Sie haben zumindest im Gegensatz zu Ihren Kollegen nicht nur versucht, die 29 Prozent von heute zu überspielen, sondern haben sich auf eine Diskussion um die Drogenpolitik in Hamburg eingelassen.
Niemand in diesem Raum wird sich hier hinstellen und sagen, daß das, was in den letzten vier Jahren passiert ist, das erfolgreiche Modell für die Drogenpolitik ist. Es ist ein Konzeptsystem, ein Hilfesystem, kombiniert mit vier Säulen, mit denen man versucht, einer Entwicklung in der Gesellschaft Herr zu werden, sie zu steuern, Hilfe zu geben, wo sie nötig ist, Beratung zu geben, wo sie nötig ist, Unterstützung zu gewährleisten, Drogentote vor allem zu verhindern, und dann den Bereich, der mit Kriminalität zu tun
hat, zu regeln und in den Griff zu bekommen. Das ist das Ziel dieses Konzeptes, und dabei bleibt es auch.
Frau Sudmann, Ihre Wahrnehmung möchte ich gar nicht kommentieren. Ich sage nur zwei Aspekte. Sie waren erstens nicht dabei, als ich in meiner Fraktion mein Amt zur Verfügung gestellt habe. Sie waren zweitens nicht dabei, als der Landesausschuß getagt hat. Ich finde, es ist jetzt einfach gut. Es ist anmaßend, ständig Entscheidungsprozesse bei der GAL zu kommentieren, zu bewerten und sich dann öffentlich darin zu suhlen. Lassen wir uns lieber inhaltlich darüber reden.
(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Es geht um die Entscheidungen!)
Dieses Konzept wird sich überprüfen lassen müssen, und zwar sehr kurzfristig und immer wieder. Es wird sich hier im Parlament überprüfen lassen müssen, trotz Sommerpause oder gerade wegen der Sommerpause, und vor allem, weil es ein Konzept des Innensenators ist, der sich sehr viel vorgenommen hat, der sehr viel zu leisten hat und der vor allem das schaffen muß, was in der sozialen Stadtteilentwicklung lange Jahre hoch schwierig war, nämlich andere Behörden mitzunehmen und zur Zusammenarbeit zu bringen.
Wenn wir jetzt darüber reden, daß wir einen Crack-Ruheraum brauchen, dann kann man nur sagen, die GAL-Fraktion hat ihre Fachtagung dazu schon gemacht. Die BAGS macht eine Fachtagung am Ende der Woche, und sie kommt bitte schnell mit den Ergebnissen, weil das ein Teil des unmittelbar greifenden Hilfekonzeptes ist, was wir verabredet haben, und es muß schnell greifen.
Das gleiche ist die Ausweitung des Hilfeangebotes bei den Druckräumen. Der neue Druckraum, lange erfolgreich verhindert – ich sage das noch einmal deutlich, trotz Ihrer vielen Anträge, Herr Wersich – durch die große Koalition in Hamburg-Mitte. Da war leider auch die rotgrüne Koalition hier in der Bürgerschaft nicht erfolgreich. Sie haben es erfolgreich verhindert.
Fünf weitere Druckplätze sollen sofort in einem Bus in der Nähe des Hauptbahnhofes zur Verfügung gestellt werden. Es wird sich sehr schnell und sehr kurzfristig überprüfen lassen müssen, ob diese fünf weiteren Druckplätze ausreichen. Das werden wir tun. Das gleiche gilt für die Alkoholeinrichtungen. Es ist richtig, daß die eine Einrichtung keine neue Idee ist. Sie wird aber jetzt endlich realisiert, und das ist das Entscheidende an diesem Konzept. So spannend die Auseinandersetzung um die Brechmittel ist und soviel sie nicht nur über den Kopf geführt wird, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes über den Bauch, so entscheidend ist doch aber, ob das Konzept insgesamt Fuß fassen kann in der Stadt, ob es den Geruch des Aktionismus, den Sie so gerne formulieren – vielleicht auch zu Recht –, ver
liert. Es muß umgesetzt werden, und zwar in allen Teilen, und das wird von uns zu überprüfen sein. Das ist keine Drohung, sondern einfach die Arbeit des Parlaments.
Was völlig neu und ein wichtiges Element dieses Handlungskonzeptes ist, das aber leider immer zuwenig vorkommt, ist die Einrichtung von Vormundschaften für sechzehn- bis achtzehnjährige minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Sie erinnern sich vielleicht an die vielen Debatten, die wir zu diesem Thema in diversen Ausschüssen geführt haben. Dabei haben wir uns im übrigen auch gerne mit dem damaligen Innensenator zerstritten. Hier passiert etwas, was lange überfällig war und wo man genauso sagen muß, kommt es oder kommt es nicht? Wird es die Ausweitung der Vormundschaften geben, wie wird sie realisiert? Wie können diese Amtsvormünder in der Regel erzieherisch tätig werden, so daß – und da will ich dem Innensenator dann auch gerne folgen – es nicht zur jugendgerechten Arbeit gehören muß, zu dealen und sich ohne Arbeit, ohne Qualifizierungsmöglichkeiten, ohne schulische Bildung in dieser Stadt, in dem Alter und in dem Status eines minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings bewegen zu müssen. Dabei soll es erst einmal bleiben. Ich hoffe, daß wir noch oft zu diesem Handlungskonzept diskutieren werden
es kommt immer wieder eine neue Bürgerschaftssitzung, Herr Wersich, so ist das Leben –, und zwar immer unter der Maßgabe, funktioniert dieses Gleichgewicht von vier Säulen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator, Sie reden wirr und Sie widersprechen sich innerhalb von zwei Sätzen. Wenn Sie zum einen sagen, Ihr Konzept stellt Strafe und Hilfe gleichberechtigt nebeneinander, und gleich darauf feststellen, zentral ist die Strafverfolgung, zentral – das ist die Folge – wird die Vertreibung sein, zentral ist die Zerschlagung, zentral ist der Knüppeleinsatz und nicht das Hilfsangebot, ist das nicht neu.
