Protokoll der Sitzung vom 09.12.2002

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Und Sie, Herr Dr. Freytag, und die Damen und Herren von der FDP machen sich mitschuldig, wenn Sie es mittragen. Herr von Beust, wenn Sie überhaupt noch ein Rückgrat haben, dann stehen Sie auf und werfen ihn hinaus.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller-Sönksen?

Herr Müller-Sönksen, wir wollen nicht in einer Stadt leben, in der ein Innensenator mit kranken Phantasien menschenverachtende Politik betreibt.

(Beifall bei der GAL – Dr. Andreas Mattner CDU: Jetzt ist aber genug! Eine Unverschämtheit ist das! – Glocke)

Frau Goetsch, die Spielregeln sind anders. Ich habe eben die Glocke ertönen lassen, ich rufe Sie zur Ordnung.

Ich nehme den Ordnungsruf an.

Jetzt aber zum eigentlichen Thema. Dieser Haushalt zeigt, dass die großen Verlierer Ihrer Politik die Familien und die Kinder in unserer Stadt sind.

Erstens: Um den Menschen ein Gefühl von mehr Sicherheit zu geben, schrumpfen Sie die Bildung auf ein Minimum zusammen.

Zweitens: Ihre Investitionen finanzieren Sie auf Pump. Sie verdittschen weiter Vermögen und verschulden sich neu und für die, die heute jung sind und später einmal die Zinsen bezahlen müssen.

Drittens: Sie betreiben eine Politik der Ausgrenzung. Auch dafür werden spätere Generationen die Zeche bezahlen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Der Senat hat in seinem Haushaltsplan-Entwurf 2003 eine Losung für Hamburgs Zukunft ausgegeben. Sie lautet: Ausgrenzung statt Integration, auf Kosten von morgen leben. Dabei sind Sie angetreten mit den drei Schwerpunkten Inneres, Verkehr und Bildung. Doch Ihre Schwerpunktsenatoren Lange und Dräger konnten auch im Haushaltsplan-Entwurf 2003 nicht verhindern, dass über 15 Millionen Euro im Betriebshaushalt gekürzt werden. Da können Sie noch soviel von 200 Lehrerstellen erzählen, Herr Frühauf, es sind über 15 Millionen Euro Betriebsmittel gekürzt worden. Von einem Schwerpunkt kann also gar keine Rede sein und wer es dennoch behauptet, täuscht die Öffentlichkeit.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie nehmen die Zukunft der Kinder in dieser Stadt nicht ernst und statt in Bildung zu investieren, müssen die Schulen finanziell bluten. Ich verstehe überhaupt nicht, wie jemand von Ihnen sagen kann, dass die Eltern, Schülerinnen und Lehrerinnen begeistert seien, sie sind in einem noch nie gekannten Ausmaß verunsichert. Aber dafür kann natürlich der Herr Innensenator seine martialischen Polizeiauftritte finanzieren, Designer spielen, Laufsteginszenierungen durchführen und womöglich noch seine Giftgasphantasien ausleben. Das hat mit einer wachsenden Stadt, in der Kinder im Fokus stehen sollten, überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Bildungspolitik des Senats ist rückwärts gewandt und ausgrenzend. Die durch PISA endgültig überholte frühe Selektion in den verschiedenen Schulformen wird von Ihnen verschärft statt abgebaut. Praktisch alle begonnenen modernen Schulentwicklungskonzepte werden zerschlagen und die integrativen Systeme abgeschafft.

(Karl-Heinz Winkler Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Wer hat das deutsche Schulwesen zerschla- gen?)

(Christa Goetsch GAL)

Hinzu kommt noch, dass jegliche Modernisierung, die von Herrn Senator Lange angepackt wird, ohne Konzepte bleibt. Er bleibt die Konzepte schuldig und arbeitet, wie bekannt, handwerklich dilettantisch. Das merken wir schon bei der Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren, was wir alle wollen,

(Martin Woestmeyer FDP: Wann wollen Sie das – 2006?)

was aber ohne Konzept läuft, ebenso wie die dritte Sportstunde ohne Hallen und die Abschaffung der Lernmittelfreiheit. Ich könnte die Reihe endlos fortsetzen, wo man hinguckt, steht Ratlosigkeit in den Gesichtern.

