Verschonen Sie uns, Herr Professor Karpen, mit dieser Panikmache. Werden Sie seriös, machen Sie Vorschläge,
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich lange gefragt, welchen Hintergrund die Debattenanmeldung der CDU hat. Jetzt weiß ich es: Herr Karpen wollte wieder einmal das sagen, was er immer sagt. Deswegen werde ich dazu nicht viel sagen, damit ich nicht auch das sage, was ich immer sage.
Die Lage der Justiz ist sicherlich ernst, an vielen Stellen brennt es. Aber im Gegensatz zu Herrn Professor Karpen, der wieder nicht gesagt hat, welche Lösungsvorschläge er hat, hat die Senatorin eine Steigerung des Justizhaushaltes um 4 Prozent erreicht. Das liegt nicht nur an den geplanten Gefängnisneubauten, sondern es liegt auch daran, daß gezielt die Bereiche personell verstärkt werden sollen, bei denen es öfter einmal brennt. Das ist zum Beispiel eine Lösung.Deswegen sehe ich keine Notwendigkeit, hier Horrorszenarien an die Wand zu malen, zumal in dem genannten Prozeß des sogenannten Albaner-Willi noch nichts passiert ist.
Im übrigen kann ich auch den Kollegen de Lorent zitieren, der auf die Frage „Was machen Sie, wenn eine Grippewelle ausbricht?“ sagt, daß dieses Problem auch in der Schule auftritt. Das Problem haben wir überall, und es ist ernst zu nehmen. Es ist auch nicht witzig, wenn wochenlang Unterricht ausfällt oder im Krankenhaus die Patienten nicht operiert werden können. Das ist keine Besonderheit der Justiz oder was die Senatorin persönlich verschuldet.
Deswegen sollten wir uns für den Justizbereich zukünftig Themen ausdenken, die es wirklich wert sind, diskutiert zu werden, und die uns voranbringen. Aber so macht es wirklich keinen Spaß.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Frage, die die CDU zu dieser Aktuellen Stunde angemeldet hat, lautet: „Gab es Haftentlassungen wegen unzureichender Ausstattung der Gerichte?“ Die Antwort ist kurz und knapp: Nein!
Zur Sache folgendes: Nach zwei ausgesprochen ruhigen Jahren – 1998 und 1999 – gab es bedauerlicherweise in den letzten Monaten im Rahmen der sogenannten SechsMonats-Prüfung durch das Oberlandesgericht einige Entlassungen aus der Untersuchungshaft. Natürlich bin ich – das muß ich hier nicht betonen – über solche Entscheidungen alles andere als glücklich. Das gilt genauso für die Präsidenten der betroffenen Gerichte, für den Leitenden Oberstaatsanwalt und für die Generalstaatsanwältin.
Wir analysieren jeden Einzelfall sehr sorgfältig; das haben wir auch in den letzten Fällen getan. Ich komme zu dem Ergebnis, daß wir strukturelle Fehler in den organisatorischen Abläufen bei den erwähnten Haftentlassungen auf keinen Fall erkennen können.
In seinen Haftentlassungsbeschlüssen beanstandet das Oberlandesgericht – das sage ich für diejenigen Damen und Herren, die diese etwas formalistische Prüfweise nicht kennen können – einmal die Staatsanwaltschaft, dann einen Spruchkörper bei Gericht und auch die Polizei; mal ist das Rechtshilfeersuchen gemeint, das zu lange dauert, mal ist eine psychiatrische Begutachtung und mal eine kriminaltechnische Faseranalyse gemeint;mal sind Verfahren zusammengefaßt, die man nach Ansicht des Oberlandesgerichts hätte trennen sollen. Das nächste Mal hat die Staatsanwalt die Verfahren getrennt, die nach Meinung des Oberlandesgerichts – wie übrigens im letzten Fall – aber zusammengehören.
Die Senate des Oberlandesgerichts sind – das möchte ich mit allem Nachdruck sagen – in ihrem Prüfmaßstab sehr anspruchsvoll und müssen dies auch sein. Sie verlangen von Gerichten und Staatsanwaltschaften eine optimale Planung und Überwachung der Ermittlungen. Warum sie das tun und tun müssen, ist auch klar: Es geht um die Freiheit eines Menschen, also muß man hier sehr streng sein.
Sie verlangen, daß genau überlegt wird, ob auf ein Gutachten noch gewartet werden darf oder nicht; sie verlangen, daß bei umfangreichen Verfahren zeitaufwendige Komplexe abgetrennt und einzelne vorab erledigt, nämlich terminiert und angeklagt werden.
Das ist ein ständiger Informations- und Überprüfungsprozeß zwischen der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und auch der Justizbehörde.Wir sind ständig tätig, um jede Art von Mängeln rechtzeitig zu erkennen, damit es eben nicht zu einer Haftentlassung kommt.
Wir bedauern jede Haftentlassung und – das sage ich noch einmal – versuchen natürlich, aus allen gemachten Fehlern zu lernen. Aber irreparable Schäden hat es nicht gegeben. Alle Angeklagten, die aus der Haft entlassen wurden, sind zu den Hauptverhandlungen erschienen, so daß normal verhandelt werden konnte und Verurteilungen ergingen. Für die stets gleiche Behauptung, die angeblich unzureichende Ausstattung der Gerichte führe unvermeidlich zu Haftentlassungen, bieten diese Fälle keine Grundlage.
