Protokoll der Sitzung vom 21.06.2000

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das stimmt!)

Herr Dr.Salchow, ich habe gesehen, daß Sie sich noch einmal gemeldet haben, aber Herr Engels war schneller; vielleicht haben Sie doch noch Lust, darauf zu antworten.

Ich finde Ihre Zuspitzung schon ganz spannend.Sie sagen, die Bundesregierung handele unverantwortlich, wenn sie aus der Risikotechnologie Atomenergie aussteigt, weil sie sich damit andere Risiken beim Treibhauseffekt einhandelt.

So kann man diskutieren. Ich möchte von Ihnen aber wissen, ob Sie die Meinung ernsthaft vertreten, wenn Sie sagen, die deutschen Atomkraftwerke mit allen Problemen, die in diesem Land seit Jahrzehnten diskutiert werden, müssen weiterlaufen, damit wir beim Klima ein Problem weniger haben.Wenn Sie die Frage beantwortet haben, müssen Sie sich noch entscheiden, ob Sie mit uns gemeinsam auf der Grundlage dessen arbeiten wollen, was in breitem

Konsens vereinbart wurde, eine nachhaltige Energieversorgung zu entwickeln, oder nicht.

Wenn Sie sagen, das mit der Atomenergie sei doch alles ganz in Ordnung, meinen Sie – Sie sagen es nicht –,

(Dr. Roland Salchow CDU: Ich habe gesagt, länger laufen lassen!)

daß in Deutschland erst einmal nichts passiert hinsichtlich nachhaltiger Energieversorgung, weil wir Überkapazitäten und eine Blockade durch diese Technologie haben.Da muß sich die CDU entscheiden; vielleicht haben Sie Lust, sich dazu noch einmal zu äußern,

(Dr. Roland Salchow CDU: Das habe ich doch ge- tan!)

sonst bleibt es ein unqualifiziertes Gemeckere. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Professor Dr. Salchow.

Herr Präsident! Herr Bühler, ich habe doch alles gesagt und vorgeschlagen,

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Nein, Sie haben viel geredet, aber nichts gesagt!)

wie man diesen Umstieg von Kernenergienutzung in eine treibhausgaserzeugungsfreie Technik ökonomisch und CO2-ökologisch sinnvoll machen kann. Das war ein konkreter Vorschlag.

Wenn man so aussteigt wie in Ihrem Programm, würden wir nicht, wie es alle Bundesregierungen vereinbart haben, minus 25 Prozent Kohlendioxid erzielen, sondern ein Plus von 25 Prozent haben. Es kann doch nicht wahr sein, Herr Bühler, daß die rotgrüne Bundesregierung eine Politik macht – jedenfalls was Hamburg betrifft, weil es sehr viel Kernenergie hat –, bei der ein Plus von 25 Prozent CO2 herauskommt, während wir alle geschworen haben, minus 25 Prozent zu erreichen. Das ist es, was ich so unglaubwürdig finde.

(Beifall bei der CDU)

Unglaubwürdig finde ich auch, Herr Schmidt – wahrscheinlich kennen Sie sich in antiker Graekologie besser aus –, wenn Sie Italien als Kronzeugen für den Ausstieg aus der Atomenergie nennen. Die Italiener haben vor mehreren Jahren gesagt: Kernstrom machen wir lieber nicht. Aber wissen Sie, woher die Italiener ihre Energie bekommen? Vornehmlich aus Kernenergie. Aus französischer Kernenergie.

(Dr.Martin Schmidt GAL:Das ist schlichter Unsinn!)

Deswegen ist Ihr Argument so burschikos daneben.Die Italiener wollen aus etwas aussteigen, in dem sie nie gewesen sind. Sie haben sich ihre Kernenergie aus Frankreich geholt;

(Dr. Martin Schmidt GAL: Das ist schön erfunden von Ihnen!)

das ist doch noch nicht einmal logisch. Logos ist ein griechisches Wort, das sollten Sie kennen.

