Protokoll der Sitzung vom 20.09.2000

Insofern freuen wir uns darauf, daß der Senat hierzu eine Ausarbeitung machen wird.Er kann sich der Unterstützung der Bürgerschaft sicher sein, diesen Standort zu erhalten. Zum REGENBOGEN-Antrag möchte ich nur sagen:Das ist ideologischer Schwachsinn. Wenn wir dies tatsächlich so umsetzen würden, dann würden wir die Bundeswehr-Universität nicht mehr lange hier haben. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Elisabeth Schilling SPD)

Das Wort hat Dr. de Lorent.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jetzt haben wir endlich einen Antrag, der uns wieder ein bißchen vereint.Von uns wird dieser Antrag auch begrüßt, genauso wie die neue Position des Bundesministeriums für Verteidigung.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Wir wissen noch, daß es früher Bemühungen der Wissenschaftsbehörde gegeben hat, in Zeiten begrenzter Kapazitäten bei den Wirtschaftswissenschaftlern an der Universität die Bundeswehr-Hochschule hierfür zu nutzen.Das ist damals abgelehnt worden. Heute spielt sicherlich auch ein ökonomisches Kalkül bei Minister Scharping eine Rolle. Es wird von Ausbildungspartnerschaft mit der Wirtschaft gesprochen, das heißt, daß ganz genau zu klären sein wird, unter welchen Bedingungen, von wem finanziert, wie ausgewählt und mit welchen Stipendien zivile Studierende an die Bundeswehr-Hochschule gehen werden.

Das Studium an der Bundeswehr-Hochschule ist sicherlich reizvoll in bezug auf die Studienbedingungen. Es sind exquisite Studienbedingungen, ein Professor für 18 Studierende, keine Wartezeiten auf Labor- oder Seminarplätze; Frau Spethmann hat die sehr gute Bibliothek schon genannt. Aus unserer Sicht ist es wünschenswert, daß auch Frauen in die Bundeswehr-Hochschule aufgenommen werden, wobei das sicherlich ein hartes Brot sein wird.Ich kann mir das ungefähr so vorstellen wie Ende der sechziger Jahre, als die ersten Mädchen in die Jungen-Gymnasien kamen; das war für die nicht ganz einfach. Frauen in die Bundeswehr-Hochschule heißt im übrigen auch Frauen in die Lehrkörper der Bundeswehr-Hochschule. Das wird ungefähr so sein wie bei den ersten Frauen, die in die Lehrerkollegien kamen und am Anfang ganz alleine waren. Aber Frauen setzen sich durch,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Genau!)

das wissen wir, das werden sie auch an dieser Hochschule machen.

Ein zweiter wünschenswerter Punkt wäre die stärkere Kooperation mit anderen Hochschulen in Hamburg. Meine Damen und Herren, auch diese Hochschule wird sich Stück um Stück weiterentwickeln, und das ist gut und richtig so.

Dritter und letzter Punkt:Mittelfristig ist sicherlich auch über eine Externalisierung dieser Hochschule zu reden, da zwangsläufig auch darüber zu diskutieren sein wird, die Standards den Studienbedingungen anderer Hochschulen anzugleichen.

Für den REGENBOGEN-Antrag gibt es auch bei uns keine Sympathie, wir werden ihn ablehnen.

(Beifall bei der GAL und bei Wolfgang Marx und Erika Woisin, beide SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Koppke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der im Mai verkündeten Bundeswehr-Reform bot Verteidigungsminister Scharping unserem Bürgermeister Runde die zivile Öffnung der Bundeswehr-Uni in Hamburg an.Herr Runde fand das damals schon ziemlich gut, und die SPD-Fraktion hat nun einen entsprechenden Antrag daraus gebastelt.

Einmal abgesehen davon, daß die Reform der Bundeswehr leider noch immer nicht ihre längst überfällige Abschaffung bedeutet, was sicherlich die meisten hier anders sehen, was aber, Herr Marx, nicht zur Abstimmung steht und insofern auch nicht die Begründung für die Ablehnung unseres Antrags sein kann, bietet diese Reform zumindest jetzt die Chance, über die Zukunft der Universität der Bundeswehr in Hamburg nachzudenken. Und da muß ich für unsere Gruppe ganz deutlich sagen, daß die Chance mit diesem halbherzigen Versuch der SPD nicht vertan werden sollte.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die bisherige Praxis der Bundeswehr, ihre zukünftigen Führungskräfte zwar ohne militärischen Drill, Frau Spethmann, jedoch weiterhin in einer abgeschotteten männerbündlerischen Umgebung auszubilden, die der Herausbildung eines elitären Korpsgeistes zumindest nicht abträglich ist, würde durch eine solche Öffnung der Bundeswehr-Uni nur geringfügig abgeschwächt werden.

