Protokoll der Sitzung vom 05.04.2000

dann kommt noch ein anderes Gesetz –

„... vorgesehenen qualifizierten Mehrheiten.“

Das heißt, wenn nicht in der Verfassung eine qualifizierte Mehrheit vorgeschrieben ist, dann gilt sie nicht. Das betrifft Paragraph 7 Absatz 3 Satz 5 des Gesetzes, das wir heute anwenden, in dem steht:

„Er bedarf der Mehrheit aller Abgeordneten.“

Der darf also als verfassungswidrig angesehen werden, und das bedeutet, daß für den Beschluß, den wir heute fassen sollen, nur eine normale einfache Mehrheit notwendig ist. Das ist das ganze Geheimnis dessen, was Herr Kruse uns dargestellt hat.

(Rolf Kruse CDU: Gott sei Dank mal ohne Profes- sor!)

Ansonsten lese ich Ihnen auch noch den Gesetzesartikel, der angewendet wird, real vor, damit auch deutlich wird, worum es geht. Da heißt es nämlich in Paragraph 7 Absatz 3 des Gesetzes über die Verwaltungsbehörden:

„Die Bürgerschaft kann Deputierte aus ihrer Tätigkeit abberufen. Der Beschluß bedarf einer zweiten Beratung und Abstimmung frühestens sieben Tage nach der ersten Abstimmung.“

Das wird heute von uns beantragt. Bei dem Wort „abberufen“ handelt es sich in der Tat um die Abberufung von ge

(Rolf Kruse CDU)

wählten Personen. Wir alle haben heute gemeinsam zwei Deputierte gewählt, die auf Vorschlag der Fraktionen gewählt wurden. Deswegen komme ich jetzt auf den Punkt, worum es eigentlich geht.

(Rolf Kruse CDU: Für Sie, für Sie!)

Die Magna Charta der Fraktionen und Gruppen in der Bürgerschaft und ihre gegenseitige Beziehung ist die Geschäftsordnung der Bürgerschaft. In ihr wird geregelt, welche Rechte und Pflichten die Abgeordneten innerhalb der Bürgerschaft haben und wie die verfahrensmäßigen Beziehungen der Fraktionen und Gruppen untereinander aussehen. Man muß diese Geschäftsordnung nicht mögen, aber man muß sie praktizieren. Besonders die Fraktionen und Gruppen, die nicht die absolute Mehrheit in diesem Hause haben, brauchen diese Geschäftsordnung. Für sie ist sie dringend notwendig, weil die Geschäftsordnung willkürliche Entscheidungen ausschließt.

Einer der wichtigsten Paragraphen dieser Geschäftsordnung ist der Paragraph 8, in dem geregelt ist, daß die Besetzung der bürgerschaftlichen Ämter sowie – ich zitiere wörtlich –:

„anderer Ämter, für die die Bürgerschaft ein Wahlrecht hat..., nach Maßgabe des Stärkeverhältnisses“

der Fraktionen und Gruppen stattfindet. Entsprechend dieser Regel nehmen zum Beispiel auch die Vertreter des REGENBOGEN an Ausschußsitzungen teil, wenn die Ausschüsse groß genug sind.

Wir haben diese Geschäftsordnung in den letzten Jahren mehrfach geändert und regelmäßig zugunsten kleinerer Gruppen.

(Uwe Grund SPD: Ja, das ist ein Fehler!)

Die letzte große Änderung fand statt, als die STATT-Partei-Fraktion zerfiel. Damals wurden ausdrücklich eine ganze Reihe von Regeln zugunsten von Gruppen in die Geschäftsordnung aufgenommen, damit auch die ihre ordentlichen Rechte haben. Entsprechend dieser Regel sind die Deputierten der Behörden seit Jahrzehnten gewählt worden, immer auf Vorschlag der jeweiligen Fraktionen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Von der gesamten Bürgerschaft!)

Die sind jeweils von der gesamten Bürgerschaft gewählt worden, und die gesamte Bürgerschaft hat deswegen auch nur das Recht, diese Deputierten abzuwählen. Das steht auch im Gesetz.

Die Fraktionen haben also das Recht, vorzuschlagen, diese wählen zu lassen. Jetzt nehmen wir als Fraktion das Recht wahr, der Bürgerschaft die Abwahl von zwei Deputierten vorzuschlagen.

(Ole von Beust CDU: Sie tun so, als müßte man sie abwählen, Herr Dr. Schmidt!)

Nein, Sie müssen gar nichts. Wir machen einen Vorschlag. Die Benennung von Deputierten muß in diesem Hause nicht begründet werden. Sie wird auch regelhaft nicht begründet. Beratungen finden bei Wahlen nicht statt.

