Es ist mir ein persönliches Anliegen, das ich mir bereits vor der heutigen Sitzung klargemacht habe, nämlich als Ole von Beust mir angekündigt hat, dass er mich für dieses Amt vorschlagen werde, mit größter Dringlichkeit und größter Intensität das Gespräch mit den Interessenvertretern der KZ-Gedenkstätte zu suchen und sie zu bitten, mit mir gemeinsam – ich selbst war noch nicht in Neuengamme – das KZ-Gelände zu besuchen und, wenn sie dazu bereit sind, auch die beiden Vollzugsanstalten auf dem ehemaligen KZ-Gelände, damit ich mir selbst einen intensiveren Eindruck von den Problemen, den Bedürfnissen und Ansichten der Interessenvertreter verschaffen kann, als ich ihn bisher durch schriftliche Form und Pressemitteilungen bekommen habe.
Ich bin fest davon überzeugt, dass der Senat eine würdige und für alle Belange akzeptable Lösung in vollem Einvernehmen mit den Interessenvertretern finden wird.
Ich selbst werde meinen Beitrag dazu leisten und mich für dieses Anliegen in vollem Umfang engagieren. Ob und inwieweit dabei dem Bürgerschaftsbeschluss vom September volle Rechnung getragen wird oder abgewichen wird, ist, verglichen mit dem Einvernehmen mit den Interessenverbänden, allerdings ein zweitrangiges Problem.
Und was den Tonfall der Kritik angeht, so akzeptiere ich von denjenigen, die selbst im KZ Neuengamme gequält oder deren Vorfahren dort ermordet wurden, jede Form der Kritik, jeden Tonfall und jede Wortwahl. Aber, meine Damen und Herren Abgeordneten von der SPD, von Ihnen akzeptiere ich diesen Tonfall keineswegs in gleicher Weise,
denn Sie und Ihre politischen Vorfahren tragen Verantwortung für die Zustände, die wir heute auf dem KZ-Gelände haben.
Ich werde es mir nicht verkneifen, mich zu wiederholen, verglichen mit dem, was Vorredner gesagt haben. Aber es muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass im September 1948 der damalige Hamburger Senat beschlossen hat, das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers für Zwecke des Strafvollzugs in Besitz zu nehmen. Diesem damaligen Senat haben weder die CDU noch die Schill-Partei, noch die FDP angehört.
Was ich übrigens noch schlimmer finde, ist – das liegt nicht so lange zurück wie das Jahr 1948 –, dass im Jahre 1970 der damalige Hamburger Senat entgegen den ausdrücklichen Forderungen der Amicale Internationale auf dem KZ-Gelände eine weitere Jugendstrafanstalt auf dem Gelände der ehemaligen Tongruben errichtete. Auch diesem Senat haben nicht die CDU, nicht die Schill-Partei und nicht die FDP angehört.
Ich halte es für völlig unangemessen, diese drei Koalitionsparteien nun an den Pranger angeblicher Geschichtsverantwortungslosigkeit zu stellen; dafür gibt es überhaupt keinen Anlass.
Und was den Tonfall der Kritik angeht, bitte ich insbesondere die Damen und Herren Abgeordneten der SPD, sich einen kleinen Zeitungsartikel zu Gemüte zu führen, der im September 1995 in der „Süddeutschen Zeitung“ erschien. Unter der Überschrift „Protest gegen Gefängnis auf KZ-Gelände“ war da zu lesen:
„Mit Kranzniederlegungen und einem Schweigemarsch haben ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme bei Hamburg ihrer Befreiung vor 50 Jahren gedacht. Bürgermeister Henning Voscherau versprach bei einer Gedenkveranstaltung erneut, die nach dem Krieg auf dem ehemaligen KZ-Gelände Neuengamme errichtete Justizvollzugsanstalt Vierlande zu verlegen. Eine ,Initiative Dokumentationsstätte KZ Neuengamme‘ kritisierte, dass Senat und Bürgerschaft der Hansestadt dies schon 1989 versprochen hätten, dass aber bis heute kaum etwas geschehen sei.“
„Die Justizbehörde begann erst kürzlich, Zellen im Gefängnis zu modernisieren, und errichtete einen neuen, über drei Meter hohen Zaun um das ehemalige KZ-Gelände, hieß es in einer Erklärung der Initiative. Voscherau gestand ein, dass die Verwaltung bei der Planung und Errichtung einer neuen Justizvollzugsanstalt an einem anderen Ort langsamer vorangekommen sei als erhofft.“
Wenn die Worte des damaligen Bürgermeisters Voscherau so ernst gemeint gewesen wären, wie er sie formuliert hat, dann wäre mit den Fähigkeiten des Hamburger Bauge
werbes eine Ersatzanstalt längst gebaut. Sie ist aber erst in Planung und das ist eine Verzögerung, die ausschließlich zu Lasten des bisherigen Senats geht und mit der wir, die wir heute den Senat gebildet haben, überhaupt nichts zu tun haben.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Anja Hajduk GAL: Was ist das denn für ein Argument?)
