Protokoll der Sitzung vom 25.04.2001

Die Gutachter sind den Ausstattungsunterschieden zwischen den Schulformen akribisch nachgegangen. Auch hier bestätigt das Ergebnis der Gutachter die Hamburger Praxis. Die Unterschiede zwischen den Schulformen sind aufgrund der unterschiedlichen Bildungs- und Erziehungsaufgaben, aufgrund der unterschiedlichen Schülerschaften und aufgrund der unterschiedlichen Komplexität der Systeme gerechtfertigt. Hier ist im einzelnen schon darauf hingewiesen. Der Gutachter bestätigt dieses auch für die Ausstattung der Gesamtschulen, was in der politischen Diskussion häufig angezweifelt worden ist. Die Gesamtschule hat aber die besondere Aufgabe, Schulabschlüsse lange offenzuhalten, und sie trägt die Aufgabe der Integration sehr heterogener Schülerschaften und auch einen Großteil der Integration der ausländischen Schülerinnen und Schüler.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf die Konsequenzen eingehen, die aus dem Gutachten gezogen werden können. Zu Recht weisen die Gutachter darauf hin, daß die Unterschiede zwischen den Schulen ein- und derselben Schulform zunehmend höheres Gewicht bekommen, mehr als die Unterschiede zwischen den Schulformen. Dieses Ergebnis hat LAU dargestellt. So konsequent es vor diesem Hintergrund ist, die Eigenverantwortlichkeit der Einzelschule zu stärken, so notwendig wird es aber andererseits sein, dem auf die spezifischen Merkmale der Schülerschaften ausgerichteten pädagogischen Programm auch bei der Mittelzuweisung Rechnung zu tragen. Hierzu schlägt das DIPF vor, einen gesonderten Stellenpool für innovative Vorhaben einzurichten. Richtigerweise binden die Gutachter diesen Vorschlag an eine Evaluationspflicht der Schulen. Wer für zusätzliche Leistungen zusätzliche Mittel erhält, soll künftig nachweisen, daß er die damit verbundenen Ziele tatsächlich erreicht. Dieser Vorschlag paßt sich ein in die mit dem Schulgesetz eingeleitete Entwicklung, die Schwerpunkte der pädagogischen Arbeit in Schulprogrammen festzulegen und deren Erfolg mit dem Instrument der Evaluation zu überprüfen.

Hierzu passen auch die weiteren Empfehlungen der Gutachter. Mit den veränderten Aufgaben der Schulleitung verlieren die schulformspezifischen Unterschiede zunehmend an Gewicht, so daß hier mittelfristig eine Neubemessung geboten scheint. Der Senat hat der zuständigen Behörde zu den genannten Punkten Prüfaufträge erteilt, die wir in den kommenden Monaten bearbeiten werden.

Sie sehen, daß wir das DIPF-Gutachten keineswegs zum Anlaß nehmen, uns zufrieden zurückzulehnen. Es geht darum, insbesondere die Rechenschaftslegung weiter zu verbessern und die Frage der Zielgerechtigkeit der eingesetzten Mittel in den Mittelpunkt der Weiterentwicklung unseres Schulwesens zu stellen, aber wir fühlen uns darin bestärkt, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Die Bürgerschaft soll Kenntnis nehmen. Das hat sie getan.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 und 29 auf: Drucksachen 16/5716 und 16/5717.

[Bericht des Verfassungsausschusses über die Drucksachen

(Christa Goetsch GAL)

16/2966: Gesetz zur Änderung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (Interfraktioneller Antrag) mit 16/2967: Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Interfraktioneller Antrag) und 16/2968: Änderung der Verordnung zur Durchführung des Hamburgischen Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Interfraktioneller Antrag) – Drucksache 16/5716 –]

mit

[Bericht des Verfassungsausschusses über die Drucksache 16/2980: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg – Drucksache 16/5717 –]

Zum Bericht des Verfassungsausschusses, Drucksache 16/5716, weise ich darauf hin, daß heute in erster Lesung lediglich über das die Verfassung ändernde Gesetz abgestimmt werden soll. Die zweite Lesung ist für die Doppelsitzung am 9./10. Mai vorgesehen.

Über das Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid und die Änderung der Volksabstimmungsverordnung soll in der Sitzung am 30. Mai abgestimmt werden.

