Protokoll der Sitzung vom 16.02.2000

(Berndt Röder CDU)

Ihrer Kompetenz absolut nicht einleuchtend, sich innerhalb dieser Gemengelage zwischen Industriepolitik, Technologiepolitik, den Exportinteressen der deutschen Industrie, der Verkehrspolitik, der Freien und Hansestadt Hamburg und den Finanzierungsproblemen zweier verschiedener Bundesregierungen hier hinzustellen und mitzuteilen, daß der Senat den schweren Schaden für Hamburg verursacht habe, auch wenn man das als Opposition immer sagen kann. Was hätte denn der Senat anderes machen sollen? Es ist richtig, daß die norddeutschen Küstenländer sich nicht unbedingt einig waren, aber auch Sie würden die Einigkeit nicht herbeiführen können. Es ist richtig, daß der Hamburger Senat bis zur letzten Minute versucht hat, dieses Projekt für Hamburg zu realisieren. Ihm das aber anschließend unter dem Gesichtspunkt vorzuhalten, er hätte die ganze Zeit schon parallel planen müssen, ist eher abwegig. Und daß nicht versucht worden wäre, was man hätte versuchen können, können Sie einfach nicht belegen.

Deswegen bleibt auch die Frage, wie wir die Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg jetzt sichern, nachdem wir mindestens fünf Jahre zurückgeworfen worden sind. Dieser Frage müssen wir uns stellen, und sie ist nicht nur eine Frage des SPD/GAL-Senats oder der SPD-Fraktion, sondern des gesamten Parlaments. Ich dachte, daß wir uns darin einig seien, denn das erste, wofür wir zu kämpfen haben, ist, die bestehende Strecke so schnell wie möglich zu verbessern. Das ist ein Minimum, und da sollten wir uns doch einig sein.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das zweite, was unter uns unumstritten sein sollte, ist, daß diese Stadt, die eine Metropole ist und ein Fixpunkt in der gesamten Ostseeregion für die Zukunft sein will, sich nicht damit zufriedengeben kann, nur eine beschleunigte Strekke zu haben, sondern mittelfristig für eine Hochgeschwindigkeitsverbindung nach Berlin kämpfen muß

(Beifall bei der SPD – Ulf Lafferenz CDU: Das war der Transrapid!)

und sogar für darüber hinausgehende transnationale Netze.

Sie wissen ganz genau, daß man nicht vor zwei Jahren die 6 Milliarden DM für Hamburg in irgendeinem Topf reservieren konnte. Hamburg braucht das Geld, und wir haben die Vision, die Sie für unrealistisch halten – sie mag derzeit nicht ganz an der Realität sein, aber sie ist unsere Vision –, dies durchzusetzen. Dafür müssen wir kämpfen, das wäre die Aufgabe unserer Stadt und der politischen Kräfte in ihr.

(Bernd Reinert CDU: Aber Ihr Koalitionspartner will das doch nicht!)

Darauf komme ich noch, wenn Sie das gerne haben.

Die Aufgabe unserer Stadt und aller politischen Kräfte ist es doch, dieses Geld freizukämpfen, denn dieses Geld ist – Zusage hin oder her – nicht da. Da werden die Südländer Verteilungskämpfe führen, und da werden andere Bundesländer Verteilungskämpfe führen. Das politische Signal dieser Aktuellen Stunde kann auch sein, daß Sie uns vorwerfen, wir hätten gewisse Dinge nicht ordentlich erledigt, das akzeptiere ich.

(Beifall bei Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Aber das eigentliche Signal ist, daß alle politischen Parteien dieser Bürgerschaft oder zumindest die wesentlichen dafür stehen, daß Hamburg dieses Interesse realisiert und

durchsetzt. Und da dachte ich bisher immer, daß wir das gemeinsam umsetzen können.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller GAL)

Zum Abschluß antworte ich noch auf Ihren Zwischenruf. Es ist richtig, daß es unterschiedliche Auffassungen in der SPD und der GAL gab, was den Transrapid betrifft. Richtig ist auch – das werden Sie nicht bestreiten können –, daß die Regierungsfraktionen dem Senat freie Hand gewährt haben.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Röder.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Debatte ist mir viel zu schade, um zu Fragen der Schuld eine Diskussion zu führen.

(Wolfgang Baar SPD: Wer ist denn damit angefan- gen?)

