Es erklärt auch die Aussage der Studierenden, die ich ebenfalls bemerkenswert finde, daß die Hochschule nicht mehr der zentrale Ort in ihrem Leben sei. Das hat sich vielleicht auch etwas verändert.
Bei Frau Koppke ist auch die Bürgerschaft der zentrale Ort geworden. Das erklärt, warum es eine begrenzte Identifikation mit dem Studium gibt.Vielleicht hängt es auch ein bißchen davon ab, was an der Hochschule geboten wird, darauf kommen wir noch.
Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Wir haben festgestellt, daß ein Viertel der Studierenden faktisch Teilzeitstudierende sind. Wir sind davon überzeugt – und ich glaube, die anderen Fraktionen auch –, daß sich die Hochschulen stärker darauf einstellen müssen, in der Organisation, der Lehre, den Abläufen, der Studienordnung, dem Curriculum und in der Art und Weise, Prüfungen durchzuführen.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Frage der Studienfinanzierung. Es ist für jeden einsichtig, daß hier mehr passieren muß. In Hamburg erhalten nur noch 12,7 Prozent der Studierenden BAföG. 1991, vor knapp zehn Jahren, waren es noch 33 Prozent. Nun haben wir das Glück, daß es eine neue Bundesregierung gibt – um auch die CDU wieder in die Diskussion einzubringen
Frau Bulmahn ist überhaupt nicht gescheitert. Es ist auch ihr zu verdanken, daß die Bundesregierung im Januar eine erste Reform der Studierendenförderung beschlossen hat. Aus Sicht der Grünen ist das nicht der große Wurf,
aber es enthält wichtige Elemente. Ihnen wird in drei Minuten das Lachen vergehen, Herr Karpen, vielleicht auch nicht, aber zumindest wird deutlich, welche Erblast die neue Bundesregierung zu übernehmen hat.
Erstens, damit man weiß, worüber man redet, und die Dinge sachlich fundiert sind: Was ist passiert? Die Bundesregierung hat 1 Milliarde DM mehr Mittel für BAföG beschlossen, das sind immerhin 50 Prozent mehr. Im neuen Haushaltsbeschluß sind wieder über 400 Millionen DM vorgesehen. Die Förderbedingungen werden in einigen Punkten wesentlich verbessert. Die Bedarfssätze und Freibeträge sind angehoben, und es ist ein Auslandsstudium erleichtert worden, die Förderdauer wird flexibilisiert. Ferner wird das Kindergeld nicht länger angerechnet, und Kinder
erziehungszeiten werden besser berücksichtigt. Das läßt sich sehen. Es ist vom Volumen vielleicht noch nicht ausreichend genug, aber es ist etwas, das Frau Bulmahn durchaus positiv durchgesetzt hat.
Darüber hinaus wird zusätzlich eine Expertenkommission eingerichtet, die Vorschläge für eine große BAföG-Reform macht.Das wird nicht sofort passieren, aber in zwei bis drei Jahren ist damit zu rechnen. Man wird sich darüber unterhalten müssen, wie viele Mittel eingesetzt werden.
Sie wissen, daß sich die Grünen seit langem für eine elternunabhängige Förderung eingesetzt haben. Wenn man die Zahlen von vorhin gehört hat, ist das, denke ich, gut begründet, denn hier wird Geld sinnvoll in die nächste Generation investiert.
Erwähnt werden muß auch – das sage ich in Richtung der Haushaltspolitiker –, daß jährlich 1 Milliarde DM von ehemaligen Studierenden an den Staat zurückfließt. Das ist kein Verschenken von Geld, sondern es sind Gelder, die auch wieder zurückkommen. Es reicht nicht aus, das habe ich bereits gesagt, aber man muß ein bißchen genauer darauf gucken, welche Konsequenzen zu ziehen sind.
Nun noch einmal zu der Frage, wie es zu so einem Kahlschlag beim BAföG gekommen ist. Dabei gucke ich einmal die Kolleginnen und Kollegen von der CDU an.In Zeiten der Brandt-Regierung – das ist vor Ihrer Zeit,
haben 40 Prozent aller Studierenden BAföG bekommen. Dann gab es den Einbruch durch die Regierungsübernahme Kohl.
1983 wurde BAföG auf Volldarlehen umgestellt und die Schülerförderung gestrichen. Auch Ihr Zukunftsminister und zeitweiliger Hoffnungsträger Rüttgers, der mit den Indern, hat daran nichts geändert. Dazu brauchten wir in der Tat eine neue Bundesregierung.Das ist ein deutlicher Fortschritt. Er ist nicht ausreichend, zeigt aber, daß der Ausgangspunkt, die Hinterlassenschaft, das Erbe der F.D.P/CDU, die jetzt mit Bildung Wahlen gewinnen wollen, so erheblich gewesen ist, daß es für die SPD und die Grünen relativ kompliziert gewesen ist, da wieder herauszukommen.
