Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

(Dr. Stefan Schulz CDU: Das wird auch Zeit!)

Sie fordern die Anerkennung der Selbsthilfegruppen als Partner in der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Das hat es vom Senat immer gegeben. Das ist in dem Vorwort der Selbsthilfegruppenverzeichnisse nachzulesen. Ich zitiere aus dem Gruppenverzeichnis von 1997, in dem es wörtlich heißt:

„Selbsthilfegruppen sind dabei weder Ersatz noch Lückenfüller, sondern Partner, die die gesundheitliche Versorgung ergänzen und das Gesundheitswesen...“

Das brauchen wir nicht noch einmal zu erbitten, das ist für den Senat selbstverständlich, sonst würde es dort nicht stehen.

Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern hat der Senat, selbst zur Zeit der größten Sparvorgaben, immer den Selbsthilfegruppentopf und das gesamte KISS-System angemessen gefördert.

Die Höchstgrenze der jährlichen Förderung aus dem sogenannten Selbsthilfegruppentopf wollen Sie auf 5000 DM erhöhen. Das ist natürlich nur möglich, wenn die Krankenkassen ihren Anteil erhöhen. Das klang bei ihnen schon richtig an. Dennoch ist der Vorwurf nicht korrekt. Sie wissen ganz genau, daß die Ausführungsbestimmungen erst im Laufe des letzten Jahres fertig geworden sind.

(Dietrich Wersich CDU: Im März!)

Ich habe gesagt „im Laufe des letzten Jahres“; da ist der März letzten Jahres mit eingeschlossen, Herr Wersich.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist ein Unterschied, ob am Anfang oder am Ende!)

Das heißt, daß die Krankenkassen im letzten Jahr natürlich nicht den vollen Satz gezahlt haben. Der Senat hat in der Antwort auf die Große Anfrage geschrieben, daß es im letzten Jahr noch nicht ausreichend gewesen sei und daß das überprüft werde. Wenn sie ihren weiteren verpflichtenden

Zahlungen nicht nachkommen, wird die Aufsichtsbehörde einschreiten. Was wollen wir mehr? Genau das wollen wir. Der Senat soll sich kümmern, und die Krankenkassen müssen zahlen. Um noch einmal diese Punkte genauer nachzufragen und unsere Forderung zu verdeutlichen, wollen wir die Große Anfrage an den Ausschuß überweisen. Aber einen Antrag brauchen wir deshalb nicht.

(Dietrich Wersich CDU: Dann können Sie ja zu- stimmen!)

Außerdem kommt hinzu, daß die Selbsthilfegruppen bis jetzt aus dem Selbsthilfegruppentopf in dem vereinfachten Zuwendungsverfahren behandelt werden. Das heißt, sie können nur bis zu 1000 DM mit Genehmigung der Finanzbehörde bekommen, weil sie nicht differenziert einen Nachweis bringen müssen. Würden wir das ändern, müßten wir sehr viel mehr Personal dafür aufwenden, um das genau zu kontrollieren. Aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag an dem Punkt ab.

Sie fordern, daß die Kontaktstellen zielgerichtete Weiterbildung und Beratung für die ehrenamtlichen Selbsthilfemitglieder anbieten. Das gehört zu den Leistungsbeschreibungen, das sind festgelegte Aufgaben von KISS. Es wird sowohl in der Selbsthilfegruppenbroschüre als auch in der Selbsthilfezeitung noch einmal darauf hingewiesen. Offensichtlich haben Sie diese Exemplare nicht gelesen, denn es ist dasselbe wie bei dem ersten Punkt. Hier werden sogar Projekte dargestellt. Sie können sie sogar in der Zeitung nachlesen. Von Februar bis Mai 2001 werden Fortbildungsangebote zum Beispiel für Aufbauseminare, zu den Themen „Umgang mit Konflikten“ oder „Der gute Draht zu Medien“ angeboten. Das sind alles Angebote, die vorhanden sind. Daher brauchen wir diese nicht mehr.

Ein letzter Punkt: Sie fordern die Einrichtung von zwei weiteren Kontaktstellen. Hamburg hat zur Zeit drei Kontaktstellen: in Altona, Hamburg-Nord und Wandsbek. Aus unserer Sicht ist diese Situation zwar nicht toll, aber zunächst einmal befriedigend.

Und aus der Großen Anfrage geht weiterhin deutlich hervor, daß der Senat bemüht ist, in der nächsten Zeit – ich gehe davon aus, noch in diesem oder im nächsten Jahr – eine weitere Kontaktstelle im Süderelberaum einzurichten. Das ist ja dann in Ordnung.

Weitere Kontaktstellen einzurichten, hängt natürlich eindeutig davon ab, wie die Krankenkassen sich nach dem neuausgerichteten Paragraph 20 verhalten. Es kann nicht angehen, daß alles die Stadt, der Senat, macht, und die Krankenkassen lehnen sich zurück und zahlen nichts. Wenn mehr Geld kommt, kann man auch über weitere Kontaktstellen reden, aber zunächst einmal hat der Senat gesagt, daß er im Süderelberaum etwas einrichtet. Damit sind wir einverstanden.

