Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

(Dr. Holger Christier SPD: Doch, doch!)

(Jürgen Klimke CDU)

Wir reden darüber, wie abgeschoben wird. Wir halten ein Plädoyer dafür, daß es keine bösen und menschenunwürdigen Abschiebungen gibt. Es geht um nichts anderes.

(Erhard Pumm SPD: Gibt es denn menschenwür- dige Abschiebungen?)

Es geht um die Art und Weise, wie abgeschoben wird, und darum, daß Sie bei Abschiebungen keine menschenwürdigen Standards einhalten. Das ist das Thema dieser Drucksache und worüber wir heute reden.

(Ingrid Cords SPD:Abschieben wollen Sie trotzdem nicht!)

Sie brauchen nicht immer vom Thema abzulenken, damit Sie nicht sehen, was Sie tun. Sie müssen sich mit Ihrer eigenen Drucksache beschäftigen. Es geht am heutigen Tag nicht um die Welt und nicht um die Veränderung von Ausländergesetzen, sondern es geht darum, wie man bei dem restriktivsten aller Gesetze die kleinen Spielräume nutzt. Rotgrün in Hamburg läßt sich mit dieser Drucksache darauf ein, diese kleinen Spielräume auch noch möglichst restriktiv auszulegen. Das ist der Skandal an dieser Drucksache.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es muß mir noch ein Wort zu den genannten Eingaben zugestanden sein.

Herr Klimke hat gerade etwas konstruiert, das ich mit Wohlwollen betrachten würde, wenn es denn so wäre: Der Eingabenausschuß würde sich bei seiner heutigen Handhabung von dem unterscheiden, was er in der letzten Legislaturperiode praktiziert hat. Das muß ich dementieren, weil das so nicht stimmt.Wenn man die Zahlen vergleicht, dann würde man erkennen, daß heute unter Rotgrün genau das stattfindet, wie es früher auch war.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Polle.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In einem einzigen Punkt kann ich Herrn Klimke zustimmen: Der Eingabenausschuß steht im Spannungsfeld zwischen Menschlichkeit und rechtlicher Notwendigkeit.

(Heino Vahldieck CDU: Aber?)

Wir machen es uns dort alle nicht leicht.Und weil wir es uns nicht leichtmachen, können wir im beschleunigten Verfahren nicht alle Fälle vom Tisch wischen. Wir müssen verschieben, um aufzuklären und im Interesse der betroffenen Menschen Sachverhalte zu ermitteln. Es wird nicht aufgeschoben, weil es im Ausschuß Profilsüchtige gibt.

Mir liegt derzeit gerade ein Fall vor, über den ich mit einem Anwalt ständig telefoniere und Faxe hin- und herschicke, weil ein verlobtes Paar aus unterschiedlichen Ländern – aus Südafrika und Ex-Jugoslawien – kommt und beide keine Papiere haben, um hier vor Gericht die entsprechende Ehefähigkeitsbescheinigung zu erhalten.Erst dann dürfen sie heiraten. Sie können weder gemeinsam nach Südafrika noch nach Ex-Jugoslawien reisen. Wo sollen diese Menschen leben?

Deswegen bemühen wir uns, wenigstens eine Eheschließung zu erreichen, weil sie dann in eines dieser Länder gemeinsam ausreisen können. Sonst würden sie niemals zu

sammenkommen. Das sind die Fälle, die wir verschieben. Das tun wir nicht, weil wir profilsüchtig sind.

(Jürgen Klimke CDU: Nicht Sie, Herr Polle!)

Ein weiterer, von uns verschobener Fall: Ein über Achtzigjähriger möchte vor seinem Ableben noch einmal in seine türkische Heimat. Bisher war er nicht reisefähig. Jetzt möchte er sich aber aufraffen, darf aber nicht mehr zurückkommen. Für ihn wollen wir etwas tun. Wir haben immer wieder eine Entscheidung verschoben, weil wir uns bemühten, eine Krankenversicherung zu finden. Es geht nur um solche Dinge. Wir haben keine Krankenversicherung gefunden, so daß wir nicht helfen konnten. Das tut uns weh. Aber nicht, weil wir profilsüchtig sind, sondern weil wir den Menschen helfen wollen. Nur darum geht es. Das kann ich wohl auch für die GAL sagen, daß sie sich in dieser Weise verhält.

Allerdings gibt es einige Fälle, bei denen wir abwarten.Hier geht es um die Beendigung der Schule. Es gibt einige minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge, denen wir ermöglichen wollen, das Schuljahr zu beenden. Ich glaube, es ist allgemein verständlich, daß dies sinnvoll ist. Der Klassenverband hat an uns geschrieben und gefragt, ob diese Schüler nicht bleiben können. Wir können ihnen zwar keinen Daueraufenthalt sichern, aber wir können wenigstens dafür sorgen, daß sie bis zu den großen Ferien das Schuljahr beenden, ein Zeugnis oder womöglich einen Abschluß erhalten.Dann müssen sie in ihre Heimat zurück.Nur diese Fälle schieben wir, aber nicht aus Profilsucht.

Entsprechend muß ich zurückweisen, daß geschoben wird, damit diese Betroffenen hierbleiben können, weil die GAL gegenüber ihrer Klientel vielleicht in irgendeiner Weise nachgeben muß. Sicher gibt es Fälle, bei denen nicht sofort die Bereitschaft besteht, sie für „nicht abhilfefähig“ zu erklären. Dann muß Rotgrün die Chance haben, sich darüber zu einigen.

