die Ländergemeinschaft ist das Resultat ein großer Erfolg, denn es sichert die Eigenständigkeit aller Länder und das föderale System. Es stärkt die Solidarität im Finanzausgleich, weil es für einen guten Ausgleich zwischen Empfänger- und Geberländerinteressen sorgt. Und es enthält intelligente Anreizsysteme, die allen Ländern positiv zugute kommen, nicht nur den Geberländern, wie in der Presse nicht ganz richtig zu lesen war. Somit ist die Einigung über den Länderfinanzausgleich ein wichtiger

(Erster Bürgermeister Ortwin Runde)

Beitrag zu einem modernisierten Föderalismus und gleichzeitig ein Beitrag zur Vollendung der inneren Einheit.

Das Resultat vom Samstag ist ein voller Erfolg für uns alle. Hamburg hat zu dieser Einigung im Interesse aller Länder wesentlich beigetragen. Damit meine ich nicht nur die Räume in der Landesvertretung, die ihre Feuerprobe als idealer Ort für das Finden von Kompromißlinien bestanden und sich damit sicher auch für zukünftige wichtige Verhandlungsrunden qualifiziert hat. Vor allem meine ich damit, daß Hamburg in den Verhandlungen fairer Makler und Moderator war; das unterschied uns übrigens von manch anderen. Hamburgs Bemühen um Interessenausgleich und Konsensfindung ist selbstverständlich auch von anderen sehr genau registriert worden. Vielleicht hat nicht zuletzt die Art und Weise, wie Hamburg sich in den Diskussionsprozeß eingebracht hat, den einen oder anderen davon überzeugt, daß die Freie und Hansestadt Hamburg im föderalen System auch in Zukunft eine wichtige Rolle als leistungsstarker und selbstbewußter Stadtstaat und als überzeugender Anwalt für ein solidarisches, föderales System spielen können muß.

Wenn man einmal bedenkt, daß die Räubertruppen aus dem Süden ausgezogen sind, um uns auszurauben, dann kann man feststellen, daß wir ihnen nicht nur ordentlich was auf die Mütze gegeben haben, sondern aus dieser Auseinandersetzung mit einer kleinen Kriegsbeute zurückgekehrt sind. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr von Beust.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn der Grundsatz gilt – und für mich gilt er –, erst kommt das Land, dann die Partei, muß man feststellen, daß die Einigung im Länderfinanzausgleich gut für das Land Hamburg ist, und wir freuen uns darüber.