Protokoll der Sitzung vom 12.12.2000

Es gibt auch eine Neuerung für die beruflichen Schulen: Alle Auszubildenden werden Fachenglisch erhalten, also ein berufsspezifisches Englisch, das auf bis zu drei verschiedenen Anforderungsstufen unterrichtet werden wird und damit die Schülerinnen und Schüler auf die zunehmende Internationalisierung im Beruf vorbereiten wird.

(Beifall bei der SPD)

Viele Bundesländer haben große Anstrengungen unternommen, aber es gibt bisher nur eines, das das flächendeckend eingeführt hat, nämlich Hamburg.

Von der Lernausgangslagenuntersuchung war hier schon die Rede. Sie hat darüber Aufschluß gegeben, daß leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen gefördert werden, daß es aber an Angeboten für leistungsstärkere fehlte. Deshalb sind neue Möglichkeiten geschaffen worden. Seit diesem Schuljahr haben an acht Gymnasien besonders befähigte Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, die Mittelstufe im Schuljahr um ein Schuljahr zu verkürzen. Wir werden weitere zusätzliche Angebote zur freiwilligen Verkürzung der Schulzeit für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler bis zum Abitur schaffen. Aber Qualitätseinbußen und Standardabsenkungen beim Abitur müssen wir verhindern. Das allerdings droht, wenn man eine pauschale Verkürzung auf zwölf Jahre für alle ansetzt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir brauchen in Zukunft nicht weniger schlechter ausgebildete Abiturienten, sondern wir brauchen mehr gut qualifizierte junge Menschen für den Arbeitsmarkt der Zukunft. Schon heute hinkt Deutschland mit 28 Prozent Abiturienten in einem Jahrgang hinter dem OECD-Durchschnitt von 40 Prozent her, ganz zu schweigen von den 70 Prozent, auf die Herr Frank vorhin hingewiesen hat, und übrigens auch von der Forderung der Arbeitgeberverbände in diesem Lande, die 28 Prozent Abiturienten für zu gering halten.

Hamburg hat 35 Prozent und damit nicht zu viele, sondern immer noch zuwenig Abiturienten. Deswegen machen die Vorschläge der CDU zur Behinderung des Zugangs zu Bildungsgängen mit Abitur für mich gar keinen Sinn.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weder die Herabstufung der Gesamtschulen, wie Sie das fordern, in Schulformen, die nicht mehr zum Abitur führen, noch die Zugangsbeschränkungen zum Gymnasium dienen dem Ziel, mehr gut qualifizierte Absolventen unserer Schulen zu haben. Zudem sind sie sozial unausgewogen, denn diese Maßnahmen träfen überwiegend Kinder aus ungünstigeren Lernumgebungen und bildungsferneren Elternhäusern oder – wie Herr von Beust sich gestern ausgedrückt hat – „die kleinen Leute“. Das wollen wir nicht. Wir wollen mehr und nicht weniger Chancengleichheit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Erfreulicherweise ist die Zahl der Auszubildenden im vergangenen Jahr um 288 auf insgesamt 12 833 gestiegen. Dies ist auch ein Erfolg des Hamburger Bündnisses für Arbeit und Ausbildung. Hamburger Schulabgänger und Auszubildende aus dem Hamburger Umland werden in Hamburgs Berufsschulen erfolgreich gefordert und gefördert. Herr Drews wies darauf hin: Natürlich ist Hamburg ein attraktiver Ausbildungsort, ein attraktiver Ausbildungsmarkt für junge Leute, auch aus dem Umland. Wir sind eine

Metropole, selbstverständlich gibt es da auch Ausbildungspendler. Sie sind allerdings immer noch weniger als die Berufspendler. Insofern ist das ein Umstand, der zu begrüßen und keineswegs zu beklagen ist.

