Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

Okay, ich versuche es. Wenn es die Konzentration fördern hilft, das Mikrofon weiter herunter zu stellen, will ich es gern tun.

Egal ob wir über Lebensmittelberatung oder Beratung über Spielsucht reden, Internetanschlüsse, wassersparende

(Antje Möller GAL)

Waschmaschinen oder anderes, die Beratungsstellen der Bezirksämter der Behörden und Verbraucher-Zentrale sind ständig gefragt. Das politische Ziel soll nun aber der vorsorgende Verbraucherschutz sein, und die Aufgabenverteilung zwischen Verbraucher- und Umweltberatung, Gesundheitsschutz und -vorsorge ist auch in Hamburg eine breitgefächerte. Sie wissen alle, welche Behörden wofür zuständig sind; das nehme ich einmal an, denn als Verbraucher oder Verbraucherin müßten Sie sehr schnell wissen, wie Sie die Information, die Sie sich wünschen, bekommen. Aber so ist es eben nicht!

Wir haben in Hamburg eine Aufgabenverteilung zwischen Wirtschaftsbehörde, BAGS, Umweltbehörde, und wenn man die Rechtsberatung dazu nimmt, auch der Justizbehörde. Die Innenbehörde ist für die Sekten zuständig, und die Bezirke beraten natürlich auch. Dazu kommen die privaten Einrichtungen wie die Verbraucher-Zentrale, der Ökomarkt e.V., die Mieterberatung, Patientenselbsthilfegruppen und ähnliches. Wie kann es nun gelingen, den Auftrag aus Berlin umzusetzen, den Interessen und dem Schutz der Verbraucherinnen den Vorrang zu geben. Wie bündelt man hier die Kompetenzen am besten? Wie kann man die bundesweit unumstrittene erfolgreiche Arbeit der Verbraucher-Zentrale einbinden? Welche finanziellen Mittel brauchen wir zusätzlich oder umverteilt? Wie gelingt es, Initiativen, die sich beispielsweise der Unterstützung des ökologischen Anbaus verschreiben, zu stärken und ihr Potential zu nutzen?

Ich begrüße in diesem Zusammenhang sehr, daß die BAGS im Umgang mit dem Krisenmanagement durchaus selbstkritisch in ihrer Analyse ist und sich strukturelle Veränderungen vorgestellt hat. Auch da war die CDU sehr aktiv, wenn auch nicht sonderlich innovativ, und ich glaube, daß die Vorstellungen, die die CDU entwickelt hat, immer noch mehr dazu dienen, die BAGS zu zerschlagen, als tatsächlich beim Verbraucherschutz unterstützend tätig zu sein.

(Petra Brinkmann SPD: Richtig!)

Als sehr hilfreich empfinde ich bei dieser notwendigen Debatte den Beitrag der Verbraucher-Zentrale, der Ihnen, glaube ich, allen zugegangen ist. Hier wird mit sehr deutlichen Worten Bezug genommen auf die finanzielle Unterstützung einerseits, andererseits aber auch ein sehr weitreichender und diskussionswürdiger Strukturvorschlag entwickelt.

Uns liegt mit der heutigen Debatte durchaus daran, die öffentliche Diskussion über die Strukturen zu fördern, die den Verbraucherschutz und die Verbraucherinformationen verbessern können, die bei den Behörden, Initiativen und Verbänden, die zwar jeweils unterschiedliche Rollen spielen, aber doch die gleiche Aufgabe haben, neu zu eröffnen, schnelle Ergebnisse zu finden und diese nicht auf die lange Bank zu schieben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Jürgen Schmidt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Hamburg steht die Wiege des Verbraucherschutzes. Hier wurde schon 1957 die erste VerbraucherZentrale gegründet. Hamburg ist Vorreiter vieler Maßnahmen des staatlichen Verbraucherschutzes, zum Beispiel bei der Produktsicherheit und dem Patientenschutz. Die Stärkung des privaten und öffentlichen Verbraucher

schutzes steht bei uns Sozialdemokraten weiterhin an erster Stelle.

Die aktuelle Debatte über Verbraucherschutz wird seit Monaten von den beiden Tierseuchen beherrscht. Die BSEFälle und der MKS-Verdacht haben in ganz Deutschland eine tiefe Verunsicherung der Verbraucher bewirkt.

Dies gibt nicht nur Anlaß, die bisherigen Schutzvorschriften kritisch zu prüfen, sondern hat auch eine notwendige Grundsatzdebatte über die Agrarpolitik ausgelöst. Dieser Debatte muß sich auch Hamburg als Verbraucherland und Standort von Handels- und Produktionsunternehmen stellen. Dies gilt unabhängig davon, daß hamburgische Betriebe in keinem Fall der sogenannten agrarindustriellen Landwirtschaft zuzuordnen sind.

