Sie wissen, dass es mir immer großes Vergnügen macht, in engagierten Debatten die Bildungspolitik des Senators mit dem heute auch vernommenen Leitsatz der Wahrheit und der Klarheit vorzutragen.
(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Wilfried Buss SPD: Mäßiger Beifall bei der Regierungskoalition! Die glauben schon selber nicht daran!)
Aber da Sie offensichtlich nicht bereit sind, mit mir das Vergnügen meiner Rede zu teilen, beziehungsweise man zuweilen Angst haben muss, dass Sie, wenn Ihnen die von Ihnen selbst nachgefragten Zahlen in irgendeiner Weise nicht passen, gleich den Saal verlassen, werde ich ganz artig zu meinem Redekonzept kommen.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Wilfried Buss SPD: Bei der eigenen Koalition erreichen Sie ja keine Aufmerksamkeit!)
Ich werde Ihnen heute also keine vergnügliche Rede vortragen, sondern mir selbst das Vergnügen machen, ganz sachlich auf die Debattenpunkte einzugehen, die Sie mit Ihren drei Großen Anfragen eingereicht haben.
Ich sehe eine große Qualität in Ihren Großen Anfragen. Wir diskutieren heute über drei Punkte. Zwar war das eben nicht so, aber zumindest ich werde das tun. Ich denke, die Antworten sind dann hoffentlich auch für Sie ein Erkenntnisgewinn.
Ich möchte mit den Klassenwiederholungen anfangen. Sitzen bleiben ist ein Verdikt für viele Schüler. Es wird auch am Ende dieses Schuljahres am 4. Juli in Hamburg wieder heißen: „Nicht versetzt“. Die Nichtversetzung stellt natürlich primär ein Problem
für die Schülerin oder den Schüler dar. Aber nicht nur sie sind dafür verantwortlich, das so genannte Klassenziel nicht erreicht zu haben, sondern es ist ein pädagogisches Problem. Es scheint aber auch ein erzieherisches Problem zu sein, dass auf der linken Seite dieses Raumes der Geräuschpegel erschreckend in die Höhe steigt, wenn ich zur Sache rede.
Wir sollten nicht das Bild zeichnen, dass Sitzenbleiben eine komplette Katastrophe sei. Viele von uns Abgeordneten und vielleicht auch einige Senatoren sind früher selbst einmal sitzen geblieben. Im September letzten Jahres ist sogar die heutige Opposition sitzen geblieben. Wenn ich mir die Sachlichkeit – das ist jetzt ernst gemeint – Ihrer schriftlichen Anfragen ansehe, dann scheint das Sitzenbleiben zuweilen auch etwas Nützliches zu haben.
Die Lernleistungen der Schüler werden nicht immer durch das Wiederholen des Stoffes verbessert. Zu dem kommen die hohen Kosten, die wir auch aus den Antworten des uns jetzt vorliegenden statistischen Materials erkennen können. Was ist also zu tun?
Die Zahlen belegen, dass Klassenwiederholer in soziodemographischen Problemstadtteilen zu finden sind. Hier geht es meines Erachtens auch darum, dass die Schüler oft nicht lernen, wie sie lernen sollen. Dort fließen die verschiedenen Hintergründe der Eltern und des Umfeldes mit ein. Mit einer noch gezielteren Ansprache und durch das
frühe Erkennen von Leistungsschwächen kann diesem Problem vorgebeugt werden. Die pädagogische Wissenschaft beschäftigt sich derzeit intensiv mit diesem Thema. Wir sollten diese Debatte genau verfolgen und dann in sachlicher Form in die Parlamentsgremien tragen.
Kommen wir zum zweiten Teil, zu den Gesamtschulen. Wir setzen hier unseren Koalitionsvertrag um, in dem wir ganz klar gesagt haben, dass mehr Ganztagsschulen geschaffen werden sollen. Wissen Sie, wann wir das gesagt haben? – Vor PISA. Wo war eigentlich Ihr Engagement vor PISA? Schauen Sie sich Ihre Anträge an.