(Dr. Roland Salchow CDU: Sie haben vor drei Mi- nuten gesagt, Sie wollten uns zum Weinen bringen! Darauf warten wir!)
Lassen Sie mich drei Punkte aus der Beratung nennen, die mit Studienfinanzierung selbst nichts zu tun hat.
Erster Punkt: Beratung. 12 Prozent der Studierenden in Hamburg unterbrechen ihr Studium, und einige davon kommen gar nicht wieder.Die Zahl der Studienfachwechsler hat zugenommen; gewechselt haben in Hamburg 22,4 Prozent. Über die Studiendauer haben wir schon vielfach diskutiert, sie ist länger geworden. Es erklärt sich zum Teil aus
der materiellen Situation. 23,8 Prozent sind im dreizehnten Semester oder darüber. Wenn man hört, daß über 30 Prozent der Studierenden innerhalb von zwei Semestern kein einziges Mal außerhalb der Lehrveranstaltungen mit Hochschullehrern über fachliche Fragen des Studiums sprechen und 40 Prozent nicht mit Hochschullehrern über ihre Studienpläne und Prüfungen sprechen, zeigt sich hier ein deutliches Beratungsdefizit.
Es liegt unter anderem daran, daß Ihre Kollegen, Herr Professor Karpen, nicht bereit, in der Lage und kompetent sind, Studierende in ausreichendem Maße von Beginn des Studiums an kontinuierlich zu beraten.
Das haben die Expertenanhörung und insbesondere das, was die Studierenden gesagt haben, eindeutig ergeben.
Hier muß sich etwas ändern. Es muß eine kontinuierliche, studienbegleitende Beratung von Beginn des Studiums an und im Hauptstudium geben. Die Hauptverantwortlichen, die studienbegleitend beraten und kompetent dafür sein müssen, sind die Hochschullehrer.
Ein vorletzter Punkt, der bei uns eine Rolle gespielt hat, ist die Notwendigkeit, die Lehrqualität zu steigern. Die Studierenden sind auf einer Skala von 0 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig gefragt worden, was sie für wünschenswert und notwendig halten. Darauf haben sie geantwortet, daß 5,2 Prozent für die Steigerung der Qualität der Lehre sind. Ebenso viele sind für hochschuldidaktische Reformen. 5,3 Prozent sind für die Entrümpelung von Studiengängen. Das ist fast eine volle Stimmenzahl dafür und sollte uns zu denken geben.
Was wir brauchen, Herr Professor Karpen, ist eine langfristige Verbesserung der Lehrqualität.Bei Berufungen muß didaktische und methodische Qualifikation von Bewerbern eine größere Rolle spielen. Es muß notwendig, obligatorisch und selbstverständlich sein, daß Hochschullehrer nicht mit 35 Jahren auf Lebenszeit berufen werden und das machen, was sie schon können, sondern sie müssen sich auf dem Gebiet der Forschung und der Lehre weiterentwickeln und sich nicht hinter der Freiheit der Lehre verstecken und ihren Stremel herunterreißen und Studierende über Jahre entnerven.
Notwendig ist es, daß Studierende an der Evaluation stärker beteiligt sind.Wir haben hier schon einmal einen Begriff fallen lassen: An den Hochschulen ist es notwendig, eine umfassende Feedback-Kultur zu etablieren.Herr Professor Karpen findet es gut, ich und ebenso die Studierenden auch. Wir werden dieses Gebiet etwas weiter entwickeln.
Ein letzter Punkt. Meine Damen und Herren, es hat sich ergeben – nicht nur durch die Vorfälle im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften –, daß es notwendig ist, bei Prüfungssituationen und vermeintlichen Unregelmäßigkeiten Ansprechpersonen, Vertrauenspersonen zu haben. Wir sind uns, glaube ich, weitgehend einig, daß es Ombudsleute geben sollte, die man ansprechen kann. Das können verschiedene Personen sein; Vizepräsidenten, Studiendekane oder AStA-Vertreter sind möglich.
Es ist einiges auf dem Weg. Die Studienfinanzierung ist nicht ausreichend und muß weiterentwickelt werden.Zu anderen Punkten wird es möglicherweise noch Anträge geben, aber ich gehe davon aus, daß bei der bevorstehenden Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes wesentliche Punkte aus der Anhörung einfließen werden und daß wir hier in Hamburg im Sinne und im Interesse der Studierenden einen Schritt weiterkommen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr de Lorent war so freundlich, alle Zahlen, die wichtig sind, schon zu nennen. Leider haben nicht alle so richtig konzentriert aufgepaßt.