Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Bis 1999 wurde ein Zusammenhang zwischen BSE und der neuen Form der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung bezweifelt. Hochoffizielle Aussagen wollten uns weismachen, daß sich der BSE-Erreger aus der Nahrung fernhalten lasse. Bis heute ist nicht auszuschließen, daß BSE in die Nahrungskette gelangt, denn kein Labor-chemischer Test ist hundertprozentig. Durch Tötung mittels Bolzenschuß kann der BSE-Erreger sogar ins Muskelfleisch gelangen.

Bis vor zwei Monaten sind wir davon ausgegangen, daß Deutschland BSE-frei ist. Der Gesundheitsausschuß hat sich in den letzten Jahren nicht mit diesem Thema befaßt. Mir ist kein Antrag aus der Vergangenheit bekannt, der sich kritisch mit diesem Thema befaßt hat.

(Dietrich Wersich CDU: Das war vor Ihrer Zeit aber so!)

Jede Bürgerin und jeder Bürger weiß, daß sich die Politik – also wir alle ohne Ausnahme – unzureichend mit dem Thema BSE befaßt hat. Gegenseitige Schuldzuweisungen im Umgang mit dem Thema BSE verbieten sich also. Herr Wersich, kleinkariertes Genörgel ist hier nur peinlich. Es bringt uns auch keinen Schritt weiter.

Jeder von uns vertritt doch heute selbstverständlich die Meinung, daß Kannibalisierung von Vegetariern nicht zulässig ist. Norwegen und Schweden haben schon vor zehn Jahren die Verfütterung von Tiermehl aus Rindern verboten. Was haben wir die ganze Zeit gemacht? Was haben die Verbraucherschützer gemacht? Mit Recht wird von uns jetzt schnelles, nicht vorschnelles, Handeln verlangt. Es muß eine umfassende Aufklärung geben. Risiken, seien

(Senatorin Karin Roth)

sie auch noch so klein, müssen dargestellt und Unsicherheiten schnell beseitigt werden. Es stehen nicht nur sehr viele Arbeitsplätze auf dem Spiel, sondern die Gesundheit von uns allen. Frau Senatorin Roth hat eben gerade dargestellt, mit welcher Effizienz wir dieses Thema angehen werden. Lassen Sie uns also diese Krise gemeinsam bekämpfen und zeigen, daß die Politik nicht nur Selbstzweck ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Jürs.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Daß der Verbraucherschutz in Hamburg Vorrang haben soll, ist zumindest in der aktuellen BSE-Krise nicht deutlich geworden. Viele CDU-Kollegen haben sich seit 1986 darum bemüht, die Verbraucher vor den Folgen der Rinderseuche zu bewahren. Unzählige Anfragen beweisen das.

(Petra Brinkmann SPD: Wie bitte?)

Forschen Sie nach! Die Antworten auf diese Anfragen sind stereotyp und unbefriedigend.

Seit 1998 habe ich mich selbst mit dem Thema der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung beschäftigt. Meine Anfragen in der Bezirksversammlung Eimsbüttel wurden ebenso unbefriedigend beantwortet wie meine Anfragen in der Bürgerschaft, wie beispielsweise die unglaubliche Antwort auf meine Anfrage, Drucksache 16/5404, warum die Hersteller von falsch deklarierten Wurst- und Fleischwaren nicht öffentlich genannt werden. Darauf antwortete der Senat mit einem Urteil des Landgerichts Stuttgart, das anläßlich der Knickeier bei der Firma Birkel ergangen ist.

(Petra Brinkmann SPD: Das wurde doch geklärt!)

Ich zitiere das Urteil:

(Petra Brinkmann SPD: Ja, das kennen wir!)

„Weitergehende Maßnahmen (wie öffentliche Bekannt- gabe) sind in dieser Phase, wenn nicht besonders wichtige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit auf dem Spiel stehen, nicht zulässig.“

Da fragt man sich doch ernsthaft, was denn hier auf dem Spiel steht. Ist dem Senat nicht bekannt, daß, falls mit BSE infiziertes Rindfleisch in den beanstandeten Proben ist, Hamburg in ein paar Jahren Hunderte von Creutzfeldt-Jakob-Kranke haben kann? Wir reden doch hier und heute nicht von Knickeiern und Botulismus,

(Erster Bürgermeister Ortwin Runde: Von Salmo- nellen!)

sondern immer noch von der unheilbaren und tödlich verlaufenden CJK.

Selbst im Jahr 2001, also 15 Jahre nach Beginn der Problematik, tut der Senat noch so, als ginge es um die Sensationslust. Er verweigert den Bürgern die Möglichkeit, sich vor der tödlichen CJ-Erkrankung zu schützen, und verniedlicht das Problem auf unerträgliche Weise. Man kann die verbalen Beteuerungen, daß der Verbraucherschutz an erster Stelle steht, nicht ernst nehmen, wenn die entsprechenden Taten ausbleiben. Dabei gab es klare Richtlinien in der Drucksache 16/5218 vom 5. Dezember 2000, wonach der Senat einen Maßnahmenkatalog, gemäß Paragraph 12, nur einzusetzen brauchte, um die

Hamburger Bürger optimal zu schützen. Aber auch hier klaffen Reden und Handeln des Senats meilenweit auseinander.

Was wir als CDU unter Verbraucherschutz verstehen

(Barbara Duden SPD: Das sieht man in Bayern!)

und was ich bereits am 29. November 2000 gefordert habe, ist: die Hersteller von Wurst- und Fleischwaren öffentlich bekannt zu machen, die trotz anders lautenden Etiketten Rindfleisch in ihren Produkten verarbeiten, schonungslose Strafverfolgung der Hersteller, die die Verbraucher in betrügerischer Absicht getäuscht haben, und alle geschlachteten Rinder auf BSE zu testen und kein Rind unter 30 Monaten zu schlachten, da der BSE-Test vorher zu unsicher ist.

(Petra Brinkmann SPD: Das haben Sie doch gerade erzählt, daß das gemacht wird!)

Das interessiert mich nicht!

Die CDU fordert, die Kennzeichnungsvorschriften für Rindfleisch und daraus hergestellte Produkte sofort EU-einheitlich und aussagefähig bei der EU einzufordern und sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, daß das Importverbot für britisches Rindfleisch

(Erster Bürgermeister Ortwin Runde: Für bayeri- sches Schweinefleisch!)

sofort wieder in Kraft tritt. Es muß sich bei der EU dafür eingesetzt werden, daß das Verbot von Tiermehl in Futtermitteln auch über den 1. Juli 2001 hinaus dauerhaft bestehenbleibt.

(Antje Möller GAL: Warum reden Sie eigentlich hier schon zu Ihrem Antrag?)

Die Landwirte müssen in dieser schweren wirtschaftlichen Krise finanziell abgefedert werden.

Die Bundesregierung muß aufgefordert werden, dafür Sorge zu tragen, daß das Tiermehl, das in Deutschland nicht mehr verfüttert werden darf, sicher vernichtet, beispielsweise in Zementfabriken verbrannt und nicht in Drittländer exportiert wird. Ferner muß die Bundesregierung aufgefordert werden, ein Verbot von Tiermehlimport zu erlassen und auf die strengste Einhaltung des Verbots sowie besonders auf die Rotationspraktiken zu achten. Der Forschung über BSE ist höchste Priorität zu geben, und es sind entsprechende Gelder bereitzustellen. Last, but not least, ist schnellstmöglich eine Behörde Verbraucherschutz zur Überwachung der Lebens- und Futtermittelherstellung und deren Vermarktung in Hamburg zu schaffen.

Wenn also Hamburg dem Verbraucherschutz tatsächlich Vorrang gäbe, müßten diese Punkte heute nicht angemahnt werden, die Verbraucher wären nicht hoffnungslos verunsichert und Frau Roth würde nicht um das Thema herumeiern. Hören Sie also auf, Verbraucher mit Ihrem Versteckspiel zum Wahnsinn zu treiben, sondern ergreifen Sie die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen als Sofortprogramm, dann kann der Verbraucher wieder mit Genuß und ohne Reue Fleisch essen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU – Buhrufe bei der GAL)

Das Wort hat Herr Zamory.

(Dr. Mathias Petersen SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Woher nehmen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, eigentlich die Hybris, hier so aufzutreten, wo Ihre Landwirtschaftsminister, Ihre Bundestagsfraktion und auch Ihre Bundeslandwirtschaftsminister über Jahre verharmlost, falsch informiert und die BSE-Problematik kleingeredet haben?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich finde, daß Sie allen Grund haben, die Kirche im Dorf zu lassen. Die Gefahr ist da. Das Schlimme ist, daß nicht einmal die Tests, die dem Hygiene-Institut in Hamburg zur Verfügung stehen, sicher erscheinen. Die Gefahr ist bedrohlich, weil wir leider sagen müssen, wie wenig wir letztlich wissenschaftlich abgesichert wissen. Darauf werde ich bei der Begründung unserer medizinischen Anträge noch genauer eingehen.

Hier in der Aktuellen Stunde geht es um die Frage des Verbraucherschutzes und darum, wie beispielsweise die CDU Ihren Anspruch auf Aufklärung einlöst. Frau Jürs, ich frage Sie einmal direkt. Sie haben hier vor wenigen Wochen an dieser Stelle darauf bestanden – das war der „Morgenpost“ eine Schlagzeile wert –, daß neue Creutzfeldt-JakobErkrankungen hier in Hamburg existieren. Sie haben diese Behauptung hier aufgestellt und sie im Gesundheitsausschuß, in einer Sondersitzung während der Haushaltsberatungen, wiederholt. Sie sind hier und im Ausschuß mehrfach aufgefordert worden, diese Fälle für die Behörden nachvollziehbar zu belegen, denn das, was Sie geschildert haben, ist ein sehr ernster Vorgang. Warum ist das bis heute nicht passiert?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir Ärzte sind – Sie können sich nachher noch einmal melden – nach dem neuen...

(Glocke)

Herr Zamory, darf ich es so verstehen, daß Sie eine Zwischenfrage nicht zulassen?

So ist es.

Wir Ärzte sind nach dem neuen Infektionsschutzgesetz, das seit dem 1. Januar 2001 gilt, verpflichtet, innerhalb von 24 Stunden nach Kenntnisnahme Krankheitserreger und Krankheiten zu melden, und werden mit bis zu 25 000 Euro bestraft, wenn wir dieser Meldepflicht nicht nachkommen. Für Abgeordnete gibt es diese Meldepflicht nicht, das ist klar. Aber wenn Sie diese Behauptung aufstellen, dann erwarten wir, daß Sie der Behörde die Möglichkeit geben, Ihre Behauptung zu überprüfen.

(Dietrich Wersich CDU: Haben Sie mal etwas von einer Schweigepflicht gehört?)

Man kann sich von der Schweigepflicht entbinden lassen.