Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Ich rufe dann den nächsten Tagesordnungspunkt 52 auf: Drucksache 16/5436: Antrag der GAL-Fraktion zur Unternehmensgründung im Internet.

[Antrag der Fraktion der GAL: Unternehmensgründung im Internet – Drucksache 16/5436 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Müller, Sie haben es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg ist zugleich Multimediametropole und Gründungshochburg. Das ist einer der Hintergründe, warum wir diesen Antrag zu diesem Zeitpunkt auf den Weg ins Parlament gebracht haben. Es gibt aber noch zwei weitere, die zu erläutern sind. Sie hängen damit zusammen, was zur Zeit in der Wirtschaft vor sich geht.

Hier ist schon öfter die fortschreitende Digitalisierung von Geschäftsabläufen durch den Einsatz des Internet in den Unternehmen angesprochen worden. Diese Erkenntnisse und Fortschritte, durch mehr Effektivität mehr Umsatz in den Unternehmen zu erzielen, sollten auch auf die Verwaltung übertragen werden, um gerade hier den Firmengründerinnen und -gründern einen erleichterten Zugang zu ihrer Existenz zu gewähren.

Es stellt sich zur Zeit aber auch eine andere Entwicklung in der Wirtschaft dar. Das ist die im letzten Jahr abflachende Gründeraktivität, die sich in Hamburg, aber auch bundesweit abgezeichnet hat. Hamburg ist zwar immer noch die Gründerhauptstadt; das belegen jedenfalls die Zahlen der Handelskammer. Aber im ersten Halbjahr des letzten Jahres – das geht aus den gerade neu vorliegenden Zahlen hervor – sind schon ein Drittel weniger Neuanmeldungen bei der Handelskammer zu vermelden. Die Handwerkskammer hat leider schon seit Jahren leichte, aber stetige Rückgänge zu verzeichnen, was die Neugründung von Handwerksbetriebe betrifft.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. 1997 gründeten sich noch über 1400 Handwerksbetriebe in Hamburg, im Jahr 2000 waren es nur 1184. Hier sehen wir eher eine zurückgehende Entwicklung. Für uns ist das ein Grund, zu sagen, daß wir die aktuelle Entwicklung aufgreifen müssen. Hamburg bietet zum Beispiel mit der HEI, der Hamburger Existenzgründerinitiative, und dem Gründerhaus eine sehr gute Plattform. Wir glauben aber, daß diese noch verbessert und in Zukunft auch auf diese von mir beschriebene Entwicklung optimiert werden kann.

Ich möchte kurz auf die beiden Bereiche eingehen, wie wir uns das vorstellen. Wir können hier nicht ins Internet schauen, darum muß ich meine Worte so formulieren, daß Sie sie nachvollziehen können.

Wenn man auf hamburg.de klickt, interessiert man sich als potentieller Gründer dafür, wie das in Hamburg gemacht werden kann und was dafür zu tun ist. Woher bekommt man Informationen? Muß man über verschiedene Schritte auf die Plattformen gehen, damit man dann irgendwann auf der Homepage der Hamburger Existenzgründungsinitiative ankommt? Auch dort gibt es noch diverse Verzweigungen zum Gründernetzwerk, die beratenden Institutionen in Hamburg, die sich zusammengeschlossen haben. Dann gibt es das Gründerhaus; auch dort gibt es noch einmal eine Plattform, auf der darüber informiert wird, wie man in Hamburg eine Existenz gründen kann.

Wir glauben, daß wir den Gründern den Zugang in Zukunft erleichtern sollten. Sie sind manchmal aufgrund der vielen

guten Informationen etwas verwirrt. Eine Lotsenfunktion könnte hier helfen, schnell zu dem zu kommen, was man eigentlich haben will und was man in der Situation braucht. Auch mehr praxisnahe Musterkalkulationen sowie eine bessere Vorbereitung des Gespräches, das auf keinen Fall durch den späteren Einsatz des Internet ersetzt werden soll, könnten den Gründern helfen.

