Protokoll der Sitzung vom 13.11.2002

Auch meine Partei wird vielleicht nach kurzer Zeit

(Uwe Grund SPD: Die Gefahr ist nicht groß, dass Sie alt werden!)

warten Sie doch erst einmal ab, was ich sagen will – nicht davon verschont bleiben. Eines sollte aber auch klar sein. Wenn der Bürger nicht mehr weiß, welche Meinung der einzelne Abgeordnete in seinem Bereich vertritt, und er ihn noch nicht einmal irgendwann zu sehen bekommt, entsteht Politikverdrossenheit. Die Parteien sollten wissen, dass, wenn sie einen Kandidaten X im Wahlkreis Y aufstellen, den niemand kennt und der die Meinung dieses Bereichs auch nicht vertritt, der eventuell auf der Strecke bleibt. Ich bin der Meinung, dass das keine Sache ist, die man dem Bürger absprechen sollte. Wir wissen doch alle – davon ist keine Partei ausgenommen –, wie die Kandidaten teilweise auf die Listen kommen.

(Barbara Duden SPD: Erzählen Sie mal!)

Es sind doch sehr viele, die nach allen Seiten buckeln; ich kenne das ja auch aus der Vergangenheit.

(Heiterkeit bei Barbara Duden SPD)

(Dr. Willfried Maier GAL)

Und davon ist keine Partei ausgenommen. Die Selbstbewussten, egal in welcher Partei, haben es am schwersten, sich durchzusetzen, wenn sie eine klare und deutliche Meinung vertreten. Herr Neumann, Sie werden im Moment selbst merken, wie schwer es ist, gute Ansätze in der eigenen Partei durchzusetzen.

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Michael Neumann SPD: Ich bin hier!)

Geben wir den Initiatoren der Initiative die Chance. Sie machen es ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sie der Meinung sind, es soll nicht so weitergehen wie momentan. Wir sollten Gesprächsbereitschaft signalisieren und eventuell bereit sein, einige Dinge aufzunehmen, die umsetzbar sind. Aber gegen eines werden wir uns sträuben, dass sozusagen indirekt ein Mehrheitswahlrecht kommt und die stärkste Partei alleine davon profitiert; da müssen wir natürlich genau aufpassen. Aber wir sollten nicht sagen, was nach unserer Meinung 50 Jahre gut gelaufen ist, darf nicht geändert werden. Wir sollten, auch wenn wir schon länger in der Politik sind, auch zu erkennen geben, dass wir noch lernfähig sind.

Unsere Partei wird der Initiative zu Gesprächen zur Verfügung stehen und wenn vernünftige Vorschläge da sind, werden wir sie annehmen. Wir dürfen aber auf keinen Fall die Stimmzettel derartig komplizieren, sodass die ungültigen Stimmen enorm zunehmen.

(Zuruf von der SPD – Gegenruf von Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Sie haben ja nur die Sorge, dass die FDP wählen!)

Aber wir sollten Gesprächsbereitschaft signalisieren und nicht so tun, als hätten wir die Weisheit erfunden. – Danke.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen zum ersten Thema sehe ich nicht.

Dann rufe ich das zweite und vierte Thema gemeinsam auf. Von der FDP-Fraktion wurde angemeldet

Die Bundesregierung bringt Hamburgs Krankenhäuser in Bedrängnis – Leidtragende sind Patienten und Mitarbeiter

sowie von der CDU-Fraktion

Rotgrünes Vorschaltgesetz – Risiken und Nebenwirkungen für Hamburg

Wird das Wort gewünscht? – Der Abgeordnete Dr. Schinnenburg bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Gesundheitspolitik hat die rotgrüne Bundesregierung die Maske heruntergerissen.

(Uwe Grund SPD: Oh!)

Welch ein Unterschied! Vor der Wahl wurde ganz deutlich behauptet, es gebe im Jahre 2002 kein Defizit im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Kaum ist die Wahl vorbei, heißt es, wir haben mehrere Milliarden Defizit im Gesundheitswesen.

(Uwe Grund SPD: Woher kommt das denn?)

Nächster Punkt. Vor der Wahl wurde behauptet, wir kümmern uns um die neue Mitte, wir wollen keinen Dirigismus, keine Planwirtschaft mehr und auch kein Dogma, wir wer

den strukturelle Reformen anpassen. Denken Sie nur an das berühmte Kanzlerpapier vor der Wahl. Und was erleben wir nach der Wahl? Ein staatliches Preisdiktat, die Honorare für Krankenhäuser werden ganz einfach nicht mehr erhöht.