Passen Sie doch einmal auf. Hier hat überhaupt niemand angefangen, hier geht es um den Standort Hamburg, und da müssen wir feststellen, was geschehen ist und was geschehen muß.

Eines ist nicht geschehen. Man hat den Transrapid gegen die Wand laufen lassen und hat für alternative Verbindungen nichts: keine Planung, keine entsprechende Streckenführung. Jetzt geht das Gezerre zwischen den unterschiedlichen Flächenländern über die Streckenführung los. Man hat noch nicht einmal das Geld, und um diese Frage, Herr Zuckerer, kommen Sie nicht so einfach herum. Was heißt hier, ich könnte nicht belegen, daß man sich nicht darum bemüht habe, die entsprechenden Gelder während der Planungszeit des Transrapids bereits sicherzustellen.

Erstens: Es war ein Beschluß Ihrer Fraktion, ob weise oder nicht, daß der damalige Bürgermeister Voscherau genau das tun sollte. Er hat es dann nicht getan, und er mag erklären, warum er es nicht getan hat, aber es war ein Beschluß Ihrer Fraktion.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Er hätte das nur sagen müssen!)

Wenn dieser Beschluß falsch war, dann teilen Sie bitte einmal mit, warum Sie ihn damals so getroffen haben.

Zweitens: Im übrigen hat Bausenator Wagner doch gerade erklärt, genau das habe er nicht getan. Auch er wollte sich nicht um dieses Geld bemühen, weil ansonsten möglicherweise seine Glaubwürdigkeit Schaden nimmt.

(Jürgen Schmidt SPD: Sagen Sie doch mal was zu Ihrem Fischer!)

Kommen wir zu einem letzten Punkt. Jetzt brauchen wir – da sind wir uns doch einig – eine Schnellverbindung zwischen Hamburg und Berlin, da gibt es überhaupt kein Vertun, und zwar möglichst schnell. Die schnellste aller Varianten ist die Ertüchtigung der jetzt bestehenden Strecke. Die wird nach Schätzung von Fachleuten sechs, sieben Jahre dauern, eine Neubaustrecke 20 bis 25 Jahre, und soviel Zeit haben wir nicht. Herr Bausenator, wenn Sie hier wieder flapsig vor die Öffentlichkeit treten, um zu begründen, warum Sie wiederum nichts tun mußten, dann muß ich ehrlich sagen: Wofür sitzen Sie eigentlich in dieser Behörde?

(Beifall bei der CDU)

(Walter Zuckerer SPD)

Die Behörde ist doch dafür da, den Standort Hamburg zu ertüchtigen, den Wirtschaftsraum im Norden zusammenzuführen. Dafür müssen Sie Alternativplanungen haben; das erwarte ich selbstverständlich. Zu sagen, es sei jetzt alles so traurig, reicht nicht. Im übrigen haben Sie gerade Ihrem Bürgermeister widersprochen, denn die Staatliche Pressestelle hat genau diese Forderung erhoben, nämlich die für den Transrapid vorgesehenen Mittel jetzt für den ICE zur Verfügung zu stellen. Warum haben Sie das denn nicht vor Jahren getan? Hätten Sie es getan, stünden wir besser da.

(Beifall bei der CDU – Dr. Holger Christier SPD: Ein bißchen Logik wäre ganz schön!)

Das Wort hat Herr Dr. Martin Schmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ja bekannt, daß ich in Sachen Transrapid anderer Meinung war als der Bausenator. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, daß der Bausenator in der Lage ist, eine ICE-Planung von Hamburg nach Berlin zustande zu bringen.

(Bernd Reinert CDU: Der sowieso nicht!)

Dazu hat er weder die Leute noch die Kompetenz. Das macht bekanntlich in Deutschland entweder das Bundesverkehrsministerium oder die Deutsche Bahn, und nur die können das. Deswegen ist der Vorwurf, der Hamburger Senat habe nicht rechtzeitig alternative Strecken geplant, so albern, als ob man ihm vorwürfe, er hätte mit dem Finger auf der Landkarte eine Linie zeichnen sollen.

Zu den 6,1 Milliarden DM: Mit den 6,1 Milliarden DM kann man beide Strecken, über die wir diskutieren, nämlich Hamburg–Büchen–Berlin oder Hamburg–Lüneburg–Uelzen, auf 90 Minuten Geschwindigkeit ausbauen, und dann bleibt vermutlich noch die Hälfte des Geldes übrig.

