Protokoll der Sitzung vom 24.05.2000

(Dr.Roland Salchow CDU:Sagten Sie „junger“ Prä- sident?)

unser gemeinsamer, auch junger – zum Thema Ausländer unter dem Titel „Ohne Angst und ohne Träumereien: Gemeinsam in Deutschland leben“ gehalten hat. Ich empfehle Ihnen allen, sich diese Rede über das Internet bundespräsident.de einmal zu besorgen, da sie die Möglichkeit eröffnet, sich in einer anderen Form über Inhalte einer Ausländerpolitik in Deutschland zu verständigen, denn diese Verständigung hat leider in den letzten Jahren gefehlt.

Deswegen möchte ich einige wenige Passagen aus dieser Rede zitieren. Da heißt es unter anderem:

„Wir dürfen in der Diskussion nicht immer nur Teilaspekte herausgreifen: heute islamischer Religionsunterricht, morgen Green Card, dann wieder Arbeitserlaubnisse für Saisonarbeiter oder die Behandlung von Bürgerkriegsflüchtlingen.Wir müssen den Blick für das Ganze gewinnen.

Erfolgreich können wir nur dann handeln, wenn wir zwei Haltungen überwinden, die zu weit verbreitet sind: Wir müssen Unsicherheit und Angst überwinden, die manchmal zu Fremdenfeindschaft, zu Haß und Gewalt führen. Wir müssen eine falsch verstandene Ausländerfreundlichkeit überwinden, die so tut, als gebe es überhaupt keine Probleme und Konflikte, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenleben.“

Der Bundespräsident hat die Problemlage ganz gut beschrieben. Ich appelliere, in diesem Sinne die Diskussion zu führen, und wir sollten sie auch egoistisch führen. Deswegen frage ich mich, welche Interessen die deutsche Bevölkerung in der Ausländerpolitik hat; einige Interessen möchte ich formulieren: Die große Mehrheit der Ausländer, die bei uns leben, baut dieses Land mit auf und ist ein wertvoller kultureller Bestandteil des Landes, und ohne diese Ausländer könnten wir in Deutschland nicht so gut leben, wie es zur Zeit ist. Wir brauchen insbesondere sehr viele Ausländer für die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt.Wir brauchen aber auch Integrationsbestrebungen nicht nur von deutscher Seite, sondern auch von ausländischer Seite. Das bedeutet, die Kinder müssen in den Kindergarten, um die Sprache zu erlernen. Sie brauchen eine gute Schulausbildung, sie brauchen eine gute Berufsausbildung, und sie müssen in die Arbeitswelt integriert werden. Wir erwarten, daß in diesem Eingliederungsprozeß die Einbürgerung erfolgt.Wir erwarten aber auch, daß alle Menschen in diesem Land, also auch die Ausländer, die Prinzipien des Grundgesetzes und die Gesetze in diesem Land beachten. Wir müssen die Gesetze auch gegenüber Ausländern durchsetzen.

(Dr. Roland Salchow CDU: Alles ungeheure Er- kenntnisse, die Sie da haben!)

Das ist die Seite des Eigennutzes.

Daneben haben wir eine gesellschaftliche Verantwortung, die sich auf Bürgerkriegsflüchtlinge bezieht. Sie bezieht sich auf Menschen, die als politisch Verfolgte in dieses Land flüchten. Dieser Aufgabe und dieser Verantwortung müssen wir uns weiterhin stellen, aber mit ganz klaren Konditionen. Das bedeutet: Bei Asylbewerbern gibt es einen

Beginn und ein Ende des Asylverfahrens, und wenn am Ende des Asylverfahrens das Asylrecht verneint wird, muß die Ausreise erfolgen. Das gleiche gilt für Kriegsflüchtlinge. Wenn wir Menschen – und das sollten wir auch künftig beibehalten – aus Kriegsgebieten bei uns aufnehmen, dann ist das ein hohes Gut. Aber diese Hilfe ist begrenzt.Wenn der Bürgerkrieg beendet ist, muß die Heimreise erfolgen, sonst verlieren wir die Zustimmung für unsere Politik in der Bevölkerung.

Zum Arbeitserlaubnisrecht hat der Bundespräsident auch eine interessante Passage eingefügt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

(Glocke)

Es tut mir leid, Ihre Redezeit ist schon überschritten, Sie müssen zum Ende kommen.

Dann ende ich an dieser Stelle. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält jetzt Frau Machaczek.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Pumm, Sie sind ja dafür bekannt, sehr moderate Einstellungen zu haben, und der Rede von Herrn Rau haben wir im Grunde auch nichts entgegenzustellen. Aber es geht hier um ein modernes Ausländerrecht und die Frage, was wir denn tatsächlich tun und was wir nicht tun und welche freundlichen Reden wir halten.

