Protokoll der Sitzung vom 12.12.2000

Die Polizeikommission übt ihren gesetzlichen Auftrag aus, wenn sie einzelnen Vorwürfen nachspürt und ihren Jahresbericht vorlegt. Dies tut sie aber nach dem Willen des Gesetzgebers auch deshalb, weil die Polizei als Trägerin des Gewaltmonopols als einzige Einrichtung, die in diesem Ausmaß physische Gewalt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ausüben darf, Anspruch darauf hat, daß wir ihr unsere besondere Aufmerksamkeit schenken. Daß die bisherigen und weiterhin geltenden Kontrollen nicht ausreichen, hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuß „Hamburger Polizei“ mit deutlicher Mehrheit festgestellt. Daß meine Fraktion gewisse Sympathien für das Anliegen des REGENBOGEN-Antrags hat, die Polizeikommission zumindest teilweise zu professionalisieren, ist auch kein Geheimnis. Wir haben den Antrag gestern gleichwohl abgelehnt, weil auch hier gilt: Politik ist ein mühsames Geschäft. Oder anders ausgedrückt: Eile mit Weile. Der Senat wird im Frühjahr seinen Erfahrungsbericht vorlegen, der sich auch mit dem Status der Ehrenamtlichkeit der Kommission zu beschäftigen haben wird; dann wird man weitersehen. Und wer sicher sein will, daß nach der Wahl in diesem Punkt Bewegung erzielt wird, sollte die notwendigen Konsequenzen ziehen und grün wählen, so einfach ist das.

(Beifall bei Antje Möller GAL)

Zur Polizeiausbildung: Ich habe wiederholt die Reform der Polizeiausbildung angemahnt. Meine Fraktion erwartet, daß der Senat noch in dieser Legislaturperiode der Bürgerschaft seine Vorschläge vorlegt und das Parlament die Weichen in eine überfällige neue Zukunft stellt. Die Reform hätte nach unserer Vorstellung die Freiheit der Lehre und Forschung, den interdisziplinären Ansatz und Dialog von Lehre, Lehrenden und Lernenden, den erhöhten Praxisbezug durch bessere Ausgestaltung der Praxissemester, die verstärkte Einstellung externer Lehrkräfte, vergleichbare Qualitätsstandards mit anderen Fachhochschulabschlüssen und die Öffnung der Hochschuleinrichtungen hin zur Gesellschaft zu gewährleisten.

(Beifall bei der GAL)

Mit dem gemeinsamen Antrag zur Verwendung der Einnahmen aus der Gewinnabschöpfung, wie auch mit ihren Beschlüssen zum Bericht der Enquete-Kommission „Jugendkriminalität“, setzt Rotgrün deutliche Zeichen, daß Prävention, Repression und Opferhilfe nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, sondern gleichermaßen Beachtung finden müssen. Die Opposition hat in dieser Hinsicht jeglichen Versuch vermissen lassen, hier überhaupt tragfähige Konzepte entwickeln zu wollen.

Meine Damen und Herren! Noch einige Anmerkungen zur Migrationspolitik. Wir haben in der Vergangenheit mühsame Kompromisse erzielt, die nach Auffassung meiner Fraktion leider durch Verwaltungshandeln teilweise wieder konterkariert wurden. Die GAL-Fraktion ist trotzdem der Auffassung, daß dieser mühsame Weg weiter beschritten werden muß. Wir sind aber auch weiterhin der Auffassung, daß das von uns favorisierte Modell der sogenannten ganzheitlichen Sachbearbeitung spätestens in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden muß. Dieses Modell soll durch höhere und erweiterte Kompetenz und bessere Fachkenntnisse der Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter Spielräume für eine sorgfältige Beratung, Prüfung und Ermessensausübung im Einzelfall schaffen. Letztlich würde es dazu beitragen, daß von Abschiebung bedrohte Menschen nicht von einem Sachbearbeiter zum anderen weitergereicht würden. Sie wären mehr als bisher

für die Behördenmitarbeiter Menschen mit einem Gesicht und persönlicher Geschichte. Dies hilft Vorurteile abbauen und angemesseneres Behördenhandeln sicherzustellen, und das wollen wir hoffentlich doch alle.

