Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

Es ist hierzulande vielleicht eine etwas gewöhnungsbedürftige Angelegenheit, daß Gefängnisse privat gebaut und auch betrieben werden. In anderen Ländern ist dies aber keinesfalls so. In den Vereinigten Staaten werden weit über 100 Anstalten voll- oder teilprivatisiert betrieben, in Frankreich sind es 21. Durch diese Maßnahme konnten die Baukosten um 25 Prozent gesenkt werden.Dort bleiben die hoheitlichen Aufgaben wie bei uns auch außerhalb der privaten Regie.

In Großbritannien sind zwischen 1992 und 1998 sieben vollprivatisierte Haftanstalten eingerichtet worden, bei denen allerdings auch die vollzuglichen Aufgaben in privater Hand liegen. Im Schnitt liegen dort die Kosten um 15 bis 17 Prozent unter denen der Bundesrepublik. Ich habe Berichte gelesen, in denen sich britische Gefangene über die zu freundliche Behandlung in den privaten Anstalten beschwerten und lieber in ein vernünftiges Gefängnis verlegt werden wollten, wo das Verhältnis zwischen Häftlingen und Personal – wie sie meinten – von gegenseitiger Antipathie gekennzeichnet sei.

(Manfred Mahr GAL: Das kann ja wohl nicht stim- men!)

Auch in Deutschland nimmt der private Anteil am Strafvollzug zu. Die Anstalt Waldeck bei Rostock ist die erste, die sich im Privatbesitz befindet. In Neustrelitz haben private Unternehmen eine komplette Jugendstrafanstalt ausge

baut. Das Land Mecklenburg-Vorpommern zahlt Miete an die Banken, die ihrerseits die Bauherren finanziert haben.

Die Erfahrung zeigt, daß private Unternehmen beim Bau unschlagbar sind. Statt zehn Jahre – wie in einem öffentlichen Planungsverfahren – wurden nur drei Jahre für die Bauplanung benötigt.Vergleichen Sie damit beispielsweise die Planung der S-Bahn-Anbindung des Flughafens Hamburg-Fuhlsbüttel. Die Planung für Waldeck hat ein dreiviertel Jahr gedauert. Welche Planungszeit hat dagegen der Anstaltsneubau Neuengamme in Hamburg verschlungen!

Es gibt auch Privatisierungen in Hamburg zu vermerken, wenngleich wir noch keinen Fall haben, in dem eine Anstalt vollständig auf privater Basis gebaut worden ist, wie sie beim Justizforum Ost möglicherweise in Gang gesetzt wird. Wir lesen aber, daß es mannigfache Formen von Contracting, Mietkauf, Generalübernahme und Generalunternehmung gibt.

Ich betrachte auch die Einführung von Wirtschaftsplänen für die Haftanstalten als einen Schritt in die private, also richtige Richtung. In Glasmoor, Fuhlsbüttel und in anderen Anstalten werden durch diese selbst oder durch private Unternehmer Metall-, Holz- oder Textilprodukte hergestellt. Dies geschieht zwar häufig nicht zu marktüblichen Preisen, weil die Arbeitsgeschwindigkeit und die Qualität der Gefangenen häufig unter der Norm liegen. Außerdem möchte ich noch auf die schönen, schmackhaften Äpfel aus der Landwirtschaft der Strafvollzugsanstalt Hahnöfersand hinweisen, die eigentlich privat erwirtschaftete Produkte sind.

Das hat der Senat aufgelistet und informativ beantwortet; dafür sind wir dankbar. Es stellen sich gleichwohl einige Fragen:

Warum hat sich herausgestellt, daß die Küchen privatwirtschaftlich nicht effizient zu führen seien? Es gibt doch so viele effiziente Catering-Unternehmen.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Es fallen riesige Mengen Anstaltswäsche an.Warum ist die Außerhausgabe, wie sie im Universitäts-Krankenhaus Eppendorf seit langem funktioniert, hier nicht wirtschaftlich? Das verstehe ich nicht.

Bei der zahnärztlichen Versorgung, die durch Honorarärzte durchgeführt wird, hört man sehr viele Klagen von Gefangenen, daß das nicht ordentlich geschieht. Zwar mag es sein, daß der Pflegezustand der Zähne der Insassen schlecht ist, was ich durchaus glaube.Gleichwohl muß hier, um einmal im Bilde zu bleiben, nachgeschliffen werden.

Wichtig ist auch die externe Suchtberatung, von der wir in diesen Tagen wieder gehört haben. Hier ist die vertrauenschaffende Distanz zwischen Gefangenen und Bediensteten unerläßlich, das muß von außen geschehen.

