Protokoll der Sitzung vom 19.09.2002

einhalb Monaten ist nahezu einmalig. Das bedarf der Aufklärung.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Gründe dafür mag es ja geben, aber rechtfertigen die Gründe die Kostenüberschreitungen? Rechtfertigen sie, dass wir uns heute damit auseinandersetzen müssen? Die Beratungen in den beiden Ausschüssen haben genau das nicht ergeben.

Wir haben etwas ganz anderes herausgefunden. Dieses Projekt ist unter Zeitdruck kalkuliert worden. Dabei hat die nötige Sorgfalt gefehlt. Die notwendige Koordinierung der Maßnahmen und auch die Abstimmung hat es offensichtlich nicht gegeben. Dieses Projekt war von Anfang an ein Risikoprojekt. Das ist während der Debatten der letzten Monate ständig abgestritten, bagatellisiert und beschönigt worden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass diese Risiken bewusst von den Mitgliedern der Regierungsfraktionen – nicht nur vor der Opposition – verschwiegen worden sind, die jetzt ganz offen eingeräumt werden. Das ist ein unmöglicher Vorgang.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Haushaltsunterlage „Bau“ war das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben war. Sie war eigentlich eine völlig ungeeignete Beratungsgrundlage für das Parlament; das wird im Prinzip heute eingeräumt. Insofern kann ich den Senat gleich direkt auffordern, sie noch einmal zu überarbeiten, denn es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Kalkulation des zweiten Bauabschnitts in irgendeiner Weise besser wäre als die des ersten.

(Michael Neumann SPD: Wer es beim ersten Mal nicht kann, macht es beim zweiten Mal auch falsch!)

Bringen Sie uns eine neue Vorlage, damit wir erneut darüber beraten können.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das ist aber noch nicht alles. Wir haben heute die neue Vorlage des Senats in unseren Unterlagen, über die wir abstimmen sollen. Diese Vorlage ist hoch interessant. Sie ist im Prinzip eine Realsatire. Man kann nur hoffen, dass es möglichst viele Menschen in dieser Republik gibt, die sie wirklich lesen, denn sonst werden wir zum Gespött der ganzen Republik.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Was soll man davon halten, wenn der Generalunternehmer die Behörde darauf hinweisen muss, dass offensichtlich der Bau einer geschlossenen Anstalt neuer Türen, neuer Gitter, zusätzlicher Fenster und

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der GAL)

Lichtsignalanlagen bedarf? Das ist doch – das müssen Sie zugeben – mehr oder weniger unglaublich.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das ist noch nicht alles. Wenn wir in 20 Minuten beschließen sollen, wissen wir zu dieser Stunde noch nicht, wie hoch die tatsächlichen Kosten dieser Anstalt sein werden. Wir wissen nur, dass es bis zu 3 Millionen Euro sind. Das bringt die Stadt gegenüber dem Generalunternehmer in eine völlig unmögliche Verhandlungsposition; schlechter

(Manfred Mahr GAL)

kann sie eigentlich nicht sein. Das ist nicht amateurhaft, das ist schon Dilettantismus.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das ist – was die Bestimmtheit einer Vorlage betrifft – auch an der Grenze des Haushaltsrechts, wenn es nicht bereits schon jenseits ist. Das kann man eigentlich nicht beschließen. Selbst dann nicht, wenn man in einer Regierungsfraktion sitzt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Senator Kusch, jede Regierung hat das Recht, ein Projekt einer anderen Regierung zu beenden.

(Erster Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Das haben Sie getan. Es ist schwierig, ein Gefängnis umzuplanen. Das ist unbestritten. Aber für diese Schlamperei tragen Sie und Ihre Regierung die volle politisch administrative Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Da gibt es über die Vergangenheit nichts mehr zu sagen und auch nicht über 44 Jahre SPD. Da gibt es nur eines zu sagen: Kusch steht für Pfusch in dieser Angelegenheit.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Oh-Rufe bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Aber Sie stehen ja nicht nur für Pfusch. Meine Damen und Herren, Sie können den Protokollerklärungen, die dem Bericht des Haushaltsausschusses beiliegen, Folgendes entnehmen: Die Behörde, das Strafvollzugsamt, hat am 23. August von den Mehrkosten gewusst. Am 27. August hat Senator Kusch in Anwesenheit des Leiters des Strafvollzugsamtes dem Rechtsausschuss erklärt, dass es zu keinen Kostenüberschreitungen kommen würde. Die Protokollnotiz weist aus, dass Senator Kusch am 3. September von diesem Vorgang erfahren hat. Ich will nichts unterstellen.