Selbstverständlich sind die Erwartungen fachpolitischer Zusammenarbeit und politisches Vertrauen zu den Fraktionen, die sie vorschlagen, die Voraussetzung und Grundlage einer jeden Benennung. Die anderen Fraktionen stimmen in aller Regel einer solchen Benennung dadurch zu, daß sie die Personen wählen, weil sie davon ausgehen,

daß es Sache der Fraktionen ist, wie die Praxis dann stattfindet.

Wenn also diese Voraussetzungen fehlen, nämlich die fachpolitische Zusammenarbeit und das politische Vertrauen zueinander, weil die betroffenen Deputierten sich für eine konkurrierende politische Organisation entschieden haben, dann hat eine Fraktion das Recht, eine Abwahl zu beantragen, und dieses Recht nehmen wir heute wahr. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Rolf Kruse CDU: Das Recht haben Sie nicht!)

Weitere Wortmeldungen? – Frau Koppke.

Herr Präsident! Herr Schmidt, die Geschäftsordnung ist eigentlich nicht das, was im Moment im Zentrum steht, weil die Gruppe REGENBOGEN niemanden neu vorschlagen möchte.Es geht in diesem Fall also nicht um die Rechte der Gruppe, sondern um die Rechte der Deputierten, die bereits benannt sind.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die Plätze in der Deputation gehören auch keiner Fraktion. Insofern gibt es auch keinen Diebstahl, wie Herr Schmidt das im „Hamburger Abendblatt“ so benannt hat, wenn die beiden, um die es hier geht, ihr Amt nicht an den Nagel hängen.

Die Fraktionen haben auch nur ein Vorschlagsrecht und kein Besetzungsrecht, und es war in der Tat noch nie so, daß das weitere Schicksal der Deputierten an den Status der Vorschlagenden geknüpft war, übrigens auch damals bei der STATT Partei nicht. Daran erinnern sich vielleicht noch einige von Ihnen.

Nun ist es ausgerechnet die GAL, die mit diesen angeblichen Besitzansprüchen, die gar keine sind, rumhökert, die vorher immer das proporzmäßige Auskungeln kritisiert hat. Diese Überzeugung der GAL von früher und vor allem auch die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß es den Deputationen und auch den Behörden sehr gut tut, wenn Menschen in den Deputationen sind, die fachkompetent und kritisch sind.Es wundert mich sehr, daß die GAL sich jetzt vor kontroversen Auseinandersetzungen, die aber konstruktiv sind, drückt.Eine fachliche, qualifizierte und heterogene Deputation kann Hamburg wirklich nur zuträglich sein. Die GAL sollte jetzt wirklich nicht anfangen – ich sage es einmal umgangssprachlich – rumzuspießen. Das ist wirklich sehr unsouverän.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete von Beust.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur zwei oder drei Punkte sagen. Herr Dr. Schmidt, Sie haben vorwiegend juristisch argumentiert.

(Anja Hajduk GAL: Er mußte auf Herrn Kruse ein- gehen!)

Ich hatte vorhin als Zwischenruf gesagt, daß Ihre Argumentation fast so klang, als sei es geradezu zwingend, die beiden abzuwählen, weil das die juristische Konsequenz

(Dr. Martin Schmidt GAL)

sei.Das ist etwas makaber an Ihrem Vortrag.Die Erfahrung zeigt, daß, wenn Nichtjuristen im politischen Bereich überwiegend juristisch argumentieren, sie politisch ein schlechtes Gewissen haben.

(Beifall bei der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Dieses schlechte Gewissen haben Sie zu Recht, Herr Dr. Schmidt.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Wenn er es hätte!)

Das ehrt Sie, das zu haben, denn ich kenne ganz persönlich Sie, aber auch andere Kolleginnen und Kollegen der GAL, in Ihren ursprünglichen Debatten – auch über die Parlamentsreform hinweg – geradezu als Gralshüter von Minderheitenrechten und auch von originellen Minderheitenrechten.Wie oft haben Sie den Sozialdemokraten und auch uns ein vielleicht formal richtiges, aber – was hat die Kollegin gesagt? – verspießtes Demokratieverständnis unterstellt. Ich will das im nachhinein gar nicht werten, ich stelle nur eines fest: Der Lack ist ab, Dr. Schmidt.

(Beifall bei der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Martin Schmidt GAL: Ich war nie lackiert, Herr von Beust!)

Der Lack des Idealismus ist ab, mit dem Sie persönlich einmal angetreten sind und den wir für uns in diesem Umfang und moralisch triefend – deshalb kann ich es ganz neutral sagen – nie in Anspruch genommen haben, wie es viele von Ihnen getan haben.Sie sind in diesem Sinne eine ganz herkömmliche – im Guten und im Schlechten – Partei geworden. Das muß man feststellen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es um Fragen des politischen Verständnisses geht, möchte ich an eines erinnern. In der letzten Legislaturperiode, als sich die Fraktion der STATT Partei auflöste, hätten die auch den Anspruch darauf verloren, Deputierte zu entsenden.