Zum Schluss möchte ich Sie nur bitten, daran zu denken, dass auch der Tonfall von Oppositionsäußerungen über Hamburg hinaus wahrgenommen wird und dieser Tonfall möglicherweise Schaden für das Ansehen Hamburgs und mangelnden Respekt vor den Gequälten und Ermordeten im KZ bedeutet. Es gibt überhaupt keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der Senat im Einvernehmen mit den betroffenen Organisationen eine historisch würdige Lösung findet.
Herr Senator, ich weise darauf hin, dass dies mehr als 200 Prozent der Redezeit waren, die den Abgeordneten der Aktuellen Stunde zur Verfügung steht.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wir haben dieses Thema nicht gerne angemeldet. Wir hätten es lieber gehabt, wenn nach den mühevollen Vorgängen – ich gebe gerne zu, dass es mühevoll war, eine Einigung herbeizuführen – diese Einigung auch gehalten hätte und nicht zum Gegenstand eines Koalitionsdeals geworden wäre.
Und wenn jetzt Erklärungen kommen wie die von Herrn Freytag, dass, wenn die Opfer sagen, sie wollen das so haben wie geplant, dann soll es auch bei dem Beschluss bleiben, dann ist das eine Ansage, die ich jetzt zum ersten Mal höre, die ich vom Ersten Bürgermeister noch nicht gehört habe. Das mag aber auch daran liegen, dass wir bisher keine Regierungserklärung zu hören bekommen haben.
Zum Zweiten geht es nicht darum, dass wir Grüne oder irgendjemand sonst ein besonderes Recht auf Moral in Anspruch nähmen.
Wir sprechen Sie als diejenigen an, die ein Thema öffentlich gemacht haben, bei dem wir uns nach vielen Mühen einig waren. Und nachdem diese Einigkeit da war, haben Sie diese Einigkeit öffentlich zur Disposition stellen lassen,
Jetzt sind Sie dabei, ein bisschen zurückzurudern. Es hilft aber überhaupt nichts, wenn Sie auf Familientradition, auf
Einen Gesichtspunkt möchte ich Ihnen vorhalten, den Herr Bringmann in einem „taz“-Interview genannt hat. Herr Bringmann hat gesagt:
Die Überlebenden haben über 50 Jahre gebraucht, um in der Bürgerschaft einen einstimmigen Beschluss herbeizuführen, mit dem diese Erkenntnis endlich von allen Abgeordneten geteilt wurde, dass das ein blutgetränkter Boden ist, der einem Friedhof gleichkommt. Wenn wir das jetzt zurücknehmen, begeben wir uns in den Augen der Betroffenen in eine Situation von Grabschändung. Und wenn Sie jetzt sagen, nachdem die 50 Jahre verhandelt haben und die Bürgerschaft endlich den Beschluss gefasst hat: Jetzt machen wir noch einmal eine Verhandlungsrunde mit denen,
so verkennen Sie, dass das sehr alte Menschen sind, denen Sie nach 50 Jahren jetzt die nächste Verhandlungsrunde zumuten wollen. Warum bleiben Sie nicht einfach bei dem, was diese Bürgerschaft gemeinsam, nachdem sie sich endlich einig geworden ist, getan hat. Herr Schill, machen Sie da einen Sprung, machen Sie mit! Wir bringen uns wirklich in eine unmögliche Situation, wenn wir als Bürgerschaft diesen Beschluss, der in der ganzen Republik öffentlich wahrgenommen wird, zur Disposition stellen und sagen, wir verhandeln noch mal neu mit den Opfern,