Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

Probe Nummer 917: 16,5 Prozent, 929: 32 Prozent, 986: 14,3 Prozent, 400: 95 Prozent, 412: 11 Prozent, 266: 10 Prozent, 280: 1,9 Prozent und Probe Nummer 261 ganze null Prozent Anteil Heroin. Ähnlich ist die Situation beim Kokain. Auch hier gibt es beim Reinheitsgehalt eine Spanne von null bis 96 Prozent. Wer Zweifel an diesen Zahlen hat, kann gerne bei der Polizei nachfragen. Dort werden regelmäßig die beschlagnahmten Rausch- und Betäubungsmittel untersucht, und die dürften diese Zahlen bestätigen.

Innerhalb kurzer Fristen gibt es auf dem Hamburger Markt Heroin im Angebot, das eine Reinheit von null bis 95 Prozent aufweist, wohlgemerkt, Überschreitungen von 20 bis 30 Prozent der normalen Dosierungen können bereits tödlich wirken. Aber nicht nur tödliche Fehldosierungen aufgrund unkalkulierbarer Stoffzusammensetzungen sind ein Problem. Inzwischen ist bekannt, daß die Beimischungen selbst die Ursache für zusätzliche gravierende Gesundheitsrisiken sind. Die oft haarsträubenden Substanzen bergen ein zusätzliches Verelendungspotential, dem man sich einfach stellen muß. Wir wollen, daß zukünftig mehr Menschen die Chance haben, ihre Sucht zu überleben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Sicherlich ist das geplante Heroinmodell eine weitere Chance für viele, aber bekanntlich nicht für alle. Deshalb müssen weitere Instrumente entwickelt oder einfach nur eingesetzt werden, um vermeidbare gesundheitliche Schäden zu verhindern. Dem müssen wir uns unideologisch und ohne Scheuklappen auch in diesem Haus stellen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die Möglichkeit, Rauschmittelproben untersuchen zu lassen, gäbe einzelnen die Chance, tatsächlich ihr Suchtmittel zu dosieren. Sie würde nicht zuletzt Druck auf die generelle Qualität des angebotenen Stoffs machen, und es könnte ein Frühwarnsystem für die Szene bedeuten. Es würde die Gefahr der eingangs erwähnten Todesfälle erheblich verringern. Es ist schon klar, daß es nicht ganz unkompliziert ist, ein derartiges Instrument des Drogencheckings zu etablieren, aber es könnte mit verhältnismäßig wenig Aufwand vielen Menschen geholfen werden, so daß es sich lohnt, sich dieses Themas anzunehmen. Das ist nicht zuletzt auch vor einem Jahr im Eingabenausschuß deutlich geworden, als der damalige Drogenbeauftragte zu diesem Thema Stellung genommen hat. Aus seiner Sicht sprach zunächst die juristische Situation dagegen, so etwas sofort einzuführen.

Diesbezüglich haben sich allerdings in der Zwischenzeit zwei nicht unwichtige Faktoren verändert, zum einen der Gesetzgeber selbst, aber zum anderen auch die Rechtsprechung. Das Testen von Rauschmitteln ist nach Auffassung der Sechsten Strafkammer des Landgerichts Berlin in zweiter Instanz als legal eingestuft worden. Ein Drogencheck ist also möglich, er ist nicht unmöglich, wie so oft gesagt worden ist. Ein Drogencheck wird natürlich nicht das Allheilmittel gegen Verelendung und Überdosierung sein, Drogencheck kann aber einen weiteren wichtigen Baustein in einem breit gefächerten Hilfesystem für Menschen, die von der Droge abhängig geworden sind, darstellen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es gilt, dieses Hilfesystem weiter zu optimieren, und es ist jetzt an der Zeit für einen weiteren Schritt zu einer effektiven Lebens- und Gesundheitshilfe für Konsumenten illegaler Drogen auch in dieser Stadt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Herr Dr. Schäfer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist der Gedanke richtig, daß eine gute Information über die Zusammensetzung dieser Drogen hilfreich wäre bei der Dosierung und sicherstellen könnte, daß es zu keinen Überdosierungen kommt. Leider liegen die Probleme in der Durchführung, und dabei will ich gar nicht auf juristische Fragen eingehen, sondern ganz praktisch gucken, wie man so etwas machen könnte und welche Folgen das dann haben würde.