Im Jahre 2001 werden wir die von der Koalition vereinbarten 240 außerbetrieblichen Ausbildungsplätze im Hamburger Ausbildungsprogramm und darüber hinaus etwa 140 Ausbildungsplätze in der Jugendberufsbildung besetzen können. Das Ziel der Förderung von jährlich etwa 330 Ausbildungsplätzen in Betrieben haben wir in diesem Jahr mit bislang 417 geförderten Ausbildungsplätzen deutlich übertroffen. Damit hat die BSJB in diesem Jahr ungefähr 800 Ausbildungsplätze im dualen System ganz oder teilweise finanziert. Das entspricht gut 6 Prozent aller in diesem Jahr neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Auch im kommenden Haushaltsjahr werden wir die Berufsausbildung in diesem Umfang fördern und damit insbesondere benachteiligten Jugendlichen wieder eine Perspektive bieten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Man soll aber Probleme nicht verschweigen. Insbesondere für Schulabgänger mit fremder Muttersprache gibt es Handlungsbedarfe in der Sprachförderung, aber auch zur beruflichen Integration. Nur mit einem Maßnahmenbündel auf verschiedenen Ebenen, von der Sprachförderung in den Kindergärten über Fördermaßnahmen in der Schule, über außerschulische Integrationsmaßnahmen und eine besondere Begleitung des Übergangs von der Schule in das Berufsleben, kann diesem nachhaltig begegnet werden.

Ein Thema darf in diesem Hause, in dieser Debatte nicht fehlen, weil sie in den vergangenen Jahren eine große Rolle gespielt hat, die Volkshochschule. Die Hamburger Volkshochschule ist ihrem Ziel, den Verlustvortrag von ursprünglich knapp 3,7 Millionen DM abzubauen, einen bedeutenden Schritt nähergekommen. Erstmals seit ihrem Bestehen als Landesbetrieb ist es der Hamburger Volkshochschule 1999 gelungen, ein positives operatives Ergebnis von 449 000 DM zu erwirtschaften, und das wird ihr voraussichtlich auch im Jahre 2000 gelingen.

Für die Sicherung der künftigen Lehrerversorgung der Schulen mit ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern schaffen wir insgesamt 90 zusätzliche Stellen im Referendariat für Volks- und Realschullehrerinnen und -lehrer. In Kooperation mit den anderen norddeutschen Bundesländern werden wir besondere Anstrengungen unternehmen, um die Schule mit den zukünftigen Bedarfen an qualifizierten Lehrkräften weiterhin versorgen zu können. Aber die Verabredung hieß nicht, wir warten, bis sich alle auf irgend etwas geeinigt haben. Die Verabredung in der trilateralen Kabinettssitzung hieß, wir werden eine Arbeitsgruppe damit beauftragen, alle Möglichkeiten zu sichten, die wir ergreifen können. Nach meiner persönlichen Meinung ist es entscheidend, daß wir zu einem Verfahren kommen, in dem sich alle Länder verpflichten, entsprechend ihren Bedarfen Ausbildungskapazitäten zur Verfügung zu stellen. Anders werden wir das Problem dauerhaft nicht lösen können und nur in einen ruinösen Wettbewerb getrieben werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Angesichts der Tatsache, daß in den nächsten 15 Jahren zwei Drittel der Lehrkräfte pensioniert werden, wird die Bedeutung der Lehreraus- und -fortbildung für jeden deutlich. Mit großem Nachdruck werden wir daher die Reform

(Senatorin Ute Pape)

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der Lehrerbildung voranbringen und in Kürze der Bürgerschaft berichten.

Der vorliegende Haushalt ist eine solide Grundlage für gute Bildungsarbeit in Hamburg. Wir sichern eine fundierte Bildung und Ausbildung für die Kinder und Jugendlichen, um ein selbstbestimmtes Leben führen und in der Wissenschaftsgesellschaft gleichberechtigt an demokratischen Prozessen teilhaben zu können. Wir fordern Leistungswillen, Motivation, demokratische Werteorientierung und Chancengleichheit in jeder Schulform. Auch in Zukunft gewährleisten wir qualitative Weiterentwicklung zusammen mit den Partnerinnen und Partnern von guter Schule, mit allen an der Schule Beteiligten, mit den Hochschulen und mit der Wirtschaft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen zum Themenbereich Schule sehe ich nicht. Damit ist die Debatte hierzu abgeschlossen.

Es folgt nun der Bereich Jugend.

Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Harlinghausen bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

„Kinder sind in unserer Gesellschaft besonders schwache und schutzbedürftige Mitglieder. Sie können sich weder organisieren noch sonst ihre Bedürfnisse zur Geltung bringen, sondern sind darauf angewiesen, daß die Eltern und die politischen Gremien ihre Interessen berücksichtigen.“

Ich habe diese Aussage der Kinderkommission bewußt an den Anfang gestellt, um die Verantwortung zu unterstreichen, in der wir alle hier im Hause stehen.

Der Umgang mit Kindern und Eltern und die aktuelle Spardiskussion sind zwei Paar Schuhe. Wie kindgerecht diese Stadt sein wird, ist zunächst eine Frage des Wollens und dann des Geldes. Wie seinerzeit in der Umweltfrage denken viele Politiker erst dann daran, wenn sie die drohenden Signale nicht mehr ignorieren können.

Haushaltspläne werden häufig als Schicksalsbücher der Nation bezeichnet. So weit möchte ich bei diesem Entwurf des Haushaltsplans 3.1 für Jugend nicht gehen. Aber er gibt schon, auch im Vergleich zu Vorgängern, Auskunft über den Umgang mit unserer Zukunft, wie wir die Jugend gern nennen. Kinderfreundlichkeit sollte man deutlich sehen, wenn man durch die Stadt fährt und geht. Schauen Sie sich um, wie wenig diese Stadt unserem Nachwuchs bietet. Schön, es gibt zum Beispiel Kinderspielplätze, aber prüfen Sie einmal den Zustand vieler Einrichtungen: Der Sand verdreckt, manchmal mit Spritzen verziert, die Schaukeln zerbissen, Spielgeräte beschmiert. Würden Sie dort als Kind glücklich sein?

Zum Stichwort Kinderbetreuung: Die Zeitungen sind gerade in letzter Zeit wieder voll mit Schlagzeilen, wie „Muß Hamburg denn ausgerechnet an seinen Kindern sparen?“ oder „Kitas bald Luxus?“. Was ist aus dem Vorschlag geworden, gemeinsam ein neues nachfrageorientiertes und flexibles System zu erstellen unter weitestgehender Einbindung aller Beteiligten und einer für die Akzeptanz und den Erfolg angemessenen Vorbereitungszeit? Was hat Rotgrün aus einem in der Sache guten Ansatz gemacht?

Um des schnellen politischen Erfolges wegen wurde dieses Projekt mit heißer Nadel genäht, von Anfang an unsachgemäß auf den Weg gebracht, und nun haben wir den Salat. Völlig verunsicherte und verärgerte Eltern, überforderte Mitarbeiter in den Bewilligungsstellen, ein katastrophales Finanzierungssystem, das nachweislich zu erschreckenden Abmeldezahlen führt. Allein im Bereich Nord bestätigte eine Befragung in mehr als 100 Häusern überall kostenbedingte Abmeldungen. Zwei krasse Fälle finden wir im „Hamburger Abendblatt“ vom 18. November. Bei gleichem Einkommen sollten statt bisher 80 DM 300 DM gezahlt werden. Das Kind bleibt zu Hause. Alles noch im rotgrünen Bereich?

Das Amt für Jugend hat offiziell keine Ahnung von derartigen Entscheidungen. Man ist aber bereit, Anfang 2001 eine Untersuchung in Auftrag zu geben. Wie toll für die Eltern! Was nützt der Anspruch auf einen Kindergartenplatz, wenn viele Eltern die Betreuung nicht mehr bezahlen können?

(Beifall bei der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die von Amts wegen geäußerte Unterstellung, daß viele Eltern bei der früheren Selbsteinschätzung „lauter kleine Betrüger“ waren, halte ich für zynisch. Zahlreiche Protestveranstaltungen, die wahrlich nicht von der CDU initiiert worden sind, sind kaum als Zustimmung zur rotgrünen Kinderbetreuungspolitik zu deuten. Mir ist noch im Ohr, was eine empörte Mutter äußerte:

„Vier Monate sollen wir auf die Bewilligung warten, aber daß es teurer wird, das steht schon fest. Die da oben sagen sich, besser absahnen als zubuttern.“

Es war von Anfang an utopisch anzunehmen, daß ein neues, nachfrageorientiertes System nicht nur kostenneutral, sondern auch noch mit gewaltigen Einsparungen über 27 Millionen DM zu fahren wäre. Die zweite ISKA-Studie hat einen deutlichen Hinweis darauf geliefert, wenn auch nicht 100 000 DM hätten ausgegeben werden müssen, um die Fehleinschätzung der Behörde zu erkennen.

