Protokoll der Sitzung vom 29.11.2000

Meine Damen und Herren! Es ist mir immer noch zu laut im Raum, und ich möchte die Technik noch einmal bitten, diese Anlage so auszusteuern, daß wir uns alle verstehen können.

(Ole von Beust CDU: Aber leiser wird es hier auch nicht!)

Das Wort hat jetzt die Zweite Bürgermeisterin Frau Senatorin Sager.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Lebenspartnerschaftsgesetz wird die alltägliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare zwar nicht beendet, aber es wird ein großer Schritt in diese Richtung getan. Ich bin ganz sicher, daß von diesem Gesetz auch diejenigen Lesben und Schwulen profitieren werden, die selber gar nicht diese Partnerschaft eingehen wollen. Entscheidend ist nämlich, daß mit diesem Gesetz der politische Wille unterstrichen wird, daß Lesben und Schwule in dieser Gesellschaft in Zukunft gleichberechtigt leben sollen. Angesichts der traurigen und langen Geschichte der Verfolgung, Verachtung und Benachteiligung in diesem Land, die diese Menschen erlitten haben, ist das eine historische Zäsur.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Erfreulich ist aus meiner Sicht, daß es für ein solches Gesetz inzwischen nicht nur eine politische Mehrheit im Bundestag gibt, sondern auch eine Mehrheit in der Gesellschaft. Die Bevölkerung akzeptiert mehrheitlich die Beendigung der Diskriminierung, und dies tut ganz besonders die junge Generation.

Um so bedauerlicher ist es aus meiner Sicht, daß der zustimmungspflichtige Teil des Gesetzes, das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz, an den CDU-regierten Ländern im Bundesrat scheitern wird. Die CDU wird es sehr schwer haben, der Mehrheit der Bevölkerung und vor allen Dingen den jungen Menschen zu erklären, warum sie die Diskriminierung in wesentlichen Fragen für Schwule und Lesben aufrechterhalten will.

(Wolfhard Ploog CDU: Wie kommen Sie darauf? – Karl-Heinz Ehlers CDU: Das ist Unsinn!)

Natürlich neigen Sie als Opposition dazu, zu glauben, etwas wäre schlecht, weil es von der Regierung kommt, und zu glauben, eine Antihaltung gegen ein rotgrünes Projekt käme bei Ihrer Wählerschaft gut an. Ich glaube aber, daß Sie sich gründlich irren, weil die Menschen erkennen, daß es darum geht, daß Sie zahlreichen Menschen in diesem Lande elementare Bürgerrechte vorenthalten wollen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Karl-Heinz Eh- lers CDU:Das ist doch unglaublich, dummes Zeug!)

Es ist kein Zufall, daß eine CDU-Abgeordnete des Deutschen Bundestags auf einer Podiumsdiskussion in Berlin zu mir gesagt hat, sie sei in dieser Frage wirklich froh, daß es in Berlin inzwischen andere Mehrheiten gebe.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Wolfhard Ploog CDU: Das nehmen Sie mal zurück!)

Es geht in der Tat um Bürgerrechte, und dabei geht es nicht vorrangig um materielle Dinge, aber auch um solche. Sie müssen doch den Menschen in diesem Land erklären, warum ein Mann, der mit seinem männlichen Lebenspartner jahrelang zusammenlebt, die sich gemeinsam etwas aufgebaut haben, gemeinsam ihr Leben eingerichtet haben und wenn der Partner stirbt, dann bei der Erbschaftsteuer vom Staat genauso abkassiert wird, als wenn er ein völlig Fremder wäre, noch schlechter gestellt ist als ein Neffe.

(Antje Blumenthal CDU: Das Wort Abkassieren ist eine Unverschämtheit!)

Und das können Sie nicht notariell regeln.

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zweite Frage: Warum soll eine Frau, die mit einer weiblichen Lebensgefährtin zusammenlebt und vorrangig den gemeinsamen Lebensunterhalt alleine bestreitet, weil zum Beispiel die Lebenspartnerin krank ist, arbeitslos ist oder ein Kind zu versorgen hat, bei der Einkommensteuer genauso abkassiert werden wie ein Mensch, der nur für sich selber einzustehen hat? Diese Frage müssen Sie beantworten, und dafür haben Sie keine schlüssige Antwort.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Gerade eine Politik, die für ein solidarisches Einstehen füreinander ist, müßte ein solches Lebenspartnerschaftsgesetz besonders unterstützen.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Aufhören! – Gegenruf von Dr. Andrea Hilgers SPD: Hinterbänkler!)

Es ist typisch für Sie, daß Sie nicht darüber reden wollen, was in diesem Gesetz geregelt wird, nämlich das, was man nicht notariell, sondern nur gesetzlich regeln kann, sondern sich hinter verfassungsrechtlichen Bedenken verstecken. Erstens wissen Sie ganz genau, daß der Abstand zur Ehe in diesem Gesetz durchaus gewahrt ist. Man ist nicht den einfachen Weg gegangen wie in Skandinavien und den Niederlanden.

(Glocke)

Frau Bürgermeisterin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Zweite Bürgermeisterin Krista Sager: Wenn das von meiner Redezeit abgeht, nicht.)

Der Senat hat hier leider keine Redezeitbegrenzung.

(Ole von Beust CDU: Sie haben endlos! – Zweite Bürgermeisterin Krista Sager: Ach so, ich darf ja weiterreden. Herr Ehlers, bitte schön.)

Herr Ehlers, Sie haben das Wort.

Frau Senatorin, könnte es sein, daß die Einkommensteuer gar nicht erhoben wird, um abzukassieren, sondern um öffentliche Aufgaben, auch zum Beispiel die, für die Sie verantwortlich sind, zu finanzieren?

