Protokoll der Sitzung vom 15.02.2001

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Herr Professor Dr. Hajen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme Herrn Hackbusch in einem Punkt ausdrücklich zu, daß die Debatte ein höheres Niveau verdient hat, aber Sie sollten das als erstes selber berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Herr Hackbusch, was Sie hier in Folge immer machen, ist, daß Sie falsche Informationen verbreiten, die die Menschen in dem betroffenen Gebiet verunsichern und verängstigen. Dann kommen Sie wieder hierher und beklagen diese Reaktionen, und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Antrag spiegelt auch wider, daß Sie immer wieder verzweifelt nach Punkten suchen, wie Sie dieses für die Stadt wichtige Projekt kippen können. Ich kann, Herr Hackbusch, sehr gut verstehen, daß Sie in Ihrer verzweifelten politischen Lage – es ist ja absehbar, daß es Sie in der nächsten Legislaturperiode hier als Gruppe nicht mehr geben wird – nach Modellen suchen, wie Sie Ihre Gruppierung starten können. Sie meinen, Sie können aus dem A380 eine Wiederholung von Moorburg machen, aber mit Verlaub, Herr Hackbusch, Sie sind nicht Thea Bock, und wir sind auch ein paar Jahre weiter. Wir haben mit dem A380 ein Projekt in Hamburg, das sehr große Zustimmung hat, weil die Menschen in dieser Stadt sehr genau sehen, daß das eine ganz wesentliche Zukunftschance für Hamburg ist.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Ich will jetzt keine Zwischenfrage beantworten.

Habe ich das richtig verstanden, Herr Professor Hajen, daß Sie eine Zwischenfrage nicht akzeptieren?

Ich will das illustrieren, wie Sie vorgehen. Sie diskutieren öffentlich und fragen in Schriftlichen Kleinen Anfragen und im Ausschuß danach, ob es denn zutrifft, daß die Frau des Staatssekretärs Mosdorf Geschäftsführerin bei PROGNOS ist, und PROGNOS hat das Arbeitsplatzgutachten erstellt. Beide Fakten sind wahr. Sie rechnen genau mit der Reaktion, daß viele Menschen sagen, da sieht man es mal wieder. Aber worauf es doch wirklich ankommt, ist, daß Sie den Menschen sagen müßten, das Gutachten ist an PROGNOS, Bremen, im Juli 1998 vergeben worden. Wenn Sie sich entsinnen, haben wir im Herbst 1998 eine neue Bundesregierung gewählt, also zu der Zeit war Herr Mosdorf noch gar nicht Staatssekretär. Ich habe weder persönliche Kenntnisse von Herrn Mosdorf noch von seiner Frau, aber ich konnte in der Zeitung lesen, daß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal verheiratet waren. Was wollen Sie eigentlich, Herr Hackbusch, bei Gutachtenvergaben? Soll der Senat vorher fragen, welcher Gutachter oder welche Gutachterin welchem Mann oder Frau tief in die Augen geguckt hat? Das kann es doch nicht sein.

Es geht darum, Schmutz zu verbreiten, und das ist der Stil, den man auch in den anderen Einwendungen, die Sie vorbringen, nachvollziehen kann. Sie stellen im Ausschuß Fragen zum Gutachten, die alle im Dezember beantwortet wurden. Es gab Vorwürfe – die kamen ausnahmsweise

nicht von Ihnen –, daß es eine Verflechtung zu dem Büro Bodo Fischer gibt. Das einzige, worauf sich das stützte, war, daß Herr Fischer vor 19 Jahren hier unser Parlamentskollege war. Das kann nicht der Grund sein, daß man einem ausgewiesenen Umweltberatungsbüro keine Aufträge gibt.