Oft werden die Termine mit gründungswilligen Menschen gemacht, dann aber im Gespräch festgestellt, daß noch die eine oder andere Information fehlt und Dinge ungeklärt sind. Sie verlassen dann die Gespräche, um sich die entsprechenden Unterlagen und Informationen zu besorgen, und dann wird wieder ein neuer Termin gemacht.

Wir glauben, daß man über das Internet bestimmte Dinge einfach besser vorbereiten kann. Das hat den Vorteil, daß die beratenden Institutionen mehr Gründer beraten können, weil sie nicht so oft denselben Menschen beraten müssen, so daß die Startphase von der Idee bis zur Unternehmensgründung tatsächlich verkürzt wird. Das ist heute nicht ganz unwichtig, weil zwar viele Ideen vorhanden sind, aber die- oder derjenige, der sie zuerst bringt, ist wahrscheinlich auch am erfolgreichsten.

Es gibt noch einige andere Kleinigkeiten und größere Dinge, die verbessert werden könnten. In jedem Fall trägt aber eine bessere Beratung dazu bei, die Insolvenzhäufigkeit zu minimieren. Es ist eine Tatsache aller Banken und Gründungsinstitutionen in Hamburg, die beweist, daß Gründer, die beraten wurden, weniger pleite gehen.

Eines ist auch interessant: Existenzgründer, die gut beraten werden, schaffen auch mehr Arbeitsplätze. Das ist ein Effekt, der aus unserer politischen Sicht vorteilhaft ist.

Der andere Bereich, den ich in meiner Einleitung schon kurz angesprochen habe, ist die Digitalisierung der Verwaltungsvorgänge, die für die Existenzgründer gerade neben den Geschäftsgründungen besonders erschwerend ist. Sie müssen auch noch das Problem lösen, bei der Gründung ihres Geschäftes diverse Verwaltungen zu beteiligen. Das geht los mit der Gewerbeanmeldung, die man heute noch in doppelter Ausfertigung ausfüllen muß. Es bedarf zudem noch einer zusätzlichen notariellen Beglaubigung, die man sich vor der Handelsregisteranmeldung auch noch beschaffen muß. Hinzu kommen – je nach Branche – ganz spezifische Genehmigungen durch Ordnungsämter, TÜV oder Gewerbeaufsichtsämter. Das ist eine Vielzahl von Verwaltungsvorgängen, die heute persönlich oder per Post getätigt werden müssen, die man zukünftig den Gründern über das Internet zugänglich machen sollte.

Der Deutsche Bundestag berät zur Zeit die neue Version des Bundessignaturgesetzes, weil die EU letztes Jahr ein neues Gesetz auf den Weg gebracht hat. Das derzeitige Gesetz, das bei seiner damaligen Einführung in Europa einmalig war, muß überarbeitet werden, um EU-tauglich zu sein.

Dieses Gesetz soll im März im Bundestag beschlossen werden. Hinzu kommt, daß die Ausführungsverordnung für dieses neue Gesetz auch noch einmal im Kabinett beraten und mit der EU abgestimmt werden muß, so daß circa im Sommer dieses Jahres rechtsverbindliche Geschäfte im Internet getätigt werden können.

Wir wollen natürlich, daß Hamburg sich das zunutze macht und möglichst schnell ein Konzept entwickelt und auf den Weg bringt. Dies kann für ganz andere Bereiche gelten, aber wir wollen es jetzt fokussiert schon für die Unterneh

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

mensgründer einsetzen. Ich bin mir sicher, daß möglicherweise an verschiedenen Stellen in Hamburg schon darüber nachgedacht wurde.

Wir haben mit diesem Antrag diesen Bereich der Wirtschaftspolitik herausgesucht, weil wir glauben, daß hier gehandelt werden muß. Hamburg kann sich damit bundesweit als Multimediametropole, aber auch als Gründerhochburg einen Namen machen, so daß die Dynamik beim Gründungsgeschehen wieder zunehmen kann.