Der Senat hat bereits 1994 ein Agrarpolitisches Konzept entwickelt, das sich auch angesichts der jetzt diskutierten Neuausrichtung als zukunftsfähig erweist.

(Beifall bei der SPD)

Erstens: Rückführung der Überproduktion durch Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktionen.

Zweitens: Einsatz für artgerechte Tierhaltung und umfassenden Tierschutz.

Drittens: 6 Prozent der Agrarfläche werden bereits ökologisch bewirtschaftet. Mit seinen Fördersätzen für den ökologischen Landbau befindet sich Hamburg bundesweit im Spitzenfeld.

Der Senat richtet seine Förderpolitik besonders auf eine Stärkung, Verarbeitung und Vermarktung ökologischer Produkte aus und ist damit auf dem richtigen Wege. Dieser Weg wird nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn die Verbraucher ihr Kaufverhalten ändern. Der vermeintlich günstige Preis darf nicht mehr allein das Kriterium beim Kauf von Lebensmitteln sein. Nicht nur Hamburg ist auf dem richtigen Weg, sondern auch die rotgrüne Bundesregierung hat die Lehren aus der verfehlten lobbyorientierten Landwirtschaftspolitik der alten Regierung vollzogen.

Durch die Bildung des neuen Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz erfahren wir nun auch aus Berlin Rückenwind für die Neuausrichtung auf mehr Nahrungsmittelsicherheit in der Landwirtschaft. In Hamburg gibt es bisher weder BSE noch MKS. In Deutschland hoffen und bangen wir weiter. Es muß aber ehrlicherweise eingeräumt werden, daß die Kontrolle in der Stadt nicht frei von Ereignissen war, die überprüft werden müssen, wie der Fall der Einfuhr von Schlachtfleisch aus England gezeigt hat.

Die sachgerechte Abarbeitung der vorsorglich zu treffenden Maßnahmen hat zu Problemen geführt. Dies wurde in der Öffentlichkeit nicht nur als Organisationspanne, sondern auch als Indiz für mangelnden Verbraucherschutz bewertet. Es ist deshalb richtig und nur zu begrüßen, daß der Präses der BAGS, Frau Senatorin Roth, der Frage entschlossen nachgeht, ob es nicht erforderlich ist, die Arbeitsorganisation und Arbeitsabläufe im Gesundheitsamt so schnell zu verbessern, daß sie den Herausforderungen an einem offensiven Verbraucherschutz gerecht werden.

Die SPD-Fraktion unterstützt, daß der Teil des Verbraucherschutzes, der dem Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes zugeordnet ist und dort bleiben soll, so organisiert werden kann, daß die Bedeutung des Verbraucherschutzes in der Sache gestärkt und auch nach außen sichtbar wird. Unstrittig ist für uns dabei, daß der Schutz

(Antje Möller GAL)

der Verbraucher, sei es als Konsument beim Kauf von Lebensmittelprodukten oder Medikamenten, als Patient im Gesundheitswesen oder als Arbeitnehmer im Betrieb, mehr in den Vordergrund gerückt werden muß. Der fachliche Zusammenhang des Verbraucherschutzes mit der Gesundheits- und Sozialpolitik muß aus unserer Sicht erhalten bleiben. Die Idee der Opposition, den Verbraucherschutz in die Umweltbehörde auszugliedern, lehnen wir daher als sachfremd ab. Verbraucherschutz ist und bleibt eine Querschnittsaufgabe. Verbraucherschutz ist nämlich mehr als nur Lebensmittelkontrolle und Gesundheitsschutz. Er umfaßt unter anderem auch die Verbraucherinsolvenz, den Datenschutz, die Produktsicherheit, Gewährleistungsrechte, die sichere Einführung des Euros und vieles andere mehr. Vorsorgender Verbraucherschutz ist deshalb eine Aufgabe aller Ressorts.

Die Verbraucher-Zentrale hat die Öffentlichkeit darüber unterrichtet, daß sie finanzielle Vorstellungen

(Glocke)

ich komme zum Schluß – entwickelt hat, die sie uns in einem Gespräch erläutern wird. Wir werden das Gespräch mit der Verbraucher-Zentrale suchen und uns ihren Argumenten stellen. Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, daß dem Verbraucherschutz in Hamburg der Stellenwert eingeräumt wird, der angemessen ist und den er verdient. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Jürs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bereits in der Aktuellen Stunde am 29. November 2000 und am 24. Januar 2001 hatte die CDU das Thema Verbraucherschutz in Hamburg angemeldet und effektives Handeln angemahnt.