Wir haben vom Senat jede Frage beantwortet bekommen. Eine Frage konnte der Senat in der Sitzung nicht beantworten, aber natürlich wabert so etwas immer weiter rum. Es wurde der Vorwurf erhoben, daß ein luftfahrttechnisches Gutachten von einem Mitarbeiter der Wirtschaftsbehörde erstellt worden ist. Faktisch handelte es sich um eine Namensverwechslung. Der Gutachter hatte nie etwas mit der Wirtschaftsbehörde zu tun. Sie fordern aber jetzt wieder allgemein in Ihrem Antrag, der Senat solle einmal die Gutachten vorlegen. Die Frage Arbeitsplätze – direkt und indirekte Wirkung – haben wir hier und im Ausschuß rauf und runter diskutiert, und wir haben mehrheitlich akzeptiert, daß natürlich ein Unternehmen, das in dem Markt agiert, nicht auf die dritte Stelle genau sagen kann, wieviel Arbeitsplätze es denn werden. Aber gucken Sie sich doch jetzt schon den realen Ausbau der Arbeitsplätze an. Warum zitieren Sie nicht richtig, wenn Sie von der Kundgebung berichten. Ich war auch dort und erinnere mich nicht, daß da von 4000 Arbeitsplätzen gesprochen wurde. Warum zitieren Sie nicht auch den Betriebsrat des Werkes, der gesagt hat, mit wieviel Hunderten von Arbeitsplätzen sie jetzt schon Vereinbarungen mit dem Vorstand getroffen haben. Das lassen Sie aus.

(Beifall bei der SPD)

Dieses ist eine politische Kampagne, die Sie betreiben, um das Projekt zum Scheitern zu bringen. Dafür werden Sie uns nicht gewinnen.

Das zweite ist, daß Sie sich natürlich auch breiter abstützen können. Das gebe ich gerne zu. Da bin ich sehr wohl bereit, den Widerstand gegen dieses Projekt zu sehen und zu sagen, wer argumentiert hier aus welchen Gründen. Ich kann jeden Obstbauern in der Region Neuenfelde heute verstehen. Die sind im hohen Maße durch die Verkehrserschließungen, die wir machen müssen, und die Erweiterung des Werkes belastet. Das ist keine Frage. Aber das wirtschaftliche und ganz sicher auch das regionale, das kulturelle Interesse, das Stück Heimat, das man möglicherweise verliert – auch das übertreiben Sie und verbreiten falsche Argumente –, ist doch abzuwägen gegen das, was es für die Stadt bringt. Diese Stadt lebt davon, daß sie immer gewachsen ist. Auch Sie, Herr Hackbusch. Ich habe Ihnen das schon einmal gesagt, Sie waren darüber sehr betroffen. Aber so ist es, und dafür stehen wir als Politiker auch ein.

Das zweite sind die Betroffenen auf der nördlichen Elbseite. Das ist gar keine Frage. Auch die werden zusätzliche Lärmbelastungen haben. Aber das ist genau der Typ, die Amerikaner sagen „nimby“ – not into my backyard –, also ihr könnt alles machen, aber nicht in meinem Vorgarten. Das ist eine Politik, die unser Gemeinwesen zerstört, wenn alle so denken.

(Beifall bei der SPD)

Dazu müssen Sie doch etwas sagen, ob dieses individuelle Interesse an einem ruhigen Platz im Garten der Zukunftsperspektive gegenübergestellt werden kann, die mit dem A380 verbunden ist. Es macht auch mich betroffen – was man gar nicht sagen mag –, aber Politik ist manchmal so einfach, und auch Journalismus ist manchmal so ein

fach, weil man sich angucken kann, wer welchen Artikel geschrieben hat und wo der wohnt oder wo denn der Herausgeber eines großen Magazins wohnt. Da ist natürlich eine persönliche Betroffenheit, aber dann darf man das auch „Kampagnenjournalismus zu Lasten dieser Stadt“ nennen, bei dem nicht die Fakten genannt werden, sondern Vermutungen gehandelt werden und man hofft, daß diese böse Saat aufgeht.

(Beifall bei der SPD)

Der neueste Einfall ist jetzt das Gutachten von Herrn Gudehus. Die Qualifikation von Herrn Gudehus als Bodenwissenschaftler steht außer Frage. Aber was ist denn die Aussage? Die Aussage ist, daß der Elbhang gefährdet sei. Ich lebe jetzt seit 30 Jahren in Hamburg. Ich weiß nicht, wie oft Blankenese schon in der Elbe versunken ist, weil immer wieder dieses Argument kam. Aber das einzige, was sich real verändert hat, ist die Dichte der Bebauung auf dem Geesthang. Das ist das Problem, daß man im Zweifelsfalle leichtfertig Drainagen durchschneidet und damit auch Risse provoziert. Das können wir uns als Politiker auch anhängen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Aber das ist kein Argument, das in irgendeiner Weise neu ist. Der Senat ist doch keine Versammlung von Hasardeuren. Sie können sicher sein, daß diese Fragen geprüft worden sind. Glauben Sie denn, wir machen Verträge über Bauten und verlangen nicht, daß eine Baufirma auch sagt, ja, sie erreichen das, was wir haben wollen. Diese Fragen sind vielfach geprüft.