Ich nenne das nächste Beispiel: USA und Ausstieg. Sie haben gesagt, wir sollen einmal in die Zeitung gucken. Wissen Sie, was die USA gerade entschieden haben? Die ha

ben festgelegt, die Restlaufzeiten ihrer Kernkraftwerke zum Teil von 40 auf 60 Jahre zu erhöhen. Da können Sie doch nicht davon sprechen, daß sich die USA überlegen, auszusteigen. Sie liegen bei den Fakten einfach falsch, Herr Schmidt.

(Beifall bei der CDU)

Selbst in Schweden hat man aus politischen Gründen gesagt – weil sonst eine Koalition geplatzt wäre, Sie kennen ja solche Argumente, das liegt Ihnen auch nicht fern –, wir legen das eine Kernkraftwerk still und zahlen vom Staat dort 1,5 Milliarden Mark hinein. Das ist doch nicht das Beispiel. Sie nehmen USA, Schweden und Italien als Beispiel, dabei sind es Gegenbeispiele gegen Ihre These.Damit verlasse ich das Thema, weil Sie ganz offensichtlich nicht Bescheid wissen, was ich Ihnen nicht verübele.

Meine Damen und Herren, was die HEW betrifft, so hat sie einen großen Prozentsatz an der Kernenergie.Sie war aber nicht beteiligt an diesen Konsensgesprächen. Das heißt, die HEW und damit die Anteilseigner Hamburg und Schweden, Vattenfall, sind doch sozusagen Hauptopfer der Angelegenheit. Hamburg und seine Bürger werden mit ihren Strompreisen in Zukunft vielleicht ein Hauptopfer der Geschichte sein, weil wir so einen hohen Prozentsatz an Kernenergie haben.

Ein dritter Punkt.Wenn Alexander Porschke sagt, wir haben ein Erneuerbare-Energie-Gesetz gemacht, klingt das sehr beeindruckend.Ein Kernkraftwerk, Herr Porschke, hat 1300 Megawatt.Erzählen Sie einmal, wie viel regenerative Energie Sie installieren wollen, um dadurch auch nur ein einziges Kernkraftwerk zu ersetzen. Und nun kommen Sie auch noch mit dem Ökosteuergesetz. Das hat bisher noch niemand von den Rotgrünen getan und gesagt, daß das Ökosteuergesetz ein Gesetz sei, mit dem man aus der Kernenergie aussteigt. Das habe ich noch nie gehört. Herr Porschke, lesen Sie es noch einmal nach, ich schenke Ihnen vielleicht eine gelederte Ausgabe vom Ökosteuergesetz, damit Sie sehen, was darin steht.

Im übrigen ist das Ökosteuergesetz nicht „öko“. HVV und die Deutsche Bahn zahlen Ökosteuer, was ist denn daran „öko“? Ferner wurde gesagt, es solle die Rentenbeitragssätze herunterziehen.Aber Sie wissen, wenn man alle Ökosteueraufkommen in eine Rentenbeitragsherabsetzung legte, könnte man die Rentenbeiträge dreimal so stark herabsetzen, wie es jetzt ist.

(Dr. Holger Christier SPD: Haben Sie mal was von der Finanzierung der Rente gehört?)

Das verschwindet also im Haushalt. Es ist eine Lüge, wenn gesagt wird, daß dieses Ökosteuergesetz „öko“ ist oder die Lohnnebenkosten senkt. Das tut es nicht, das ist ein falsches Wort.

(Beifall bei der CDU)

Die Tatsache, daß Sie zu allerlei Argumenten greifen, die gar nicht stichhaltig sind, wie ich es eben gesagt habe, zeigt, daß es Ihnen gar nicht um die Sache geht, sondern um Ihren eigenen Gemütszustand. Sie müssen etwas abarbeiten, was Sie sich vor 20 Jahren am Lagerfeuer rechts von Brokdorf versprochen haben.

