Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

(Anja Hajduk GAL: Nein, das haben Sie falsch ver- standen!)

Als SPD-Mann würde ich es mir nicht gefallen lassen, wie Sie mit einem solchen essentiellen Gesetz umgegangen sind. Diese Unwahrhaftigkeit, diesen Spagat innerhalb der

Grünen haben Sie mit Ihrem sonst sehr richtigen Beitrag nicht ausgeräumt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Die Bürgerschaft soll von der Drucksache Kenntnis nehmen; das hat sie getan.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Drucksache 16/5413: Große Anfrage der GAL-Fraktion zur Versorgung der Hamburger Bevölkerung mit breiten Freizeit-, Gesundheits- und Leistungssportangeboten.

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Versorgung der Hamburger Bevölkerung mit Breiten-, Freizeit- und Gesundheits- und Leistungssportangeboten – Drucksache 16/5413 –]

Die CDU-Fraktion möchte diese Drucksache an den Jugend- und Sportausschuß überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. de Lorent hat es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß nach dieser hitzigen Debatte die Bereitschaft im Plenum vorhanden ist, sich dem Sport zu widmen.

Ich möchte natürlich dem Senat vorweg für die fleißige und umfangreiche Antwort danken. Ich habe in Gesprächen mit Herrn Schulke und Herrn Dankert gemerkt, daß die Begeisterung über die Intensität unserer Fragen nicht überall groß gewesen ist. Aber ich denke, daß wir einiges Material erhalten haben, um uns vernünftig damit auseinandersetzen zu können.

Da ich einmal davon ausgehe, daß sich die meisten von Ihnen nicht durch diesen dicken Wälzer durchgekämpft haben,

(Wolfgang Marx SPD: Doch!)

möchte ich einige Fakten noch einmal zusammenstellen, so daß alle wissen, worum es geht.

Aus der Antwort des Senats geht eindeutig hervor, daß die Hamburgerinnen und Hamburger ein wirklich sportliches Völkchen sind. Knapp 500 000, also 30 Prozent, sind Mitglied in den 773 Hamburger Sportvereinen. 150 000, also 10 Prozent, der Hamburgerinnen und Hamburger betätigen sich darüber hinaus sportlich in den 220 Fitneßclubs oder bei anderen kommerziellen Anbietern. Das ist ein Punkt, auf den ich am Ende noch einmal zurückkomme. Das heißt, daß insgesamt 40 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger sportlich organisiert sind. Das ist eine erhebliche Anzahl. Mittlerweile wurde der Verein Rathauskicker e.V. gegründet, der aus Mitgliedern dieses Hauses besteht. Auch wir zeigen, daß wir in diese relativ große Gemeinde der Sporttreibenden gehören.

Dazu kommen darüber hinaus natürlich noch diejenigen, die nicht aktiv in Vereinen oder Clubs Sport treiben, die regelmäßig um die Alster laufen und in den Parks wie beispielsweise im Stadtpark Fußball oder Volleyball spielen. Ich darf auch die 250 000 Inline-Skater und diejenigen, die in Schwimmhallen ihre Bahnen ziehen, nicht vergessen. Es ist auch augenfällig, daß die Zahl derjenigen, die unorganisiert Sport treiben, im Vergleich zu denen zunimmt, die das in den Vereinen tun und deren Zahl stagniert.

In Hamburg finden und fanden in den letzten Jahren einige politische Großereignisse statt. Wenn Sie die HEW

(Dr. Martin Schmidt GAL)

Cyclassics, den Hansaplast-Marathon oder aber die Skatinginitiativen im Stadtpark und den Triathlon nehmen, dann sind das alles Sportaktivitäten, die zunehmende Teilnehmerzahlen verzeichnen. Die Tendenz wird auch 2001 steigend sein.

Im Bereich Profifußball, über den wir auch in letzter Zeit schon geredet haben, gibt es bei den Vereinen eine erfreuliche Steigerung der Zuschauerzahlen und der Leistungen, wobei es beim HSV im Moment ein bißchen schlecht aussieht.