(Beifall bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluß. Koalitionen leben davon, daß Kompromisse erzielt und umgesetzt werden. Aus Sicht der GAL-Fraktion hat sich der Einsatz in der Koalition trotz einiger Schmerzpunkte gelohnt. In weiten Teilen konnte aus roter und grüner Politik eine wirklich rotgrüne Politik geschmiedet werden. Nur diese wird uns in Hamburg in bezug auf die öffentliche Sicherheit voranbringen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Sudmann.

Ein Punkt in der Rede von Herrn Mahr hat mich echt nachdenklich gemacht. Ich bin sehr gespannt darauf, wie Herr Mahr im nächsten Jahre einen Antrag vorlegt, der Polizei und käufliche Liebe verbindet. Das war ein bißchen holprig, aber klang jedenfalls nicht schlecht.

(Manfred Mahr GAL: Du hast es nicht verstanden! Ich erkläre es dir gleich mal!)

Aber in einem Punkt, Herr Mahr, möchte ich Ihnen widersprechen. Sie meinten, die CDU wäre beliebig. Ich finde, die CDU ist in einer Aussage sehr, sehr beständig, und die bedeutet, für Sicherheit wird ganz viel Polizei gebraucht. Herr Mahr hatte schon ein paar Beispiele genannt. Wir hatten früher wesentlich mehr Polizistinnen und Polizisten in dieser Stadt, und trotzdem hat die CDU auch da schon immer gesagt, wir brauchen mehr Polizei. Vielleicht sollten Sie mittlerweile erkennen, daß es erstens ein hundertprozentiges subjektives Sicherheitsgefühl nie geben wird, insbesondere dann nicht, wenn Sie immer wieder mit Ihren Parolen versuchen, Menschen Angst zu machen, von einer nicht näher definierbaren Kriminalität sprechen und so tun, als seien alle Menschen bedroht. Sie sollten gemeinsam mit der SPD – auch mit der GAL, aber die SPD hat es noch nötiger – lernen, daß soziale Sicherheit ein sehr wichtiger Aspekt für das Sicherheitsgefühl der Menschen ist, denn die Leute, die von Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit bedroht sind, haben viel eher das Gefühl, daß sie auch von anderen bedroht werden, die ihnen die Wohnung, die ihnen die Arbeit wegnehmen.

(Erhard Pumm SPD: Das ist richtig, aber ganz ohne Polizei geht es auch nicht!)

Ich rede aber gerade davon, daß ihr dadurch diese Gefühle weiter schürt. Da würden Sie mir doch auch recht geben, Erhard Pumm, daß es durchaus wichtig ist, die soziale Sicherheit gefühlsmäßig deutlicher zu machen. Ich denke, für die Sicherheit in dieser Stadt ist es auch notwendig, daß man nicht immer mehr Menschen ausgrenzt, Menschen, die anders aussehen und anders leben. Ich nenne mal das wunderbare Beispiel Bauwagenbewohner. Hier wird immer so getan, als wären sie die schlimmste kriminelle Bedrohung für Hamburg. Dadurch schüren Sie Ängste, und das ist unverantwortlich.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Zuruf von Karl-Heinz Ehlers CDU)

(Manfred Mahr GAL)

Herr Ehlers, Sie waren nicht laut genug, aber ich bin sicher, daß es kein Beitrag gewesen wäre, auf den es sich lohnen würde einzugehen.

Kurz zusammengefaßt: Gute Sozialpolitik ist auch eine gute Prävention. Aber, Herr Ehlers, wo Sie mir bestimmt gleich laut widersprechen werden, ist, wenn ich noch einmal betone, daß die Polizei auch eine demokratische Kontrolle braucht. Der PUA „Polizei“ liegt noch nicht allzuweit zurück. Herr Mahr hat es noch einmal gesagt. Ich kann es ehrlich gesagt nicht verstehen, daß Sie sich immer wieder hinstellen und pauschal für jeden Menschen, der bei der Polizei arbeitet, die Hand ins Feuer legen. Ich mache mal ein ganz einfaches Beispiel.

(Zuruf von Karl-Heinz Ehlers CDU)

Zu Anfang der Legislaturperiode hätten Sie pauschal für jeden Deputierten der CDU die Hand ins Feuer gelegt, daß das ein toller Mensch sei.

(Heino Vahldieck CDU: Nie!)

Jetzt sagen Sie nie. Es geht nicht, Sie werden überall schwarze Schafe haben, und unser Job ist, dafür zu sorgen, daß es keine Schafherden gibt, weder bei der Polizei noch sonstwo. Da, denke ich, können Sie auch etwas tun.