Zusammengefaßt kann man sagen, daß das Selbsthilfegruppensystem in Hamburg in guten Händen ist. Die Einrichtung des Selbsthilfegruppentopfes ist vorbildlich für alle anderen Bundesländer. Alle anderen Bundesländer, die ein ähnliches System haben, haben dieses in Hamburg abgeguckt. Wir hoffen, daß es möglichst bald zu einer besseren Kooperation mit den Krankenkassen kommt. – Vielen Dank

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich gebe das Wort der Abgeordneten Dr. Freudenberg.

A C

B D

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir freuen uns sehr, liebe CDU, daß Sie die Selbsthilfe wiederentdeckt haben, nachdem die CDU unter Gesundheitsminister Seehofer erst einmal die Förderung der Selbsthilfe als Krankenkassenleistung abgeschafft hat. Andrea Fischer hat sie wieder eingeführt, Rotgrün in Berlin hat es wieder gerichtet, und wir freuen uns, daß Sie es jetzt gut finden. Wir freuen uns, wenn Sie lernfähig sind, aber es ist ein ganzes Stück Arbeit, die Dinge wieder aufzubauen.

In Hamburg steht die Selbsthilfe zum Glück auf guten Füßen, weil in Hamburg in den achtziger Jahren viel entwickelt wurde und auch, als dank Seehofer die Förderung eingestellt war, weiter durch den Senat gefördert wurde. Darum haben wir hier relativ gute Bedingungen.

Als das Gesetz im letzten März wieder eingeführt wurde, wurde es von allen begrüßt, auch von den Krankenkassen. Aber wir sind enttäuscht, daß die Krankenkassen jetzt mauern und die Umsetzung verschleppen. Wir begrüßen deshalb die Große Anfrage der CDU und haben beantragt, sie an den Gesundheitsausschuß zu überweisen, damit wir nachfragen können, wie jetzt die Zusammenarbeit, das Feilschen, das Arbeiten zwischen Senat und Krankenkassen vorangeht. Wir werden das beobachten, denn wir akzeptieren das nicht. Wir akzeptieren vor allem nicht, daß die Krankenkassen keine Transparenz haben, so daß wir nicht sehen können, wie sie fördern. Sie sagen, daß sie es wegen des Wettbewerbs und der Geheimhaltung nicht machen können, und meinen, „das ist doch alles Käse“, wenn im Gesetz steht, daß sie so fördern müssen.

(Beifall bei der GAL)

Ich möchte noch etwas zu dem CDU-Antrag sagen, den wir ganz klar ablehnen.

Frau Brinkmann, die Förderung ist jetzt sogar von 1000 DM auf 2000 DM pro Gruppe erhöht worden. Wir denken, das ist gut so. 5000 DM auf einen Schlag fänden wir zu viel. Besonders wichtig ist die Vielfalt in diesem System, die vielen Gruppen, die oft von ganz wenigen Menschen gegründet werden und die gute Arbeit leisten. Geärgert hat mich, daß Sie von der CDU, wie man das ja immer leicht macht, fast reflexartig den Senat auffordern, er solle für die Selbsthilfekontaktstellen eine zielgerichtete Weiterbildung anbieten. Wo sind wir eigentlich? Die Selbsthilfegruppen sind kompetent. Das sind die Experten. Ich würde eher vorschlagen, daß wir die Selbsthilfegruppen bitten, den Senat und auch die Mitglieder des Gesundheits- und des Sozialausschusses weiterzubilden. Die Leute wissen über viele Erkrankungen viel besser Bescheid als die Experten. Das ist ja gerade ihre Stärke. Wir können jetzt nicht gießkannenförmig Leute weiterbilden, das ist todlangweilig. Es ist viel besser, deren Kompetenz endlich anzuerkennen, sie als Partner ernst zu nehmen, und das machen wir jetzt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Jobs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den wichtigsten Kritikpunkt hat Frau Dr. Freudenberg gerade genannt. Dem brauche ich nichts hinzuzufügen. Trotzdem ist es gut, daß dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt worden ist und daß die CDU jetzt einen positiven Bezug zu Selbsthilfegruppen gefunden hat. Diese Selbsthilfegruppen – das

haben nun alle festgestellt – sind ein sehr wichtiger Faktor im Gesundheitssystem. Dem wird viel zuwenig und viel zu selten Aufmerksamkeit gewidmet.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Die REGENBOGEN- Gruppe ist auch eine Selbsthilfegruppe!)

