Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Zum Schluß sei eine Spekulation erlaubt. Ich bin der Überzeugung, daß Innovationen wie das Nachhaltigkeitszentrum langfristig für die Zukunft Hamburgs von gleicher Bedeutung sein werden wie Projekte à la A3XX. Hier werden Wirtschaftsformen entwickelt, die langfristig zukunftsfähig sind. Vielleicht haben wir am Ende dieser Legislaturperiode beide Pole bedient: Schneller, höher, weiter. Auch Sie können zufrieden sein, und small ist beautiful.Einer von beiden ist jedenfalls bereits beschlossen.Ich wünsche dem Nachhaltigkeitszentrum einen guten Start, einen pünkt

lichen Baubeginn und lebhaftes Wachstum. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält Herr Horst Schmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der geplanten Errichtung des Gewerbehofes „Ökozentrum“ in Ottensen steht ein Projekt vor der Realisierung, mit dem erstmals durch das Handwerks-Innovations-Center – HIC – eine überregionale Institution für die Förderung eines nachhaltigen, zukunftsgerichteten Verhaltens von Betrieben und dessen Vermarktung geschaffen werden soll.

Besonders hervorzuheben ist meiner Meinung nach, daß das Projekt auf einer Ideenskizze der Handwerkskammer Hamburg im Rahmen des Armutbekämpfungsprogramms in Altona-Nord zurückgeht.Dieses macht deutlich, daß dort die Kompetenz des Handwerks, zu einem nachhaltigen Umweltschutz beizutragen, erkannt wurde.

Die Angebote des „Ökozentrums“ sollen jedoch über den Handwerksbereich hinaus auch die Sektoren Einzelhandel und Dienstleistungen umfassen und auf die Bedarfe im Quartier abgestimmt werden. Es soll ökologisch orientierten Betrieben die Möglichkeit eröffnen, ihre Angebote besser zu vermarkten, und damit den Konzentrationstendenzen im Markt entgegenwirken.

Die Entwicklung, Innovationen und Angebote des Zentrums sollen den Wechselwirkungen im Dreieck zwischen Wirtschaft, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Substanz Rechnung tragen. Modellhaft soll gezeigt werden, daß Leben im 21. Jahrhundert im Einklang mit der Natur und ressourcenschonend gestaltet werden kann, ohne auf Lebensqualität zu verzichten.

Das Projekt wurde im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs „Regionen der Zukunft“ ausgezeichnet. Die Tatsache, daß bereits zum jetzigen Zeitpunkt für über 50 Prozent der Flächen feste Interessenten vorhanden sind, bestätigt die bisherigen Erfahrungswerte bei der Auslastung von Gewerbehöfen. Diese besagen, daß der Leerstand bei den thematisch orientierten Gewerbehöfen wesentlich niedriger ist als bei Gewerbehöfen ohne inhaltliche Konzeption. Die Chancen stehen also insgesamt gut, daß sich das „Ökozentrum“ nach einer Übergangsfrist selbst tragen kann und dadurch das gewährte Gesellschafterdarlehen auch getilgt wird.

Als Resümee ist festzustellen, daß es sich bei dem Projekt Gewerbehof „Ökozentrum“ um eine ausgereifte Konzeption handelt, deren Zielstellungen wir voll und ganz unterstützen. Die SPD-Fraktion wird deshalb den vom Senat gestellten Anträgen zustimmen, um einen möglichst baldigen Baubeginn des „Ökozentrums“ zu ermöglichen. Ich denke, auch die Kollegen von der CDU dürfen diese innovativen, zusammen mit den betroffenen Betrieben entwickelten Projekte begrüßen und den zur Realisierung notwendigen Anträgen zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält Herr Okun.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist über die Drucksache 16/4134

(Axel Bühler GAL)

zur Errichtung eines Gewerbehofes „Ökozentrum“ auf dem städtischen Grundstück Gaußstraße zu befinden. Da teile ich die Einschätzung der SPD- und der GAL-Vertreter über die Qualität der Drucksache und über deren Umsetzung überhaupt nicht, Herr Schmidt. Wenn Sie Zustimmung genannt haben, dann wundert mich der Überweisungsantrag. Ich glaube, da haben Sie etwas durcheinandergebracht, aber das kann mal passieren.

