Protokoll der Sitzung vom 29.05.2002

Uneinigkeit in den Zielen und ein unverbundenes Nebeneinander von Verantwortlichkeiten und Maßnahmen haben – so jedenfalls mein Eindruck – die Politik der früheren Senate und Regierungsmehrheiten in dieser Stadt bestimmt und dem entsprechend blieb die Integrationsförderung ein Stückwerk.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Damit muss Schluss sein.

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL: Dann sagen Sie doch mal, was Sie machen!)

Wir brauchen einen neuen systematischen Ansatz. Zur Integration müssen nicht nur die Einheimischen, sondern auch die Zuwanderer ihren Beitrag leisten. Eine zu einseitige Betonung der Ausländerrechte, aber auch – und das lassen Sie mich hier sehr deutlich sagen – die Hinnahme perspektivlosen Sozialhilfebezugs durch Ausländer sind kein Beitrag zur Integration.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Uwe Grund SPD: Wer sagt das denn?)

Wenn wir zu verträglichen Lösungen kommen wollen, müssen wir uns den veränderten Zuwanderungsbedingungen stellen. Der Bürgermeister hat gestern Abend eine erste hilfreiche Initiative gemeinsam mit vielen hamburgischen Unternehmen ins Leben gerufen, die helfen soll, jungen Menschen ausländischer Herkunft mit Migrationshintergrund eine Ausbildung in dieser Stadt zu geben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Im Jahre 1973 hat die Zuwanderung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geführt; das ist vorhin in der anderen Debatte schon mal gesagt worden. Das erhellt sich auch daran, dass seinerzeit die Auslän

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

derarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik bei 0,8 Prozent der vier Millionen hier lebenden Ausländer lag. Die Zuwanderung heute ist größtenteils eine Zuwanderung in die Sozialhilfe.

(Krista Sager GAL: Dafür hat doch Ihre alte Bundes- regierung gesorgt!)

Die hohe Zahl der registrierten arbeitslosen Ausländer im Januar 2002, nämlich 20,2 Prozent der jetzt 7,3 Millionen hier lebenden Ausländer zeigt, dass auch in der Vergangenheit die Integration in unser Wirtschaftssystem offenkundig nicht hinreichend erfolgreich war.

(Dr. Andreas Hilgers SPD: Die Jahre dazwischen sparen Sie bewusst aus, nicht? Insofern kann man festhalten: Während zu Beginn der gro- ßen Zuwanderungswellen der Sechziger- und Siebziger- jahre die Zuwanderung in erster Linie auf den bundes- deutschen Arbeitsmarkt erfolgte, erfolgt sie heute zuneh- mend in die bundesdeutschen Sozialsysteme und damit meine ich in die Sozialhilfe. Der aufgezeigten Problematik werden wir politisch Rech- nung tragen. Diese Regierung wird nicht schöne Worte, wie Multikulturalität, mit notwendigen Angeboten und Bei- trägen zur Einpassung in unser Wirtschafts- und Sozial- system verwechseln. (Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich möchte Schluss machen

(Uwe Grund SPD: Das ist gut!)

mit der irrigen Vorstellung, die Ausländer in dieser Stadt benötigten ein institutionalisiertes Sprachrohr, einen Beauftragten mit hauptamtlichem Arbeitsstab, um ihre Interessen zu artikulieren. Sie müssen nicht betreut werden und sind keine Opfer, sondern Mitglieder unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Uwe Grund SPD: In allen Ländern unserer Republik ist das so!)

Ich setze bei allen Menschen – Herr Grund, ich kann Sie leider nicht verstehen und Sie haben selbst Zeit zu reden – auf ihr Eigenengagement und bin mit meinen Senatskollegen deshalb darin einig,

(Uwe Grund SPD: In allen Ländern unserer Repu- blik ist das so!)

dass die Interessen der Ausländer dieser Stadt mit einem Integrationsbeirat wesentlich besser berücksichtigt werden können

(Krista Sager GAL: Sie hätten ja vielleicht mal mit den Ausländern reden können!)

als mit einem Ausländerbeauftragten. Dem Integrationsbeirat werden Persönlichkeiten aus dem gesamten Spektrum der Bevölkerung angehören.

(Uwe Grund SPD: Da fragen Sie mal die Ausländer!)

Er wird meine Behörde und den ganzen Senat beraten und als Integrationsmultiplikator in alle Bereich der Gesellschaft hineinwirken. Wir beschreiten mit dieser Einführung einen innovativen Weg, der auf vielfältige breite Erfahrungen setzt und sich von personellen Monopolen verabschiedet, die für Sie allemal immer nur ein Alibi für Untätigkeit gewesen sind.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Uwe Grund SPD: Un- glaublich! So viel Ignoranz!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, begreifen Sie unsere Politik doch endlich auch als Chance. Stellen Sie sich doch endlich Ihrer Verantwortung für eine gute und friedliche Nachbarschaft aller Menschen in dieser Stadt. Hören Sie doch damit auf,

(Farid Müller GAL: Fangen Sie doch mal damit an! Was sind denn das für Worte!)

Ihrer besonders in diesem Bereich wirklich unrühmlichen Vergangenheit nachzutrauern. Integrationspolitik ist Zukunftsgestaltung und nicht Vergangenheitsbewältigung. – Haben Sie Dank fürs Zuhören.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wir sind jetzt in der Zeit des Artikel 22 Absatz 3 der Geschäftsordnung. Mir liegt die Wortmeldung von Frau Goetsch vor und sie bekommt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon ganz schön unrühmlich, was wir eben hören mussten.