(Beifall bei der CDU)

Es juckt Sie überhaupt nicht, daß die Gerichte alle Klagen gegen Krümmel abgewiesen haben.Es juckt Sie nicht, daß Frau Schmitz-Feuerhake, die Kronzeugin der Anti-Kernkraftbewegung, alle Ämter aufgeben mußte, weil alles nicht

(Axel Bühler GAL)

stimmte. Alle diese Dinge sind widerlegt. Es stört Sie auch nicht, daß die Meere nicht durch Kernenergie verseucht sind, wie alle Untersuchungen ergeben haben. Es geht Ihnen nicht um die Sache, sondern um das Signal. Das hat Herr Porschke auch betont, als er sagte:Vor der Wahl muß ein Kernkraftwerk abgeschaltet werden. Sie haben die indianische Politiktechnik der Skalpphilosophie, Sie möchten einen Skalp, ein abgeschaltetes Kernkraftwerk. Das ist keine Politik der Vernunft, sondern der gequälten Seele. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Senator Porschke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem einen oder anderen ist es hier heute wohl doch etwas zu heiß geworden, und es muß einiges auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt werden. Herr Professor Salchow, daß wir bei der Kernenergie und der Verbrennung fossiler Kraftstoffe zwischen Szylla und Charybdis liegen, sehe ich. Deswegen habe ich gesagt, wir versuchen eine Politik zu machen, die einen tatsächlichen Ausweg findet. Dazu hat die Bundesregierung erhebliche Beiträge geleistet, und zwar wesentlich mehr als das, was Ihre Bundesregierung, in der langen Zeit, in der sie Gelegenheit dazu hatte, zustande gebracht hat.

Ich bin aufgrund der klimatischen Veränderungen selbst besorgt, würde aber Ihre Kritiken viel glaubwürdiger finden, wenn Sie hier nicht die „Gib Gas“-Fraktion vertreten und sich nicht jeder populistischen Debatte zur Benzinpreisbegrenzung und Abschaffung der Ökosteuer anschließen würden. Dann würde ich Ihnen glauben können, daß es Ihnen ein ernsthaftes Anliegen ist, die Klimakatastrophe nachhaltig zu reduzieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dabei möchte ich richtigstellen, daß ich den Zusammenhang zur Ökosteuer nicht deswegen hergestellt habe, weil ich der Meinung bin, daß darin etwas zum Atomausstieg steht – an der Stelle gebe ich Ihnen recht, darüber steht nichts darin –, sondern weil Sie bemängelt haben, daß es kein Energiekonzept gibt. Natürlich gehört es zum Konzept der Bundesregierung, daß es darauf ankommt, die nicht erneuerbaren Energien einzusparen. Zu diesem Einsparen gehört als bekanntester Indikator das Geld.Das heißt, man muß den Umweltverbrauch teurer und die Arbeit billiger machen.

Ich möchte aber nicht noch einmal von Ihnen hören, daß die Ökosteuer nicht vollständig zur Entlastung der Lohnnebenkosten aufgebracht wird.

(Dr. Roland Salchow CDU: Doch, das hören Sie noch viele Male!)

Herr Professor Salchow, ich glaube ja, daß Sie ein ernsthafter Politiker sind,

(Beifall bei Elke Thomas CDU)

und deswegen sollten Sie einmal den Beweis dafür antreten. Der Umstand, daß die Erträge aus der Ökosteuer höher sind als das, was sich aus der prozentualen Absenkung der Rentenbeiträge ergibt, ist darin begründet, daß man sonst die Rentenbeiträge erheblich hätte erhöhen müssen. Das kann man genau nachrechnen. Das ist der Grund dafür, daß die Ökosteuer voll und ganz zur Reduzierung der Lohnnebenkosten eingesetzt wird. Das ist das

Konzept: Den Umweltverbrauch teuer und den Arbeitsverbrauch günstiger machen, das schafft Arbeitsplätze und ist zukunftsfähig.