Aber kommen wir zur Verkehrspolitik, wo der Senat einseitig den Schwerpunkt für den Autoverkehr nach dem Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“ setzt. Die Folge ist, Herr Winkler, dass es noch nie so viele Bürgerbegehren gegen die Verkehrspolitik in dieser Stadt gab.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie machen keine Politik für die Menschen in dieser Stadt, sondern gegen sie. Sie stecken eine halbe Million Euro in Maßnahmen, die am Straßenrand das Recht des Stärkeren einführen. Sie machen Politik gegen Kinderwagen, gegen Fahrradfahrer, gegen Anwohner. Statt Bussen und Bahnen Vorfahrt zu gewähren, parken wieder Autos auf den Geh- und Radwegen, zum Beispiel auf dem Radweg von Herrn Maier.

(Dr. Willfried Maier GAL: Genau!)

Herr Müller-Sönksen, die Einsicht, dass die Straßen durch Umsteigen auf ÖPNV und Fahrrad zugunsten des Wirtschaftsverkehrs entlastet werden müssen, wird einfach ignoriert. Ein unsinnig teurer und wahrscheinlich unwahrscheinlicher oder unrealistischer U-Bahn-Ausbau wird angekündigt. Das ist eine Luftnummer auf Kosten der Mobilität in dieser Stadt. Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern unnötig, vor allen Dingen, weil die fertigen Pläne für die Stadtbahn in der Baubehörde in der Schublade liegen. Weltweit schafft man moderne Straßenbahnen wieder oder neu an, aber in Hamburg lässt man sie modern in der Schublade verstauben.

Ganz nebenbei verspielt der Senat auch noch die Möglichkeiten der Kofinanzierung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Das kann am Ende nur heißen: Mit der U-Bahn gestartet und wieder auf dem Asphalt gelandet; dann bleiben nämlich Busse übrig. Herr Frühauf beziehungsweise Herr Dr. Freytag fordern dann womöglich noch die fünfte Elbtunnelröhre in der Verkehrspolitik.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das machen wir schon!)

Meine Damen und Herren! Die schlimmsten Verfehlungen aber prägen den dritten Schwerpunkt Inneres. Was Sie unter Innerer Sicherheit verstehen, gefährdet den inneren Frieden in dieser Stadt.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Von Innerer Sicherheit haben Sie schlichtweg keine Ahnung!)

Mit der Innenpolitik à la Schill, Herr Nockemann, isoliert Hamburg sich innerhalb der Bundesländer. Das wird mehr und mehr deutlich und nach jeder Innenministerkonferenz haben wir den Skandal. Gewaltfrei demonstrierende Bürgerinnen und Bürger werden kriminalisiert und als Chaoten diffamiert. Auch hier offenbart der Senat seine Rück

wärtsgewandtheit. Den Kredit, eine weltoffene Stadt zu sein, haben Sie in Jahreseile verbraucht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich habe große Bedenken, dass Ihre Weltoffenheit zu einer hohlen Phrase wird, gerade wo wir für Olympia werben wollen.

Von Ausgrenzung in ihrer rüdesten Form sind die Migrantinnen in dieser Stadt betroffen. Wenn es um Abschiebungen geht, achtet Innensenator Schill weder Recht noch Gesetz.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das ist ein Bundesgesetz! Das ist eine Frech- heit, was Sie da sagen!)

Abholung zur Abschiebung in der Nacht, Sie wissen, wovon ich rede.

Die Mittel, um bei der Migrationspolitik zu bleiben, für die Beratungsstellen der deutsch-ausländischen Begegnungsstätten sind gekürzt worden. Die gesamte fachliche Kompetenz aus dem ehemaligen Amt der Ausländerbeauftragten ist kaltgestellt. Seit Monaten dürfen sie nicht arbeiten, eigentlich ist es ein Thema für den Rechnungshof.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Integrationsarbeit ist dramatisch auf unter Null gesunken und, Frau Schnieber-Jastram, der Integrationsbeirat ist gewollt ein handlungsunfähiges Gremium geblieben. Ich finde es einen großen Sündenfall, die Migrationspolitik der Innen- und der Justizbehörde zu überlassen.

Auch die Frauen haben keinen Grund, weil das auch Ihre Behörde betrifft, Frau Schnieber-Jastram, sich zu freuen. Ein Neokonservatismus macht sich im Senat breit,

(Karl-Heinz Winkler Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Lieber als Staatsfetischismus!)

der weder Frauenförderung geschweige Gender-Mainstreaming kennt, dafür eine Familienpolitik mit der ultimativen Wahlfreiheit für Frauen: arbeiten oder Kinder. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie können die Realität einer Großstadt nicht mit Ihrer Ideologie ändern.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Besonders zu verurteilen ist, dass der Senat bei seinem finanziellen Raubbau am sozialen System der Stadt darauf baut, dass insbesondere Frauen die entstehenden Lücken ehrenamtlich füllen. Meine Damen und Herren, nicht mit uns!

(Beifall bei der GAL und der SPD)