Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

(Beifall bei der CDU – Dr. Martin Schmidt GAL: Sie meinen gar nicht ernst, was Sie da sagen!)

Das Wort bekommt erneut der Abgeordnete Zamory.

Es scheint so, daß Sie eben für die Abschaffung des Parlamentarischen Abends eingetreten sind.

(Michael Fuchs CDU: Das ist doch müßig, Herr Za- mory!)

Aber, ich möchte noch einmal aus einem Artikel des Hamburger Psychoanalytikers Karl Nedelmann im „Deutschen Ärzteblatt“ vom Oktober des letzten Jahres zitieren. Der sagte zur Verkehrssicherheit von Cannabis:

„Schon in der zweiten Stunde nach Rauschbeginn bessern sich die Leistungsdefizite. In der vierten Stunde zeigen sich keine signifikanten Verschlechterungen mehr. Es gibt Resultate, die andeuten, daß häufige Cannabiskonsumenten schneller zu ihrer Ausgangsleistung zurückfinden als seltene Konsumenten. Die Verkehrsmedizin hat experimentell bestätigt, daß durch cannabisbedingte Leistungsdefizite, wie sie für das Autofahren relevant sind, durch Kontrollfunktionen in anderen Bereichen so gut ausgeglichen werden, daß das Unfallrisiko durch Cannabis verringert wird, also nicht zu-, sondern abnimmt.“

(Glocke)

„Das ist in einer Feldstudie von 1994...“

(Glocke)

Herr Abgeordneter, wenn ich klingele, unterbrechen Sie bitte zunächst Ihre Rede. Sie gestatten keine Zwischenfrage?

So ist es.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Er war gerade im Rausch!)

Ich benötige keine Dopingmittel in der Bürgerschaft.

„In einer Feldstudie von 1994 fuhren 0,5 Prozent der Fahrer mit Alkohol ab 0,8 Promille. Ebenso viele fuhren mit Cannabiskonzentrationen, die auch vom wochenlang zurückliegenden Konsum stammen konnten. Die Alkoholiker waren dann mit 11,2 Prozent aller Unfälle mit schwerem Sach- oder Personalschaden beteiligt. Die Cannabis-Fahrer lagen nach Unfallhäufigkeit und -schwere unter oder höchstens im Normbereich.“

Das ist die wissenschaftliche Realität, und die können Sie nicht ignorieren.

(Beifall bei der GAL)

(Peter Zamory GAL)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 16/5472 zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß und zur Mitberatung an den Gesundheitsausschuß zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dies einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 85 auf, die Drucksache 16/5775: Antrag der Gruppe REGENBOGEN zum Thema Koordinierungsdefizite in der Hamburger Drogenhilfepolitik beseitigen.

[Antrag der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Koordinierungsdefizite in der Hamburger Drogenhilfepolitik beseitigen – Drucksache 16/5775 –]

Hierzu wird das Wort gewünscht? – Der Abgeordnete Jobs hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Daß die Koordinierung der Drogenpolitik in Hamburg dringend verbessert werden muß, pfeifen die Spatzen seit langem von den Dächern. Dies wurde kürzlich im Gesundheitsausschuß sehr deutlich – ob nun beim Generalstaatsanwalt, den Fachleuten oder Praktikern –, als sich der Senat von einer ganzen Reihe von Experten die Leviten lesen lassen mußten.

In der Hamburger Drogenpolitik weiß viel zu oft die eine Hand nicht, was die andere tut. Teure Reibungsverluste und gegenseitige Blockaden sind die logische Folge. Dabei ist es eine Binsenweisheit, daß nur ein abgestimmtes Vorgehen aller Institutionen, Ämter und Einrichtungen der Drogenpolitik ein Hilfesystem zustande bringen, das den Betroffenen auch tatsächlich nützt. Wann immer diese Forderung laut wurde, lautete die Antwort, es gebe bereits genügend solcher Runden in Hamburg.