Wir gehen bei der Privatisierung der Haftanstalten von drei wesentlichen Prinzipien aus. Erstens: Die Anstalten müssen wirtschaftlich geplant und unter Nutzung des Wettbewerbs sparsam geführt werden, das heißt privatisieren, was möglich ist, und das beste Angebot unter strenger Aufsicht auswählen.

Zweitens: Die Hoheitsaufgaben sind im Kernbereich unter staatlicher Verantwortung fortzuführen. Wir dürfen also nicht so weit gehen wie in Großbritannien. Zum Kernbereich zähle ich die Bewachung, die soziale Betreuung, einschließlich der Wiedereingliederung und der ärztlichen Betreuung, die schulische Ausbildung und die Verwaltung

(Vizepräsidentin Sonja Deuter)

der Personalangelegenheiten der Gefangenen, die Anstaltsleitung.

Drittens: Wichtig ist, daß die Gefangenen-Arbeitsplätze erhalten bleiben. Arbeit ist sehr wichtig für die Resozialisierung, für die Disziplin und die Selbstdisziplin, die dabei gelernt werden. Notwendig ist die richtige Abwägung zwischen preiswerterer privater Arbeitsleistung und der Erhaltung eines möglicherweise teureren Gefangenen-Arbeitsplatzes. Im Zweifel sollte letzterem der Vorrang eingeräumt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Klooß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich stelle zunächst einmal fest, daß die CDU, Herr Professor Karpen, die Bemühungen Hamburgs durchaus gewürdigt hat, auch im Bereich des Strafvollzugs Schritte zur Privatisierung dort zu unternehmen, wo sie möglich sind.

Ob private Unternehmen beim Bau von Anstalten unschlagbar sind, möchte ich in der pauschalen Aussage bezweifeln. Andererseits ist aber der Hamburger Senat darin unvoreingenommen und hat auch in seiner Antwort mitgeteilt, daß er den Bau durch Private für möglich hält. Sie selbst haben das Beispiel Hahnöfersand erwähnt, bei dem die Sprinkenhof AG in der Tat vorbildliche Arbeit geleistet hat, schneller und kostengünstiger, das ist durchaus anzuerkennen.

Man muß aber einmal sehen, worum es bei dieser Diskussion wirklich geht. Eine Privatisierung des Strafvollzugs an sich ist in Deutschland auf der Grundlage des geltenden Verfassungs- und Gesetzesrechts nicht zulässig. Insofern ist auch die Übernahme von Modellen oder Teilen davon aus England oder anderen Ländern nicht möglich. Der Strafvollzug gehört zum Kernbereich staatlicher Aufgabenwahrnehmung und stellt die Kehrseite beziehungsweise die Folge des monopolen staatlichen Straf- und Verfolgungsanspruchs dar.Der Strafvollzug als solcher – ich wiederhole es – ist im Hinblick auf Artikel 33 Absatz 4 und 5 des Grundgesetzes insgesamt nicht privatisierungsfähig. Das wäre auch nicht mit den Paragraphen 155 und 156 des Strafvollzugsgesetzes vereinbar. Davon zu trennen ist die Frage nach der Privatisierung im Strafvollzug. Dies hat der Senat sehr deutlich gemacht.

Eine Privatisierung im Strafvollzug, das heißt die Wahrnehmung einzelner Aufgaben durch vertraglich verpflichtete Personen, ist auf der Grundlage des geltenden Rechts ohne Änderung des Strafvollzugsgesetzes grundsätzlich zulässig. Dies allerdings nur soweit, als sich die Tätigkeit der Privaten im Strafvollzug auf Dienst- und Serviceleistungen im weiteren Sinne ohne Eingriffsbefugnisse gegenüber Gefangenen beschränkt.

Weder Verfassungsrecht oder sonstiges Bundesrecht stehen daher dagegen, wenn die bauliche Errichtung und Unterhaltung von Justizvollzugsanstalten und die Wartung ihrer technischen Sicherheitseinrichtungen Privaten übertragen werden sollten. Nichts anderes gilt für die ärztliche oder sonstige Versorgung oder Betreuungsaufgaben wie die Suchtbetreuung. Insofern haben wir, denke ich, durchaus ähnliche Bewertungen.

