Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

Das Argument – Herr Christier hat es vorgetragen –, Hamburg könne nur in diesen sauren Apfel beißen, da der Bund,

Niedersachsen und Bremen sonst ohne jede hamburgische Beteiligung den Tiefwasserhafen errichten würden, mag richtig sein, ist auch sicherlich richtig. Deswegen muß sich die Politik in Hamburg – und zwar jetzt und in den nächsten Wochen – vor allem mit dem Paket, das da drumherum gestrickt ist, offensiv auseinandersetzen. Hamburg muß eine Kooperation initiieren, die auch wirklich den Namen verdient. Es kann nicht Kooperation sein, wenn die Häfen Bremen und Hamburg beschließen, den jeweiligen Fluß, den sie vor der Haustür haben, gemeinsam zu vertiefen, oder daß sich die jeweiligen Umschlagunternehmen an der Finanzierung des Hafens beteiligen. Es geht um Kooperation in der Logistik, um das Nutzen von Synergien bei Distribution und Logistik. Die Stärkung der Standorte, die wir jeweils haben, muß man festigen und die unterschiedlichen Branchenstrukturen miteinander koordinieren. Dafür muß man die Zeit jetzt nutzen, bevor weitergehende Entscheidungen, Festlegungen in bezug auf Wilhelmshaven getroffen werden. Nur dann kann Wilhelmshaven auch für Hamburg einen Sinn machen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Stichworte „Elbvertiefung“ und „Hafenerweiterung nach Moorburg“ sollten deswegen in diesem Fall in bezug auf diese Situation nicht niedriggehängt werden. Es muß Kern der Diskussion bleiben, vor allem solange wir die Aussagen der HHLA, der Handelskammer oder andere, die hier gerade die Gunst der Stunde nutzen wollen, im Nacken haben. Eine Elbvertiefung, obwohl es keinen Bedarf gibt, ist ökologisch und ökonomisch unverträglich. Wir haben die größeren Schiffe, die dafür gebraucht werden, nicht. Lediglich den Wunsch zu haben, das Tidefenster für die jetzigen Schiffe etwas größer zu machen, ist unsinnig als Begründung.

Ich möchte an dieser Stelle den Pressesprecher der Senatskanzlei zitieren, der gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt hat, daß bis auf den Flugzeugträger „Nimitz“ und ähnliche Flugzeugträger alle Schiffe die Elbe rauf und runter fahren können. Wenn wir uns diese Situation vor Augen führen, möchte ich dafür plädieren, daß die hamburgische Politik heute insgesamt – und nicht nur die Grünen – die ökologische und ökonomische Unverträglichkeit einer weiteren Elbvertiefung deutlich macht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind gemeinsam mit dem „Unternehmensverband Hafen Hamburg“ der Meinung, daß ein Tiefwasserhafen zur gegenwärtigen Zeit aufgrund ökonomischer Voraussetzungen nicht gebraucht wird. Die Panama-Größe ist gegenwärtig noch nicht übersprungen. Selbst für Schiffe, die gegenwärtig in Auftrag gegeben worden sind, sind die augenblicklich vorhandenen Tiefen im Hamburger Hafen ausreichend. Deshalb ist ein Tiefwasserhafen gegenwärtig ökonomisch unsinnig. Von den ökologischen Gefahren und Befürchtungen will ich jetzt gar nicht reden, weil wir darüber kaum etwas wissen.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Dafür traten in Berlin die Grünen immer für Tempelhof ein!)

Außerdem sind die Kosten noch um etliches höher als bisher in der Diskussion erwähnt. Die Milliarden, die notwendig sind, um Wilhelmshavens Hinterland verkehrlich über Straße und Eisenbahn anzuschließen,

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Das wäre Ihre Vorstellung!)

sind kaum finanzierbar.

Der Beschluß, der gefällt worden ist, ist in seiner Gigantomanie unvorstellbar unsinnig. Es ist von den verschiedenen Ministerpräsidenten und Bürgermeistern sowohl Wilhelmshaven als auch die Elbvertiefung als auch die Weservertiefung beschlossen worden. Außerdem wurde in diesem Papier auch noch Cuxhaven genannt. Wilhelmshaven plus Elbvertiefung ist nicht akzeptabel.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Wenn ich mich noch richtig daran erinnere, wurde im Flächennutzungsplan von Hamburg – vor ungefähr ein oder zwei Jahren aktualisiert –, noch ein Tiefwasserhafen im Flächennutzungsplan von Neuwerk vorgesehen. Selbst der ist neben Cuxhaven als Tiefwasserhafen noch möglich. Da kennt die Gigantomanie keine Grenzen. Es ist unvorstellbar, was sich hier erlaubt wird.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die meisten Argumente zur Elbvertiefung sind schon genannt worden. Sie sagen, Herr Christier, die Elbvertiefung sei gegenwärtig kein Thema. Dann sollten Sie auch deutlich sagen, die Frage werde gegenwärtig nicht geprüft. Aber genau das ist ja nicht Ihre Option. Ihre Option ist, gegenwärtig zu prüfen, damit man das in einem Jahr schnell durchziehen kann. Dann wird die GAL in dem Augenblick, wo sie noch an der Regierung ist, schnell ja sagen. Da bin ich mir sicher.