Insgesamt haben wir angesichts der Bedeutung des Sports als unentbehrlicher Beitrag zur Gesundheit, Freizeitgestaltung und für das soziale Miteinander einen guten Grund, erfreut auf diese Entwicklung zu schauen.

Sehen wir uns einmal an, was Hamburg dafür getan hat. Hier gibt es einige bemerkenswerte Feststellungen. Sie alle haben von dem Drei-Säulen-Modell gehört, das den Hamburger Sport unterstützt. Darüber haben wir – manchmal auch strittig – häufig geredet. Die erste Säule beinhaltet die kostenfreie Nutzung der Sportstätten und die zweite die kostenfreie Bereitstellung von Flächen zum Bau vereinseigener Anlagen. Die dritte Säule führt die 15 Prozent der Hamburger Lotto- und Totomittel zu, die insbesondere dem Hamburger Sportbund und dem Hamburger Fußballverband zugute kommen. Diese Leistungen stellt die Politik dem organisierten Sport zur Verfügung.

Wenn man diese Sportförderung zusammenrechnet, kommt man in den Jahren 2000 und 2001 auf erhebliche Summen von immerhin 18,8 Millionen DM beziehungsweise 19,6 Millionen DM. Das heißt, daß Hamburg wirklich eine ganze Menge dafür tut, daß der Sport sich hier so positiv entwickelt hat.

Ich möchte kurz noch auf den Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport eingehen. Auch hier ist bei der Sportförderung eine erhebliche Größenordnung zu verzeichnen. Immerhin bedeuten 17,6 Millionen DM im Jahre 2000 und 18,5 Millionen DM in 2001 eine deutliche Steigerung. Diese zur Verfügung gestellten Summen sind schon erheblich.

Wenn Sie noch eine Zahl zum Leistungssport hören wollen: Auch für diesen Bereich werden 1,1 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag ist ebenfalls leicht angestiegen.

Im unorganisierten Sport ist die Förderung naturgemäß ein wenig geringer. In diesem Bereich sind besonders die Zahlen für die Subventionierung von Bäderland auffällig. Hierfür wird für alle diejenigen, die in Schwimmbädern Sport treiben, ein Betrag in einer stattlichen Größenordnung von 34 Millionen DM zur Verfügung gestellt.

Aber es gibt auch offene Sportangebote, die für uns zunehmend wichtig sind. Das sind kostenlose Angebote für jugendliche Skater, Fußballturniere für Jugendliche und – was besonders wichtig ist – für die Bewegungsförderung in Schulen und die nachmittägliche Öffnung der Schulhöfe, die von Jugendlichen stark genutzt wird. Diese Entwicklung ist für die Stadt positiv.

Ein wenig schlechter sieht es bei der Förderung des unorganisierten Sports für Erwachsene aus. Hier gibt es Schwierigkeiten. Über ein Problem haben wir ab und zu gesprochen. Aufgrund der zur Verfügung stehenden begrenzten Hallenzeiten ist es sehr schwierig, daß diese Gruppe die Hallen nutzen kann, weil sich die Sportvereine zu Recht bemühen müssen, die Hallenzeiten auszufüllen.

Um die Größenordnung des Sports in Hamburg zu würdigen, möchte ich Ihnen auch dazu noch einige Zahlen nennen. Es gibt in Hamburg 642 Sporthallen, 231 Sportplätze, 122 Tennisanlagen, 25 Hallenbäder, 17 Freizeitbäder und 83 Wassersportanlagen. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. Hamburg ist eine große Stadt, und es zeigt sich, daß für den Sport sowohl von staatlicher Seite als auch von seiten der Sportvereine einiges getan wird. Darüber können wir insgesamt relativ froh sein.

