Protokoll der Sitzung vom 29.05.2002

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Hamburgs neuer Regierung herrscht eine sehr bemerkenswerte Arbeitsteilung: Ole von Beust tritt als freundlicher Strahlemann vor das Olympische Komitee oder das Konsularische Korps und lädt die Völker der Welt ein, nach Hamburg zu kommen, hier zu investieren und zu leben.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Erster Vizeprä- sident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Schill und Co. machen die Drecksarbeit und bedienen die niedrigen Instinkte, schüren Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das ist die Arbeitsteilung dieser Regierung, meine Damen und Herren.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie doch, sich im Tone zu mäßigen.

Ich zitiere Herrn Schill vom Parteitag der PRO-Partei.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Es gibt keine PRO-Partei!)

Er hat sich zur Verdoppelung der Ausländerzahl in Deutschland innerhalb von 30 Jahren – wohlgemerkt – so geäußert, dass er sagte, so werde der deutsche Wohlstand verfrühstückt. Er spricht angesichts der Kriegsflüchtlinge von Bosnien, die hier in größerer Zahl angekommen sind, von einem Skandal für Deutschland.

Meine Damen und Herren! Wenn Schill und Co. von Integration reden, meinen sie in Wahrheit Assimilation. Ich bleibe dabei, Herr Nockemann, Sie sind gegen das Wort, aber Sie haben gerade Herrn Bauer gehört. Herr Bauer hat gesagt, Minderheiten müssten in Mehrheiten aufgehen; das ist Assimilation.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ihnen geht es nicht um das Einfügen, das Mitwirken und Teilhaben an dieser Gesellschaft mit allen Stärken und Schwächen, sondern um das Unterordnen, um das Nützlichsein und das ist eben nicht Integration.

Zu all dem kommt, meine Damen und Herren, dass merkwürdigerweise Herr Fischer, Vorsitzender der CDU in Hamburg, das nun auch noch bestätigt, indem er erklärt hat, die Zuwanderung finde in die Sozialsysteme statt. Das ist aber nachweislich falsch und Herr Fischer muss es wissen. Denn die letzte Bundesregierung unter Herrn Kohl hat beim RWI 1997 eine Untersuchung über die Frage in Auftrag gegeben, wie die wirtschaftliche Seite der Zuwanderung aussehe. 1997 hat das RWI für die Bundesregierung festgestellt, dass die Ausländer in Deutschland damals 100 Milliarden DM an Steuern und Sozialabgaben aufgebracht und 70 Milliarden DM an öffentlichen Leistungen empfangen haben.

Meine Damen und Herren, die Integration, die Arbeit und das Leben von Ausländern ist für dieses Land ein Gewinn. Für Hamburg war das historisch schon immer so.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

280 000 Unternehmer mit ausländischer Herkunft haben mehrere 100 000 Beschäftigte. Mein türkischer Gemüsehändler steht morgens um 5 Uhr auf und ist abends der Letzte, wenn nach 20 Uhr der Laden geräumt wird.

(Rolf Gerhard Rutter Partei Rechtsstaatlicher Of- fensive: Woher wissen Sie das? Da sind Sie ja noch nicht wach!)

Er ist morgens um 5 Uhr auf und ist abends nach 20 Uhr, wenn der Laden geschlossen wird, der Letzte, der geht. Ich würde mir gern ein Beispiel an Herrn Schill nehmen, wenn er das einmal zustande bringen würde.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Karen Koop CDU: So was Blödes!) )

In Frankfurt beträgt der Ausländeranteil 30 Prozent. Im Mekka-Land von Herrn Schill, der bayerischen Hauptstadt München, liegt der Ausländeranteil weit über 20 Prozent und Hamburg hat einen Anteil von 16 Prozent. Die größte Integrationsleistung unserer Stadt war in den letzten Jahren nicht die Integration der Flüchtlinge, sondern die Integration der ganz großen Zahl von Aus- und Übersiedlern, die von der deutschen Bevölkerung zunächst einmal überwiegend nicht als Deutsche angenommen wurden. Das war die schwerste Integrationsleistung der letzten Jahre. Ich meine, darüber muss ein Satz gesagt werden.

(Antje Möller GAL)

Meine Damen und Herren, der Erste Bürgermeister Ole von Beust kommt mir vor wie ein Kutscher, der sich auf seinem Bock sonnt, aber heimlich braune Rösser vor den Karren gespannt hat. So hat es die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert.