Die Anfrage hat gezeigt, daß der Senat ein Konzept zur Förderung dieser Gruppen vermissen läßt und wie die Krankenkassen mauern. Dementsprechend ist es gut und richtig, daß wir uns im Gesundheitsausschuß weiter damit befassen und versuchen, den Senat dorthin zu bringen, daß er tatsächlich besser die Förderung dieser Gruppen voranbringt, als er es bisher getan hat. Zufriedenstellend ist das, was bisher gelaufen ist, nicht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt Senatorin Roth.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Selbsthilfegruppen in Hamburg haben eine große Tradition. Ich bin ein bißchen stolz darauf, daß es so viele gibt, die auch sehr unterschiedliche Themen haben. Wenn die eine oder andere Selbsthilfegruppe sich zum Beispiel wieder auflöst, kann der Senat natürlich nicht an Stelle dieser Selbsthilfegruppe eine neue Selbsthilfegruppe bilden. Das ist nicht die Philosophie der Selbsthilfegruppen. Da muß man es auch akzeptieren, wenn eine Gruppe zum Beispiel nicht mehr genügend Mitglieder hat. Das gilt auch für den Bereich der illegalen Drogen, Herr Wersich. Da hatten wir vor kurzer Zeit eine solche Situation. Aber das darauf zu reduzieren, wäre falsch.

Entscheidend ist die Frage, was die Bundesregierung getan hat, um die Selbsthilfegruppen zu fördern, und was hat dieser Senat getan, um das zu unterstützen. Da ist es zu begrüßen, daß die rotgrüne Koalition in Berlin erst einmal die Voraussetzung dafür geschaffen hat, daß die Krankenkassen für die Selbsthilfegruppen pro Mitglied einen Beitrag bezahlen müssen. Das ist der Unterschied zwischen der vorherigen Regierung und der jetzigen, daß wir ein solches Gesetz haben.

(Beifall bei der SPD)

Daß es jetzt darauf ankommt, die Umsetzung dieses Gesetzes zu organisieren, steht außer Frage. Wir haben deutlich gemacht, daß der Senat auf der Grundlage des Gesetzes wachen wird, ob die Krankenkassen ihren Beitrag leisten. Aufgrund der vorhandenen Information gehen wir zur Zeit nicht davon aus – das erste und dritte Quartal 2000 sagt uns das –, daß die Krankenkassen entsprechend ihren Mitgliedern das Volumen erreichen, das sie normalerweise fördern müssen. Dann werden wir als Aufsichtsbehörde entsprechend eingreifen und von den Krankenkassen verlangen, daß sie ihren Beitrag zu leisten haben, damit die Selbsthilfegruppen, so wie es nach dem Gesetz vorgesehen ist, ihren Beitrag bekommen. Das ist pure Selbstverständlichkeit.

Bezogen auf den Senat und unsere Unterstützung für die Selbsthilfegruppen gilt es gleichermaßen, unsere Aktivität zu verstärken. Wir haben mit den Krankenkassen ein sogenanntes Finanzierungssystem verabredet, das möglichst wenig Bürokratie produziert. Genau das ist es, was wir beibehalten wollen, was bundesweit anerkannt und abgekupfert wird. Man wird nicht dadurch glücklicher, indem man versucht, möglichst viel Geld zu organisieren und die Selbsthilfe mit vielen Abrechnungsunterlagen zu bela

sten. Es geht darum, den Selbsthilfegruppen möglichst unbürokratisch Zugang zu Finanzen zu geben. Die 1000 DM – zukünftig 2000 DM – sind eine solche Überlegung und mit der Finanzbehörde abgesprochen. Das ist ein vernünftiges Finanzierungssystem. Bisher haben die Selbsthilfegruppen dafür auch Akzeptanz gehabt, und sie wollten keine andere Art der Finanzierung haben. Das ist richtig und sollte beibehalten bleiben.

Bezogen auf das Thema Kontaktstellen und Informationsstellen, Frau Brinkmann, haben Sie, bezogen auf die Frage der flächendeckenden Maßnahmen, genügend gesagt. Es ist richtig, wir haben zur Zeit drei Kontaktstellen und wir beabsichtigen, im Süderelberaum eine vierte einzurichten. Voraussetzung ist allerdings, daß die Krankenkassen ihren Beitrag bezahlen, damit wir diese Kontaktstelle finanzieren können.

Zum Thema Weiterbildung und Qualifizierung, Frau Dr. Freudenberg, haben Sie viel Gutes gesagt. Es stimmt, Selbsthilfegruppen sind Experten in eigener Sache und die Informations- und Beratungsstelle KISS macht natürlich Weiterbildung. Aber ansonsten müssen wir Selbsthilfearbeit unterstützen, weil wir davon ausgehen sollten, daß die Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen. In diesem Sinne unterstützen wir die Aktivitäten. Wir bedanken uns bei der CDU für die Nachfrage.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich zunächst über den CDU-Antrag, die Drucksache 16/5789, abstimmen. Wer möchte denselben annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wer stimmt einer Überweisung der Großen Anfrage, Drucksache 16/5608, an den Gesundheitsausschuß zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf: Drucksache 16/5446, Große Anfrage der GAL-Fraktion zum Thema Schulprogrammentwicklung.

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Schulprogrammentwicklung – Drucksache 16/5446 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Die Abgeordnete Goetsch hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon spät, und jetzt kommen noch die fachspezifischen Debatten. Ich will mich auf einige Punkte beschränken.