Dritter Punkt. Vor der Wahl hat man Runde Tische eingerichtet und gesagt, wir wollen im Konsens mit allen Beteiligten arbeiten, wir wollen deren Meinung anhören und so weit wie möglich deren Interessen wahren. Nach der Wahl kommt der Keulenschlag gegen genau diese Beteiligten des Runden Tisches und man entzieht ihnen damit jede Basis. Vor der Wahl hat man ein Minimalversprechen abgegeben – wenigstens etwas irgendwie Sinnvolles zu tun –, aber nach der Wahl gibt es nicht einmal den Versuch einer Strukturreform.

Meine Damen und Herren! Wie haben wir dieses zu bewerten? Lassen Sie mich fünf Punkte nennen.

Erstens: Dies ist ein unglaublicher Wählerbetrug, der da stattgefunden hat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Uwe Grund SPD: Blubb, blubb, blubb!)

Zweitens: Es ist unglaublich peinlich, dass die rotgrüne Bundesregierung nach vier Jahren an der Regierung eine Notoperation machen muss. Was für ein Zeugnis stellt sie sich doch damit selbst aus.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Drittens: Es ist vollkommen unzweckmäßig, denn die Krankenhäuser, die bisher bereits gespart haben, werden jetzt genauso bestraft wie diejenigen, die bisher nicht gespart haben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Viertens: Diese Verfahrensweise ist schlicht und ergreifend dumm. Sie verprellt alle potenziellen Verhandlungspartner beim Runden Tisch. So werden Sie keine Strukturreform im Konsens schaffen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Fünftens und Schlimmstens: Diese Notoperation ist schicksalhaft für die Patienten und Mitarbeiter in Hamburgs Krankenhäusern, natürlich nicht nur in Hamburg.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wieso schicksalhaft? Offiziell nennt sich das Ganze Nullrunde, in Wirklichkeit ist es eine Minusrunde, denn Sie wissen genauso gut wie wir, dass es Kostensteigerungen von rund 3 Prozent gibt. Sie müssten das ganz besonders wissen, denn ein erheblicher Teil dieser Kostensteigerungen ist gerade durch Ihre Politik herbeigeführt worden. Denken Sie nur an die Ökosteuer, von denen auch die Krankenhäuser betroffen sind. Oder denken Sie an den Arbeitgeberanteil der Rentenversicherung, den auch die Krankenhäuser zu zahlen haben; Sie erhöhen gerade den Beitrag.

70 Prozent der Krankenhauskosten sind Personalkosten. Und raten Sie einmal, wo die Krankenhäuser zunächst sparen werden, die Krankenhäuser sagen es auch: Mehrere hundert Arbeitsplätze fallen weg. Für die verbleibenden Mitarbeiter wird es eine weitere Arbeitsverdichtung

(Manfred Silberbach Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

geben. Sie werden weniger Zeit für die Patienten haben und darüber hinaus müssen die Krankenhäuser ihre Leistungen noch einschränken. Fürwahr, eine katastrophale Bilanz, die Sie da vorzuweisen haben.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Und wenn ich Herrn Dr. Petersen von der SPD in der Zeitung richtig gelesen habe, so sagt er doch ernsthaft, die Krankenhäuser sollen anpacken, statt die Hand aufzuhalten. Herr Dr. Petersen, der parlamentarische Sprachgebrauch verbietet es mir, das deutlich zu qualifizieren, ich verwende nur das Wort Gleichgültigkeit. Das ist Gleichgültigkeit gegenüber den beteiligten Ärzten.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Elke Thomas CDU: Richtig!)

Es ist ja nicht etwa so, dass es keine Lösungsmöglichkeiten gäbe. Ich möchte nur drei Punkte nennen: Eine Verringerung der Bürokratie, die wuchernden Verwaltungsausgaben der Krankenkassen, das wäre ein guter Ansatzpunkt für Sie gewesen,

(Uwe Grund SPD: Ein Quatsch sondergleichen!)

oder Transparenz, das Kostenerstattungsprinzip, oder schließlich Anreize zu gesundem Verhalten, Stichwort Beitragsrückgewährung. Das ist alles längst bekannt, liegt auf dem Tisch, wird aber von Ihnen weggewischt. Stattdessen machen Sie den Keulenschlag.

Meine Damen und Herren! Die FDP bietet der Bundesregierung trotz allem angesichts des Ernstes der Lage im Gesundheitswesen ihre Hilfe an. Wir werden keine Blockadepolitik machen, wie sie Lafontaine 1997 und 1998 gemacht hat. Wir sind sogar bereit, bis zur Grenze der Selbstverleugnung in dieser Notsituation zu helfen.