(Carsten Lüdemann CDU: Dann lassen Sie es doch!)

Herr Senator Kusch, Sie sind dafür bekannt, dass Sie einen straffen, durchgreifenden, nach Meinung vieler Leute auch sehr harten Führungsstil in Ihrer Behörde haben.

(Michael Neumann SPD: Eiskalt!)

Was raten Sie uns also? Was sollen wir glauben? Haben Sie, entgegen allem, was wir von Ihnen wissen, ein Bermudadreieck in Ihrer Behörde geduldet, oder was ist es sonst gewesen? Oder sollen wir den Daten nicht glauben, sind sie falsch ermittelt worden? Ich unterstelle Ihnen nichts. Die SPD-Fraktion wird die Aufklärung fordern. Wir werden die Akteneinsicht in diese Vorgänge in der nächsten Bürgerschaftssitzung beantragen und Sie sind uns da Aufklärung schuldig.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Henning Tants CDU: So geht es nicht!)

Ich füge noch etwas hinzu. Sie sollen ein hanseatischer Senator sein. Sie haben im Haushaltsausschuss fünf Minuten vor Schluss bei der Beratung Ihres Einzelplans, während Ihre Beamten in den Akten nach Unterlagen suchten, mitgeteilt, dass Sie zur Pausenüberbrückung mitteilen könnten, dass es 3 Millionen Euro Mehrkosten gebe. Ich will mich da nicht über die Arroganz eines Senators be

schweren – das ist ja bei Ihnen bekannt –, aber ein hanseatischer Senator ist kein Pausenclown.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich komme zum Schluss. Dieser Vorlage kann man nicht zustimmen, selbst dann nicht, wenn man Ihre Zwangsvorstellungen von einem Großgefängnis in Hamburg überhaupt teilt. Man kann eigentlich als Opposition auch der zweiten Lesung in diesem Haus nicht zustimmen und die ganze Sache passieren lassen. Auch das kann man eigentlich nicht. Aber dieser Vorgang ist mit der Einrichtung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme verbunden. Da hat die Regierungskoalition unmittelbar nach dem Antritt schon einmal eine peinliche Vorstellung abgegeben, als sie die Einrichtung dieser Gedenkstätte aufkündigen wollte. Wir stehen wieder in der Gefahr, dass diese Gedenkstätte nicht rechtzeitig eingerichtet wird. Nur um das Ansehen dieser Stadt zu wahren, wird die SPD-Fraktion der zweiten Lesung heute zustimmen. Nur deswegen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aber eines erspare ich Ihnen nicht, meine Kollegen von den Regierungsfraktionen. Sie können sich eine einfache Frage stellen: Was ist von einer Regierung zu halten, die die Opposition braucht, damit sie in solch einer Angelegenheit das Gesicht nach außen wahren kann,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Scheinheilig!)

weil sie das Ansehen der Stadt sonst beschädigen würde? Was ist davon zu halten?

(Michael Neumann SPD: Nichts!)

Die Antwort können Sie sich selber geben.

Senator Kusch kann auch noch etwas anderes tun. Sie mögen das alles nicht teilen, was ich gesagt habe. Sie mögen die Kritik überzogen finden, alles zugestanden. Eines aber tun Sie heute: Sie entschuldigen sich vor diesem gesamten Parlament für diese Schlamperei, die Sie da angerichtet haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Müller-Sönksen.

(Krista Sager GAL: Der Hoppelhase genannt!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube in der Tat, Herr Zuckerer, dass Sie sich am Ende der Debatte hier noch einmal in Rage geredet haben.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Zu Recht!)