(Viviane Spethmann CDU)

A C

B D

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die Bundeswehr hat in Abgrenzung zur militaristischen Tradition Deutschlands und als Lehre aus der Geschichte der vorhergehenden deutschen Armee stets das Ideal des Soldaten als Staatsbürger in Uniform als Ziel ihrer Ausbildung benannt. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen definiert die Bundeswehr ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft und begreift sich als integrierter Bestandteil des zivilen demokratischen Staates.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Sehr richtig!)

Dem widerspricht es, daß die Bundeswehr ihre Führungskräfte getrennt von der Restgesellschaft ausbildet. Gerade für die Befehlshaber von morgen wäre der intensive Austausch mit ihren zivilen Kommilitonen aber von entscheidender Bedeutung.Dieses Ziel ist nur durch eine Auflösung der Universitäten der Bundeswehr und die Ausbildung der studierenden Soldaten an den zivilen staatlichen Hochschulen tatsächlich zu verwirklichen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das haben wir auch in unserem Antrag, der Ihnen vorliegt, so formuliert. Die weniger halbherzige Konsequenz daraus ist die Eingliederung der einzelnen Teile der Bundeswehr-Uni in die staatlichen Hamburger Hochschulen bei Zurverfügungstellung einer entsprechenden Anzahl von Studienplätzen für die Studierenden der Bundeswehr. Die jährlichen Aufwendungen des Bundes für die Bundeswehr-Uni fließen auf diese Weise dann dem Wissenschaftshaushalt Hamburgs zu, wobei die einmaligen organisatorischen Kosten im Rahmen der Bundeswehrreform vom Bund getragen werden. Es ist übrigens auch nicht einzusehen, daß den Soldaten eine Exklusivausbildung unter besonders guten Studienbedingungen – man denke zum Beispiel an die Bibliotheken – geboten wird. Statt dessen ist die zivile Nutzung der gut ausgestatteten Bildungseinrichtungen dringend geboten. Für die zivilen Studierenden wäre die Eingliederung der Bundeswehr-Uni in den staatlichen Hochschulverbund eine deutliche Verbesserung der Studienbedingungen, und die Studierenden der Bundeswehr würden auf diese Weise ein erheblich breiteres Studienangebot vorfinden.

Vor diesem Hintergrund würde ich mich freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden und sich nicht auf die relativ unqualifizierte Bemerkung von Herrn Marx einfach so verlassen würden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Gruppe REGENBOGEN abstimmen.Wer möchte denselben annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

Wer möchte den SPD-Antrag aus der Drucksache 16/4603 annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit sehr großer Mehrheit angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf, Drucksache 16/4661: Große Anfrage der Gruppe REGENBOGEN zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeiterinnen und -Zwangsarbeitern.

[Große Anfrage der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke:

Hamburgs Beitrag zu einer schnellstmöglichen Entschädigung aller überlebenden NS-Zwangsarbeiter und -Zwangsarbeiterinnen – Drucksache 16/4661 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall.Die Abgeordnete Koppke hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter hat sich gezeigt, daß politischer Druck tatsächlich etwas bewirken kann. Die privaten Unternehmen Wempe und Montblanc sind unmittelbar nach unserer Outing-Kampagne dem Fonds beigetreten, und auch die Hamburger öffentlichen Unternehmen werden sich wohl nun endlich am Fonds beteiligen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Elisabeth Schilling SPD)

Wir sind darüber erfreut, daß der Senat vor wenigen Tagen verlautbaren ließ, daß alle Hamburger Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung und die HGV dem Fonds beitreten werden beziehungsweise der Senat zumindest auf diese Beteiligung hinwirken wird, wie es in der Pressemitteilung der Staatlichen Pressestelle heißt. Wir hoffen aber nicht, daß, wie zumindest das „Hamburger Abendblatt“ berichtete, dies bedeutet, daß damit die Privatwirtschaft weiter entlastet und der Beitrag dort angerechnet wird.