Es ist ja keine Dramatik, daß die Gründungszahlen zurückgegangen sind, denn wir hatten in den letzten Jahren ein sehr hohes Steigerungsniveau. Auf der anderen Seite brauchen wir diese Neugründungen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und um mehr Innovationen in Hamburg zu haben. Aus diesem Grunde müssen wir dafür etwas tun und dies politisch unterstützen. Der Antrag kann dazu beitragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Barbara Ahrons CDU: Sie sollten bei der Handelskammer nachfra- gen, die machen schon einen Großteil dieser Dinge!)

Das Wort hat Frau Brockmöller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der GAL-Fraktion zielt darauf ab, den Zugang zu Informationen für Unternehmensgründerinnen und -gründer zu erleichtern und auch die Gründungsvorbereitung zu beschleunigen und zu verbessern. Wir werden diesen Antrag unterstützen und ihm zustimmen.

Herr Müller hat schon einige Punkte genannt. Deswegen möchte ich das nicht wiederholen und mich auf einige wenige Punkte konzentrieren.

Der Antrag trägt die Überschrift „Unternehmensgründung im Internet“. Eine Unternehmensgründung im Internet ist eine Zukunftsvision, sie ist heute noch nicht möglich. Dennoch ist mit www.gründerhaus.de bereits ein erster Schritt getan, der in diese Richtung weist.

Mit www.gründerhaus.de besteht die Möglichkeit, auf eine ganze Reihe von Informationen gezielt zugreifen zu können. Das betrifft die Fördermöglichkeiten, das heißt die Finanzierungsfragen und Seminarangebote, und vor allem auch die Ansprechpartner. Damit erfüllt die Gründerinitiative der Bürgschaftsgemeinschaft Hamburg und der Beteiligungsgesellschaft für Industrie, Handwerk, Handel und Verkehr meiner Ansicht nach eine wichtige Funktion der Gründungs- und Beratungsvorbereitung. Sie hat auch – wie Herr Müller schon sagte – eine wichtige Lotsenfunktion, damit diejenigen, die Informationen benötigen, auch tatsächlich gezielt die Ansprechpartner herausfinden können.

Dieses Angebot wird gut angenommen. Auf das seit Februar vergangenen Jahres bestehende Gründerhausangebot im Netz hat es bereits 55 000 Zugriffe gegeben, das sind durchschnittlich etwa 5000 pro Monat. Diese große Resonanz zeigt, daß die Gründerinnen und Gründer in der Stadt die neuen Medien durchaus zu nutzen wissen.

Deshalb – ich hatte eingangs die Unternehmensgründung im Internet als Ziel auch schon formuliert – gibt es noch einiges zu tun. Es ist eine ständige Aufgabe, dieses Ange

bot weiter zu entwickeln, zumal noch eine ganze Reihe von Spielräumen bestehen. Die Lücken muß man erkennen und schließen.

Wichtig ist jedoch – auch darauf hatte Herr Müller schon hingewiesen, aber ich möchte dieses auch noch einmal ausdrücklich betonen –, daß natürlich die Unternehmensgründung im Internet die persönliche Beratung nicht ersetzen kann. Dies erwähne ich deswegen, weil wir bei vielen Gründerinnen und Gründern, vor allem in den traditionellen Kleingewerbebranchen wie zum Beispiel bei den Friseuren und den Blumenhändlern – Sie kennen sicherlich selbst viele Beispiele, für die das gilt –, davon ausgehen müssen, daß sie noch weitgehend für einige Zeit auf das herkömmliche Informationsangebot angewiesen sein werden.

Nach Zahlen der Hamburger Sparkasse werden ungefähr die Hälfte aller Kredite an Gründerinnen und Gründer vergeben, die einen Kleingewerbebetrieb gründen wollen. Seit 1995 sind 1300 Existenzgründungen von der Hamburger Existenzgründerinitiative gefördert worden. Auch hier zeigen die Zahlen, daß Kleingewerbetreibende eine sehr große Gruppe darstellen. Das Handwerk ist hier beispielsweise mit 16 Prozent und der Einzelhandel mit 20 Prozent vertreten.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, daß das Informations- und Beratungsangebot auch weiterhin so gestaltet sein muß, daß alle von diesem Förderangebot profitieren.

