[Antrag der Fraktion der GAL: Haushalt 2001 Einzelplan 3.1 Kapitel 3010 Kapitel 3150 Einzelplan 7 Kapitel 7200 Weiterentwicklung der beruflichen Schulen in Hamburg – Drucksache 16/5309 –]
Wer möchte so beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag einstimmig angenommen.
Wer möchte so beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist diese Textzahl mehrheitlich angenommen.
Wer möchte so befinden? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist die Textzahl mehrheitlich so angenommen.
Zunächst habe ich bekanntzugeben, daß die Wahl zum Richterwahlausschuß erst morgen vorgenommen werden wird.
Ich eröffne sodann die Debatte zum Einzelplan 2. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Professor Karpen hat es.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Recht sichert die Freiheit und eine lebenswerte Gesellschaft. Rechtsgewährleistung und Rechtssicherheit sind das Fundament einer florierenden Stadt und Voraussetzung der Zufriedenheit unserer Bürger. Hamburg steht so gut da wie lange nicht mehr, hat der Bürgermeister gestern gesagt.
Unerläßlich ist das Gefühl, in Sicherheit zu leben und durch den Staat, die Polizei und die Justiz geschützt zu werden. Wie kann aber effektiver Rechtsschutz geleistet werden,
wenn bei steigenden Fallzahlen in den letzten fünf Jahren 120 Richter und Staatsanwaltstellen gestrichen wurden, wenn die Verfahren länger dauern als in anderen deutschen Großstädten. Weshalb? – Weil die Hamburger Richter um 23 Prozent stärker belastet sind als ihre Kollegen in Stuttgart und Hannover.
Wie kann effektiver Rechtsschutz geleistet werden, wenn die Staatsanwaltschaft nicht mehr ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag nachkommen kann, alle angezeigten Delikte zu verfolgen. Weshalb? – Weil bei der Staatsanwaltschaft das Personal so schwachbrüstig geworden ist, daß sie sich entscheiden muß, entweder Massen- und Kleinkriminalität zu verfolgen, wie Schwarzfahren und Ladendiebstahl, oder Schwerkriminalität, wie die organisierte Kriminalität.
Wie kann die Staatsanwaltschaft effektiv arbeiten, wenn eine Grippewelle oder ein, zwei Schwangerschaften Teile der Behörde außer Kraft setzen? Wie kann man von einer effektiven Justiz reden, wenn Private Schuldnerberatungen im Insolvenzverfahren sponsern, wie Herr Reemtsma? Wenn ein Gläubiger auf eine eidesstattliche Erklärung des Schuldners – Offenbarungseid genannt – sechs bis acht Monate warten muß, um erst danach prozessieren zu können? Das ist nicht effektiver Rechtsschutz, meine Damen und Herren, das grenzt an Stillstand der Rechtspflege. Zuversicht und Aufbruch sei das beherrschende Thema, die beherrschende Stimmung in dieser Stadt, hat der Bürgermeister gestern gesagt. Das ist, meine Damen und Herren, allenfalls die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist Abscheu vor der wuchernden Drogenkriminalität, persönliche Unsicherheit wegen der steigenden Gewaltkriminalität, wegen der vielen Einbrüche, der vielen Diebstähle, Empörung wegen der Jugendgewalt in Schulen, auf den Straßen, in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die andere Seite der Medaille ist Frustration über die Tatsache, daß eine ausgedünnte Polizei und Justiz dieser Mißstände nicht mehr Herr werden kann: Mißstände, die das Vertrauen in einen effektiven Rechtsstaat untergraben.
Meine Damen und Herren! Politik muß auf die Bedürfnisse der Bürger reagieren. Das Sicherheitsgefühl der Bürger ist ein zerbrechliches Gebilde, hat der Bürgermeister gestern gesagt. Recht hat er. Schlimm nur, daß Ihre Haushaltspolitik dem nicht Rechnung trägt. Weil das so ist, können wir dem Justizhaushalt nicht zustimmen.
Wir fordern: Keine weiteren Stellenstreichungen bei der Staatsanwaltschaft, Schluß mit dem Sparprogramm bei den Strafgerichten,
Schluß mit der Kürzung im Finanzgericht. Wir fordern 20 neue Gerichtsvollzieherstellen. Stimmen Sie dem zu, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ihr kurzer, markiger Beitrag hat uns alle schwer beeindruckt.
Für Ihren Auftritt habe ich hauptsächlich zwei Erklärungen. Einmal haben Sie vielleicht das Gefühl, daß Sie hier die letzte Haushaltsrede gehalten haben. Das zweite ist, daß es da einen Herrn Dr. Kusch gibt,
der externe Berater Ihrer Fraktion mit der profunden Kenntnis der Hamburger Justiz, der allerdings vor den realen Zahlen und Fakten eher kuscht und sich profilierungssüchtig auf Nebenkriegsschauplätze begibt, es aber immerhin geschafft hat, nicht nur den Kollegen Vahldieck, sondern auch Sie, Herr Professor Karpen, in der öffentlichen Wahrnehmung ins Abseits zu stellen. Hier wollen Sie wohl wieder etwas Boden gut machen.
Viel Spaß weiterhin bei Ihren internen Vorwahlkampfscharmützeln. Aber passen Sie auf, Herr Kusch hat schon eins vor den Bug bekommen.
Sie haben in der Kürze eigentlich wieder den ganzen Rundumschlag gebracht, von dem Stillstand der Rechtspflege gesprochen, haben hier wieder das Zerrbild der Wirklichkeit entworfen. Ich muß Ihnen sagen, unter dem Strich machen Sie etwas, was ungeheuer gefährlich ist: Sie reden Angst und Unsicherheit herbei, um Ihre politische Suppe darauf zu kochen.
Sie sprachen von der Verfahrensdauer. Sicher, es hat beim Zivilgericht, beim Landgericht geringfügige Steigerungen von 6,2 auf 6,4 Monate gegeben, aber man wird ja wohl nicht ernsthaft behaupten können, daß damit der Rechtsstaat in Gefahr gerät.
In Strafsachen ist die Verfahrensdauer beim Landgericht auf 3,6 beziehungsweise 4,0 Monate gesunken, und die Rechtsmittel haben abgenommen. Am Finanzgericht ist die Verfahrensdauer auf 15,9 Monate gesunken. Das ist – zugegebenermaßen – auch nicht wenig, aber unter dem Bundesdurchschnitt. Insgesamt hat es nämlich in den vergangenen Jahren durchaus an vielen Stellen Verfahrenskürzungen gegeben. Das haben übrigens auch Ihre Großen Anfragen und die Antworten darauf ergeben.
Auch der neue Haushaltsplan weist in Quantitäts- und Qualitätszahlen aus, daß Hamburg bei den Verfahrensdauern mit dem Bundesdurchschnitt durchaus gut mithalten kann. Alle genannten Zahlen sind auch ein Beweis für das Engagement der Richterschaft und der Mitarbeiter, die nicht nur Tag für Tag die Zahlen und qualitätsmäßig steigenden Anforderungen bewältigen, sondern daneben einen hohen Arbeitseinsatz und ein Höchstmaß an Kreativität in den Modernisierungs- und Rationalisierungsprozeß einbringen. Damit ist es den Justizangehörigen gelungen, trotz immer knapper werdender Ressourcen und hoher Belastung nicht nur handlungsfähig zu bleiben, sondern noch effektiver zu werden. Von Stillstand der Rechtspflege kein Wort.
Ihnen, den Angehörigen der Justiz, sollten wir auch an dieser Stelle unseren Dank und unsere Anerkennung für ihre Leistungen aussprechen.