So wurde zum Beispiel der Fachrat genannt. Dort sitzen ausschließlich die Träger mit der BAGS zusammen oder aber der sogenannte interbehördliche Koordinierungskreis Drogen. Dieser hat jedoch im Jahr 1998 dreimal und im Jahr 1999 nur einmal getagt, und das unter Ausschluß der gesamten Trägerschaft. Das ist absurd und völlig unzureichend. Andere Städte machen es anders und viel besser, wie wir meinen. Vorgezeigt wird immer die Montagsrunde in Frankfurt. Da zeigt sich in der Tat, wie es geht, wie Mißtrauen und Eifersüchteleien durch Vertrauensbildung und Abstimmung ersetzt werden können.

Die Frankfurter Montagsrunde hat auch gezeigt, wie eine solche Koordination dazu beiträgt, das Drogen- und Suchthilfesystem innovativ weiter zu entwickeln. Frankfurt hatte die erste Debatte über Gesundheitsräume in der Republik, und sie ist die erste Stadt, die auf das neue Crackproblem mit entsprechenden Hilfsangeboten reagiert hat. Ein derartiges Gremium in Hamburg hätte sicher nicht zugelassen, daß der Hamburger Senat dieses Crackproblem derartig verschläft oder es aussitzt, wie er es zur Zeit tut. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte es das Mediationsverfahren in St. Georg überflüssig gemacht und sicherlich auch die aktuelle Situation in Hohenfelde anders gestalten können. Es hätte alles viel besser laufen können, wenn sich dieser Gedanke in der Hamburger Drogenpolitik durchgesetzt hätte.

Der Senat hat nun offensichtlich im Gegensatz zur SPDFraktion einen ganz kleinen Schritt in Richtung einer vernünftigen Drogenpolitik geplant. Wenn alles richtig ist, was

in der Presse zu lesen war, präsentiert uns der Senat demnächst die sogenannte Freitagsrunde. Jahrelang wurde der Koordinationsbedarf geleugnet und noch am 13. März durch Frau Brinkmann aus der SPD-Fraktion erklärt, daß ein solches Koordinierungsgremium nicht notwendig sei.

(Petra Brinkmann SPD: Ganz richtig, Herr Jobs. Ich bin immer noch der Meinung!)

Nun gibt es innerhalb von drei Wochen eine Kehrtwendung. Die Gruppe REGENBOGEN ist sehr glücklich darüber, und wir begrüßen es ausdrücklich, daß der Senat der Auffassung der SPD-Fraktion hier offensichtlich einmal nicht gefolgt ist und tatsächlich einen Schritt nach vorn macht, den die SPD-Bürgerschaftsfraktion nicht gewillt war zu tun.

Die beabsichtigte sogenannte Freitagsrunde ist aus unserer Sicht aber nur ein kleiner, viel zu kleiner Schritt in die richtige Richtung und zudem noch halbherzig. Die Stadtentwicklungsbehörde fehlt in dem Gremium genau so wie die Senatskanzlei und Vertreterinnen für die Bezirke wie auch das Amt für Soziales und Rehabilitation. Ferner fehlen wieder einmal die Freien Träger, die Trägerlandschaft des Drogenhilfesystems, die eigentlichen Aktivposten dieses Systems; sie bleiben wieder außen vor. Ich kann einfach nicht verstehen, warum Hanseaten nicht einmal aus den Türmen ihrer Macht herabsteigen, um mit den Praktikern an der Basis zusammenzukommen, zum Zwecke einer besseren Koordinierung des Drogenhilfesystems. Ich verstehe nicht, warum in Frankfurt etwas möglich ist, das in Hamburg offensichtlich ausgeschlossen wird. Das Hamburger Drogenhilfesystem braucht in Sachen Koordination einen richtigen Sprung und nicht nur den einen oder anderen Trippelschritt. Egal ob Freitags- oder Montagsrunde, Hamburg braucht eine tatsächliche, reale und effektive Koordination an Stelle des regierenden Chaos. Das, was Sie sagen, Frau Roth, reicht nicht aus, um dieses Chaos zu beseitigen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Jobs, ich weiß nicht, in welcher Stadt Sie leben. Das, was Sie am Ende gesagt haben, hat jedenfalls nichts mit Hamburg zu tun.