Das zweite Argument, das Herr Gudehus bringt, ist, man könne auf modderigem Boden erst nach zwei Jahren bauen. Das stimmt. Aber auch das weiß doch jeder Hamburger. Er ist hier geboren, aber wohl schon lange weg. Soweit Hamburg in der Marsch gebaut ist, bauen wir auf Pfählen. Die Halle, um die er sich Sorgen macht, daß sie irgendwie zur Seite wegkippt oder Risse bekommt, könnten wir auch auf der Wasseroberfläche bauen. Die wird in den tragenden Schichten verankert, doch nicht auf den aufgespülten Schichten. Worüber reden wir denn dann? Auf jeden Fall, Herr Hackbusch, nicht darüber, daß Herr Gudehus sich über diesen Punkt beim Senat kundig gemacht hat, wie er denn eigentlich diesen Bau in dieser – zugegebenermaßen – kurzen Zeit realisieren will. Soweit ich weiß, hat es da keine Kontakte gegeben.

Deswegen sehe ich auch gar nicht die Notwendigkeit, daß man sozusagen durch einen Ruf von der Seite wieder alles anhält und sagt, jetzt müssen wir aber noch mal prüfen. Was Sie und Ihre Gruppe machen, Herr Hackbusch, ist Störfeuer legen. Man spürt die Absicht, und man ist verstimmt. Das ist das, was man Ihnen entgegensetzen kann, und ich hoffe – weil Sie fragen, wie es denn nun mit dem Gericht ist – auf die Vernunft der Gerichte. Wenn Vernunft waltet, dann wird auch das eintreten, was sich die Mehrheit der Bürgerschaft, denke ich, für die Zukunft Hamburgs wünscht. Genauso deutlich sage ich, falls wir unvernünftige Gesetze gemacht haben sollten – was ich nicht glaube –, dann müssen wir darüber in der Tat hier neu reden.

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort erhält Herr KarlHeinz Ehlers.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hajen, wir teilen fast uneingeschränkt das, was Sie über die Motivation der REGENBOGENGruppe gesagt haben, einen solchen Antrag zu stellen. Die wollen nämlich eigentlich etwas ganz anderes initiieren, als der Antrag – wenn man ihn so blank liest – hergibt.

Wir ziehen allerdings einen anderen Schluß aus der Frage, ob wir uns dagegen wehren sollen, diese Gutachten vorlegen zu lassen. Wir sind der Meinung, wenn es denn so ist, wie Sie gesagt haben, daß es weder an der Form der Vergabe des Auftrages noch an den Inhalten dieser Gutachten irgendwelche Geheimnisse gibt, dann können wir sie auch angucken. Deswegen werden wir dem Antrag REGENBOGEN zustimmen, weil REGENBOGEN ja nicht erfunden hat, daß es bei Gutachtenvergaben – auch durch den Rechnungshof 1999 festgestellt – Probleme gibt, sowohl was das „Wer bekommt die Gutachtenaufträge“ angeht als auch über das „Wie die Gutachten vergeben werden“.

Sie erinnern sich, daß wir eine Große Anfrage gestellt und bedauert haben, daß eben leider nicht mehr aus dem Haushalt zu entnehmen ist, wer Gutachten bekommt und zu welchem Zweck diese Aufträge erteilt werden, weil alles unter der großen Überschrift läuft, Unternehmensberater haben den Auftrag bekommen. In einem solchen sensiblen Bereich, wie hier der EADS-Werkserweiterung, glauben wir, daß nicht die Spur von Zweifeln übrigbleiben darf. Wir machen uns ausdrücklich nicht zu eigen, was in der „Welt“ auch als Spekulation über die Frage der Gutachtenvergabe gestanden hat. Darüber haben wir im Wirtschaftsausschuß gesprochen, und der Senat hat die Fragen aus unserer Sicht zufriedenstellend beantwortet.

(Werner Dobritz SPD: Das stammt doch von Ihnen!)