Die Widersprüchlichkeit der GAL verstehe ich nicht. Frau Möller hat im „Hamburger Abendblatt“ gesagt, der Bürgermeister habe mit ihnen gar nicht über dieses Thema geredet. Es wäre unvorstellbar, was er da verabschiedet habe.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Das finden wir auch!)

Zur gleichen Zeit hat Frau Sager in der „Hamburger Morgenpost“ gesagt, daß eigentlich alles besprochen worden sei. Sie sei jetzt glücklich, daß Moorburg erhalten bleibe. Die Widersprüche auf dieser Ebene sind noch lange nicht gelöst.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das stimmt!)

Ich hoffe, daß auf dieser Ebene dadurch noch eine einfache Logik herzustellen ist, daß SPD und GAL gemeinsam sagen, die Elbvertiefung sei kein Thema und werde gegenwärtig nicht geprüft. Dann wäre der Standpunkt glaubwürdig.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Senator Dr. Mirow.

Frau Präsidentin! Ich will mich auf fünf Argumente konzentrieren.

Erstens: Herr Christier hat zu Recht auf den Stellenwert und die Notwendigkeit der norddeutschen Zusammenarbeit hingewiesen. Ich möchte gerne nur ausfüllen, was das in diesen Jahren bedeutet: Ohne enge Zusammenarbeit mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein keine erfolg

reiche Bewerbung Hamburgs um den Airbus A380, keine erfolgreich abgeschlossene Elbvertiefung im Dezember 1999, keine Aussicht auf ein ökologisch tragfähiges Baggergutkonzept, keine sinnvolle Verkehrspolitik, die Hamburg in den Rahmen der Europäischen Union mit ihrer Erweiterung und der dynamischen Entwicklung des Ostseeraums stellt,

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Das verhindert Wagner so- wieso!)

keine Zusammenarbeit, die es ermöglicht, den Hamburger Standpunkt im Länderfinanzausgleich erfolgreich zu wahren, keine Zusammenarbeit bei großen Forschungsprojekten, wie etwa TESLA.

Wenn die CDU das noch einmal ein bißchen Revue passieren läßt und sich an ihre eigenen Äußerungen und Mahnungen erinnert, nun möge es endlich in Norddeutschland zur Zusammenarbeit kommen, dann muß sie sich eingestehen, daß insofern ihre Position nicht konsistent ist.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Gesichtspunkt ist die Abwägung zwischen Wilhelmshaven und Cuxhaven. Wenn wir hier ganz frei miteinander sprächen, alle vielleicht sogar ein bißchen losgelöst von gegenwärtigen Wahlkonstellationen und politischen Festlegungen, und hinterher eine verdeckte Abstimmung durchführten, kämen wir vermutlich zu einem sehr weitgehend einvernehmlichen Ergebnis mit einigen wenigen Ausnahmestimmen, nämlich daß es vernünftig wäre, mittelfristig die Planungen voranzutreiben und vermutlich aus Hamburger Sicht den Standort Cuxhaven vorzuziehen.

Aber sich darüber auseinanderzusetzen und zu streiten, lohnt eigentlich nicht besonders, denn wir sind nicht alleine auf der Welt, wir sind auf andere angewiesen. Vor der Realisierung dessen, was politisch als Prozeß vereinbart worden ist, stecken erhebliche Hürden und Konditionen, insbesondere die der privaten Finanzierung, die insofern ein wesentlicher Lackmustest für die Frage ist, ob es hier ein vernünftiges Projekt gibt oder nicht.

Als drittes Argument, glaube ich, Frau Möller, anders als Sie, daß die Vereinbarungen, die hier getroffen worden sind, die Bemühungen um eine politische Verständigung, das gegenwärtig höchstmögliche Maß an Sicherheit dafür schaffen, daß es nicht einen dritten Universalhafen gibt, daß es nicht zu einem ruinösen Standortwettbewerb kommt. Ganz ausschließen wird man das nicht können, das will ich ganz deutlich sagen. Aber welche Instrumente hätten wir denn, wenn nicht das der politischen Zusammenarbeit und Vereinbarungen, um einen solchen Wildwuchs zu verhindern?

Viertes Argument Elbvertiefung und Moorburg. Das zerrt an vielen Nerven, und diejenigen, die in den letzten Jahren für eine Elbvertiefung verantwortlich waren, kennen auch Vergnüglicheres, als die nächste ins Auge zu fassen und zu planen. Aber ich rate von Vorfestlegungen ab.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Ja, richtig!)