Ein solcher teilweise privater Betrieb entspricht aber bereits auch der gängigen Hamburger Praxis, soweit Leistungen

ersetzt werden, die die hoheitliche Aufgabenwahrnehmung nicht tangieren. Gerade in den Bereichen des Hausmanagements, der Versorgung und der Betreuung werden viele Leistungen bereits durch Private übernommen.In Teilbereichen wie der Abschiebehaft wird in Hamburg sogar privates Wachpersonal zur Ergänzung und Unterstützung der Vollzugsbediensteten eingesetzt. Sicherlich gibt es noch einige Bereiche, in denen Private verstärkt eingesetzt werden könnten; darüber ist durchaus nachzudenken.

Bevor man aber in diesem Bereich an einen verstärkten Einsatz von Privaten denkt, darf man nicht vergessen, daß gerade in den in Frage stehenden Bereichen der Dienstund Serviceleistung zahlreiche Gefangenen-Arbeitsplätze existieren.Ich finde es beachtlich und erkenne es durchaus an, Herr Professor Karpen, daß Sie für deren Erhaltung plädieren. Es ist dem Senat zuzustimmen, daß Privatisierung im Bereich des Strafvollzugs nur dann sinnvoll ist, wenn Gefangenen-Arbeitsplätze im bisherigen Umfang erhalten bleiben, da sie als arbeitstherapeutische Maßnahmen anzusehen sind und die Verantwortlichkeit und Zuverlässigkeit der Gefangenen wecken und fördern.

Neben den rechtlichen Grenzen müssen aber auch Gesichtspunkte wie Wirtschaftlichkeit und Effektivität eine große Rolle spielen, die nicht automatisch zugunsten des Einsatzes von Privaten ausfallen oder ausfallen müssen. Die Antwort des Senats hat uns gezeigt, daß insbesondere in den Bereichen des Hausmanagements und der Versorgung der Einsatz von Gefangenen wirtschaftlicher als der von Privaten ist.

Ich fasse zusammen: Der Blick über Landesgrenzen ist sinnvoll und nützlich und findet durchaus statt. Das Ergebnis lautet, nicht alles, was man sieht, ist übertragbar. Anregungen können und sollen verwertet werden.Ich stelle fest, daß der Hamburger Strafvollzug bereits jetzt schon die Möglichkeiten weitestgehend ausschöpft, und ich denke, daß die Antwort des Senats ermutigt, diese Marschrichtung weiter zu betreiben.– Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Mahmut Erdem GAL)

Das Wort hat Herr Mahr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte daran anschließen, aber das Wichtigste vorweg. Mit seiner Antwort auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion hat der Senat dankenswerterweise klargestellt, was wir alle schon wußten und wiederholt hier im Hause diskutiert haben, nämlich eine Privatisierung des Strafvollzugs, die auch nur annähernd den hoheitlichen Bereich tangieren würde, wird es auch in Zukunft nicht geben und nicht geben dürfen.

Selbstverständlich können Strafvollzugsanstalten grundsätzlich von Privaten geplant und errichtet werden, wenn sie nach öffentlicher Ausschreibung den Zuschlag erhalten haben. Der Bau des Hamburger Polizeipräsidiums hat gezeigt, daß so etwas durchaus gut funktionieren kann. Die Voraussetzung dafür ist aber die kontinuierliche Beteiligung des künftigen Nutzers, also der Behörde, in allen Phasen der Planung und Umsetzung.Entscheidend ist jedoch, daß der Betrieb einer so gebauten Anstalt in der Justiz verbleibt, daß mit der Belegung von Gefängnissen nicht, wie in den USA, Profit gemacht wird. Dies hat in den USA zu der absurden und menschenverachtenden Situation geführt, daß

(Dr. Ulrich Karpen CDU)

der privat organisierte Strafvollzug an die Börse gegangen ist. Aktionäre entwickeln so ein grundsätzliches Interesse daran, daß möglichst viele Menschen eingesperrt werden. Das kann niemand ernsthaft wollen, und das unterstelle ich Ihnen nicht.

Dabei ist festzustellen, daß sich die Gefängnisbelegung der USA in den letzten 25 Jahren verfünffacht hat.Herr Dr.Karpen, ich möchte eine Bemerkung zu Ihren Äußerungen zum Strafvollzug in Großbritannien machen, wo die Gefangenen es angeblich ablehnten, besonders nett behandelt zu werden, und lieber etwas forscheren Umgang wünschten. Niemand verlangt doch nach Schlägen, wenn er gestreichelt wird, es sei denn, er ist Masochist. Ich halte das, was Sie erzählt haben, schlicht gesagt, für eine Ente.

