Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

(Dr. Leonhard Hajen SPD)

gen zur Arbeit, in der Freizeit oder ins Wochenende nutzen können. Defizite bei der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs gibt es vor allen Dingen bei den Pendlern aus dem Hamburger Umland. Hier wägt mancher ab, ob er umsteigen und auf die S-Bahn warten soll. Womöglich muß auf einem zugigen Bahnsteig gewartet werden, und dann kommt die S-Bahn auch noch zu spät.

(Bernd Reinert CDU: Das Problem habe ich auch immer in Hamburg!)

Ihre Ausreden höre ich mir nachher noch an, warum Sie nicht mit der S-Bahn hier herkommen.

Da fällt die Entscheidung leichter, daß man lieber mit dem Auto – vielleicht sogar den Stau in Kauf nimmt – zur Arbeit fährt. In diesen Bereichen muß die Qualität des ÖPNV verbessert werden. Die zur Zeit zur Diskussion stehende Erweiterung des S-Bahn-Angebots in die Region hinein ist vor allem auch deshalb eine richtige und wichtige Entscheidung, weil die umliegenden Länder begriffen haben, wie wichtig die Nahverkehrsentwicklung im engeren Umkreis von Hamburg ist, und deshalb auch bereit sind, einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Entwicklung des Verkehrsverbundes zu leisten.Vor dem Hintergrund, daß wir vor einem Jahr noch darüber diskutiert haben, ob Schleswig-Holstein bereit sei, die U-Bahn nach Großhansdorf weiter zu finanzieren, ist dies eine insgesamt positive Entwicklung.

Die Ausweitung des S-Bahn-Angebotes wird durch eine neue Technik möglich, die es erlaubt, daß S-Bahn-Züge auf den mit Oberleitungen versehenen Trassen der Fernbahnen fahren können. Wenn diese technischen Probleme gelöst sind und die Finanzierung steht – das kostet circa 1,5 Millionen DM pro Zug –, kann man demnächst auch ohne Umsteigen von Buxtehude bis zum Jungfernstieg durchfahren.Die Strecke von elf Kilometern von Buxtehude nach Neugraben ist Bestandteil des zwischen Hamburg und dem Umland geschlossenen Regionalen Entwicklungskonzeptes. Wenn alles klappt – was die SPD-Fraktion sich natürlich wünscht –, dann können in zwei Jahren die ersten Pendler aus Buxtehude auf ihr Auto verzichten und ohne Umsteigen mit der S-Bahn nach Hamburg fahren.– Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Lafferenz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Aus Anlaß der geplanten Errichtung einer elf Kilometer langen Pilotstrecke von Neugraben nach Buxtehude haben HVV, S-Bahn und die Deutsche Bundesbahn AG strategische Überlegungen angestellt, auf welchen weiteren Strecken die Züge im Hamburger Umland mit der Zweisystemtechnik eingesetzt werden könnten. Sie haben aber gleichzeitig eingeräumt, daß es sich dabei um Zukunftsmusik handele.

Die CDU begrüßt diese Überlegungen ausdrücklich, stellen sie doch ein Szenario dar, dessen visionäre Kraft von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Metropole Hamburg und der sie umgebenden Region sein kann. Circa 350 000 Pendler von und nach Hamburg sorgen täglich für ein Verkehrsaufkommen, das weitgehend von privaten Personenkraftwagen bestimmt wird. Eine Entlastung der verstopften Einfallstraßen ist ein Gebot der Vernunft; eine Verlagerung auf einen attraktiveren, umsteigearmen Schienenverkehr ist die plausibelste Lösung.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Bravo!)

Es besteht aber leider kein Grund zur Euphorie.

Die Forderungen, das weitere Umland Hamburgs mit der S-Bahn zu erschließen, sind uralt. Wir warten schon jahrzehntelang auf die Elektrifizierung der Strecke nach Lübeck und auf die Einrichtung einer separaten S-Bahn-Strecke nach Ahrensburg, die wohl nie kommen wird.Es besteht die Forderung nach einem dritten Gleis auf der Strecke von Lüneburg nach Stelle und nach einer Verlängerung der S-Bahn-Strecke nach Stade. Selbst die Pilotstrecke von Neugraben nach Buxtehude wartet seit vielen Jahren auf ihre Realisierung, weil erstens das dafür benötigte Geld zur Expo nach Hannover floß und weil zweitens die Rentabilität von der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen wegen eines zu geringen Verkehrsaufkommens angezweifelt wurde.