(Glocke)

Herr Schmidt, akzeptieren Sie eine Zwischenfrage von Frau Sudmann? – (Zustimmung)

Wenn der Hamburger Senat nichts für die Beschleunigung der Strecke tun kann, weshalb hat dann der Abgeordnete Schmidt in der letzten Legislaturperiode vom Hamburger Senat dies immer wieder gefordert?

Wir haben nicht gefordert, daß der Hamburger Senat planen solle, wie die Strecke aussehen soll, sondern daß er sich dafür einsetzt, daß die real existierende Strecke beschleunigt wird. Dies ist gescheitert, und deswegen ist es so, wie es ist. Es ist nicht am Hamburger Senat gescheitert, sondern an der von der CDU geführten Bundesregierung und am Bundesverkehrsministerium, das der Deutschen Bahn regelrecht verboten hat, die Strecke zum Beispiel für die übliche Beschleunigung auf 200 Stundenkilometer auszubauen. Das ist wirklich geschehen, und deswegen kann der Hamburger Senat dafür echt gar nichts, auch wenn ich unterschiedlicher Meinung in Sachen Transrapid war und bin.

Noch einmal zu den 6,1 Millionen DM.

(Bernd Reinert CDU: Milliarden! Das ist keine Velo- Route, das kostet richtig Geld!)

Milliarden. – Das Verrückte ist ja, daß wir nur einen Teil dieses Geldes brauchen, um das notwendige Ziel zu erreichen. Herr Mehdorn hat vorhin schon gesagt, wir brauchen 1,5 Milliarden DM für die Strecke Büchen, um sie auf 90 Minuten zu bringen; ich zweifle allerdings ein bißchen an dieser Zahl. Aber ich weiß ziemlich genau, daß für die Strecke Lüneburg–Uelzen nicht 1,5 Milliarden DM, sondern weniger benötigt werden.

Und nun zum Zeitraum. Wenn der Transrapid gekommen wäre, bräuchten wir von jetzt ab vermutlich noch acht Jahre. Das haben viele von Ihnen billigend in Kauf genommen. Jetzt jammern Sie, daß es zum schnellen ICE fünf Jahre dauert, ich finde das komisch. Ich hätte mir gewünscht, es ginge schneller, aber es ist so.

Noch etwas zum Standort Hamburg und der Eisenbahnpolitik überhaupt und Herrn Reinerts schönem Vorwurf, ich hätte Provinzpolitik verlangt. Es ist natürlich wahr, daß zur Transrapid-Politik der alten Bundesregierung und der Deutschen Bahn bis vor einem halben Jahr gehörte, daß Eisenbahnpolitik immer nur für die Fernverbindungen gemacht wurde, und einige in Hamburg lassen sich davon noch heute anstecken. Wenn die über sogenannte Standortpolitik reden, dann kommt nur die weite Welt, Skandinavien oder mindestens Osteuropa in den Blick, aber die eigentliche regionale Notwendigkeit einer Infrastruktur ist nicht mehr drin.

(Beifall bei Farid Müller GAL)

Die Handelskammer hat neulich wieder so ein Hochglanzpapier gedruckt. Da wird über Standortverkehrspolitik geredet, und es ist nicht von den Städten im Umland Hamburgs die Rede, zu denen es keine guten Eisenbahnverbindungen gibt. Deswegen verlange ich in dem Zusammenhang, daß Hamburg und seine Metropolregion endlich die Eisenbahnverbindungen bekommt, die es braucht. Das bedeutet zum Beispiel Ausbau der Strecke Pinneberg– Elmshorn, das bedeutet die Elektrifizierung nach Lübeck, das bedeutet die Herrichtung der Güterverkehrslinie von Bad Oldesloe nach Neumünster, und das bedeutet – damit hat es glücklicherweise gestern angefangen – endlich das dritte Gleis auf der Strecke Hamburg–Lüneburg. Denn im Antistauprogramm des Bundesverkehrsministers, das er gestern verkündet hat, ist glücklicherweise der dreigleisige Ausbau nach Lüneburg beschlossen.

Nun warte ich immer noch auf den Champagner. Werner Dobritz lade ich auf jeden Fall ein, ihn mitzutrinken, da er schon 1994 die Prophezeiung gewagt hat, daß er eher in der Elbe badet, als daß der Transrapid kommt.