Immer wieder haben Vorgängerinnen und Vorgänger, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals stand, darauf zurückgegriffen. Die Folgen sind bekannt. Es hat niemanden geholfen. Es hat nicht den Süchtigen geholfen, es hat auch nicht Ihren Vorgängern geholfen. Deshalb: Lassen Sie die Finger davon.
Manfred Mahr hat gerade gesagt, dieses Konzept sei der große Wurf. Es ist tatsächlich ein großer Wurf, aber es ist ein Wurf in die völlig falsche Richtung.
Er markiert eine Kehrwendung in der Drogenpolitik in Hamburg, eine Kehrtwendung zurück in die achtziger Jahre, deren Konzepte lange gezeigt haben, wie falsch diese gewesen sind, weil auch sie immer wieder den Knüppel vor das Hilfsangebot gestellt haben. Sie sind gescheitert damit, und das sollten Sie endlich einmal gelernt haben.
Ich nenne noch einen Aspekt zum Brechmittel. Wir haben gehört, daß die GAL der Auffassung ist, daß der Einsatz von Brechmitteln gegen die Menschenwürde verstößt. Die GAL hat die Erfahrung gemacht, daß die Praxis in allen anderen Städten nicht hinnehmbar ist, das ist überprüft worden. Trotzdem laßt ihr es aber zu, daß es eingesetzt wird. Ihr laßt zu, daß in dieser Stadt gegen die Menschenwürde verstoßen wird. Das könnt ihr doch nicht tun, ihr müßt euch doch dafür schämen, wenn ihr euch dagegen nicht wehrt.
Es ist doch nur ein Blendmittel, wenn es heißt, daß das Konzept gleichzeitig kommt. Die Peitsche wird geschwungen, und gleichzeitig gibt es ein Zuckerbrot. Wir werden es erleben, daß der Einsatz von Brechmitteln kommt, und sofort kommt auch die Kriminalisierung von Konsumenten. Dann setzt sofort die Vertreibung der Szene in die Wohngebiete ein. Wenn man es sich am Hauptbahnhof anguckt, wird jetzt schon exekutiert. Aber wo sind die Hilfsangebote, die so in den Vordergrund gestellt werden? Ist dieser Bus tatsächlich ein Angebot? Wir haben gestern gehört und darüber geredet, daß es sich um drei Plätze handelt.
Wenn die Qualitätsstandards eingehalten werden – und das wollen Sie doch sicherlich auch –, dann werden es maximal drei Plätze sein, die noch nicht einmal unter vergleichbaren Umständen eingerichtet werden können. Diese drei Plätze, die eingerichtet werden sollen, sind doch kein Hilfsangebot. Der Gesundheitsraum, der immer wieder ins Gespräch kommt, ist nicht in Sicht. Es gibt keinen Standort, und auch dieses unsägliche Ausschreibungsverfahren wird sich in dieser Legislaturperiode nicht mehr durchsetzen lassen. Dieses Hilfsangebot ist verschoben und bedeutet einen Wechsel in die Zukunft, den ihr jetzt noch nicht einlösen könnt.
Das gleiche gilt für das Heroinmodell, das haben wir schon öfter gehört, und auch bei Crack ist es nötig, ein sofortiges Hilfsangebot einzurichten. Aber bisher sind die Hilfsangebote nur geplant und nicht in Sicht. Deshalb ist auch diese Verblendung, die hier geschieht, so fatal. Es heißt, daß es ein Konzept ist, das gemeinsam zeitnah beide Seiten berücksichtigt. Hier wird aber nur die Repression exekutiert. Das Hilfsangebot wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, und das finde ich fatal; das könnt ihr nicht machen.
Ich glaube, daß wir es hier mit einem ganz anderen Drogenproblem zu tun haben. Denn süchtig geworden sind offensichtlich auch die Regierungsfraktionen, und das Suchtmittel heißt Macht, meine Damen und Herren. Allein die Drohung, daß Ihnen dieses Suchtmittel entzogen wird, läßt alle Dämme brechen und alle Selbstachtung vergessen; sie läßt euch sogar Brechmittel schlucken, und dafür, finde ich, solltet ihr euch schämen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wersich, ich möchte ganz kurz auf Sie eingehen. Sie haben dargestellt, was wir alles abgelehnt haben, Sie haben aber nicht dargestellt, was wir alles gemacht haben. Wir haben in dieser Legislaturperiode so viel gemacht wie in keiner anderen Legislaturperiode zuvor. Wir haben die Gesundheitsräume und das Methadon-Programm so weit ausgebaut wie nie zuvor, und Sie haben das jeweils im Haushalt abgelehnt. Das muß man hier festhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nur einiges zum Thema Brechmittel sagen. Natürlich ist die Anwendung von Brechmitteln nicht folgenlos. Bis vor kurzem war für mich aus gesundheitspolitischer Sicht die Meinung des renommierten Professor Püschel maßgebend, daß der Brechmitteleinsatz unverhältnismäßig ist. Es ist richtig, daß nach der Gabe von hypertoner Kochsalzlösung Todesfälle vorkommen können.