Protokoll der Sitzung vom 01.03.2000

(Zuruf von Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Deswegen gibt es hier nur die klare Ansage: Frau Sudmann, wir können Ihnen nicht folgen, weil Ihre Strategie in die Irre führt. Sie sind so unpolitisch, daß Sie nicht wahrnehmen, was sich in unseren Nachbarländern wie beispielsweise in Österreich oder in Dänemark abspielt. Sie sehen gar nicht, in welchen politischen Dimensionen Sie sich bewegen.

(Beifall bei Uwe Grund SPD)

Ich appelliere an die Koalitionspartner, die Probleme gemeinsam offen anzusprechen. Flüchtlingselend und Mißbrauch sollten wir auch als solche bezeichnen. Wir wollen eine liberale, humane und konsequente Ausländerpoli

(Antje Möller GAL)

tik machen, die unseren Ansprüchen gerecht wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Uhl.

Herr Wrocklage, ich habe tatsächlich einen völlig anderen Politikbegriff. Wenn ich über die Situation in Österreich nachdenke, dann überlege ich, wie man vergleichbare Situationen hier und anderswo verhindern kann. Die Vergangenheit in Österreich zeigt, daß durchaus ein Großteil der Mitverantwortung an der Regierungsbeteiligung der FPÖ bei der vorherigen SPÖ-Regierung gelegen hat. Die entsprechenden Gesetze, auf deren Grundlage der Wahlerfolg von Herrn Haider zu erklären ist, wurden in dieser Zeit nämlich verschärft. Herr Haider argumentierte damit, daß schon vor seiner Regierungsbeteiligung alles dafür getan wurde, daß seine Politik die richtige sei, denn die anderen hätten es vorgemacht.

Diese Argumente begründen tatsächlich eine andere Herangehensweise, weil ich weiß, daß sich die Gesellschaft für Toleranz, Menschenwürde und Asylpolitik verstärkt einsetzen muß. Das ist Menschenrecht und ein Grundrecht, das offensiv verteidigt werden muß.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Deswegen sieht sich die Gruppe REGENBOGEN auch die Hamburger Flüchtlingspolitik genau an, weil wir ein großes Interesse daran haben, daß sich diese Gesellschaft nicht weiter nach rechts bewegt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ich möchte noch auf einige Punkte aus der Rede von Herrn Pumm eingehen. Herr Pumm, die Menschen, um die es geht, sind zwar ausreisepflichtig, halten sich hier nicht illegal auf, sondern werden geduldet.

Weil sie in die Ausländerbehörde Vertrauen haben – das mir mittlerweile unbegreiflich ist –, wenden sie sich sogar dorthin, wo sie dann gefangengenommen werden. Viele Menschen bleiben aber in ihren Unterkünften, weil sie Duldungen haben. Morgens um 4 oder 5 Uhr erscheint ein Kommando der Polizei mit Mitarbeitern der Ausländerbehörde – teilweise sind auch Ärztinnen oder Ärzte dabei, die kurzfristig die Reisefähigkeit feststellen sollen – in ihrer Unterkunft und versucht, ganze Familien mitzunehmen, um Stunden später die Abschiebung zu vollziehen.

(Heino Vahldieck CDU: Und wo ist das Problem?)

Die Duldungen sind noch gültig. Ich sage Ihnen, wo das Problem liegt.

Sie wollen, daß die rechtsstaatlichen Prinzipien eingehalten werden. Bei diesem Handeln der Ausländerbehörde werden sie das aber nicht, denn die Menschen haben dann keine Gelegenheit mehr, die Berechtigung der Abschiebung nochmals überprüfen zu lassen, obwohl sie in diesem Rechtsstaat einen Anspruch darauf haben. Aber es wird ihnen bei der genannten Vorgehensweise verwehrt, weil die Zeit dafür nicht mehr ausreicht.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Polle?

(Susanne Uhl: Klar, Herr Polle.)

Sind Sie mit mir der Meinung, daß erst morgens um 6 Uhr die Ausländerbehörde mit ihren Mitarbeitern kommt? Und daß sie auch erst dann kommt, wenn das erste Mal die Abschiebung erfolglos war, weil sich die Flüchtlinge der Abschiebung entzogen haben?

Nein, ich bin nicht Ihrer Meinung. Erstens: Die Abschiebungen fanden neulich um 5 oder um 6 Uhr statt; die Zeitspanne frühmorgens schließt auch 6 Uhr ein. Das macht für mich keinen relevanten Unterschied.

(Michael Dose SPD: Sie haben von 4 Uhr gespro- chen!)

In der letzten Woche fand um 4 Uhr eine Abschiebung statt. Reden wir über Halbstundentermine?

Zweitens: Wie definiert man den Begriff „Abschiebung“? Eine Abschiebung findet statt, wenn die Menschen nicht freiwillig ausgereist sind. Das bedeutet, daß die Menschen, die morgens in der Ausländerbehörde erscheinen oder aus ihren Quartieren abgeholt werden, laufende Duldungen haben. Der Prozeß, der sich daran anschließt, ist per Definition eine Abschiebung. Trotzdem haben die Menschen das Recht, den Anspruch einer rechtmäßigen Überprüfung geltend zu machen. Das können sie aber nicht mehr tun, weil die Zeit dafür nicht mehr ausreicht. Sie reicht auch nicht dafür aus, wenn man sie trotz laufender Duldungen am Vortag in der Ausländerbehörde gefangennimmt, weil sie ihr Recht auch nicht präventiv in Anspruch nehmen können. Denn jedes Verwaltungsgericht weist den Vorgang mit dem Argument zurück, daß der Abschiebungstermin noch nicht feststehen würde. Deswegen wird von der Ausländerbehörde ein Abschiebungstermin festgelegt, ohne daß die Betroffenen es wissen und davon völlig überrascht werden.