(Oh-Rufe bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Es geht hier nicht um Ideologien oder – wie an dieser Stelle auch schon gesagt wurde – um Lagerwahlkämpfe. Herr Schira, das, was Sie mit dem ganzheitlichen Ansatz zum Ausdruck gebracht haben, ist schon recht unverfroren. Ich habe von Ihnen nämlich kein Konzept oder keine Idee gehört.

(Petra Brinkmann SPD: Wir auch nicht!)

Wenn Sie aber behaupten, dass Sie neuerdings mit Migrantinnen arbeiten und nicht über Migrantinnen reden, dann habe ich hier von Ihnen nur sozusagen das Helfersyndrom und die defizitäre Ansatzrede gehört, aber auch nichts anderes. Das, was im – ich nenne es mal so – Ausländerbeauftragtenamt gelaufen ist, haben Sie anscheinend nicht wahrgenommen.

(Petra Brinkmann SPD: Hat sie auch nie interes- siert!)

Gerade auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbeauftragten sind anderer ethnischer Herkunft und anderer Muttersprachen und konnten daher einen entsprechenden Integrationsdialog mit hoher Kompetenz leisten. Insofern sind Sie nicht informiert.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich frage mich allerdings, was Ihre Prämisse für eine Migrations- oder Integrationspolitik in einer Großstadt ist. Ich höre immer nur heraus, dass die Prämisse die Überfremdung ist, die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und die Defizite der Migrantinnen. Aber einmal daran zu denken, dass die Prämisse vielleicht die persönliche Würde, familien- und arbeitsrechtliche Fragen sein könnten, kommt bei Ihnen nicht vor. Insofern ist gerade die Notwendigkeit einer Stimme und einer Kontrolle absolut wichtig. Das ist natürlich unbequem, Frau Schnieber-Jastram.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

(Senatorin Birgit Schnieber-Jastram)

Ich kann Ihnen sagen, dass diese Stimme bereits in der vorletzten und der letzten Legislaturperiode dem einen oder anderen Senator unbequem war, und genau das muss es sein.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das war auch schon bei dem Ex-Senator und Ausländerbeauftragten Herrn Apel so. Das haben nicht alle SPDSenatoren gern gehört, wenn er seine mahnende Stimme im Kontext mit seinen Berichten erhoben hat. Denn genau er war es – wenn Sie an das unsägliche Kindervisum denken, das eingeführt wurde –, der seine Stimme erhoben und zusammen mit seinem Stab gemahnt und interveniert hat, um etwas zu erreichen. Denken Sie einmal an die Historie, wie interveniert wurde, wie in unzähligen ausländerrechtlichen Fällen mit dem Kompetenz-Zentrum und dem Justiziar dieser Ausländerbeauftragten gearbeitet werden konnte. Gestern Abend wurde auch in einer Sendung gesagt, dass sich die gesammelte Kompetenz der Rechtsanwälte dieser Stadt, die im Ausländerrecht spezialisiert sind, im Zweifelsfall auf die Kompetenz des Stabes der Ausländerbeauftragten verlasse. Die wollen Sie jetzt in die Wüste schicken, in die Verwaltung? Das ist doch eine Ressourcenverschwendung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich will gar nicht erst über Schülerinnen und Schüler in Hamburg reden. Wenn ich an die letzten zehn Jahre denke, wie oft Kolleginnen die Hilfe der Ausländerbeauftragten gebraucht haben, weil es beispielsweise im Kontext mit Nichtgenehmigung für eine Fahrt nach Frankreich zum Sprachaustausch kein Visum gab oder zu allen möglichen anderen Fragen wie etwa bei Diskriminierungen, bei denen der zuständige Ausländerbeauftragte – ich spreche bewusst auch von der Zeit vor Rotgrün – in diesem Amt kompetente Unterstützung geleistet und den Dialog geführt hat, dann ist das auch das Stichwort zu dem Punkt, wo der Finger in die Wunde gelegt wird.

Wie viel Dialog ist überhaupt erst durch die Arbeit der Ausländerbeauftragten mit den ethnischen Gruppen dieser Stadt begonnen worden. Wenn wir uns an die unzähligen Broschüren erinnern, habe ich manchmal das Gefühl, dass wir erst seit den letzten zehn Jahren wissen, mit welchen Gruppen wir zusammenleben aus den afrikanischen Staaten, Polen, Korea, Vietnam, und dass dieses Amt erst einmal deutlich gemacht hat, welchen sprachlichen, kulturellen und eben nicht monokulturellen Reichtum wir in dieser Stadt haben. Und das wollen Sie abschaffen.

Stellen Sie sich bitte vor, dass das alles ein ehrenamtlicher Beirat leisten soll. Ich habe immer das Gefühl, Sie haben diesen Bericht überhaupt nicht gelesen, in dem deutlich die Mängel aufgezeigt werden, woran zu arbeiten ist. Frau Schnieber-Jastram, es geht überhaupt nicht um den Anspruch, etwas gelöst zu haben, sondern darum, etwas weiterzuführen, was begonnen wurde. Insofern werden Sie nicht plötzlich die Konzepte aus der Tasche ziehen, sondern es geht darum, etwas weiterzuentwickeln. Und das werden Sie nicht mit einem ehrenamtlichen Beirat schaffen.