Die wesentliche Erleichterung für Hamburgs Verkehrsprobleme, nämlich die Vernetzung aller radialen Bahnlinien durch eine Ringbahn an Hamburgs Peripherie, wird vom HVV jedoch nicht einmal erwähnt, wahrscheinlich wurde daran nicht einmal gedacht. Nicht zuletzt ist neben dem Bahnangebot am Wohnort des Einpendlers auch das Bahnangebot am Zielort entscheidend. 80 Prozent der Berufstätigen, die innerhalb des Wallrings arbeiten, kommen heute bereits mit dem SPNV in die Hamburger City, da dort die Arbeitsstätten aufgrund des zentralen Bahnangebotes mit seinen zahlreichen Haltestellen auch ohne Auto gut erreichbar sind. Fast drei Viertel der hamburgischen Arbeitsplätze liegen jedoch außerhalb der City, mehr als ein Viertel davon sogar in der Nähe der Landesgrenze.

Der Zwang, bei Zielen in der äußeren Stadt meistens den Umweg durch die City nehmen und dort noch umsteigen zu müssen, bringt dem Verkehrsträger Bahn Zeitnachteile von bis zu einer Stunde pro Fahrt. Um diesen Mangel zu beheben, sind Querverbindungen wie Tangenten und Ringe im Bahnnetz nötig, um die Zubringerbahnen aus der Region mit den Arbeitsplätzen am Zielort zu vernetzen und damit attraktive Reisezeiten zu erreichen.Dieses könnte in erster Linie ein Bahnring leisten. Dadurch würde das Bahnnetz gegenüber dem Auto auch für den Verkehr zwischen den Randkreisen konkurrenzfähig.

Aber das jahrelange Nichtstun in Sachen Verkehrsentwicklung ist es nicht allein, was mich skeptisch bleiben läßt, daß es sich bei den neuesten Plänen zur Ausweitung des HVV ins Umland nicht um eine zukunftsträchtige Vision, sondern nur um bloße Gedankenspiele handelt.

Vor einiger Zeit bin ich von Einwohnern des Ortes Scheeßel im Landkreis Rotenburg an der Wümme darum gebeten worden, mich dafür einzusetzen, daß der an der Bahnstrecke Harburg–Buchholz–Tostedt–Bremen liegende Ort an das HVV-Netz angeschlossen wird.Mir klang diese Bitte sehr einleuchtend, doch ich mußte mich später von einem Vertreter des Landkreises dahin gehend belehren lassen, daß dies eine Sache des Landkreises sei, für welche Strecken er den ÖPNV bestelle und wieviel er dafür bezahlen wolle. In erster Linie ginge es ihm um die Verkehrsverbindung innerhalb der Kreise und nicht um die Unterstützung des Pendlerverkehrs.

Bei einer möglichen Neuorganisation des ÖPNV muß deshalb der öffentliche Schienenpersonennahverkehr zukünftig in der Zuständigkeit der Länder liegen. Die Aufgabe Öffentlicher Schienenpersonennahverkehr kann in den Flächenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein organisatorisch und finanziell weder von einer kommunalen Gebietskörperschaft allein noch in Zusammenarbeit meh

(Barbara Duden SPD)

rerer gelöst werden. Der SPNV weist nämlich regelmäßig kreis- und regionenübergreifende Verflechtungen auf. Darüber hinaus ist absehbar, daß die vom Bund seit 1996 bereitzustellenden Finanzbeträge weder für die Aufrechterhaltung des SPNV, geschweige denn für einen verbesserten Gesamt-ÖPNV reichen werden.

Wenn wir den HVV für das hamburgische Umland verfügbar machen wollen, müssen wir uns um die Erschließung der nötigen Geldquellen bemühen.

(Glocke)

Ich komme zum Schluß.

(Barbara Duden SPD: Was heißt denn hier wir? Alle!)

Wir alle.

Das begeisterte Leuchten in den Augen reicht dazu nicht aus. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich habe nicht verstanden, welche Begeisterung in den Augen von Herrn Lafferenz leuchtet.Das wird er mir später bestimmt noch erzählen.

Leuchtende Augen sollten wir bei jeder Maßnahme bekommen, die dazu beiträgt, daß der motorisierte Individualverkehr – MIV genannt – auf Bus und Bahn verlagert wird. Die Ausweitung des HVV-Bereichs wäre dazu ein guter Schritt.

Herr Wagner, wir möchten Ihnen gern für Ihre Verhandlungen einige Kriterien mit auf den Weg geben, die erfüllt werden sollten.

(Rolf Kruse CDU: Vor allem die Kasse!)

Die Kasse soll er auch füllen, aber vielleicht könnte man dadurch Geld sparen, wenn der ÖPNV oder laut Herrn Lafferenz der SPNV gefördert wird.