(Zuruf von Erhard Pumm SPD)

Wollten Sie etwas zu roten Schafen sagen? Es kommt hier nicht an. Es ist so unruhig.

(Erhard Pumm SPD: Ole von Beust hat es gestern klar gemacht: Schutzherr der kleinen Leute!)

Und Schutzherr der kleinen Schafe, aber das ist der Punkt.

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei der SPD)

Aber jetzt vergeht mir leider auch das Lachen, weil ich noch einmal auf das sensible Thema Abschiebung komme und Herr Kleist ganz leise und durchaus vernehmlich sagte, Sie würden sensibel abschieben. Ich finde, das ist wirklich zynisch. Dazu haben wir hier genug Debatten gehabt, wie sensibel es ist, wenn in der frühen Nacht, so um 3 oder 4 Uhr, an ihre Tür geklopft wird und sie rausgeholt werden, zum Flughafen gebracht werden, ohne daß es vorher Aufforderungen gegeben hat, sich zu melden.

(Petra Brinkmann und Dr. Holger Christier, beide SPD: Das passiert nur, wenn sie dreimal abge- taucht waren!)

Wenn einer oder eine von Ihnen das noch einmal laut und deutlich sagen würde, gehe ich gerne darauf ein. Ich hörte irgend etwas von dreimal abgemahnt. Ist das richtig?

(Petra Brinkmann SPD: Abgetaucht!)

Dreimal abgetaucht. Wir haben Ihnen Fälle dokumentiert und dargestellt, bei denen es noch nicht einmal eine Aufforderung gegeben hat, sich irgendwo zur Abschiebung einzufinden. Daß auch diese Leute präventiv aus ihrer Unterkunft herausgeholt werden, das ist nicht sensibel, das ist noch mehr als holzhammermäßig.

(Petra Brinkmann SPD: Diese Fälle sind noch nicht bekannt!)

Ehrlich gesagt – das muß ich leider auch Manfred Mahr sagen, den ich sonst wirklich sehr schätze – finde ich nicht, daß man sich mit dem Verwaltungshandeln zufriedengeben kann. Es ist aber auch nicht richtig, zu sagen, daß das

Problem gelöst wäre, wenn es Sachbearbeiter gäbe, die vom Anfang bis zum Ende für eine Person zuständig seien. Es ist auch die Politik und es sind auch Herr Wrocklage, Herr Bornhöft und andere, die dafür sorgen, daß Sachbearbeiter sich so verhalten, wie sie sich verhalten, und das muß endlich in dieser Stadt aufhören. Es muß wirklich einen menschenwürdigen Umgang mit den Flüchtlingen geben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Senator Wrocklage.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Dr. Holger Christier SPD: Der Senat hat noch 19 Minuten Redezeit!)

Hören Sie mir erst einmal zu, Herr Dr. Christier. Vielleicht kriegen Sie dann gar nicht genug.

Trotz der Sorgen, die wir in Teilbereichen haben – Jugendkriminalität, Drogen, Raub –, ist die Sicherheitslage der Stadt stabil. Daran ändert auch diese ständige Schreierei, das ewige mordio rechtsgerichteter Parteien nichts.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Erhard Pumm SPD: Genau!)

Die CDU bläst in dasselbe Horn – wir haben das eben erlebt –, und sie glaubt, sie hätte die Posaune von Jericho in der Hand, mit der man Mauern erschüttern kann. In Wahrheit geht es nur um eine ganz gemeine Wahlkampftröte.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Unglaublich!)

Wenn ich höre, daß Herr Vahldieck hier über Propaganda und Realität redet, daß unbeleuchtet mit der Kriminalstatistik und undifferenziert mit den Sparmaßnahmen umgegangen wird, obwohl Sie alles besser wissen, dann muß ich sagen, wer dann noch von Realität und Propaganda redet, der schlage sich erst einmal an die eigene Brust.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Der politische Weg, den Sie uns anbieten, ist wahrlich nichts anderes als der Rückgriff auf die Rezeptur des vorigen Jahrhunderts. Jürgen Echternach läßt grüßen. Wenn man versucht, das mediengemäß auf eine Kurzformel zu bringen, dann besteht Ihr Konzept aus folgendem: Mehr Geld plus mehr Stellen, plus eine Anti-Schill-Wadenbeißerfunktion, minus Polizeikommission. Das ist das, was die CDU als ihr Konzept anbietet.