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich es hier bereits gesagt habe, es gibt vier Säulen, die innerhalb der Drogenpolitik alle zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit insbesondere zwischen der Polizei und den Drogenhilfeeinrichtungen, dort wo es notwendig ist, nämlich vor Ort, ist besser geworden; mittlerweile – so würde ich sagen – ist sie gut. Nun kommen Sie mit der Frankfurter Montagsrunde, die bei uns eine Freitagsrunde sein soll. Wenn ich sie richtig verstanden habe, sollen da restlos alle, die irgendwie etwas mit diesem Problem zu tun haben, auch darin sitzen, das heißt, wir machen eine Riesenrunde. Das machen wir zu allen Runden, die es schon gibt. Da wäre beispielsweise der Fachrat, in dem die meisten Freien Träger vertreten sind und der auch schon mal von dem einen oder anderen Träger für eigene Interessen instrumentalisiert worden ist. Auch da muß man aufpassen, daß man solche Runden gut steuert, daß sie nicht verwendet werden können, um Partikularinteressen durchzusetzen; auch das ist alles schon geschehen.

Nun bekommen wir also eine Runde zwischen verschiedenen Behörden auf Amtsleiterebene, zusätzlich zu den Runden, die es schon gibt. Da gibt es regelmäßige Treffen der dafür zuständigen Senatorinnen und Senatoren, Treffen diverser Gruppen vor Ort, dort, wo es notwendig ist, in St. Georg. Im Schanzenviertel haben wir das Neunergremium, und wir haben eine Runde von der STEG koordiniert und moderiert. Zu allen kommt nun noch die Freitagsrunde hinzu; meinetwegen gern. Ich habe überhaupt nichts dagegen. Das Problem in Hamburg sehe ich aber immer noch in erster Linie dort, wo die Freien Träger zusammenarbeiten müssen und wo sie statt zusammenzuarbeiten ihr Konkurrenzverhalten pflegen und die Durchlässigkeit des Systems, so wie es angelegt ist, dadurch mehr behindern, als es jede dieser Runden verbessern könnte.

Ich blicke dieser Runde mit großem Optimismus entgegen, aber viel lieber wäre mir eine bessere Koordination zwischen den Freien Trägern

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

und den Einrichtungen, die wir haben.

Herr Wersich hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schäfer, Sie haben wieder alle Klippen geschickt umschifft und im Endeffekt keine Aussage gemacht.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Na, na, na!)

Die Wahrheit ist, daß die Forderung nach der Koordination von Drogenpolitik in der Stadt alt und längst überfällig ist. Die CDU hat bereits zu den Haushaltsberatungen 1998 ein kompetentes behördenübergreifendes Gremium gefordert, das vertrauensbildend, koordinierend und vor allem entscheidungskompetent ist. Das hat Rotgrün abgelehnt.

Wir haben hier in Hamburg über Jahre die Defizite der Politikabstimmung erlebt, sie sind unübersehbar. Als Beispiel nenne ich das Gezerre um den Gesundheitsraum in St. Georg, inklusive eines Mediationsverfahrens, entschieden wurde nichts. Wir erleben den Streit zwischen Polizei und Justiz im Umgang mit Drogendealern. Die Folge ist, Dealer müssen in Hamburg keine Angst vor dem Rechtsstaat haben.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Ho, ho!)

Ja, die haben große Angst, sie zittern vor Angst!

Meine Damen und Herren, wir erleben, daß der Senat nicht einmal genaue Zahlen über Opfer und Täter hat, über Ursachen und Folgen, er tappt im dunkeln.

Es gibt aber – das haben Sie zu Recht gesagt, Herr Schäfer – viel zu viele unverbindliche Rederunden in der Stadt. Deshalb muß es eine echte kompetente Runde mit den leitenden Vertretern aller Behörden geben.

Kürzlich konnten wir in der Presse lesen – o Wunder –, der Senat wolle diese Freitagsrunde einrichten; Staatsrat Prill wie auch eine Justizsprecherin haben es bestätigt. In Vorbereitung dieser Debatte habe ich dann einmal nachgefragt, was an dieser Information dran ist, denn schließlich muß und soll man Fortschritte auch loben.

(Jürgen Schmidt SPD: Das wüßte ich aber!)