Es gibt Fälle mit unterschiedlichen Einschätzungen. Hier muß es möglich sein, daß eine Woche darüber beraten wird.Es gibt keine ellenlangen Verschiebungen, sondern es wird eine Woche oder auch zwei Wochen beraten; dann wird entschieden. So werden wir auch weiterhin handeln.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Frau Goetsch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Klimke, ich bin maßlos enttäuscht. Ich habe Sie an der einen oder anderen Stelle zu denjenigen gezählt, die mit Fingerspitzengefühl, Sensibilität und mit einem humanen Hinterkopf als Vorsitzender des Eingabenausschusses arbeiten.

Es ist ein ausgesprochen peinliches Verständnis Ihrer Tätigkeit im Eingabenausschuß, wenn Sie Einzelfälle instrumentalisieren, um sich damit zu profilieren.

(Antje Blumenthal CDU: Was hat Herr Polle denn eben gemacht?)

Es ist ausgesprochen peinlich, wie Sie mit Ihrem Vorsitz im Eingabenausschuß umgehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie sagen, daß das Schieben von Eingaben nur ein Verschleppen der GAL sei. Ich frage Sie:Wo ist eigentlich Ihre

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Geduld als Vorsitzender, wenn es darum geht, Einzelfälle zu prüfen? Das ist nämlich Ihre und unsere ureigenste Aufgabe.

Ihre Ausführungen sind wirklich diskreditierend für einen Vorsitzenden des Eingabenausschusses.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es geht bei der Debatte nicht um das Ob, sondern um das Wie. Ich möchte noch einmal betonen: Wenn der Bürgermeister ein halbes Jahr verhandelt, dann macht er dies bestimmt nicht, um das zu bestätigen, wie bisher verfahren wurde,

(Heino Vahldieck CDU: Nein, dann will er die Koali- tion retten!)

sondern um das Verwaltungshandeln in der Ausländerbehörde so zu verändern, daß es zum Beispiel nicht mehr möglich ist, daß aus Versehen abgeschoben wird.Wir wollten, daß die Ausländerbehörde in die Pflicht genommen wird, nach den politischen Vorgaben so zu handeln, über die sich die Regierungspartner geeinigt haben, nicht mehr und nicht weniger.

Es geht, nachdem diese Drucksache verabschiedet ist, um die kritische Begleitung. Das Parlament ist dazu da, diese Kontrolle wahrzunehmen. Es geht außerdem noch um die kritische Kontrolle der Öffentlichkeit, die die eigentliche Kontrollinstanz ist. Wir werden das mit Sicherheit entsprechend verfolgen.

Die Ausländerbehörde kann es sich nicht leisten, diese Vorgaben zum Nachteil der Betroffenen auszulegen. Für die Umsetzung, Herr Senator – das haben Sie eben deutlich gesagt –, sind Sie verantwortlich. Sie haben auch eingeräumt, daß es Veränderungsbedarf gibt. Wir, die GAL, werden weiterhin unser politisches Ziel einer ganzheitlichen Sachbearbeitung verfolgen.

Zur Zeit ist es wichtig, daß im Einzelfall das Ermessen und die Menschlichkeit zu gelten haben und Flüchtlinge als Teile dieser Gesellschaft gesehen werden. Es geht darum, Verfahrensabläufe zu finden, daß es entsprechend dieser Abschiebedrucksache eine Handhabung gibt und dadurch Interpretationsspielräume nicht mehr möglich sind.

Zum Schluß möchte ich den Appell an Herrn Senator Wrocklage richten, sich auf der Innenministerkonferenz dafür einzusetzen, daß wir für die Fälle, in denen wir uns, Herr Klimke, im Eingabenausschuß mit viel Geduld und viel Zeit um Kranke und Traumatisierte bemühen, einen Weg für Rahmenbedingungen im Hinblick auf einfachere Lösungen als bisher finden. Denn die rechtlichen Vorgaben eines restriktiven Ausländergesetzes lassen vieles nicht zu. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Lüdemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Uhl hat angemahnt, daß wir heute über die Art der Abschiebung reden und diskutieren wollen. Ich möchte deswegen dazu einige Worte sagen.

Es ist von Rednern aller Fraktionen angemahnt worden, daß man mit dem Thema Flüchtlinge und Asyl human umgehen sollte. Ich glaube, Hamburg geht damit human um.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD)

Ein Thema wird hier immer wieder angesprochen und von der Gruppe REGENBOGEN dramatisierend schlecht dargestellt: Bei den sogenannten morgendlichen Abholungen würde die Familie um 6.30 Uhr abgeholt und zum Flughafen gebracht. Dies wird immer so dargestellt, als ob Flüchtlinge, die hier Asyl beantragen, morgens mit Gestapomethoden von der Polizei überrascht und zum Flughafen geschleppt werden. So ist es nicht. Man muß sich vorher zunächst die ganze Geschichte anhören, bevor man sich darüber ein Urteil erlauben kann.

Wie sieht diese Geschichte denn aus? Die Menschen kommen hier her und stellen einen Asylantrag, der überprüft wird.Irgendwann wird darüber dann eine Entscheidung getroffen.