Wir machen uns ausdrücklich nicht zu eigen, was darüber gestanden hat. Aber daß man kritisieren kann, daß die freihändige Vergabe bei Auftragswerten von über 20 000 DM von Gutachten in 80 Prozent der Fälle praktiziert wird, daß da gar nicht ausgeschrieben wird, daß Gutachten in einem Auftragswert von über 300 000 DM freihändig vergeben werden, ist etwas, von dem wir finden, daß wir uns damit beschäftigen müssen.

(Bernd Reinert CDU: Sehr richtig!)

Aber – um diese Frage geht es eigentlich bei der heutigen Debatte nur am Rande – Herr Hajen hat es richtig gesagt, Herr Hackbusch hat auch selber die Debatte in eine andere Richtung geführt. Viel wichtiger ist aus unserer Sicht, daß Hamburg die Chance, eines der wichtigsten industriepolitischen Projekte für dieses Jahrhundert in dieser Stadt anzusiedeln, nicht versäumen darf. Darum geht es.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Es gibt eine Vielzahl von Gründen. Ich will mich auf ein Dutzend beschränken.

Erstens: Die zunehmenden Passagierzahlen und das steigende Frachtaufkommen qualifizieren die Luftfahrtindustrie zu der wichtigsten Wachstumsindustrie dieses Jahrhunderts, und zwar nicht nur strohfeuerhaft. Die langfristigen Prognosen sind positiv. Hamburg ist mit 26 000 Beschäftigten weltweit der drittgrößte Standort. Worum es schlicht und ergreifend bei dieser Entscheidung geht, ist die Frage, ob Toulouse und Hamburg zusammen als europäischer Standort der zweitgrößte in der Welt, nicht im Sinne von Ranking, sondern im Sinne von „in dieser Stadt

(Dr. Leonhard Hajen SPD)

diese Technologie anzusiedeln“ bleiben. Das ist die Entscheidung, und es geht um diese Entscheidung für diese Stadt, und das, denke ich, hat sogar – zweiter Gesichtspunkt – inzwischen die EU erkannt, die nicht dafür bekannt ist, daß sie Erkenntnisse sofort und immer durchdringend gewinnt. Aber selbst die hat es erkannt. Die Luftfahrtindustrie wird von der Kommission als einer der wichtigsten Technologiesektoren überhaupt eingestuft. Das AirbusProgramm genießt höchste industriepolitische Priorität, und daran muß sich die Metropole Hamburg, denken wir, beteiligen.

Drittens: EADS wird – unabhängig von den Investitionen von Hamburg – noch einmal fast das Doppelte dessen, was Hamburg investiert, seinerseits investieren. Es ist von 2 Milliarden DM in Finkenwerder und in anderen norddeutschen Standorten die Rede. Das ist ein gigantisches Projekt für mittelständische Zulieferer.

Viertens: Die Luftfahrtindustrie hat im 21. Jahrhundert etwa die Rolle der Schwerindustrie im 19. und 20. Jahrhundert. Das ist ein Strukturwandel, der uns in einer sich entwickelnden und wachsenden Volkswirtschaft wünschenswert erscheint und nötig ist. Wenn sich Norddeutschland davon abkoppelt, diese Industrie hier in Hamburg anzusiedeln, wird es langfristig deutlich schlechter gestellt sein als andere Regionen in dieser Republik.

Strukturwandel – das muß man sagen, und darauf hat Herr Hajen hingewiesen – ist aber nicht nur Chance, sondern bedeutet – so ist das eben im Leben – natürlich auch Belastungen. Da will ich es auf die Kurzformel bringen, Herr Hajen, auf die Sie es – länger ausgeführt, deswegen kann ich mich reduzieren – auch gebracht haben. Mein Verständnis für die Klagen und Belastungen in den Elbdörfern ist größer als die für die nördlichen Elbhänge dieser Stadt. Ich sage sehr deutlich – und das habe ich schon mehrfach auch in dieser Diskussion gesagt –, mein Verständnis für die Herrschaften im Norden der Elbe hält sich in sehr viel engeren Grenzen als für die im Süden. Die waren immer vorneweg, wenn es darum ging, von dem Wachstum dieser Stadt zu profitieren. Ich glaube, diese Stadt kann von ihnen auch mal erwarten, sich ein wenig zu reduzieren, wenn es darum geht, dieses Wachstum dauerhaft für diese Stadt zu sichern.

(Beifall bei der CDU und der SPD)