Ich möchte jetzt auf die besonders interessante Frage kommen, was in Zukunft noch zu tun ist und wo möglicherweise Entwicklungspotential besteht. Ich prognostiziere, daß sich im 21. Jahrhundert das weiter verändern wird, was sich in der Tendenz schon jetzt andeutet: Es wird insbesondere im und durch den Breitensport Veränderungen geben. Hier wird deutlich, daß bei den Hamburgerinnen und Hamburgern, ähnlich wie in anderen Städten, ein Wandel der Sportbedürfnisse zu verzeichnen ist. Der Trend geht weg vom Verein hin zur offenen, unorganisierten Bewegungsform. Zunächst macht sich dieser Trend kaum bemerkbar, aber diese Entwicklung ist auch in anderen Organisationen festzustellen. Sie bedeutet für die Sportvereine zum Teil ein ernsthaftes Problem, dem sie sich aber stellen müssen.

Es ist auch ein Problem für die Vereine, das entsprechende Sportangebot darauf abzustellen, daß insbesondere jüngere Menschen bestimmte Formen des organisierten Sports und der Vereinshuberei weniger mögen, als dies vor zwanzig oder dreißig Jahren der Fall war, weil sie zum Teil auch eine andere Funktion hatte. Darauf müssen nicht nur Sportvereine und -verbände, sondern auch die Politik reagieren.

Ich möchte zwei Beispiele nennen. Es wird einschließlich der Berücksichtigung von Trendsportarten, die eine größere Rolle spielen werden, auch bei städtebaulichen und quartiersbezogenen Maßnahmen eine verstärkte Einbeziehung von vereinsungebundenen Sportmöglichkeiten geben müssen. Hierfür wurden in Hamburg erste Schritte getan. Zu nennen sind die Skatinganlagen, Beachvolleyball-Felder oder die Initiativen – wie beispielsweise die Meilensteine um die Alster, die Unterstützungen von Freizeitsportlern –, die zum Teil aus diesem Hause, aber auch aus den Fraktionen der Bezirksversammlungen gekommen sind und auch die Unterstützung durch die Politik gefunden haben.

Ich nenne auch die Anregungen in unserem kürzlich gestellten Antrag, ob wir für die vielen Jogger und Freizeitsportler Umkleide- und Duschmöglichkeiten im Stadtpark zur Verfügung stellen sollten. Ich glaube, daß auch zu diesen Themen in der nächsten Legislaturperiode noch einiges kommen wird.

Mein zweiter Punkt ist, daß sich die Angebotspalette der Sportvereine kontinuierlich erweitern und es mehr Flexibilität geben muß. Wir können aber nicht beeinflussen, daß starre Trainingszeiten durch offene Sportangebote abgelöst werden. Bei der Entwicklung der Sportvereine in Hamburg werden Sie feststellen, daß „Sportspaß“ mittlerweile der am meisten expandierende Verein in Hamburg ist, obwohl er noch keine lange Geschichte hat.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ein Verein im Verein!)

Dieser Verein hat genau diesen Trend erkannt und macht gute Angebote. Eine neue Halle ist gerade von Herrn Senator Wrocklage eingeweiht worden.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

Auch traditionelle Vereine wie der ETV mit seinem Gesundheitszentrum oder die TSG Bergedorf gehen darauf ein und machen entsprechende Angebote. Sie akquirieren dadurch viele Mitglieder, die sie sonst nicht bekommen hätten. Es gibt in Hamburg sehr viele Fitneßcenter, die diesen Trend erkannt und mittlerweile 220 000 Mitglieder haben. Sie machen Angebote, bei denen man ungebundener, individueller, nicht in Gruppen Sport treiben kann, obwohl man dafür sehr viel mehr Geld bezahlen muß als im Sportverein. Hieraus kann man folgern, daß diese erfolgversprechende Richtung noch stärker eingeschlagen werden muß.