Weder teile ich die Meinung, die gelegentlich in der Hafenwirtschaft zu hören ist, es müsse ganz schnell, unverzüglich und sofort eine erhebliche weitere Vertiefung der Elbe erfolgen, noch allerdings, Frau Möller, kann ich Ihrer Meinung folgen, eine weitere Elbvertiefung sei ausgeschlossen. Lassen Sie uns anschauen, welche Notwendigkeiten sich ergeben aufgrund realer, nicht geplanter Schiffs

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

größenentwicklungen erstens, dem Anlaufen des Hamburger Hafens zweitens und drittens der faktischen Überprüfung aus der abgeschlossenen Elbvertiefung. Das wird noch eine Reihe von Monaten in Anspruch nehmen. Dann werden wir sicher – so es die Wählerinnen und Wähler wollen – im Herbst miteinander Gelegenheit haben, darüber zu sprechen, was vernünftig ist. Genausowenig kann ich dazu raten – so gerne man das täte –, sich jetzt definitiv zum Thema Moorburg zu äußern. Wenn Wilhelmshaven kommt, Realität ist, dann ist der Blick auf Moorburg sicher ein anderer, als wenn das nicht kommt. Aber mindestens das müßte man erst einmal wissen.

Letzte Bemerkung in der Sache. Der Vorgang Wilhelmshaven als Ergänzungsprojekt, wenn man so will, und von niedersächsischer Seite vielleicht auch als rivalisierendes Vorhaben zu Bremen und Hamburg, ist durchaus kein Unikat in der Welt. Wer zum Beispiel nach Lateinamerika guckt, wird sehen, daß es dort unmittelbar zwischen den Häfen von Rio de Janeiro und Santos in der Nähe von São Paulo, in Sepetiba, ebenfalls das Projekt eines schon weiter fortgeschrittenen Tiefwasserhafens gibt. Was aus diesem Hafen wird, welche Funktion er wirklich übernimmt, ist bis heute unabsehbar.

Daraus folgt für mich, wer die Stärke des Hamburger Hafens vor Augen hat, wer weiß, daß die ganz überwiegende Zahl der Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze gar nicht im Hafen angesiedelt ist – wir haben, wie Sie alle wissen, deutlich weniger als 5000 Arbeitsplätze im Hafen, wohl aber ungefähr 140 000 Menschen, die mehr oder weniger vom Hafen in der Stadt leben –, der weiß, daß nicht mit einigen Kais und noch so viel Tiefgang eine Wertschöpfungskapazität in Wilhelmshaven anzusiedeln ist, wie wir sie in Hamburg haben. Wir haben jeden Grund zum Selbstvertrauen, was den Hamburger Hafen angeht, und um so mehr, je mehr wir uns als fähig und klug genug zu norddeutscher Zusammenarbeit erweisen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Professor Hajen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die letzte wichtige Hafenentscheidung, die Hamburg ganz alleine treffen konnte, war vor hundert Jahren die Entscheidung, entweder schleusenfrei zu bleiben oder Schleusen zu bauen.

(Erster Bürgermeister Ortwin Runde: Richtig!)

Seitdem sind wir Teil eines Staatsgebiets und sind, ob wir es wollen oder nicht, als Anlieger eines Flusses, nämlich der Elbe, zur Kooperation verpflichtet. Die neue Qualität liegt doch darin, daß die Ministerpräsidenten jetzt beschlossen haben – das ist das einzige, was beschlossen worden ist –, die Entscheidung, ob es einen Tiefwasserhafen an der Deutschen Bucht gibt, gemeinsam vorzubereiten und gemeinsam zu treffen. Dazu gehört ganz wesentlich, diesem Parlament und den anderen Landesparlamenten die Faktenlage auf den Tisch zu legen. Es gibt in der Tat noch ganz viele Fragen, denn das, was man über das Berger-Gutachten in der Presse lesen konnte, hat bei mir zumindest mehr Fragen hervorgerufen, als bisher beantwortet worden sind.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Aha, ist die Entscheidung noch offen, Herr Hajen?)

Aber die Frage des Ob, Herr Ehlers, kann erst dann entschieden werden, wenn geklärt ist, ob die Annahme richtig ist, daß sich das Transportvolumen, das in Containern auf uns zufließt oder in den Export geht, in den nächsten zehn bis 15 Jahren verdoppelt, denn dann werden es die Häfen an der Deutschen Bucht nicht bewältigen können. Sie können aber sicher sein, daß die Ware hierherkommt oder herausgeht. Deswegen muß man in dieser Situation die alternativen Transport- und Umschlagmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Ökonomie und Ökologie nüchtern prüfen und bewerten. Es geht nicht nur um den Schnittpunkt Seeschiff und Landtransport, sondern auch um die Frage, wie die Container wieder wegkommen, und für uns gibt es keinen Streit darüber, daß das Wasser die ökologisch verträglichste Transportform ist.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das ist wahr!)