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Zweite Bürgermeisterin Krista Sager (fortfahrend): Herr Ehlers, die Tatsache, daß man aus der Einkommensteuer öffentliche Ausgaben bestreitet, ändert aber nichts daran, daß die Menschen bei der Einkommensteuer unterschiedlich behandelt werden und auch umgangssprachlich das Gefühl haben, sie werden von der Steuer zur Kasse gebeten, und das sollte möglichst gerecht geschehen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die entscheidende Frage ist doch, warum es gerecht sein soll, jemanden, der heiraten kann und aus einer Lebensgemeinschaft als heterosexueller Partner überlebt, besser zu behandeln als jemanden, der nicht heiraten kann, aber auch in einer langjährigen Gemeinschaft mit einem homosexuellen Partner gelebt hat. Das ist nicht gerecht, und es geht in Wirklichkeit um viel mehr. Es geht darum, daß man den gleichgeschlechtlich lebenden Menschen in dieser Gesellschaft ein Recht einräumt, frei zu wählen. Es geht darum, daß Sie ihnen dieses Recht vorenthalten wollen und damit die Diskriminierung aufrechterhalten wollen.Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken sind ein Kaiser ohne

Kleider. Niemandem in Dänemark oder den Niederlanden können Sie sagen, daß seine Ehe weniger wert ist, weil gleichgeschlechtliche Paare die gleichen Rechte haben; das glaubt Ihnen dort kein Mensch.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Etwas anderes steckt hinter Ihren verfassungsrechtlichen Bedenken doch gar nicht. Solange Sie Ihre Ablehnung des Lebenspartnerschaftsgesetzes aufrechterhalten, sind Sie in der Mitte der Gesellschaft noch lange nicht angekommen, sondern dackeln hinterher.Von einem solchen Gesetz würden nicht nur die Schwulen und Lesben profitieren, sondern wir alle, und zwar deswegen, weil unsere Gesellschaft dadurch toleranter und menschlicher würde, sie würde ein besseres menschliches Gesicht bekommen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Hamburg sagt deswegen ja zu diesem Gesetz, und die CDU sollte das auch tun.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Schmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Reden wir von der Verfassung und von dem, was die CDU daran hindert, die verfassungsmäßigen Rechte der Schwulen und Lesben anzuerkennen. Zu unseren Lebzeiten haben sich die Rechte der Menschen in Deutschland gegenüber dem Staat gewaltig geändert. Zwar hat schon im Grundgesetz – beinahe muß man „zufällig“ sagen, weil es gerade noch gelungen ist – die Gleichberechtigung von Mann und Frau gestanden, aber ihre Verwirklichung hat sehr, sehr lange gedauert. Ich habe nicht gehört, daß die Partei, die sich jetzt auf die Verfassung beruft, um die Rechte von Schwulen und Lesben zu mindern, in den letzten 50 Jahren dafür besonders bekannt wurde, daß sie an dieser Stelle die Verfassungsrechte von Frauen eingeklagt hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

In unserer Verfassungswirklichkeit haben Kinder nach wie vor wenig Rechte.Bis vor kurzem war es selbstverständlich nach aller Ansicht gültig, daß Kinder von ihren Eltern verprügelt werden dürfen. Das steht nicht in der Verfassung, aber jeder hielt es für ein Verfassungsrecht von Eltern. Es ist aber kein Verfassungsrecht, weil es sich an den einfachen Menschenrechten bricht.

(Hartmut Engels CDU: Da steht auch was von kör- perlicher Unversehrtheit!)

Wir haben in diesem Land und wahrscheinlich in fast allen Ländern Europas bis vor 200 Jahren das selbstverständliche Recht der Staaten gehabt, über die Religion ihrer Untertanen zu bestimmen. Daß dieses Recht nicht mehr gilt, wird wahrscheinlich auch die CDU anerkennen. Dennoch versucht die CDU an diesem Punkt so etwas wie einen christlichen Staat herbeizureden, der in der Verfassung stünde. Als bekennendes Mitglied einer christlichen Kirche bin ich der festen Überzeugung, daß das grundsätzlich falsch ist. Es kann keinen christlichen Staat geben. Er wäre unchristlich, und es wäre ein Vergehen gegen die Rechte aller Menschen. Die Gleichheit aller vor dem Gesetz ist ein Recht, das über allen Verfassungen steht. Und damit kommen wir zum eigentlichen Punkt.

(Zweite Bürgermeisterin Krista Sager)

Es kann ein Staat in seiner Verfassung sagen, wir wollen die Ehe – gemeint zwischen Mann und Frau – besonders fördern. Aber es kann unter keinen Umständen der Staat glauben, er dürfe mit einer solchen Bestimmung die freie Entscheidung anderer Menschen, sich anders für ein Leben zu verbinden, diskriminieren und nicht fördern. Das ist das eigentliche Geheimnis Ihrer Verfassungsprobleme. Sie haben nicht erkannt, daß die Verfassung nur das ausdrückt, was jeder von uns als Menschenrecht an sich trägt, nämlich das Recht, sein Leben frei zu entscheiden, und auch das Recht, sich mit jedem anderen Menschen zu einer Lebensgemeinschaft zu verbünden. Deswegen werden Ihre Verfassungsprobleme noch gelöst werden: Entweder indem wir darin übereinstimmen, daß das jetzige Grundgesetz diese allgemeinen Menschenrechte für alle erlaubt oder daß Sie mit uns gemeinsam den Antrag stellen, die Verfassung schnell so deutlich zu machen, daß es für alle sichtbar wird.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Wersich.

Frau Senatorin Sager, mit Ihrer geifernden Rede