Ein wichtiges Kriterium ist – egal, was im Umland passiert und welche Maßnahme ergriffen wird –, daß das Ergebnis dazu führen muß, daß das Reisen insgesamt attraktiver wird, das heißt, daß die Reisezeit für mich als Bahn- oder Busnutzerin nicht länger werden darf. Deswegen wird hier auch die Frage zu klären sein, ob es sinnvoll wäre, die S-Bahn einzusetzen, weil diese bisher nicht die erforderlichen Geschwindigkeiten erzielen konnte, oder ob die neue S-Bahn-Serie in der Lage ist, diese umzusetzen. Egal wie, im Ergebnis muß erreicht werden, daß die Reisezeit kürzer wird.

Es muß auch erreicht werden, daß das Reisen komfortabler wird und das Umsteigen, wenn irgend möglich, entfällt. Vielleicht wird Herr Wagner bei den Verhandlungen hier gute Resultate erzielen können. Wenn nicht, Herr Wagner, hätten Sie ein wenig Kritik verdient, die Sie sonst selten erhalten.

Auf jeden Fall muß es Taktverkehre geben, die es bisher nicht gibt, aber unter dem Stichwort „Citybahn“ diskutiert wurden. Ein attraktiver Verkehr aus dem Umland kann nur dann attraktiv sein, wenn eine Bahn im 15-Minuten-, 20-Minuten- oder vielleicht sogar im Zehn-Minuten-Takt und nicht zu krummen Zeiten fährt.

Es gibt viele Punkte, die erreicht werden müssen. Herr Schmidt hat es schon gesagt: Es muß ein Tarif abgeschlossen, ein vernünftiger Takt geschaffen und ein übersichtlicher Plan erstellt werden, und außerdem sollten schöne, moderne Züge fahren. Dann kommen wir relativ weit. Als Beispiel für eine kurze Reisezeit halte ich mich heute an eine kurze Redezeit, und hoffe, daß wir hier zu einem guten Ende kommen werden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Senator Wagner.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was den HVV angeht, können wir diesen mit der Überschrift versehen: Er ist eine einzige Erfolgsstory!

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke: Uih! – Bernd Reinert CDU: Das ist dann auch wirklich Ihre einzige!)

Wenn ich mir überlege, daß der HVV in den letzten zehn Jahren circa 15 bis 16 Prozent mehr Fahrgäste zu verzeichnen hatte, so ist das ein Zuwachs, der sich sehen lassen kann und der zeigt, daß wir mit unserer Verkehrspolitik den richtigen Weg beschreiten.

(Beifall bei der SPD)

Diese Zahlen müssen von den anderen Verkehrsverbünden in Deutschland erst einmal erreicht werden. Wir sind gut, und das bedarf der entsprechenden Würdigung.

Nachdem wir festgestellt haben, daß wir in bezug auf das jetzige Einzugsgebiet des HVV ein sehr vernünftiges Angebot gemacht haben und dieses von den Kunden des HVV angenommen wird, liegt es auf der Hand, zu überlegen, inwieweit wir das Einzugsgebiet des HVV vergrößern können. In der Presse stand, daß wir beispielsweise Untersuchungen für eine S-Bahn nach Stade in Auftrag gegeben hätten. Dieser Einsatz der S-Bahn ist vor allen Dingen auch ein technisches und ein organisatorisches Problem.Es ist aber natürlich auch – das will ich nicht verschweigen – ein finanzielles Problem.

Hier wurde gesagt, daß wir uns gemeinsam um die Erschließung von Finanzierungsquellen bemühen müssen. Ich unterstelle dabei, daß jede der Gebietskörperschaften, die eine solche Verbindung wünscht, auch in der Lage ist, seinen Anteil an Kosten – sprich Subventionen – zu leisten.

Vielleicht erinnern Sie sich daran, als es vor einigen Jahren um die Veränderung der gesetzlichen Grundlagen in bezug auf den ÖPNV ging. Es war die damalige Bundesregierung, die mittels einer Grundgesetzänderung festgelegt hat, daß der ÖPNV zur Daseinsvorsorge der Kommunen gehört. Das bedeutet, daß sich diejenigen, die sich dafür entschieden haben, darüber im klaren waren, daß das Geld kostet.

Seitdem wir den HVV neu strukturiert haben, stehen die Türen für jeden weit offen, der diesen guten Service für sich in Anspruch nehmen möchte. Aber es ist keineswegs so, daß wir nur darauf warten, daß das Tarifgebiet erweitert wird. Sondern auch wir haben in Form von Vorleistungen – wenn ich an die Verlängerung der U1 nach Norderstedt denke – schon einiges getan.