Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Das Wort hat Herr Engels.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage trägt den anspruchsvollen Titel „Vernetzung von Schulen und Hochschulen im Rahmen der Ausbildung in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen“. Herausgekommen ist letztlich nur – Herr Marx hat das ebenfalls kritisiert – eine

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

Bestandsaufnahme, inwieweit die Computerausstattung an Schulen und Hochschulen vorangeschritten ist, welche Ausbildungsprogramme für die Lehrenden, insbesondere natürlich für die Lernenden, vorliegen. Aber diese Tatsachen hatten wir eigentlich schon. Deswegen möchte ich meinen Ansatzpunkt etwas anders wählen, als es Herr Marx eben getan hat. Auf das Problem Informatik komme ich noch einmal zu sprechen.

Es liegt nicht lange zurück, daß selbst die Schulbehörde entdeckt hat, welches Zukunftsentwicklungspotential in den neuen Medien im Zusammenhang mit Computer und Internet stecken. Das ist im Grunde genommen erst seit 1995 der Fall und hängt im übrigen mit der Entwicklung des Betriebssystems Windows 95 zusammen, das sehr benutzerfreundliche Kommunikationsmöglichkeiten mit den Computern zuläßt. Die Textverarbeitung ist nur ein Beispiel dafür. Sie hat mit ihren neuen Möglichkeiten dafür gesorgt, daß auch Lehrer ihre Phobie gegenüber dem Computer verloren haben. Das trifft im übrigen auch auf einen stadtbekannten Professor zu.

Vorher hatten wir auch in der Spitze der Schulbehörde eine unglaubliche Angst vor diesen neuen Medien. Ich bitte die Senatorin, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Lehrer, mit Notebook und dergleichen zu arbeiten, ihre datenschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechend anzupassen, denn womit die Lehrer und dann die Referendare zukünftig herumlaufen sollen, entspricht nicht mehr Ihren eigenen Bestimmungen.

Sie haben es entdeckt, es gibt geradezu eine Euphorie. Sie ist teilweise vernünftig. Es gibt einen neuen Aufbruch, der begrüßt wird. Ich warne aber davor, daß wir im Rahmen dieser Euphorie schlichte und vernünftige Dinge nicht mehr sehen. Ich will zum Beispiel an die Bemerkung von Bürgermeister Ortwin Runde anknüpfen, der als neue Kulturtechnik die Medienkompetenz propagiert hat.

Dies ist in dieser Reihung mit den anderen Kulturtechniken schlicht und ergreifend so nicht richtig. Ich bin zwar sehr dafür, daß sich Hamburg nach außen als Medienkompetenzmetropole darstellt – wahrscheinlich hat er das damit gemeint –, aber vom sachlichen Inhalt ist dies falsch. Wer wirklich Medienkompetenz am Computer im Umgang mit dem Internet entwickeln will, der braucht vorher bereits Sprachkompetenz, Schreibkompetenz, Lesekompetenz und im übrigen auch Rechnen und Mathematik. Das heißt, es müssen bereits andere Kulturtechniken vorhanden sein, damit diese Medienkompetenz überhaupt erzielbar ist.

(Beifall bei der CDU)

Das ist der tragische Punkt. Alle Untersuchungen bei Hamburger Schülern – insbesondere die jüngsten Untersuchungen zur Lernausgangslage – haben gezeigt, daß es den Hamburger Schülern bei diesen zentralen Basisvoraussetzungen, nämlich den Kulturtechniken, erheblich mangelt. Dies ist die grundlegende Kritik. Es nützt nichts, Gelder in irgend etwas hineinzupumpen, wo dann die Grundlage fehlt.

Dazu nur ein schlichtes Beispiel: Es hört sich als Parole gut an, in jedes Klassenzimmer einen Computer zu stellen. Nur, das verkennt die Realität vor Ort. Stellen Sie sich vor, in Hamburger Schulen steht in jedem Klassenzimmer ein Computer. Gehen Sie doch in die Schulen und sehen Sie, welche stabilen Gegenstände, wie beispielsweise Tafel und Kartenständer, dort „übern Deister“ gehen. Sie wollen allen Ernstes solche empfindlichen Geräte wie Computer in das Klassenzimmer stellen, wo dann das CD-Laufwerk

zum Aufheben von Salamiwurstscheiben benutzt wird? Nein, meine Damen und Herren, das ist falsch. Besser wäre es gewesen, das Geld dafür einzusetzen, die Schulen mit Notebooks und mit Beamern auszustatten, um den Computer zugunsten aller Schüler in der Klasse zu nutzen und nicht nur eines Schülers, der zufällig am Computer sitzt.

Das sind solche kleinen Unvernünftigkeiten, die nicht funktionieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch zwei Anmerkungen zum Thema Informatik machen. Herr Marx, der Senat hat Sie in der Antwort auf die Große Anfrage darauf hingewiesen, daß ein himmelweiter Unterschied zwischen Informatik und Medienkompetenz besteht. Informatik ist ein extrem spezielles Fach, das übrigens sehr stark mathematisch, logisch-orientiert und sehr abstrakt ist. Die Informatik ohne weiteres mit der Medienkompetenz gleichzusetzen, ist falsch. Schauen Sie sich die Antwort des Senats hinsichtlich der Verquickung der Informatik mit anderen Fachbereichen an den Hochschulen an. Der Senat schreibt ausdrücklich – und hat damit recht –, eine systematische Verknüpfung wird nicht angestrebt. Das wäre der Sache definitiv auch nicht gerecht.