Der Unterschied zwischen GAL und SPD ist eben noch einmal in der Diktion deutlich geworden, und ich möchte drei Punkte nennen, wie wir das Thema sehen. Ich glaube, die GAL hat noch nicht viel begriffen.

Zunächst ist aus Sicht der CDU für ein modernes Ausländerrecht folgendes wichtig:Erstens muß die Integration der hier lebenden Menschen ausländischer Herkunft verbessert werden, zweitens brauchen wir bessere Verfahren, die auch bei Beendigung von Asylverfahren greifen – Herr Pumm hat das gerade noch einmal gesagt, und auch Herr Vahldieck hat vorhin darauf hingewiesen –, und drittens muß der Zuzug gesteuert werden, und dieses Thema bewegt uns in den letzten Wochen.

Zur Integration will ich heute nur anmerken – das Thema kommt bei uns immer wieder und hoffentlich auch bei den anderen –, daß es um die deutsche Sprache geht, durch die nur Integration möglich ist. Ich möchte die Überlegung in den Raum stellen, zum Beispiel durch Integrationskurse, in denen man auch einen Abschluß macht – nicht, liebe GAL, um irgendwelche Identitäten wegzunehmen, sondern um einen Kompaß für Deutschland und Europa zu erwerben –, den Menschen zu vermitteln, womit sie es zu tun haben, wenn sie hierher kommen.

Zum anderen, da unterstütze ich auch Herrn Pumm, hat die Sache immer zwei Seiten. Auch die Nationalitätenvereine könnten manchmal einen Schritt mehr auf unsere Gesellschaft zugehen, denn sie haben besseren Zugang als wir, die das eher oft theoretisch versuchen.

(Erhard Pumm SPD: Auch das stimmt!)

Zum anderen muß – ich will das nicht weiter betonen – das Verfahren für straffällig gewordene Ausländer verändert

werden. Ein Jahr Freiheitsstrafe reicht, um eine Abschiebung durchzusetzen, und wenn wir ein neues Gesetz wollen, das Green Card und Einwanderung zuläßt, dann müssen wir in unserer Bevölkerung eine Unterstützung für so ein Recht haben.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Vor diesen bösen Com- puterleuten!)

Wenn jemand kommt und seine Rechte verwirkt, muß es auch Konsequenzen haben. Die unionsgeführten Länder haben vor einigen Tagen sehr deutlich gesagt, sie würden einer vernünftigen Green-Card-Regelung sogar zustimmen, wenn es zu einem Dialog über die geregelte Einwanderung in Deutschland käme.

Sie haben auch viel zuwenig dazu gesagt, wie dramatisch wichtig das Thema inzwischen geworden ist. Wir haben in Deutschland sinkende Bevölkerungszahlen, wir haben trotz hoher Arbeitslosigkeit offensichtlich viele offene Stellen, die wir nicht besetzen können, daher die Debatte um die Green Card, und wir müssen an die sozialen Sicherungssysteme denken. Dafür müssen wir zumindest unsere Bevölkerung stabil halten. Nur muß es – das hat Herr Pumm gesagt, und das kann ich auch unterstützen – nach unseren Interessen gehen. Die Frage muß sein, was ist gut für die deutsche Volkswirtschaft, für alle Menschen, die hier leben, die auch in Zukunft hier arbeiten wollen. Da sage ich noch einmal ganz deutlich: Liebe GAL und liebe Bundesregierung, wenn Sie glauben, daß es ein richtiger Weg ist, jetzt für Asylbewerber das Arbeitsverbot zu lockern, dann zeigt das wieder, daß Sie überhaupt nichts begriffen haben,

(Beifall bei der CDU)

da das die ungeregelte Einwanderung ist. Glauben Sie doch bitte nicht, daß diejenigen, die hier leben und aus dem Ausland kommen, es gut finden, wenn wir ungeregelte Einwanderung zulassen. Sie wissen genau, was für ein Signal es gibt,

(Anja Hajduk GAL: Ja, was denn für ein Signal?)

wenn wir tatsächlich das Arbeitsverbot lockern.Ich finde es auch deswegen schlecht, weil die geregelte Einwanderung ein schwieriges Thema ist. Ich hoffe, daß Sie als rotgrüne Regierung, die leider auch in Berlin zur Zeit Führungsverantwortung hat, es schafft, diese wichtigen Themen in einen Zusammenhang zu setzen und ein Einwanderungsgesetz zu organisieren, wo wir auch die Bevölkerung mitnehmen, denn eines ist doch klar: Jeder hat bei der hohen Arbeitslosigkeit Sorge, auch bald in dieser zu landen.