(Horst Schmidt SPD: Ja, ja!)

Die Drucksache, meine Damen und Herren, ist mängelbehaftet und in der Sache nicht entscheidungsfähig. Das sehen Sie offensichtlich genauso, denn sonst hätten Sie nicht zwei Ausschüsse im Wege der Überweisung damit befaßt, und die Überweisung ist auch wichtig und richtig.

(Zuruf von Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ich kann Sie schlecht verstehen, Frau Sudmann, vielleicht sprechen Sie von hier vorne.

Es ist seit rund 20 Jahren geboten, das städtebaulich negative Erscheinungsbild dieser Gewerbebrache an der Ecke Bahrenfelder Straße/Gaußstraße zu beseitigen. Die Fläche, die ursprünglich einmal für Schulerweiterung vorgesehen gewesen ist, haben der Senat und die ihn tragenden Fraktionen trotz mehrfacher langjähriger Anträge der CDU – auch in der Bezirksversammlung Altona – über eine wirtschaftliche Nutzung verweigert.

(Wolfhard Ploog CDU: Sehr richtig!)

Das gilt es noch einmal festzustellen. Die zuständigen Behörden haben anhaltend dabei versagt, durch konsequentes Handeln die Fläche bauwagenfrei zu machen, um sie einer notwendigen, wirtschaftlich vertretbaren Nutzung zuzuführen. Es ist doch völlig klar, daß sich die Stadt das überhaupt nicht leisten konnte und kann, diese wertvolle innerstädtische Lage vor sich hin gammeln zu lassen. Insoweit allerdings – und das will ich auch feststellen – ist diese Senatsmitteilung ein erster vertretbarer Versuch, ein Nutzungs-, Betreiber- und Marketingkonzept zu entwickeln und umzusetzen – das ist nämlich das Entscheidende –, was sich an den Grundsätzen wirtschaftlichen Handelns orientiert.Das begrüßen wir nachdrücklich, auch wenn wir an der seit Jahren geforderten Vermarktung für das sogenannte klassische Gewerbe festhalten, insbesondere unter fiskalischen Gesichtspunkten.

Konzeptionell ist darauf hinzuweisen, daß der angestrebte Branchen-Drittel-Mix aus Einzelhandel, Dienstleistung und Handwerksbetrieben neben üblichen Risiken bei der Ansiedlung, über die ich von den Vertretern der beiden vorgenannten Fraktionen leider nichts gehört habe, darüber hinaus eine Reihe von unüblichen, das heißt nicht objektbezogenen Risiken enthält, die dringend einer kritischen Überprüfung in den Ausschüssen bedürfen, insbesondere auch im Haushaltsausschuß.

So besteht zum Beispiel erstens der Verdacht, daß das Vorhaben lediglich als Türöffner bei den Bauwagenbewohnern dient, um den friedlichen Abzug auf zwei Drittel der Fläche zu erzielen, so daß man in diesem Falle dann von einem hohen politischen Preis sprechen muß, um die Bauwagenszene zu verkleinern. Wenn das so ist, sollte man das ehrlicherweise auch sagen.

(Farid Müller GAL: Das ist ja Schwachsinn!)

Zweitens: Die zu beauftragende HaGG verfügt meiner Kenntnis nach über nicht hinreichende Erfahrungen bei der

Entwicklung solcher, zugegebenermaßen schwieriger Projekte und hat bisher auch kein Betreiberkonzept vorlegen können.

Drittens kommt eine gutachterliche Stellungnahme – das ist in der Drucksache deutlich geworden – in der Standortanalyse zu dem Ergebnis, daß das geplante „Ökozentrum“ – so heißt es ja auch ganz bewußt – nur dann erfolgreich sein kann – ich zitiere –:

„... wenn es konsequent als qualitativ hochwertiges Kompetenz- und Innovationszentrum realisiert wird.“

Das scheint mir bei den den Senat tragenden Fraktionen bisher nicht annähernd verinnerlicht zu sein.Jedenfalls geben das die Drucksache und auch die Beiträge der Vorredner inhaltlich nicht wieder.