(Beifall bei Karen Koop CDU)

Zum Informatikunterricht selbst heißt es in der Antwort, daß wir sehr viele Informatiklehrer haben. Diese sind in Hamburg aber noch sehr stark in der algorithmischen Programmierung ausgebildet, die noch vor zehn Jahren vorherrschend war. Die objektorientierte Programmierung wird von den allerwenigsten Hamburger Lehrern angewendet.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Herr Engels, ich will Ihnen zum Schluß nicht das Wort nehmen, aber es ist zu laut hier im Raum. Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Zu der objektorientierten Programmierung, die bei Hamburgs Informatiklehrern überhaupt noch nicht ausreichend vorhanden ist, gehört übrigens auch das moderne OLE-Konzept; die Abkürzung OLE steht für Objectlinking and Embedding. Das ist eine besonders moderne Konzeption, und Sie sehen, daß meine Fraktion – zumindest was die Abkürzung betrifft – darauf Bezug nimmt.

Meine letzte Anmerkung betrifft die Ausbildung von Mädchen.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Soll das jetzt ein Scherz sein?)

Richtig, Herr Schmidt, Sie machen auch immer so nette Scherze! Die sind auch nicht immer gut!

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Aber den merken wir!)

Der letzte Punkt, das wird Sie sicherlich interessieren, betrifft den technisch-naturwissenschaftlichen Unterricht beziehungsweise die Ausbildungsbereiche der Mädchen. Herr Marx hat dazu Richtiges gesagt. Wir unterstützen von unserer Seite jedes Projekt, jeden Versuch, jedes Modell, den Anteil der Mädchen gerade in diesen Ausbildungsbereichen und Studiengängen zu erhöhen; das liegt wirklich im argen. Auch bei der Wahl etwa der Grund- und Lei

(Hartmut Engels CDU)

stungskurse in Informatik steht das Geschlechterverhältnis immer noch bei eins zu drei. Ob aber ein Senat, der mit solchen Denkvorstellungen vorgeht – die sich aus einem Zitat ergeben –, fähig ist, tatsächlich das Interesse von Mädchen an den neuen Medien und Kompetenzen diesbezüglicher Art zu vermehren, sei dahingestellt. Ich zitiere Seite 9 der Drucksache:

„Der Unterricht soll ferner Methoden und Organisationsformen wählen, die an Kompetenzen und Stärken von Mädchen anknüpfen...“

Da sind wir absolut dafür. Aber jetzt kommt es,

„... zum Beispiel kooperierende statt konkurrierende Arbeitsformen“,

als sei es ein typisches Merkmal des Geschlechterunterschieds, daß Jungens konkurrieren und Mädchen kooperieren. Jungens konkurrieren zwar relativ brutal, manchmal auch dumm, die Konkurrenz unter Mädchen – das kann ich Ihnen als Lehrer, der lange dabei ist, sagen –, ist aber sehr subtil und trotzdem heftig. Im Gegenteil, das Problem ist häufig, daß sich bei Jungen Kooperationscliquen bilden – vielleicht kennen das einige im Haus auch, die sogenannten Seilschaften.

Noch schlimmer ist der nächste Satz zu dem, was besonders mädchenhaft ist.

„... intelligentes und abwechslungsreiches“

das hört sich noch gut an –

„Üben von Routineprozeduren...“.

Was für ein Mädchen-Bild sitzt denn bei den Beantwortern in der Behörde?

(Karen Koop CDU: Frechheit!)

Die Mädchen sind also für die Routineprozeduren da, dürfen allerdings noch abwechslungsreich und intelligent üben, aber zum Schluß landen sie da. Ich bitte, noch einmal in sich zu gehen – auch auf der Senatsbank – und zu fragen, welche Leute solche merkwürdigen Formulierungen abgeben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. de Lorent.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Zeiten, in denen heute etwa Fünfzigjährige gefragt werden, was hast du früher gemacht, gebe ich unumwunden zu, daß es eine Zeit gab, in der ich geradezu davon geträumt habe, hinter Marx und Engels noch einmal reden zu dürfen.

(Beifall und Heiterkeit bei der GAL und der SPD)

Zumindest Engels hat mir gezeigt, daß die Zeiten doch andere geworden sind.

Viele haben gar nicht zugehört, aber eines Ihrer Argumente, Herr Kollege, fand ich zutiefst albern, nämlich zu sagen: Gucken Sie sich doch mal die Klassen an, da gehen auch schon schwere Gegenstände kaputt, man kann doch nicht in jede Klasse einen Computer stellen. Dazu will ich Ihnen sagen, daß es die Aufgabe jedes Lehrers ist, in jeder Klasse dafür zu sorgen, daß weder schwere noch leichte Gegenstände kaputtgehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Hartmut Engels CDU: Das war eine richtig praxisnahe Bemerkung!)

Das ist sozusagen die pädagogische Primäraufgabe. Damit fangen wir erst einmal an.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dann stellen wir in die Klassen das, was in Klassen gestellt werden muß, damit man in der heutigen Zeit produktiv arbeiten kann. Dazu gehört es einfach, daß in jeder Klasse ein Computer steht.

(Hartmut Engels CDU: Das tun die Schulen doch gar nicht!)