Wir wissen leider auch, daß es oft daran liegt, daß wir in Deutschland – auch in Hamburg, das muß ich leider noch einmal betonen – ein schlechtes Bildungssystem haben, das unseren Leuten gar keine Chance gibt, mit den anderen zu konkurrieren.

(Oh-Rufe bei der SPD und der GAL und Beifall bei der CDU – Tanja Bestmann SPD: So schlimm sind 16 Jahre CDU!)

Hören Sie auf mit Ihren Vorhaltungen, sondern machen Sie ein Ausländerrecht, das wirklich zukunftsfähig ist und uns auch den inneren Frieden in diesem Land erhalten läßt.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Uhl.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Alle beziehen sich auf die Rede des Bundespräsidenten.Ich habe sie gelesen und bin auch etwas ratlos zurückgeblieben,

(Heino Vahldieck CDU: Ja, zurückgeblieben!)

ebenso wie nach der Rede von Frau Goetsch.Der Bundespräsident hat in vielen Bildern beschrieben, wie er die Situation in diesem Land empfindet, aus dieser Beschreibung aber weder Ziele abgeleitet noch irgendeinen Weg beschrieben, um diese Ziele zu erreichen,

(Erhard Pumm SPD: Hat sie Ihnen denn gefallen?)

sondern allgemein aufgefordert, darüber gesellschaftlich zu streiten. Der Weg muß auch zu dem Ziel, das man verfolgt, passen. Frau Machaczek hat ihre Ziele definiert und gesagt, sie möchte die Integration verbessern, bessere Verfahren zur Beendigung des Asyls finden und den Zuzug steuern.

Meine Ziele sind andere, und wahrscheinlich unterscheiden sie sich auch in den Wegen. Integration verbessern ist ein richtiges Ziel, nur stellt sich die Frage, wen möchte ich hier integrieren. Sind das Menschen, die einen deutschen Paß bekommen haben, die eingebürgert wurden? Wollen Sie für die die Integration verbessern, oder wollen Sie es tatsächlich für alle tun, die in dieser Stadt, in diesem Land leben? Es sind Menschen, die einen unterschiedlichen Aufenthaltsstatus haben, die sehr lange hier leben, aber keinerlei Perspektive haben. In diesem Land leben auch viele, die mittlerweile gar keinen Status mehr haben, weil sie über das restriktivste aller Rechte, das es in diesem Land gibt, illegalisiert sind.Wenn auch für diese Menschen Integration möglich gemacht werden soll,

(Carsten Lüdemann CDU: Nein!)

dann bin ich sehr dafür, dann verstehen wir unter diesem Stichwort auch dasselbe. Aber zunächst einmal müssen die Grundbedingungen geschaffen werden, um diese Menschen zu integrieren, und das bedeutet eine dauerhafte Perspektive in dieser Gesellschaft. Das ist Voraussetzung für alles, was man mit Integration beschreiben kann.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zweitens möchte ich die bestehenden Zugangsmöglichkeiten in dieses Land erweitern. Ich möchte es für mehr Menschen möglich machen, hier eine dauerhafte Perspektive zu bekommen. Das bedeutet aber auch, das Asylrecht zunächst einmal zu verteidigen, denn es soll – das hört man gerade aus allen Orten – sozusagen begrenzt werden, und das kann nicht sein. Dieses Asylrecht ist ein individueller Anspruch, und an diesem grundgesetzlichen Anspruch muß festgehalten werden. Es müssen aber im Rahmen dieses Asylrechts weitere Möglichkeiten geschaffen werden, damit Menschen aus humanitären, menschenrechtlichen Gründen in dieses Land kommen können und Asyl bekommen beziehungsweise nach einem Ausländerrecht hier leben können.

Dieses Ausländerrecht ist keines, das Menschen einlädt, sondern ist im Gegenteil eines, das abschrecken soll, das keine Perspektive eröffnen soll und die Möglichkeiten für diejenigen, die hier sind, nahezu ausschließlich darin sucht, deren Aufenthalt wieder zu beenden. Das bedeutet, daß auch dieses Instrument ein völlig anderes werden muß. Es kann nicht sein, daß es ein Instrument der Abwehr, ein Instrument der Bevormundung und des Rausschmeißens ist, sondern es muß möglich werden, daß Leute sagen, ich

(Bettina Machaczek CDU)

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