(Antje Möller GAL: Man kann ruhig öfter darüber reden!)

Geschehen ist bisher herzlich wenig.

In der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses am 27. März 2001 blieben viele Fragen offen. Frau Roth gab in keinerlei Hinsicht eine befriedigende Antwort auf unsere Fragen, wenn sie überhaupt antwortete.

Immer noch haben die BSE-Krise, MKS und die Medikamentenabgabe an Tiere und einiges mehr die Republik und Hamburg fest im Griff. Bei jeder Zusammenkunft geht es um diese Themen: Was sollen wir noch essen? Rindfleisch? Nein danke. Schweinefleisch? Nein danke. Fisch? Eventuell. Auch Fisch ist nicht ganz unproblematisch, denn hier gab es schon einmal das Wurmproblem; das ist zwar nicht gefährlich, aber ekelhaft. Ferner war bei Fisch auch der Quecksilbergehalt bereits einmal im Gespräch. Was ist mit den Hormonen im Hähnchenfleisch, in bestrahlten Tomaten aus Spanien, und wie wirken sich die gentechnisch veränderten Lebensmittel auf unsere Gesundheit aus?

Es ist auch erst wenige Jahre her, daß dieses Thema sehr hoch gehandelt wurde und deswegen in Reformhäusern Unterschriftenlisten auslagen. Wie empfinden die Verbraucher, die Landwirte und die Erzeugerbetriebe? Eins ist klar, geschützt fühlen sich alle nicht. Wenn der Verbraucher Unterschriften sammeln muß, um politisches Handeln für seine Gesundheit zu erzwingen, fühlt er sich nicht sicher, sondern verschaukelt. Auch wenn Frau Roth ständig wie

derholt, Gesundheit und Verbraucherschutz haben oberste Priorität, so wird dieser Ausspruch nicht automatisch zur Realität.

Realität dagegen ist, daß die Hamburger Verbraucher-Zentrale seit Jahren Kürzungen hinnehmen muß. Die Folge davon sind eine bleibende Verunsicherung der Verbraucher und wirtschaftliche Probleme der Erzeuger. Die Hamburger Verbraucher-Zentrale ist die älteste Deutschlands, das wurde schon gesagt, bekommt an finanzieller Unterstützung aber nur 50 Pfennig pro Jahr und Einwohner gegenüber beispielsweise Nordrhein-Westfalen, das 1 DM bekommt, und Mecklenburg-Vorpommern bekommt 1,19 DM.

Bereits am 10. März verkündete Frau Roth, sie würde ein Amt für Verbraucherschutz einrichten, was die CDU auch für dringend erforderlich hält. Frau Roth versprach damals, die auf mehrere Ämter verteilten Zuständigkeiten zusammenzuführen, um den Verbraucherschutz dann hoffentlich effektiver betreiben zu können. Ich wüßte sehr gern, wieweit diese Ankündigung bisher umgesetzt wurde. Oder war das Versprechen vielleicht wieder nur zur Beruhigung der Gemüter gedacht, und es passiert rein gar nichts?

(Antje Möller GAL: Zur Beruhigung der CDU!)

Fakt ist, die Politik muß endlich handeln und effektiven Verbraucherschutz praktizieren. Dazu gehört eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Verbraucher-Zentrale, die Einrichtung eines Amtes für Verbraucherschutz mit dem Zugriff auf Untersuchungskapazitäten für verschiedenste Lebensmittel und kompetente Beratung für die Erzeuger, um die gewünschte Qualität der Lebensmittel von der Herstellung an zu gewährleisten. Das ist eine umfangreiche Aufgabe, die mit viel Sachverstand angegangen werden muß und ein Umdenken erfordert. Es ist ein Umdenken, das John F. Kennedy bereits am 15. März 1962 in einer Rede vor dem Kongreß der Vereinigten Staaten von Amerika als die vier Grundrechte, die die Verbraucher haben sollten, forderte:

Erstens: Das Recht auf Sicherheit.

Zweitens: Das Recht auf Information.

Drittens: Das Recht auf Wahlfreiheit.

Viertens: Das Recht, Gehör zu finden. Daraus resultiert der „World consumer-right-day“, der in den USA jedes Jahr am 15. März begangen wird.

(Dr. Holger Christier SPD: Das schafft der Busch auch noch!)

Erst 39 Jahre später steht Verbraucherpolitik in Europa auf der politischen Tagesordnung. Deswegen nicht reden, sondern handeln. – Danke.

(Beifall bei der CDU)