(Zuruf von Elke Thomas CDU)

Für mich, für die SPD, ist Herr Schill ein Sicherheitsrisiko.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Für mich ist ein Politiker, der sich öffentlich so zum Thema Ausländer äußert, wie es Herr Schill getan hat, ein Sicherheitsrisiko. Er ist untragbar als Innensenator und zugleich als Zweiter Bürgermeister. Herr von Beust, schützen Sie diese Stadt vor der Hasskappenpolitik von Herrn Schill.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Oh-Rufe bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Schira, der schon da ist.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Grund, ich kann verstehen, dass Sie und auch Ihre Fraktion nach den Haushaltsberatungen auf etwas gewartet haben, bei dem man mal ordentlich in die Mottenkiste der Ideologien greifen kann. Sie haben diesem Parlament zu Beginn der Legislaturperiode versichert, dass Sie für Hamburg engagierte und sachliche Politik betreiben wollten. Ihre Rede war heute das ganze Gegenteil davon.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Der Titel der Anmeldung und die Redebeiträge der Opposition sind nichts weiter, wie ich finde, als der untaugliche Versuch, den Senat in eine Ecke zu stellen, in die er nicht gehört

(Ingo Egloff SPD: Wer macht denn das?)

und in die er sich von Ihnen schon gar nicht drängen lässt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Elke Thomas CDU: Eine Hetzkampagne war das! – Ingo Egloff SPD: Knei- fen Sie doch nicht!)

Was ist nun in den letzten Wochen in dieser Stadt passiert? Der Senat hat in der Tat das Beauftragtenwesen – manche sagen -unwesen – in unserer Stadt abgeschafft. Dazu gehört auch die Einrichtung der Ausländerbeauftragten.

(Anja Hajduk GAL: Haben Sie auch eine eigene Meinung oder sind Sie Pressesprecher?)

Ein Aufschrei der Opposition war die Reaktion. Die Liberalität und Internationalität sei in Hamburg in Gefahr und die Integrationspolitik werde jetzt gestoppt. Die Wirklichkeit ist nichts von dem. Die Realität ist, dass sich der Erste Bürgermeister persönlich für die Verbesserung von Chancen ausländischer Jugendlicher in Ausbildung und Beruf engagiert. Das ist konkrete Integrationspolitik.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Barbara Duden SPD: Nennen Sie ein einziges Beispiel!)

Realität ist auch, dass die Sozialsenatorin mit Hochdruck an einer Integrationskonzeption für unsere Stadt arbeitet.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Um es klar zu sagen: Mit der Abschaffung der Ausländerbeauftragten des Senats gibt es keinen Stillstand in der Integrationspolitik; das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei Burkhardt Müller-Sönksen FDP)

Es wird ein Integrationsbeirat geschaffen, in dem sich Persönlichkeiten, sowohl Deutsche als auch Zuwanderer, engagieren. Für Hamburg ist das etwas Neues und das finde ich sehr spannend. Einheimische und Zuwanderer tagen nicht getrennt in unterschiedlichen Gremien, sondern gemeinsam wird der Weg für ein besseres Zusammenleben in unserer Stadt diskutiert.

(Anja Hajduk GAL: Sie wissen doch, dass das gar nicht gemacht wird, wieso reden Sie dann wider besseres Wissen?)

Ich frage Sie, was an diesem ganzheitlichen Ansatz, an der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Zuwanderern, ausländerfeindlich, unliberal oder gar intolerant ist. Dieses Zusammenführen ist in der Tat neu. Es ist nicht die Betreuung von Ausländern und schon gar nicht die Betrachtung von Ausländern in einer Art Opferrolle.

Das Zusammenleben und Abwägen der für uns zweifellos berechtigten Interessen der Mehrheitsgesellschaft mit dem Anliegen und den Interessen von Minderheiten ist unser Ziel und, wenn Sie so wollen, ein neuer Ansatz von Integrationspolitik.

Sehr geehrte Damen und Herren, man merkt, die Opposition unternimmt alles, um auch in unserer Stadt in einen Lagerwahlkampf in Richtung Bundestagswahlkampf zu kommen.

(Ingo Egloff SPD: Wer hat denn damit angefan- gen?)