Die Ankündigung des Senats ist um so erfreulicher, als es in der nur einen Tag zuvor bekanntgewordenen Antwort auf unsere Große Anfrage noch heißt, daß kein einziges Hamburger öffentliches Unternehmen sich bislang abschließend mit der Frage nach einem Stiftungsbeitritt befaßt hat. Die Initiative des Senats ist von daher nur zu begrüßen, wenngleich im selben Atemzug genannt werden muß, daß es bedauerlich ist, daß kein öffentliches Unternehmen dem Beispiel der Gaswerke gefolgt ist und den Beitritt zum Fonds aus eigenem Antrieb vollzogen und sich damit aktiv seiner historischen Verantwortung gestellt hat. Die moralische Selbstverständlichkeit des Stiftungsbeitritts sowohl privater als auch öffentlicher Unternehmen findet also leider nur unter immensem politischen Druck statt. REGENBOGEN – für eine neue Linke würde sich darüber freuen, wenn der Senat uns auch in weiteren Bestrebungen folgen würde.

Erstens halten wir es für notwendig, daß sich die Hamburger öffentlichen Unternehmen über den geplanten Beitritt zum Stiftungsfonds hinaus mit ihrer Firmengeschichte auseinandersetzen und diese dann auch öffentlich machen.So ist zum Beispiel Insidern bekannt, daß die Wasserwerke 1944 und 1945 mindestens 230 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Einsatz hatten. Die Kenntnis über die Geschichte Hamburger öffentlicher Unternehmen sollte aber kein Insiderwissen bleiben. Vielmehr handelt es sich dabei um ein allgemeines öffentliches Interesse, dem auch nachgekommen werden muß.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Elisabeth Schilling SPD)

Die Anfrage behandelt aber noch mehr Themenkomplexe als die Hamburger öffentlichen Unternehmen.

Insofern komme ich zum zweiten Punkt.Der Senat hat stets die Notwendigkeit der Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in der Landwirtschaft betont. In der Antwort auf die Große Anfrage zieht er sich nun

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

auf eine Position zurück, die es den Partnerorganisationen in den jeweiligen Ländern überläßt, ob für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft eine Entschädigungssumme „übrig“ ist. Das kann er natürlich machen, es geht aber weit hinter das zurück, was er selbst als notwendig erachtet hat.Wir wollen die heutige Debatte daher auch nutzen, noch einmal an den Senat zu appellieren, sich selbst beim Wort zu nehmen und dahin gehend aktiv zu werden, auch die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zu entschädigen, die in Hamburg oder von den Außenlagern des KZ Neuengamme in der Landwirtschaft eingesetzt wurden und durch die Maschen der Bundesstiftung fallen werden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Drittens hat die Große Anfrage deutlich gemacht, daß es dringend notwendig ist, Finanzmittel zur Beschleunigung der Beantwortung von Anfragen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beim Staatsarchiv aufzubringen. In der Antwort auf die Große Anfrage heißt es, daß es keine zentrale Stelle gebe, die einen Überblick über sämtliche in Hamburg vorhandenen Informationen bezüglich ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter habe. Eine zentrale personenbezogene Datei sei beim Staatsarchiv im Aufbau. Eine schnelle digitalisierte Beantwortung von Anfragen auf Beweisdokumenten kann das Staatsarchiv also gar nicht leisten. Da die Antragsfrist aber bereits läuft, ist es unbedingt notwendig, daß der Senat Finanzmittel zur Beschleunigung aufbringt und sie auch einsetzt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Viertens und letztens möchte ich an dieser Stelle wieder einmal betonen, daß sich der Senat nicht weiter schützend vor die Privatwirtschaft stellen, sondern Firmen öffentlich benennen sollte, von denen bekannt ist, daß sie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt haben, daß sie heute noch existieren und noch keinen Beitrag zur Stiftungsinitiative geleistet haben. Der Erfolg der Kampagne von REGENBOGEN – für eine neue Linke macht deutlich, daß dies ein sinnvoller und auch ergebnisreicher Weg ist. Es kann aber eigentlich nicht unsere Aufgabe sein, diese Recherche und Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)