Erlauben Sie mir ein letztes Wort. Niemand kann eine Konsolidierung des Haushalts über sieben Jahre vornehmen, ohne daß Spuren hinterlassen werden.So sind beim Landgericht im Jahre 1998 drei Richterstellen gestrichen worden; im Jahre 1999 waren es noch mehr. Dennoch – und das ist bemerkenswert – ist es weder in 1998 noch in 1999 zu mehr, sondern zu deutlich weniger Haftentlassungen gekommen als 1996 und 1997. Auch im laufenden Jahr werden Stellen gestrichen werden müssen, weil wir anders unsere Konsolidierungspflicht nicht erfüllen können. Trotzdem sind Haftentlassungen keine und schon gar keine zwangsläufige Folge einer solchen Konsolidierung.
Wenn kürzlich in einer Tageszeitung in Hamburg die Frage gestellt wurde: „Personalnot: Haftentlassung unvermeidlich?“, dann war diese Überschrift auf ein Satzzitat eines Beschlusses des Präsidiums zurückzuführen, der hier auch schon genannt wurde. Dieser Satz lautet – Frau Präsidentin, Sie erlauben, daß ich zitiere –:
„,Der Abzug eines Strafrichters‘ aus einer anderen Kammer ,würde dazu führen, daß Haftentlassungen wegen Überschreitung der prozessualen Fristen unvermeidlich wären‘.“
Es ist also nicht zu einer Abordnung eines Richters gekommen. Allein dieser Satz aus einem Beschluß, der wenige Wochen alt ist, zeigt, daß das Landgericht ebenso wie das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft alles unternehmen, damit es bei unbestritten knapper Personaldecke nicht zu Zwischenfällen kommt, die niemand will.
Frau Präsidentin! Das Thema bedarf einer gründlichen Behandlung. Ich höre nicht auf, weil Sie gelangweilt sind. Ich möchte drei Bemerkungen machen.
Erste Bemerkung: Herr Klooß, daß ich die Frage der Haftentlassung zu einem Rundumschlag benutzt habe, ist so nicht richtig. Die Haftentlassungsfälle zeigen – ich habe nicht von vielen geredet, sondern konkret von 75 Fällen, die ich Ihnen einzeln nachweisen kann –, auch wenn es selbständige Entscheidungen der Gerichte sind, daß die Richter personell unterausgestattet sind. Alles hängt von den Personalengpässen ab. Das Verfassungsgericht hat im letzten Jahr zu Recht gesagt: Zur Wahrung einer funktionsfähigen Justiz gehört auch eine angemessene Personalausstattung.
Zweite Bemerkung: Herr Klooß, Sie sagen – insofern sind wir ein gut eingespieltes Paar, so wie Plisch und Plum –, ich würde immer die gleiche Büttenrede halten, sage nichts
Herr Klooß, ich habe es Ihnen schon mehrmals gesagt, wenn Sie sich doch gelegentlich Ihres Amtes als Volksvertreter und Mitglied dieses Parlaments erinnern würden und nicht als Büchsenspanner des Senats,
nicht als Gehilfe und Stütze des Senats, sondern als Mitglied einer Körperschaft, die insgesamt die Regierung kontrolliert, dann können Sie sich doch nicht verbieten lassen, die Richter selbständig zu besuchen.Dann können Sie sich doch selbst nicht zumuten, mit dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts nur auf dem Schoß der Senatorin zu reden. Das ist doch ausgeschlossen. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Denken Sie einmal darüber nach, daß Sie als Abgeordneter gewählt sind. Natürlich stützen Sie die Regierung, aber es gibt ureigene Aufgaben des Parlamentes, und dazu gehören die Informationsrechte. Ich erwarte im Grunde genommen von Ihnen eine Unterstützung in dieser verfassungsrechtlich und politisch wichtigen Frage.
Frau Kähler, auch Ihnen habe ich geantwortet, daß es die Aufgabe der Opposition ist, das Regierungshandeln zu kritisieren. An dem Verhalten von Herrn Klooß und an Ihrem Verhalten sehe ich, daß Sie alles andere tun. Nur: in der Frage, die die Bürger interessiert, daß festgenommene Straftäter freigelassen werden, weil die Prozesse so lange dauern, müssen Sie auf unserer Seite stehen!
Herr Professor Karpen, ich bin ja immer an Bildern interessiert. Mich interessiert, was ein Büchsenspanner der Regierung auf dem Schoß einer Senatorin macht?
Der Büchsenspanner steht im Mittelalter hinter denen, die mit Büchsen an die Front gehen. Die freigeschossenen Büchsen werden zurückgenommen, werden etwas gereinigt, dann kommt eine neue Kugel rein, und dann wird gespannt. Dann gibt er es gespannt wieder nach vorne. Diese subalternen Hilfsarbeiten leistet Herr Klooß, und das reicht für einen Abgeordneten nach meiner Meinung nicht aus.
(Heiterkeit im ganzen Hause – Beifall bei der CDU – Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Aber was macht der auf dem Schoß der Senatorin?)