Wann haben die drei Schulen, die wir jetzt zu Ganztagsschulen umwandeln können, ihre Anträge gestellt, Ganztagsschulen werden zu wollen? Das liegt schon mehrere Jahre zurück. Das heißt, wir haben über Jahre ein Versäumnis der Vorgängerregierung bei den Ganztagsschulen – auch wenn es Ihr erklärtes Ziel gewesen ist –, dass sie nicht zügig gehandelt hat. Dieses zügige Handeln, das die Bürgerinnen und Bürger von uns eingefordert haben, erfüllen wir in diesem Punkt voll und ganz.
Das ist eine ganz einfache mathematische Formel. Sie haben pro Jahr eine Schule zur Ganztagsschule gemacht. Wir reden jetzt über mindestens drei Ganztagsschulen jährlich. Das heißt, wir verdreifachen das von Rotgrün vorgegebene Tempo.
Ich habe vorhin gefragt, wo Ihr Engagement vor PISA war. Wenn ich mich an die Besetzung des Postens eines Schulsenators zur Endzeit der rotgrünen Mehrheit erinnere, wurde Frau Pape plötzliche Schulsenatorin. Weder personell noch inhaltlich ist damit ein Aufbruch verbunden gewesen. Bei allen Anfeindungen: Es findet in schwerer Zeit ein Aufbruch statt. Manchmal habe ich das Gefühl, Sie reden die Schwere der Zeit gerne herbei.
Man merkt, dass kleine Stichworte genügen. Schon hat man wieder die entsprechende Rückmeldung vom Parlament. Sie gestatten, dass ich noch einmal wieder zu Ihren Anfragen zurückkomme. Vielleicht interessiert es Sie ja, wie die Regierungsparteien darüber denken.
Ich komme damit zum dritten Teil, zu den Bildungsplänen. Endlich gibt es in absehbarer Zeit wieder verbindliche Standards und Inhalte des Unterrichts. Endlich werden zum Beispiel in Deutsch und Mathematik wieder Kernkompetenzen gefördert, miteinander abgeglichen und vergleichbar gemacht. Die Arbeit, die derzeit in die Bildungspläne investiert wird, geschieht, ohne dass die Lehrer dafür von den Tafeln weggeholt werden.
Zum Schluss möchte ich noch einmal das Ziel unserer Politik deutlich machen. Im Mittelpunkt stehen Hamburgs Schülerinnen und Schüler. Ich komme jetzt weg von Ihren wahrscheinlich wieder aufkommenden Zwischenrufen, von der Tagespolitik, von den Zahlen und den Pressemit
teilungen, die Sie wahrscheinlich in Ihrer Abwesenheit schon geschrieben haben, und möchte in einem Satz deutlich machen, worin der entscheidende Unterschied in der Bildungspolitik vielleicht liegt.
Die Opposition wird erkennen, dass die Liberalen einschließlich Bildungssenator Lange die Schüler als Subjekt und nicht als Objekt staatlicher Zwangsbeglückung – wie sie bisher von Ihnen gesehen wurden – begreifen, die sich selbst bilden und dabei durch eine kompetent arbeitende Behörde professionell unterstützt werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drei Großen Anfragen der SPD zeigen, dass es nicht nur darum geht – das geht auch gar nicht –, die Bildungspolitik der letzten sieben Monate zu durchleuchten, sondern auch gleichzeitig um den Spiegel geht, den Sie sich selbst vorhalten. Frau Ernst, Sie haben gesagt, dass die Schulsystematik, Schulprogramme und die Bildungsreform nicht angepasst worden seien. Bis vor sieben Monaten hatten Sie dafür die Verantwortung.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Uwe Grund SPD: Wann wollen Sie denn die Verantwortung überneh- men?)
Zu dem Hinweis auf das „fürchterliche“ Sparprogramm: Ihre Frau Senatorin Raab hat vor noch nicht einmal drei Jahren fast 1000 Stellen reduziert und ein riesiges Sparprogramm aufgelegt. Es ist also nicht so, dass alles ganz neu ist.