(Jan Ehlers SPD: Ja, man sollte ihnen das mit- teilen!)

Genau diese geschilderte Situation verwehrt ihnen ihr Recht. Herr Pumm, das hat mit der Rechtsstaatlichkeit, die Sie für sich proklamiert haben, nichts mehr zu tun, von der Menschenwürde einmal ganz abgesehen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Deswegen geht es darum, die Entscheidungen und Maßnahmen, die von der Ausländerbehörde nicht nur in Einzelfällen, sondern oft auch aus Opportunismus getroffen werden, zu verhindern. Jede Nachfrage auf diese getroffenen Entscheidungen hat die Ausländerbehörde immer damit begründet, daß sie natürlich den Einzelfall geprüft hat, aber so entschieden werden mußte. Daher läßt es die Interpretation der Behörde zu, daß sie aufgrund der ihr gelassenen Spielräume eine solche Politik machen kann. Das können Sie nicht wollen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann komme ich zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über den GAL-Antrag Drucksache 16/3930. Wer möchte diesen Antrag annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Nunmehr komme ich zum Antrag der Gruppe REGENBOGEN, Drucksache 16/3857. Wer möchte diesem Antrag seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimment

(Senator Hartmut Wrocklage)

A C

B D

haltungen? – Dann ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe nunmehr gemeinsam die Tagesordnungspunkte 8 und 20 auf: Drucksachen 16/3842 und 16/3853: Senatsmitteilung und Antrag der SPD zur Ausbildungssituation.

[Senatsmitteilung: 1. Bericht zur Ausbildungssituation sowie über Maßnahmen zur Sicherung der beruflichen Bildung 1999 2. Stellungnahme des Senats zu den Ersuchen der Bürgerschaft a) vom 10. Juni 1998 „Änderung der Richtlinien zur Förderung betrieblicher Ausbildungsplätze der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung“ (Drucksache 16/276 in der Fassung der Berichtsdrucksache 16/851) , b) vom 30. September 1998 „Zukunftsorientierte Ausbildung von Mädchen und Frauen in den neuen Ausbildungsberufen“ (Drucksache 16/1414) , c) vom 13./14. Oktober 1999 „Umsetzung des deutsch-britischen Austauschprogramms in der Berufsausbildung ,Training Bridge‘“ (Drucksachen 16/2319 und 16/343), d) vom 13./14./15. Dezember 1999 „Weiterführung der Qualifizierungsangebote des Lernzentrums für Migrantinnen in Hamburg-Heimfeld“ (Drucksache 16/3551), e) vom 13./14./15. Dezember 1999 „Ausbildung von Migrantinnen zu Erzieherinnen“ (Drucksache 16/3550) – Drucksache 16/3842 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Hamburger Initiative für Arbeit und Ausbildung – Drucksache 16/3853 –]

Die Vorlage 16/3842 möchte die CDU-Fraktion federführend an den Schulausschuß sowie mitberatend an den Gleichstellungsausschuß überweisen. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall; der Abgeordnete Grund hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht um wichtige Fragen wie Unterstützung von Existenzgründungen, Unterstützung von Unternehmen, die sich in Umstruktierungsprozessen befinden.

(Unruhe – Glocke)

Meine Damen und Herren! Darf ich auch den Senat um etwas Ruhe bitten?

Es geht aber auch um die Frage, wie Arbeit für Sozialhilfeempfänger organisiert werden kann, wie wir Jugendliche in Arbeit und Ausbildung bekommen, wie arbeitszeitpolitische Initiativen neu kreiert werden können und wie die Qualifizierung und Weiterbildung in der Stadt betrieben wird. Das sind die zentralen Themen der hamburgischen Initiative für Arbeit und Ausbildung, die der Erste Bürgermeister vor knapp zwei Jahren ins Leben gerufen hat.

Die SPD-Fraktion ist der Meinung, daß es Zeit ist für eine Zwischenbilanz, um dem Parlament kurzfristig zu berichten und damit Gelegenheit zu haben, über diese Fragen zu diskutieren. Ich möchte diese Diskussion nicht vorwegneh

men, sondern es ist notwendig, den Ersuchensantrag heute zu beschließen und dann dazu nach Vorlage der Unterlagen eine parlamentarische Debatte zu führen. Dafür bitte ich Sie um Unterstützung.

Beim Thema Ausbildung in Hamburg geht es um einen Teilbereich der hamburgischen Initiative, die heute mit dem Ausbildungsbericht des Senats zur Diskussion steht. Von dem Ausbildungsbericht gehen mindestens drei zentrale Botschaften aus:

Die erste Botschaft lautet: Die Ausbildungssituation hat sich in 1999 deutlich verbessert. Im vierten Jahr in Folge ist die Zahl der Ausbildungsplätze gestiegen; das ist eine gute Nachricht.

Zweitens: Die Gefahr, daß die Berufsausbildung ungewollt und dennoch schleichend Stück für Stück verstaatlicht wird, ist nicht gebannt.

Drittens: Ausbildung ist keine freiwillige Leistung von Unternehmen oder eine soziale Wohltat des Staates, sondern sie ist eine Investition in die Zukunft unserer Kinder und in diese Stadt. Augenfälliger wie in der Diskussion der Aktuellen Stunde über die Green Card und die Probleme der nicht befriedigten Nachfrage bei besonders qualifizierten Tätigkeiten kann man dieses Thema nicht darstellen.