Da kommt für mich nur eine Möglichkeit in Frage, wie man Konsumenten illegaler Drogen vor Überdosierungen schützen kann, indem man von Staats wegen diese Stoffe kontrolliert abgibt. Dadurch kann man sicherstellen, daß es immer dieselbe Zusammensetzung ist, daß der Stoff sauber ist, daß es keine Beimengungen gibt, die gesundheitsschädlich sind; das ist die einzige Möglichkeit.

Mir wäre wohler, wenn wir im Zusammenhang mit einer solchen kontrollierten Abgabe mehr bekommen hätten, als es dieser Arzneimittelversuch vorläufig sein wird. Aber nun sollten wir das, was wir haben, soweit es geht nutzen.

Zu Ihrem Antrag: Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das umsetzen könnte, ohne für eine zusätzliche Gefährdung der Konsumentinnen und Konsumenten zu sorgen. Erstens kann ich mir nicht vorstellen, daß sich ein Süchtiger auf dem Schwarzmarkt Stoff besorgt, mit diesem Stoff zu einer Analysestelle geht, dort ein bißchen was abzwackt, analy

(Vizepräsidentin Sonja Deuter)

sieren läßt, das Ergebnis dieser Analyse abwartet und dann in Abhängigkeit vom Ergebnis seine Dosierung vornimmt.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Spritzentausch konnte man sich früher auch nicht vorstellen!)

Wenn der das Zeugs gekauft hat, konsumiert er es. Also müßte man eine andere Regelung finden, Zufallsstichproben oder was auch immer. Wie soll das aber in der Praxis aussehen? Man erhält, auf welchem Wege auch immer – die juristischen Fragen lasse ich ganz außen vor – eine Probe Heroin oder Kokain, untersucht diese und hat nun vom Grundsatz her zwei mögliche Ergebnisse: Der Stoff ist besonders rein. Soll dann irgendwo kundgetan werden, in Hamburg gibt es guten Stoff? Das wäre die harmlosere Sache. Die unangenehmere wäre umgekehrt, wenn sich bei einer solchen Analyse herausstellt, daß der Stoff nicht gut ist. Die Folge wäre, daß die Konsumenten sich mehr spritzen. Wehe, es kommt einer bei einem anderen Dealer zu besserem Stoff. Dann haben wir aufgrund dieser Informationspolitik dafür gesorgt, daß sich jemand überdosiert. Solange wir keine bessere Möglichkeit haben, das zu händeln, geht es leider nicht, weil es für die Konsumentinnen und Konsumenten viel zu gefährlich wäre. Deswegen ist ein staatliches kontrolliertes Abgabesystem die einzige Möglichkeit, um das sicherzustellen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Anja Hajduk GAL)

Das Wort erhält Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schäfer, wir wollen hier nicht wieder die Legalisierungsdebatte führen,

(Dr. Martin Schäfer SPD: Warum nicht?)

aber Sie wollen Ecstasy – das steht hier im Antrag – als Originalstoff vor der Schule, vor der Disco abgeben, Sie wollen Kokain abgeben.

(Petra Brinkmann SPD: In der Schule am besten!)

Ich kann mich wirklich nur wundern. Sagen Sie doch, daß Sie diese von der REGENBOGEN-Gruppe genannten Stoffe im Original abgeben wollen, und schauen einmal, welches Echo Sie in der Stadt von den Eltern und den anderen Menschen bekommen.

Sie haben zur Sache auch gesagt, daß es sich im Grunde genommen bei diesem Vorschlag um eine elefantöse Schnapsidee handele. Drogenchecking klingt gut, Chekking klingt immer so nach Gesundheit, oder das Auto wird durchgecheckt, damit man weiß, ob es funktioniert. Allein mit diesem Begriff wird die Sache schon verharmlost. Sie können doch nicht sagen, ich mache stichprobenartige Kontrollen von Stoff und gebe dann eine allgemeine Parole zum Reinheitsgehalt aus.

Sie haben ganz richtig gesagt, Herr Schäfer, daß man aus einem Kontrollergebnis die Leute höchstens ins Verderben führen kann, wenn daraus Schlüsse auf eine individuell gerade eben gekaufte Dosis gezogen werden; das ist höchst gefährlich. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, daß man mit seinem „Hausdealer“ zur Prüfstelle geht und sagt, jetzt lasse ich den Stoff einmal prüfen. Jede einzelne Dosierung müßte geprüft werden, und wie muß man sich das dann vorstellen?