Zum Bericht des Verfassungsausschusses, Drucksache 16/5717, mache ich darauf aufmerksam, daß heute ebenfalls in erster Lesung lediglich über das die Verfassung ändernde Gesetz abgestimmt werden soll. Es handelt sich um Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg und andere Gesetze, Drucksache 16/2980. Die zweite Lesung ist auch hier für die Doppelsitzung am 9./10. Mai vorgesehen.

Über die weiteren Gesetze soll in der Sitzung am 30. Mai abgestimmt werden. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Der Abgeordnete Dr. Schmidt hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur Erinnerung: Über die Einführung von Elementen der direkten Demokratie reden wir in neuerer Zeit seit 1992, nämlich seit dem Bericht der Enquete-Kommission zur Parlaments- und Verfassungsreform. Die Bürgerschaft brauchte bis 1996, um das umzusetzen. Dann gab es bei der großen Parlaments- und Verfassungsreform auch den neuen Artikel 50 mit der sogenannten Volksgesetzgebung. Das Volk las das und begann sofort, seine neuen Rechte wahrzunehmen. Es gab 1997 eine erfolgreiche Volksinitiative, im Frühjahr 1998 das sehr erfolgreiche Volksbegehren, und im Sommer 1998 war in Hamburg etwas los, denn die Volksabstimmung am Tag der Bundestagswahl drohte.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Wir verstehen hier nichts!)

Sie verstehen wieder nichts? Höher geht das Pult nicht. Ich bin in Höchstform.

(Heiterkeit im ganzen Hause – Zuruf: Sie müssen etwas in die Knie gehen!)

Wir erinnern uns an den Sommer 1998. Da drohte die Volksabstimmung am Tag der Bundestagswahl im September, und die Fraktionen dieser Bürgerschaft waren sich uneins; besonders uneins waren sich die Koalitionsfraktionen. Die einen wollten, daß die Volksinitiative und das Volksbegehren zum Siege kommen, und waren deshalb

nicht daran interessiert, daß die Bürgerschaft etwas anderes vorschlägt. Die anderen, die die Verfassungsänderung von 1996 schon für ein sehr weites Entgegenkommen gegenüber neumodischen Strömungen hielten, wollten das genaue Gegenteil. In der SPD liebäugelte man mit einem gemeinsamen Antrag mit der CDU, und die Sechserbande bahnte schon einmal einen Weg dazu. Dann aber schließlich einigte man sich doch innerhalb der Koalition auf den Versuch eines Kompromisses. Der fand in der Weise statt, daß es die bisher erste und einmalige Sitzung des in der Koalitionsvereinbarung vereinbarten sogenannten Koalitionsausschusses zur Regelung von Problemen gab. So kam es zu einem gemeinsamen Bürgerschaftsbeschluß der Koalitionsfraktionen. Es gab also einen Alternativvorschlag bei der Volksabstimmung.

Das Ergebnis der Volksabstimmung am 27. September 1998 ist Ihnen sicher auch noch in Erinnerung. Abgesehen davon, daß das Volk von Hamburg zum ersten Mal als Gesetzgeber auftrat und das Bezirksverwaltungsgesetz um den Paragraphen 8a ergänzte, haben von den Abstimmenden über zwei Drittel dem Vorschlag von „Mehr Demokratie“ zur Verfassungsänderung zugestimmt und immerhin noch weit mehr als die Hälfte sogar auch dem Vorschlag der Bürgerschaft. Aber es hat nicht gereicht, weil dies nur 45 Prozent der Wahlberechtigten waren und nicht mindestens 50 Prozent, wie die Verfassung es vorsieht.

Noch einmal eine Zahl zur Erinnerung an diese Abstimmung: Die hier im Parlament vertretenen Parteien haben bei der letzten Bürgerschaftswahl im September 1998 insgesamt 665 000 Stimmen und das Volksbegehren von „Mehr Demokratie“ hat bei der Volksabstimmung 550 000 Stimmen bekommen. Das ist weit mehr, als es eine Zweidrittelmehrheit in diesem Saale wäre.

Von diesem eindrucksvollen Volkswillen beflügelt und beeindruckt versprachen alle drei Parteien und Fraktionen der Bürgerschaft, dem Volk entgegenzukommen. Es gab zahlreiche Gespräche und Verhandlungen und schließlich am 26. März 1999 – also ein halbes Jahr nach der Volksabstimmung – ein Einigungspapier zwischen CDU, SPD und GAL. Da wurde feierlich verkündet, daß man Verfassung und Gesetze ändern wolle, um in Zukunft Volksabstimmungen zu erleichtern. Das war kein schlechter Kompromiß.