Von einer Entwicklung wie in Amerika sind wir zwar noch weit entfernt, aber wir diskutieren auch bereits über andere amerikanische Modelle in Fragen der öffentlichen Sicherheit. Deshalb sage ich noch einmal ganz deutlich: Ein solcher oder ähnlicher Weg in die private Betreibung von Haftanstalten würde dem Anspruch und Auftrag des Strafvollzugsgesetzes in jedem Fall widersprechen. Hierzu wird die GAL-Fraktion nicht zur Verfügung stehen und, ich vermute, unser Koalitionspartner – Herr Klooß hat es eben ausgeführt – auch nicht.

Gleichwohl gibt es viele Bereiche, in denen privates Engagement gefordert, ja sogar ausdrücklich erwünscht ist.Zum einen dann, wenn privater Einsatz wirtschaftlicher ist, zum anderen, wenn darüber hinaus eine Brücke zur Außenwelt, also zu Teilen außerhalb der Anstalt geschlagen werden kann. Der Senat zählt verschiedene Beispiele auf: die ärztliche Versorgung, die Freizeitgestaltung der Gefangenen, die Maßnahmen im Bereich sozialer Betreuung und der vorbereitenden Resozialisierung. So kann und wird die Betreuung von Suchtmittelabhängigen in erheblichem Umfang, wie wir wissen, auch von Privaten übernommen.

Aber auch im Bereich der Freizeitgestaltung bedarf es immer wieder neuer Anstrengungen der Justiz, die nach außen signalisieren und darauf hinweisen, daß beispielsweise Private als ehrenamtliche Helfer oder Zuwendungsempfänger als Dienstleister im Vollzugsalltag ausdrücklich willkommen sind und nicht als Störfaktoren angesehen werden.

Bei der Abwägung, ob man weitere Bereiche der Justizvollzugsanstalten privatisiert, um den Betrieb insgesamt wirtschaftlicher zu gestalten, darf man nicht aus den Augen verlieren, daß notwendige Arbeiten im Strafvollzug, soweit es unter vollzuglichen Gesichtspunkten sinnvoll und unter Sicherheitsaspekten möglich ist, an Gefangene vergeben werden sollten. Darüber sind wir uns wohl einig, das habe ich aus den Beiträgen meiner Vorredner entnommen.

Arbeitsplätze für Gefangene sind bekanntlich nur begrenzt verfügbar.So macht es natürlich Sinn, wenn beispielsweise Gefangene bei der Bauunterhaltung der Anstalten eingesetzt werden, weil sie bereits in anstaltseigenen Werkstätten beschäftigt werden und somit unmittelbar zur Verfügung stehen. Selbst wenn es theoretisch wirtschaftlicher wäre – Herr Professor Karpen hat es erwähnt –, jemanden von außen zu nehmen, sollte man sich doch verpflichtet fühlen, vorhandene Arbeitsplätze für die Gefangenen zu erhalten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Die Privatisierung im Bereich des Strafvollzugs ist in Teilbereichen möglich, stößt aber an deutliche Grenzen. Die GAL-Fraktion hat grundsätzlich nichts dagegen, wenn Teilbereiche in Strafvollzugsangelegenhei

ten nach außen an Private abgegeben werden, wenn dadurch keine Gefangenen-Arbeitsplätze gefährdet und hoheitliche Bereiche nicht tangiert werden, mit Freiheitsstrafen kein Profit erzielt wird und sie somit nicht zum potentiellen Börsenfaktor werden und sich privates Engagement im Einzelfall als wirtschaftlicher als behördliches Handeln erweist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Senatorin Dr. Peschel-Gutzeit.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr einverstanden damit, daß das Haus insgesamt gemeinsame Grundsätze entwickelt hat und verfolgt. Das finde ich beruhigend, denn ich selbst habe mir im Jahr 1993 das erste privat errichtete und betriebene Gefängnis in England angesehen. Es ist übrigens eine Untersuchungshaftanstalt, bei der es auf einen Strafvollzug im deutschen Sinne gar nicht ankommt.

Als unsere kleine Delegation seinerzeit zurückgekommen ist, hat sie gesehen, daß wir in Deutschland andere, nämlich besondere verfassungsrechtliche Gegebenheiten haben, die eigene Lösungen erfordern.Trotzdem ist das, was hier gesagt wurde, richtig und muß auch immer beachtet werden. Denn die Gruppe 4, die in England den Zuschlag zum Betrieb dieses Gefängnisses bekommen hat, will und muß Gewinn machen; sie macht es nicht um Gottes Lohn und nicht aus karitativen Gründen; allein das muß einen schon sehr nachdenklich machen.