Nehmen wir einmal Ecstasy: Man geht zu diesem Automat, wirft das ein, bekommt einen Zettel ausgedruckt, „Ecstasy: Chemisch reiner Stoff, die Nervenzellen im Gehirn können sich dadurch auflösen, und man kann daran sterben“. Das ist „gut“, dann kann ich das ja nehmen. Oder „Pfefferminz mit Zuckeraustauschstoff“: Das war zwar teuer, ist aber harmlos.

Auf welcher Ebene wollen Sie die Leute eigentlich hinterher informieren, denn das Ergebnis eines jeden Drogencheckings kann doch nur sein, daß das Zeug verteufelt gefährlich in der Anwendung und für die Gesundheit ist

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Wer will das denn so?)

und zum Teil, wie Ecstasy, überhaupt noch nicht endgültig erforscht.

Das wird nicht funktionieren, und ich glaube nicht, daß gerade die verelendeten Junkies, wenn die sich etwas gekauft haben und das dann schlechter Stoff ist, den wegschmeißen. Die Realität in der Stadt ist doch einfach anders. Es wird auf Teufel komm raus gedrückt, gespritzt, eingenommen, was es an Durchmischungen gibt. Und es spricht wirklich für Weltfremdheit, dieses als Hauptproblem oder als einziges Problem bei den Drogentoten anzugehen. Wir haben – das sind die neuesten Zahlen – einen steigenden Anteil von Toten mit Methadon. Wir bewegen uns bei Methadon auf eine 50-Prozent-Quote an den Drogentodesursachen in Hamburg zu. Das hat nichts damit zu tun, ob ich Heroin auf seinen Reinheitsgehalt untersuche oder nicht. Genau an dieser Stelle können wir etwas zur Verhinderung von Drogentoten tun.

Ich kann Sie nur noch einmal auffordern, endlich die von uns im letzten Jahr eingebrachten Forderungen umzusetzen, das Methadon-Programm in Hamburg sicherer zu machen. Sorgen Sie dafür, daß nicht mehr so viele Take-homeDosierungen mitgegeben werden, daß es kindersichere Verpackungen gibt, daß es Warnhinweise gibt, daß es mehr Kontrollen gibt, daß bei unzuverlässiger Einnahme und Handhabung Leute auch Methadon nicht mehr bekommen. Damit senken Sie die Zahlen der Drogentoten viel wirkungsvoller.

Zusammenfassend: Ein Drogencheck ist vielleicht etwas für Edeljunkies, die es sich leisten können, ihr Kokain oder was auch immer irgendwo einzusenden oder prüfen zu lassen. Es ist zur Lösung der Drogenprobleme in Hamburg realitätsfern, es ist unethisch und extrem gefährlich, und deshalb lehnen wir das auch ab.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Zamory.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In einem Punkt hat Herr Schäfer unzweifelhaft recht. Nur die kontrollierte Originalstoffabgabe kann letztlich dauerhaft und zuverlässig die Qualität des Rauschmittels garantieren.

(Dietrich Wersich CDU: Aber es werden jeden Tag neue Rauschstoffe entdeckt! Wollen Sie die dann freigeben?)

Das muß man diskutieren. Selbstverständlich kann man diskutieren, ob die Droge selbst schädlich ist, was bei Ecstasy sicher der Fall ist. Aber bei Heroin ist dies, was die

(Dr. Martin Schäfer SPD)

Gesundheitsschädigung anbelangt, nicht der Fall, lediglich beim Suchtpotential.

(Dietrich Wersich CDU: Jetzt kommt wieder dieses Märchen!)

Das ist kein Märchen, sondern das ist wissenschaftlich nachgewiesen, Herr Wersich, und Sie sind anscheinend nicht bereit, sich damit auseinanderzusetzen.

Das Märchen von den Methadon-Toten, deren Anteil sich auf 50 Prozent zubewege, stimmt so nicht, da diejenigen, die mit Heroin und Methadon angetroffen wurden, dieses Methadon auf dem illegalen Markt und nicht durch die Substitution bekommen haben. Das ist eher ein Argument dafür, die Substitution niedrigschwelliger zu machen, und kein Argument gegen die Substitution.

Am REGENBOGEN-Antrag finde ich problematisch, daß er nicht sagt, wie und wodurch das finanziert werden soll, wie das organisiert und in welches Gesamtpräventionskonzept es eingebettet werden soll.

(Präsidentin Ute Pape übernimmt den Vorsitz)

Da gibt es noch Diskussionsbedarf.