Wir geben im Bundesdurchschnitt in Hamburg nach wie vor pro Schülerin und Schüler am meisten Euro aus. Ob das Output entsprechend ist, das ist die große Frage. Dass wir bei PISA – wie Sie wissen – Ende Juni zunächst einmal nicht bei der Länderspezifikation dabei sein können, ist außerordentlich bedauerlich, denn dann hätte man feststellen können, wo noch gezielter angesetzt werden kann.
Aber eines ist klar. Vieles von dem, was in dem bisher vorliegenden PISA-Bericht steht, deckt sich mit dem, was wir im Koalitionsvertrag als Gesamtgebilde für eine neue Bildungspolitik vorgesehen haben. Nachdem wir endlich die Zahlendiskussion beendet haben, weil die Zahlen auf dem Tisch liegen, können wir uns Gott sei Dank den Inhalten widmen.
Bildung ist für mich ein Gesamtsystem, das im Kindergarten anfängt. Ich hatte gerade heute Gelegenheit, in einem sehr interessanten Kindergarten anwesend zu sein. Dort wird auch schon Bildung betrieben. Die Kinder werden schon an das herangeführt, was sie später lernen müssen. Entsprechend muss es in diesem Bereich und in den Vorschulklassen weitergehen. Eine engere Kooperation zwischen den Schulen und den Kindergärten wäre möglicherweise eine Methode, um von den Defiziten loszukommen, die in PISA festgestellt wurden.
Das Gleiche gilt für die frühzeitige Einschulung, die wir erleichtern wollen. Wir werden auch bei den jetzt notwendi
gen unangenehmen Anpassungen die Grundschulen stärken und dies nicht nur in materieller Hinsicht tun. Die Grundschulen werden nicht von Reduzierungen betroffen sein, sondern wir werden darüber hinaus dafür sorgen,
dass gerade in diesem wichtigen Bereich die Bildungspläne und -standards festgeschrieben werden. Es ist doch absurd – wie Sie es vorgeschlagen haben –, in der Mitte der Schulzeit, nämlich in der Sekundarstufe I, einen Bildungsplan zu erstellen. Man fängt damit unten an, um ihn dann aufwachsen zu lassen.
Wir werden an den Haupt- und Realschulen bessere Möglichkeiten schaffen, um den Übergang in das Berufsleben zu erleichtern; hier gibt es sehr viele Initiativen. Wir werden morgen das Netzwerk Kooperation Schule beziehungsweise den Modellversuch Vernetzte Klassenzimmer auf zehn Modellversuche ausweiten.
Zu den Ganztagsschulen ist schon viel gesagt worden. Sie haben diese um eine jämmerliche erweitert; wir werden diese Erweiterung auf mindestens drei pro Jahr ausdehnen.
Wir haben es aufgrund einer Initiative der CDU-geführten Bundesländer bei der KMK vor wenigen Tagen geschafft, verbindliche Standards für sehr viele Fächer – insgesamt sechs – bei den verschiedenen Schulformen festzulegen und der KMK vorzulegen. Wir werden davon profitieren und damit die Planungen für die Bildungspläne und die Standards schneller zum Abschluss bringen können, als wir uns überhaupt vorstellen konnten.
Das Abitur nach zwölf Schuljahren ist gestern hinreichend diskutiert worden. Dies ist auch ein Schritt, das Hamburger Bildungssystem voranzubringen. Das gilt auch für die Absicht, im Bereich der berufsbildenden Schulen über andere Trägerschaften nachzudenken.
Ein letztes Wort. Wir haben den Arbeitskreis Gewaltprävention eingeführt und werden Ende des Monats Ergebnisse vorlegen. Und – das möchte ich bei dieser Gelegenheit auch sagen – wir haben vor drei Tagen – Herr Grund, Sie waren dabei – eine sehr enge Kooperation mit dem Hamburger Sportbund beschlossen. Dabei wurde – das nur als Nebenbemerkung – das Ansinnen, möglicherweise bei den Sportvereinen zu kassieren, vom Tisch gewischt.