Lassen Sie mich zum Schluß ein Resümee ziehen. Die Sportangebote für die Hamburgerinnen und Hamburger bewegen sich durchaus auf einem hohen Niveau. Wichtige Schritte zur Verbesserung des Angebots wurden unternommen. Trotzdem muß die Sportpolitik verstärkt den Bürgerinnen und Bürgern Räume und Gelegenheiten für ein offenes oder vereinsgebundenes Sporttreiben mit unterschiedlichen Zielsetzungen ermöglichen. Das Hauptaugenmerk muß dabei auf der Befriedigung der Sportbedürfnisse vor allem im Bereich Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport liegen, und das bei einem weiterhin effektiven Einsatz der auch für diesen Bereich begrenzten Haushaltsmittel.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Herr Schmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Antworten des Senats auf diese Große Anfrage sind eine Fleißarbeit in positivem Sinn. Sie geben uns Sportpolitikern sehr viele interessante Informationen. Deshalb möchte ich, genauso wie mein Vorredner, dem Innensenator, dem Sportamt und dem Hamburger Sportbund ausdrücklich danken.

Es handelt sich um eine ganz hervorragende Übersicht über das Spektrum der Sportförderung in unserer Stadt, vom Sitzvolleyball über das Sportfest am Hammer Park bis hin zum Marathon.

(Dr. Ulrich Karpen CDU: Bitte nicht noch einmal alle Zahlen!)

Der gesamte Grundtenor bestätigt erneut: Hamburg hat eine Menge für den Sport übrig, und das ist gut so.

Dem Breitensport kommt natürlich aufgrund seiner gesundheitsfördernden wie sozialen und integrativen Funktion eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung zu. Deshalb an dieser Stelle die ausdrückliche Feststellung: Die SPDFraktion will an dem bewährten Drei-Säulen-Modell, 15 Prozent der Lotto- und Totomittel, unentgeltliche Nutzung der Sportstätten und die unentgeltliche Überlassung von Grund und Boden für vereinseigene Sportanlagen, festhalten. Dies ist auch das erfreuliche Ergebnis im Vorfeld der Erörterung über das Wahlprogramm der Hamburger SPD.

Die GAL hat mit der Fragestellung zu dem nicht organisierten Sport – das ist auch aus dem Beitrag von Herrn de Lorent deutlich geworden – eine gewisse Distanz zum Vereinssport erkennen lassen. Allerdings möchte ich bemerken: Wenn der Hamburger Sportbund eine halbe Million Mitglieder hat, können bei einer Einwohnerzahl von 1,7 Millionen schon allein deshalb die unorganisierten Sportlerinnen und Sportler nicht 70 vom Hundert ausmachen. Denn

auch die GAL wird wissen, daß es ganz junge und auch ganz alte Erdenbürger gibt, dann diejenigen, die den kommerziellen Anbietern zugetan sind, wie Sie ausgeführt haben. Dann gibt es auch noch die Leute, die es mit Churchill halten: No sports! Die muß man fairerweise abrechnen. Wenn Sie dann einen Dreisatz aufstellen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, daß Sie weit unter 70 Prozent liegen. Ich finde diese Argumentation, wie Sie sie in Ihrer Großen Anfrage zum Ausdruck gebracht haben, nicht ganz fair. Solche Polemik sollten wir unter uns Sportlern doch lieber unterbleiben lassen.

(Dr. Ulrich Karpen CDU: Wie ist denn das Ergebnis des Dreisatzes, Herr Schmidt?)

Ein Wort zu den Vereinsfusionen im Hamburger Sport. Der Trend ist eindeutig. Alle Top-Ten-Vereine legen geschlossen an Mitgliederzahlen zu. Noch nie wurden soviel „Ehen“ geschlossen; vier Fusionen allein im Jahr 2000. Damit stellen sich die Sportvereine auf die immer stärker werdende Konkurrenz von kommerziellen Anbietern ein. Wenn sich die Vereine zusammenschließen, ist das ein richtiger Schritt für die Zukunft, um dieser Entwicklung sinnvoll begegnen zu können. Dabei dürfen jedoch die kleineren Vereine nicht überfahren werden. Denn auch deren Angebot ist wichtig und notwendig. Dieses Angebot muß sich auf die Bedürfnisse der Mitglieder ausrichten. Dann werden auch diese kleineren Vereine Erfolg haben.