Von der CDU weiterhin unbestritten ist, daß die Betreuung und der Bildungsauftrag zur Zeit aus nachvollziehbaren Gründen nicht zum Nulltarif erfolgen kann. Andererseits darf die Kinderbetreuung für breite Schichten aber auch nicht zur unerschwinglichen Wunschvorstellung werden.

Jetzt haben wir wieder Vorbereitungszeit für neue Modelle. Nicht aufgrund rotgrüner Einsicht, sondern weil die Karre an die Wand gefahren wurde und vielleicht auch nicht zuletzt aus wahltaktischem Kalkül. Wie auch immer, nutzen wir die Zeit, um eine breite Akzeptanz zu erreichen und das Vertrauen wieder zu gewinnen.

Zu meinem nächsten Schwerpunktsbereich. Wer den Begriff der Kultur des Aufwachsens für junge Menschen ernst nimmt und mit Inhalt füllen will, kommt nicht umhin, die Bedeutung der Familie zu erkennen. Funktionierende Familienstrukturen zu erreichen und zu erhalten, muß ein vorrangiges Ziel von Kinder- und Jugendpolitik sein. Wenn die Familie ihre Aufgabe erfüllt, hat dies unmittelbare positive Auswirkungen auf eine Vielzahl von Bereichen. Daher fordert die CDU immer wieder, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken und Schwächen möglichst früh aufzufangen. Deshalb sind vorhandene Ressourcen vorrangig bei derartigen Hilfsangeboten einzusetzen. Der Senat will hier 2 Millionen DM streichen.

Wir müssen uns mit Nachdruck um die 95 Prozent der jungen Menschen kümmern, die nicht problematisch sind und

(Senatorin Ute Pape)

das Rückgrat unserer Gesellschaft für morgen bilden. Für sie haben wir angemessene Angebote vorzuhalten, nicht allein, aber auch nicht zuletzt im Sinne von Prävention.

Fakt ist, daß es in Hamburg seit Jahren nicht ausreichend gelingt, Kindern und Jugendlichen angemessene, akzeptierte und zukunftsorientierte Angebote zu schaffen, die den Ansprüchen einer Kultur des Aufwachsens genügen, obwohl wir sehr viel Geld dafür ausgeben. Geschlossene oder überfüllte Einrichtungen, verödete Bolzplätze oder triste Provisorien sind etwas, auf das wir nicht stolz sein können. Was wir brauchen, sind vor allen Dingen mehr offene Angebote.

Voraussetzung zur Besserung der Situation, ohne gleich nach mehr Geld zu schreien, wäre unter anderem, endlich die Versäulung in der Jugendarbeit aufzulösen. Jugendhilfe zum Beispiel muß aus einem Guß geschehen und setzt Deckungsfähigkeit und Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Bereiche voraus. Querschnittsaufgabe heißt das bekannte Stichwort.

Fachbehörden, Ämter, Bezirke müssen zusammen und nicht nacheinander arbeiten. Unser Antrag: Zentrum des Jugendrechts, geht in diese Richtung. Zusätzlich weist er auf Synergieeffekte hin, die sich positiv auf die Ausgaben auswirken werden.

Wenn es mir auch keine Freude bereitet, meine Damen und Herren, muß ich dennoch ein paar Worte zum Komplex Hilfen zur Erziehung und hier besonders zu den Vorgängen um den Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung verlieren, weil sie symptomatisch sind.

Abgesehen davon, daß wir alle Jahre wieder um die Auskömmlichkeit der Mittel rätseln, gab es ein Lehrstück über den Umgang des Senats mit gesetzlich vorgeschriebener Chancengleichheit und Prioritätensetzung. Die defizitäre und katastrophale Lage des LEB ist seit langem kein Geheimnis. Nach dem Willen des Senats sollte das Unternehmen durch einen Wechsel in der Geschäftsführung Aufschwung erhalten und die Motivation der Mitarbeiter gestärkt werden. Die Übernahme der Leitung durch einen Mitarbeiter aus dem Amt für Jugend sei: