Protokoll der Sitzung vom 15.02.2001

(Uwe Grund SPD)

arbeitslose und Sozialhilfeempfänger möglichst lange in ihren Institutionen verbleiben. Hier besteht ein dichtes Netzwerk, das sich einer solchen Politik intensiv entzieht. Ein Durchbruch und eine konsequente Realisierung dieser Politik setzt aber voraus, daß die Maßnahmen auch ausgeschrieben werden, die Vermittlung in den Ersten Arbeitsmarkt wichtigstes Ziel und Hauptaufgabe der Auftragsmaßnahme ist und eine erfolgsorientierte Honorierung für derartige Maßnahmen nach dem Grundsatz, es wird derjenige besonders belohnt, der am effektivsten vermittelt, erfolgt.

(Beifall bei Barbara Ahrons CDU)

Wichtig erscheint uns auch, daß die Maßnahmen nicht an den Interessen und Bedürfnissen der kleinen und mittelständischen Unternehmen vorbeigehen.

(Barbara Ahrons CDU: Genau so ist es!)

Die Leitlinien sind zunächst nur für das gesamte Stadtgebiet ausgelegt. Wir vermissen sehr stark eine regionale Ausrichtung, denn unsere Hamburger Handwerksunternehmen und Mittelständler sind doch in erster Linie in ihrem Quartier orientiert und verwurzelt, aber doch nicht hamburgweit.

Nun fragen wir uns natürlich, ob der Senat ernsthaft gewillt ist, die guten Gedanken der Leitlinien auch wirklich umzusetzen, denn schöne Worte sind ohne konkrete Taten wertlos. Zu einer optimalen Umsetzung gehört ein konkreter Zeitplan, und es ist erforderlich, daß die entsprechenden Rahmenbedingungen stimmig sind. Was bisher fehlt, ist ein Handlungsplan, aus dem verbindlich hervorgeht, wer was bis wann und mit wem umzusetzen hat.

Die Hamburger Senatspolitik demonstriert zur Zeit aber genau das Gegenteil. Beispiel: Im Rahmen der letzten Sitzung des Sozialausschusses am 23. November 2000 wurde von der CDU gefordert, das angelaufene Modellprojekt in Rheinland-Pfalz – Eingliederung von Sozialhilfeempfängern mit Kindern in den regulären Arbeitsmarkt – auf Hamburg zu projizieren. Die Senatorin lehnte dies jedoch strikt ab.

(Uwe Grund SPD: Das ist doch gar nicht wahr!)

Trotzdem können wir endlich mit den Leitlinien der Hamburger Arbeitsmarktpolitik ein Umdenken erkennen. Daß nun endlich alte CDU-Forderungen aufgegriffen wurden, sehen wir durchaus als Bestätigung unserer Position.

(Beifall bei der CDU)

Darum noch einmal und kurz: Lassen Sie nun den Worten auch konkrete Taten folgen. Mit dem Aufgreifen unserer Forderungen werden Sie uns an Ihrer Seite haben.

(Glocke)

Herr Mehlfeldt, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ich komme zu meinem letzten Satz, das können wir vielleicht anschließend besprechen, liebe Kollegen.

Ich wiederhole noch einmal.

(Zurufe von der GAL: Ne, ne!)

Lassen Sie nun den Worten auch konkrete Taten folgen. Mit dem Aufgreifen unserer Forderungen werden Sie uns an Ihrer Seite haben. Das ist gut für die Arbeitnehmer, die

Betriebe und somit gut für unsere schöne Stadt. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Simon.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Mehlfeldt, die Taten sind zum großen Teil bereits erfolgt. Sie wissen, daß die Arbeitslosigkeit in der Stadt erheblich gesunken ist. Daran haben sehr viele Leute in der Stadt einen Anteil. Ich glaube nicht, daß Sie behaupten können, wir würden hier CDU-Politik machen; darauf werde ich jetzt im einzelnen auch noch einmal argumentativ eingehen.

(Dr. Roland Salchow CDU: Habt ihr die Arbeits- losigkeit heruntergebracht?)

Wir machen hier in Hamburg aktive Arbeitsmarktpolitik mit 230 Millionen DM. Wir wissen aufgrund der veränderten Situation unter den Arbeitsuchenden in der Stadt, daß wir in Zukunft aktivierende Momente der Arbeitsmarktpolitik so zu gestalten haben, daß sie den Arbeitsuchenden gerecht werden. Das ist zumindest der grüne Ansatz, von dem ich die SPD und besonders meinen Kollegen Herrn Grund noch ein Stück weit überzeugen muß, damit er nicht wieder sagt, sie hätten die CDU-Argumentation aufgegriffen, denn ich dachte immer, GAL und SPD betreiben gemeinsam eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik, zumindest war das bislang so, und ich hoffe, das wird auch weiterhin so bleiben.

Herr Grund hat das Fordern und Fördern genannt, wir nennen es aktive Arbeitsmarktpolitik, die motiviert, integriert, die den Arbeitsuchenden auf dem Weg in die Arbeit behilflich ist und so die Eigenmotivation in Gang kommt und weniger Zwang erforderlich ist.

Daß das nicht leicht ist, Herr Mehlfeldt, wissen sicherlich auch Sie. Die Expertinnen in dieser Stadt schätzen, daß wir ungefähr noch 30 000 Menschen mit sogenannten vermittlungshemmenden Merkmalen, also schon mit gewissen Schwierigkeiten, zu vermitteln haben. Darauf muß ein Teil unserer Anstrengungen abzielen, denn die gut qualifizierten Kräfte bringen wir in der Tat sehr schnell auch in den Ersten Arbeitsmarkt.

Was heißt das? Es heißt Zielgenauigkeit durch eine aktive Hilfeplanung, die ganz auf die Kompetenzen und Qualifikationen und Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe der Arbeitsuchenden eingestellt ist, um langfristig eine paßgenaue Vermittlung in Arbeit zu erreichen. Daß dies gelingt, Herr Mehlfeldt, zeigen die ersten Ergebnisse in der Praxis. Wir sind da durchaus gut und können in Hamburg stolz zeigen, daß wir einen Teil dieser Umsteuerung schon geschafft haben.

(Beifall bei Dr. Hans-Peter de Lorent)

Daß wir dort weitere Verbesserungen einführen werden, ist ganz klar, gerne auch mit Ihrer Hilfe, der Hilfe des Handwerks.

Das heißt also, aktivierende Hilfeplanung bedeutet für uns in erster Linie nicht Zwang, nicht irgend etwas streichen, sondern mit den Arbeitsuchenden so umzugehen, daß wir ihnen etwas anbieten können, und die Programme und Maßnahmen durchaus auch zum Teil im Interesse der Arbeitgeber, die diese Arbeitsplätze anbieten.

(Jürgen Mehlfeldt CDU)

Dazu müssen wir ganz am Anfang einen Punkt setzen, nämlich bei der Erstberatung. Egal, ob eine Beratung im Sozialamt, in einer sogenannten Vermittlungsagentur oder im Arbeitsamt stattfindet, muß man wissen, wie eine Stärken- und Schwächenanalyse vorzunehmen ist. Was heißt das? Was heißt hilfs- und paßgenau? Es muß ganz genau hinterfragt werden, wer diese arbeitsuchende Person ist. Welchen Hintergrund haben er oder sie, welche Qualifikation, Kompetenzen oder Schlüsselqualifikation, Alter, Geschlecht und so weiter; das alles kennen Sie. Dann sind wir an dem Schwerpunkt, gemeinsam mit dieser Person – das Gewicht liegt auf dem Wort gemeinsam – einen Hilfeplan zu entwickeln, nach Möglichkeit auf den Weg in den Ersten Arbeitsmarkt. Auch das gelingt in weiten Teilen schon in der Stadt, davon sind wir gar nicht so weit entfernt, aber wir müssen es natürlich noch verstärken.

Das heißt, nur wenn man aufgrund einer Stärken- und Schwächenanalyse, bezogen auf die arbeitsuchende Person, dazu kommt, sie auf ihrem aktiven Weg in den Arbeitsmarkt zu motivieren und anzureizen, wird man Freiwilligkeit und Motivation vorfinden, um die entsprechende Arbeitsstelle auch anzutreten. Es muß gar nicht großartig mit Zwang gearbeitet werden, das zeigen die Erfahrungen, das geht von ganz allein, weil fast alle Menschen in dieser Stadt, die Arbeit suchen, auch tatsächlich arbeiten wollen.

Qualifikation ist ein ganz wichtiges Wort, ich will dazu nicht mehr viel sagen. Wir wissen, daß wir eine Qualifizierungsoffensive auf allen Ebenen brauchen. Das beginnt an den Grundschulen. Wir werden es sicher gemeinsam erreichen, daß zukünftig Schülerinnen aus den Grundschulen mit einer Grundqualifikation herauskommen, die das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben steht. Wir brauchen aber ebenfalls Anpassungsfortbildungen, zusammen mit dem berühmten Wort Jobrotation. Dazu hatten Sie, Herr Mehlfeldt, von Ihrem Antrag gesprochen, der durchaus etwas anspricht, das wir auch sinnvoll finden.

Wir wissen auf der einen Seite, daß wir einen Fachkräftemangel zu verzeichnen haben, auf der anderen Seite haben wir noch eine hohe Zahl von Arbeitsuchenden, die durchaus noch recht gut qualifiziert ist, aber nicht genau dieser Nachfrage des Arbeitsmarktes entspricht. Das Fatale daran ist, daß Studien des JAB und anderer uns schon lange darauf hingewiesen haben, daß dieser Fachkräftemangel auf uns zukommen wird. Um in Zukunft zu vermeiden, daß Frühwarnsysteme möglicherweise versagen, müssen wir andere Methoden finden und damit eine Zukunftsperspektive in dem Sinne entwickeln, um zu sehen, wohin die Anforderungen im Bereich der Berufe gehen.

Ich möchte etwas aufgreifen, was auch Sie, Herr Mehlfeldt, sehr richtig gesagt haben. Das, was wir auf Senatsebene haben, nämlich alle an einen Tisch zu bekommen, um zu besprechen, wie man in Hamburg am besten Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen kann, sollten wir wieder einführen; ich nenne es jetzt einmal Runde Tische, weil mir kein besserer Begriff einfällt, oder Kooperation in den Bezirken vor Ort. Denn all diese Entscheidungsträger, die Betriebe, das Handwerk, die Gewerkschaften, die Wirtschaftsförderer, die Arbeitsvermittler, aber auch die lokalen Beschäftigungsträger vor Ort können gemeinsam – Herr Mehlfeldt ist vielleicht auch beteiligt, das weiß ich nicht – am besten entscheiden, wo Bedarfe sind und wo man möglicherweise Ausbildungs- und Arbeitsplätze hat und wohin eine Weiterqualifizierung gehen könnte. Das heißt, es sollte die Bildung eines Netzwerkes erfolgen, eine Kooperation auch durchaus wieder innerhalb der Bezirke,

um diesen Strukturwandel zu begleiten. Diese Runden Tische haben einen großen Vorteil, zumindest zeigen uns das die Erfahrungen in Hamburg auf Senatsebene, aber auch aus anderen Ländern, wie in Dänemark; sie sind ein wirkliches Frühwarnsystem. Dort wird gemeinsam entschieden, auch bei Lohnzurückhaltung, in welche Richtung um- und weiterqualifiziert werden kann. So ist es in Dänemark beispielsweise gelungen, ein ganzes Heer von Arbeitslosen oder arbeitsuchenden Menschen in andere Berufe zu qualifizieren, und zwar motiviert mit gewissen Anreizsystemen. Dazu mußte niemand gezwungen werden, sondern es ging alles relativ freiwillig; und genau so stellen wir uns das auch vor.

Ich komme zu den einfachen Jobs, die Herr Grund eben erwähnt hat. Ich bin mir nicht so sicher, ob in den unternehmensbezogenen Dienstleistungen tatsächlich ein so großes Potential vorhanden ist. Zumindest hat es im Bereich der Haushaltschecks und der haushälterischen Berufe, die man damals so hoch gelobt hat, nicht den Effekt gehabt. Ich will aber zugeben, daß wir das auch für Hamburg vorurteilsfrei eruieren und sehen müssen, was wir daraus machen, denn für den beschäftigungspolitisch großen perspektivischen Wurf halten wir das nicht.

Für uns ist wichtig, daß die Arbeitsuchenden eine gewisse Qualifikation, eine Perspektive erwerben und mit ihrem Einkommen zumindest ihre Existenz sichern können. Wenn diese Jobs für eine gewisse Zeit einen Einstieg bieten sollten, dann könnten wir als GAL vielleicht noch damit leben, aber die Frage ist, was kommt danach.

Ich erinnere einmal an unseren Hamburger Verkehrsbegleitservice, darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein. Wenn Sie einen Einstieg für Leute in eine weitere berufliche Perspektive bieten, ist das in Ordnung, aber beschäftigungspolitisch, denke ich, daß uns in der Koalition noch eine ganze Menge anderer Dinge einfallen wird, bevor wir eventuell die einfachen Jobs oder den sogenannten Niedriglohnsektor im großen Stil fahren. Dazu fehlen uns aber noch die Daten. Wir müssen das noch sehr genau untersuchen.

Herr Mehlfeldt, Sie sprachen von Förderpolitik beziehungsweise davon, daß die Kriterien und das Controlling fehlten, wer wann was und wie genau macht. Wir hatten kürzlich die Festbetragsdrucksache, und ich muß gestehen, daß ich meinen Redeeinsatz leider verpaßt habe und Sie daher darüber auch nicht informieren konnte, was wir im einzelnen alles festgelegt haben. Darin steht aber genau, was wir in welcher Zeit eruieren, daß für alle Träger in der Stadt, ob sie Hamburger Arbeit oder freier Beschäftigungsträger XY heißen, die gleichen Kriterien angelegt werden und alles im Sinne von Transparenz und Chancengleichheit und vor allen Dingen im Sinne der Arbeitsuchenden erfolgt. Dort muß genau festgestellt werden, wer was macht, mit wieviel Aufwand, zu welchem Preis, welche Zielgruppe wohin integriert wird, wird sie langfristig integriert oder produzieren wir auf dem Arbeitsmarkt neue Warteschleifen. Diesbezüglich kann ich Sie beruhigen, diese Evaluation liegt uns gemeinsam sehr am Herzen, weil wir nur so beurteilen können, ob die arbeitsmarktpolitischen Akzente, die wir in der Stadt setzen, tatsächlich auch fruchten.

Nun komme ich zur Wirtschaft, die wie das Handwerk und andere auch beteiligt und angesprochen sind, entsprechend zu qualifizieren, auszubilden oder vielleicht Arbeitsplätze im Rahmen von Jobrotation zur Verfügung zu stellen

(Heide Simon GAL)

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Herr Mehlfeldt!)

Herr Mehlfeldt ganz besonders, weil er heute hier gesprochen hat – und nicht nur, was wir hier häufig haben – das sage ich in Anführungszeichen –, mitzunehmen, was es an Lohnkostenförderungsmaßnahmen oder Programmen gibt.

Aufräumen will ich mit dem Irrtum, Herr Mehlfeldt, daß wir den Zweiten Arbeitsmarkt schnell los werden oder nicht mehr gebrauchen würden. Natürlich ist für uns alle der Erste Arbeitsmarkt in unseren Bemühungen das Ziel und „learning by doing“, denn jeder, der Arbeit sucht, lernt nur etwas hinzu, wenn er oder sie sich im Alltag beweisen können. Nur dann weiß jeder um die Defizite, wohin er sich qualifizieren muß oder was überhaupt zu tun ist, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dabei wissen wir, daß wir sehr viele Menschen in der Stadt haben, die wir nicht mehr leicht in Arbeit bekommen; dazu gehören leider auch die Migrantinnen.

Ferner gibt es einen Schwerpunkt – Herr Grund hatte ihn genannt – , der heißt ABM, SAM, also Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Strukturanpassungsmaßnahmen und ähnliche, um diesen Übergang nach und nach zu gestalten, denn wir können diese Leute nicht einfach auf der Straße stehenlassen. Wir haben als Politikerinnen die Verpflichtung, auch für diese Leute etwas zu tun, und manchmal ist die Übung auf dem Zweiten Arbeitsmarkt die qualifizierte Vorstufe auf den Ersten. Wir können Übergänge schaffen, dazu gibt es Beispiele, wenn auch zu wenige, aber auch darauf müssen wir ein Augenmerk richten.