Warum wird aber dessen Inhalt erst heute, über zwei Jahre danach, in der Bürgerschaft verhandelt und in erster Lesung verabschiedet? Waren da böse Mächte tätig, die eigentlich die Verabschiedung verhindern wollten? Oder ist die Bürgerschaft unfähig, schnell zu agieren? Oder liegt es an der notorischen Qualitätsarbeit des Verfassungsausschusses, bei dem alles immer sehr lange dauert? Nichts von alledem oder von allem etwas. Ich erzähle Ihnen jetzt die Geschichte der aufhaltsamen Verabschiedung dieses Gesetzes:

Im März 1999 hatte die größte Fraktion in diesem Hause bei der gemeinsamen Verabschiedung des Papiers versprochen, dieses Papier zu einem von allen Fraktionen einzubringenden Bürgerschaftsantrag umzuformulieren. Sie benötigte dazu viele Monate, nämlich bis zum August 1999. Eigentlich ein bißchen lang, aber auch noch nicht besonders aufregend.

Verabredungsgemäß sollten die nach der gemeinsamen Erklärung neu zu schaffenden Möglichkeiten besonderer Einigungsverfahren im Verfassungsausschuß nach gründlicher Beratung und Anhörung von Experten einvernehm

(Vizepräsident Berndt Röder)

lich festgelegt werden. Also wurde der Antrag im September 1999 an den Verfassungsausschuß überwiesen, und dort wurde eine Sachverständigenanhörung für Dezember festgelegt. Das war nicht extrem schnell, aber angesichts einer neuen Materie auch keine mutwillige Verzögerung.

Die Anhörung fand im Dezember statt.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Ich sehe fraktionsübergreifend dieselben Gesprächskreise wie auch beim letzten Tagesordnungspunkt. Es würde sich andienen, den Redner etwas besser zu Wort kommen zu lassen und wichtige Gespräche außerhalb des Raumes zu führen.

Wir sind jetzt schon im Dezember 1999. Da war die Anhörung.

(Heiterkeit im Hause)

Wie immer dauerte es einige Wochen, bis das Wortprotokoll vorlag. Das geht zwar woanders schneller, aber hier ist das normal. Dann wurde es aber inhaltlich spannend. Jetzt stellte sich heraus, daß die ursprünglichen Formulierungen mißverständlich waren, im Grunde eine Überregulierung vorsahen. Das war in der Sachverständigenanhörung deutlich geworden, und damit war die ganze Sache in die Hände der Juristen geraten. Mit Rechtsfragen ist es wie mit Kriegen: Kriege darf man nicht den Generälen überlassen und Rechtsfragen nicht den Juristen. Also tagte der Ausschuß erst ein paarmal ohne Ergebnis. Die Auguren witterten schon Verrat, aber es war pure Ratlosigkeit. Das ist auch in anderen Ausschüssen schon vorgekommen. Was macht man dann? Der Ausschuß setzt seine Arbeitsgruppe ein. Die tagte ein paarmal in gleicher Ratlosigkeit. Aber im Sommer 2000 – genauer genommen im August – ging es dann doch weiter. Den Nicht-Juristen im Arbeitskreis ist es gelungen, die Juristen davon zu überzeugen, daß einfache Dinge auch einfach geregelt werden können.

Es gab nämlich nur zwei verfassungsrechtlich relevante Punkte. Das eine war die Ermöglichung einer Fristverlängerung, wenn die Bürgerschaft und die Initiatoren einer Volksabstimmung sich einig sind, das zu wollen. Das soll jetzt durch eine Änderung der Verfassung möglich werden.

Das andere war die Frage, ob und von wem nach einem erfolgreichen Volksbegehren an dem vom Volk in Gestalt von vielleicht über 100 000 Bürgerinnen und Bürgern Gewünschten noch etwas geändert werden darf. Das heißt, ob Initiatoren der Volksinitiative das Recht haben sollen oder zugebilligt bekommen sollen, den Antrag zu verändern oder gar nicht zu stellen. Auch diese Frage ist jetzt einfach gelöst. Die jeweils nächste Stufe findet nur auf Antrag statt, und bei möglichen Änderungen gelten dieselben Regeln wie früher auch.