(Horst Schmidt SPD: Das ist richtig!)

Ihr Hinweis, Herr Schmidt, auf die Rolle der Handwerkskammer ist richtig, daß diese das Projekt mit entwickelt und unterstützt hat. Das gilt aber für das Ziel und nicht für den Weg, und soweit sind wir noch nicht. Die Handwerkskammer sieht den Branchenmix sehr kritisch, ob er in der notwendigen Form auch tatsächlich erreichbar ist.Das ist nicht die Frage, die heute ansteht, sondern möglicherweise in einem oder eineinhalb Jahren.Also warten wir das einmal ab. Da helfen auch die wohlklingenden Formulierungen nicht weiter – ich zitiere aus der Grundlagenstudie –:

„Gegenüber anderen vergleichbaren Ansätzen in der Bundesrepublik sehen die Gutachten die Einmaligkeit und spezifische Qualität des Hamburger Projekts in seiner engen Verknüpfung von Handwerk, Einzelhandel und Dienstleistung und seiner gleichzeitigen Koppelung mit einer Kompetenz- und Innovationsentwicklung für nachhaltiges Wirtschaften.“

Mit anderen Worten:Teetje mit de Utsichten ist ungefähr so platt wie Ihr Beitrag, den Sie hier gegeben haben.Papier ist eben geduldig, und das ist in der Sache gar nichts und wenig Konkretes.

(Beifall bei der CDU)

Diese Auffassung, meine Damen und Herren, wird gestützt durch Formulierungen aus dem Grobkonzept, in dem der angestrebte Branchenmix angeblich präzisiert wird. Dort heißt es zum Einkaufszentrum – auch das ist lohnenswert, zitiert zu werden –:

„Bündelung zahlreicher Angebote rund um den ökologischen Konsum durch einen attraktiven Branchenmix, zum Beispiel Lebensmittel, Textilien, Wohnen und Bauen, Gesundheit, Freizeit, Information und Bildung, Technik und Mobilität.“

Oder zum Dienstleistungszentrum – ich zitiere –:

„Verbraucherberatung in allen ökologischen Bereichen.“

Was ist denn daran attraktiv oder neu oder innovativ? Diese Antwort auf die gestellte Frage sind Sie schuldig geblieben.

(Axel Bühler GAL: Das haben Sie nicht verstan- den!)

Wie jemand mit den hier gemachten Formulierungen jemals seine Miete selbst finanzieren und bezahlen soll, das bleibt das Geheimnis des Senates.

Zusammenfassend ist – jedenfalls aus heutiger Sicht – folgendes festzustellen:

(Volker Okun CDU)

Erstens: Mit 28,4 Millionen DM Fördermitteln – das hat bisher keiner von Ihnen gesagt – ist das angedachte Projekt in der vorgelegten Fassung wirtschaftlich hoch unvernünftig.

Zweitens: Selbst als politischer Preis für das Verschwinden von zwei Dritteln der besetzten Bauwagenfläche bleibt für die Stadt und für den Bezirk Altona ein Restkrebsgeschwür auf einem Drittel der Fläche erhalten, womit auch eine notwendige und gewünschte Eintracht zwischen Gewerbe und Bauwagenbewohnern latent gefährdet bleibt.

(Axel Bühler GAL: Wiederholen Sie das bitte! – Heike Sudmann GAL: Was haben Sie da gerade gesagt?)

Das inhaltliche Gesamtkonzept, angefangen über die Frage der Betreiber und des Betreiberkonzeptes bis hin zur Struktur der Einzelhandelsnutzer sowie die Akzeptanz im Stadtteil stimmt hinten und vorne nicht

(Axel Bühler GAL: Abklingeln; das ist ja unglaub- lich!)