Was bezogen auf das Ziel einer Unternehmensgründung im Internet natürlich noch fehlt und unbedingt notwendig ist, um zu einer interaktiven Plattform ausgebaut zu werden, ist die digitale Signatur. Noch kann die digitale Unterschrift im elektronischen Datenverkehr die eigenhändige Unterschrift nicht ersetzen. Doch die Bundesregierung arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, um dieses tatsächlich zu ermöglichen und damit alltagstauglich zu machen. Rechtsverbindliche Gründungsakte und wirtschaftsnahe Verwaltungsvorgänge sind derzeit im Netz nicht möglich. Ich bin mir aber sicher, wenn die Bundesregierung dieses auf den Weg gebracht hat, sind wir dem, was wir Virtuelles Rathaus nennen, einen Schritt näher gekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Hesse.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch die CDU-Fraktion kann dem bereits zuvor Gesagten zum größten Teil zustimmen. Vieles von dem ist schon in Arbeit.

In diesem Haus ist in der Vergangenheit bereits deutlich geworden, daß es parlamentarische Initiativen aller anwesenden Fraktionen gibt, die auch deutlich machen, daß Hamburg seine Position als Multimediastandort ausbauen muß, um sich zur europäischen Metropole der digitalen Wirtschaft zu entwickeln.

Die Zielrichtung des GAL-Antrages ist begrüßenswert, weil es sich in diesem Zusammenhang insbesondere um einen Berichtsantrag handelt, der schon zum 31. Mai dieses Jahres vom Senat abgearbeitet sein soll.

(Jürgen Schmidt SPD: Aber?)

(Farid Müller GAL)

Der Antrag spricht mit dem Komplex Unternehmensgründungen leider nur einen Teilbereich an. Unter Umständen vielleicht darum – ich weiß es nicht –, weil das Thema Start up gerade modern ist, aber ich hoffe auch deshalb, weil noch weitere Anträge folgen werden. Der CDU-Fraktion ist es vielmehr wichtig, ein umfassendes E-Governmentkonzept zu erarbeiten und zu realisieren. Dazu soll angeblich schon eine Ausschreibung laufen.

Gerade die Möglichkeit der Nutzung von Verwaltungsleistungen im Internet ist in Hamburg ausbaufähig. Neben den E-Commerce-Modellen „Business to Consumer“ oder „Business to Business“ spielen gerade die Geschäftsbeziehungen der Unternehmen mit dem Staat zur Zeit kaum eine Rolle. Die Möglichkeit von „Business to Government“ werden auch in Hamburg bisher nicht ausreichend genutzt, obwohl sich dadurch Arbeit und Kosten enorm minimieren lassen.

Es ist erforderlich, die ganze Palette von Dienstleistungen der Verwaltung nicht nur für die Wirtschaft, sondern insbesondere auch für den Bürger auf elektronischem Wege zugänglich zu machen. Natürlich wissen wir alle, daß zur Realisierung vieler Angebote noch vielfältige technische Probleme und zahlreiche Rechtsfragen geklärt werden müssen. Aber das ist aus unserer Sicht nur eine Frage der Zeit.

Die CDU-Fraktion hat zum Beispiel, das wissen Sie, bereits im letzten Jahr einen Antrag zum Beschaffungswesen und zur öffentlichen Auftragsvergabe der Hamburger Behörden eingebracht, der einen weiteren Innovationsschub auslösen kann.

Der heutige Antrag der GAL-Fraktion behandelt einen weiteren, sehr wichtigen Aspekt, der im Rahmen eines Gesamtkonzepts integriert werden muß. Die Stadt Hamburg kann eine Vorreiterrolle im Business-to-Government-Sektor einnehmen; hierzu wird durch die Digitalisierung der Prozeßabläufe ein wichtiges Signal gegeben.