Die Arbeit dieser Arbeitsgruppe dauerte ein paar Monate. Es hätte auch schneller gehen können, aber das lag auch an der individuellen Arbeitskraft der Abgeordneten dieses Parlaments.

Vom November 2000 an ging es im Ausschuß nur noch um die Detailformulierungen von Verfassungs- und Gesetzesänderungen. Die SPD-Fraktion hat nun – im Gegensatz zum Sommer 1999 – sehr viel Arbeit geleistet. Der Justitiar der Bürgerschaft und der Verfassungsexperte der Senatskanzlei haben die Texte überprüft und mitgestaltet. Auch hier kann man kaum von größerer Verzögerung sprechen.

Aber irgendwie war natürlich in dem Ganzen der Wurm drin. Das wird deutlich an der letzten Verzögerung. Als wir im Verfassungsausschuß fertig waren und alle Termine festgelegt hatten, wurde das noch einmal um eine Sitzung verzögert, weil während der Frühjahrsferien niemand von der größten Fraktion dieses Hauses in der Lage war, das Protokoll noch einmal durchzusehen und zu billigen. Deswegen sind wir erst in dieser Sitzung dran. So arbeitet das Feierabend- und Ferienparlament Hamburgs.

Aber jetzt sind wir durch, und es fehlt nichts von dem, was die drei Parteien und Fraktionen im März 1999 vereinbart haben. Durch Volksabstimmung können in Zukunft nicht nur Gesetze erlassen, sondern auch Beschlüsse anderer Art gefaßt werden. Der Ausschlußkatalog – die Dinge, die nicht von einer Volksabstimmung betroffen sein dürfen – wird jetzt reduziert. Auch Einzelvorhaben oder Bauleitpläne können vom Volk im Rahmen der Verfassung entschieden werden. Alle Quoren werden reduziert. Bei der Volksinitiative reichen in Zukunft 10 000 Stimmen – bisher 20 000 Stimmen –, beim Volksbegehren genügt in Zukunft ein Zwanzigstel – bisher ein Zehntel –, und bei der Volksabstimmung wird die mehrheitliche Zustimmung von einem Viertel der Wahlberechtigten auf ein Fünftel gesetzt. Nur eines bleibt leider: Die Quoren bei der möglichen Verfassungsänderung werden nicht verändert. Da wollte die CDU keinen Millimeter nachgeben.

Die jeweils nächste Stufe im dreistufigen Verfahren findet nicht automatisch statt, sondern nur auf jeweiligen Antrag der Initiative. Alle Haushalte – das ist eine wichtige Änderung – bekommen in Zukunft vor einer Volksabstimmung ein Informationsheft zugeschickt, um genau zu wissen, worum es geht. Beim Volksbegehren wird die Möglichkeit des Unterschriftensammelns außerhalb der Behörden geschaffen. Dafür fällt dann die Informationspostkarte an alle Wähler weg.

Hamburg wird mit dieser Verfassungsänderung zu den wenigen Bundesländern gehören, die Volksabstimmungen als normalen Bestandteil des politischen Lebens erleben werden, so, wie wir es auf Bezirksebene seit 1998 haben.

An dieser Stelle möchte ich mir eine inhaltliche Bemerkung erlauben. In der heutigen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schreibt ein Professor der Politikwissenschaft einen Aufsatz über die „Direkte Demokratie“ mit der Überschrift

„Wenn die Bürger selbst entscheiden, ersetzt der Monolog den Dialog zwischen Wählern und Gewählten.“

Nach ungefähr zwei Jahren Hamburger Erfahrung bei den Bezirken kann man sagen, das Gegenteil ist richtig. Indem man dem Volk Elemente der direkten Demokratie in die Hand gibt, wird der Dialog zwischen den Wählern und den Gewählten deutlich verbessert. Freilich müssen sich die Bezirksversammlungen erst daran gewöhnen, und manche sollten etwas mutiger sein, eine Abstimmung zu riskieren.

Was fehlt jetzt noch an der Gesetzgebung? Auch im Bezirksverwaltungsgesetz sollte, wie jetzt in der Verfassung, eine Regelung eingeführt werden, die es erlaubt, die starren Fristen zu verlängern, wenn von beiden Seiten Gespräche mit Aussicht auf Erfolg gewünscht werden. Wenn Sie das auch noch in dieser Legislaturperiode beschließen, dann ist die Sache rund und ich kann gehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)