Protokoll der Sitzung vom 05.02.2003

Sie also dieses bilinguale Modell, das Rotgrün begonnen hat, weiter entwickeln. Nur, ich habe eine Kritik: Warum streichen Sie dann den Begriff „Förderung der Zweisprachigkeit“ aus der Schulgesetznovelle? Das ist ein absoluter Widerspruch.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Da müssen Sie sich einmal mit Ihrer Frau Knipper auseinander setzen, die gesagt hat, dass die Förderung der Zweisprachigkeit nicht mehr in ihr Programm gehört. Das passt nicht zusammen.

(Ingo Egloff SPD: Frau Knipper hat das Programm aus den Fünfzigerjahren!)

Kommen wir aber zur Sache. Sie sind ja nun nicht auf die Petition und die Punkte eingegangen. Sie haben natürlich wieder die Lehrerstellen rauf- und runtergedreht. Auf die Debatte lasse ich mich gar nicht mehr ein, weil das die Kollegen, die nicht aus dem Bildungsressort kommen, ganz gewaltig langweilt.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie langweilen uns auch so!)

Sie haben aber eine Zahl vergessen und die spricht für sich: Im Betriebshaushalt 2003 sind über 15 Millionen Euro weniger als 2002, wenn man die Hochschulen mit 1,2 Millionen Euro mit einbezieht. Das steht da und dann können Sie nicht sagen, der Haushalt ist größer geworden. Es sind 13,8 Millionen im Betriebshaushalt gestrichen worden. Ist das eine Kürzung oder ist es keine Kürzung? Da kommen Sie doch gar nicht drumherum.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Wilfried Buss SPD: Nein, nie!)

Der Investitionshaushalt ist tatsächlich reichlich erhöht worden. Aber das haben Sie nur geschafft, indem Sie die Gelder von 2004 und 2005 vorgezogen haben. Soweit zum Geld.

(Martin Woestmeyer FDP: Nein, nein, nein! Das war geplant!)

Meine Damen und Herren! Wir haben die einmalige Chance, das erste Mal in Deutschland die Chance, aufgrund von empirischen Daten über Bildung zu diskutieren.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Nur in Hamburg nicht!)

Diese Chance haben wir auch in Hamburg, weil wir mit LAU schon wesentlich früher angefangen haben. Diese Daten sprechen für sich und korrelieren mit PISA. Wenn Sie sich noch einmal vor Augen führen, um noch einmal zu Ihrer sozialen Gerechtigkeit zu kommen, Herr Drews, dann wissen wir, dass wir ein riesiges Problem zu bewältigen haben, und zwar nicht nur in Hamburg, sondern auch in Bayern und Baden-Württemberg, das heißt, wie bekommen wir die Kinder, die sozial benachteiligt sind, und die Kinder mit Migrationshintergrund wirklich in die Bildungsbeteiligungen und vor allen Dingen in die höheren Abschlüsse? Das ist die Hauptfrage, die wir klären müssen, und wir haben eine große Risikogruppe Jugendlicher ohne jegliche Chancen. Daran müssen wir arbeiten. Die Frage ist: Kommen Sie mit Ihren Maßnahmen, die Sie jetzt planen, genau mit diesem Problem zurecht? Sie streichen die integrativen Angebote. Sie zerschlagen die Integration und die kostet nun mal mehr Geld. Sie haben zurzeit Klassengrößen, wie wir sie noch nie in den letzten 20 Jahren hatten.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Wilfried Buss SPD: Genau!)

Das muss doch irgendwoher kommen, von wegen Qualität.

Sie haben von Standardsetzung gesprochen. Ja, wir brauchen eine Standardsetzung, aber die können Sie nicht isoliert machen, wenn sie nicht nach Unterrichtsqualität, Lernklima und der Lesekompetenz fragen. Lesekompetenz war eigentlich mal das Ursprüngliche des Ergebnisses von PISA. Wie kommt man zu einer besseren Lesekompetenz? Davon redet kein Mensch mehr.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Leistung lehnen Sie doch immer ab!)

Sie haben doch gar keine Ahnung, Herr Nockemann. Sie haben null Ahnung von dem Thema.

(Beifall bei der GAL)

Was machen Sie? Sie machen Selektion auf Teufel komm raus, Sie lassen Oberschulräte Scharfmacherreden halten, dass nach Klasse 5 selektiert wird, Sie zementieren mit der Dreigliedrigkeit etwas, und zwar die Antwort von gestern auf die Fragen, die hier zu lösen sind. Sie lesen aus, statt zu fördern.

Was ganz besonders schlimm ist, Herr Drews, wenn Sie uns keine soziale Gerechtigkeit vorwerfen, dass Sie zurzeit bei den jugendlichen Flüchtlingen Stellen in einem nicht gekannten Ausmaß streichen, eine Kriegserklärung gegen diese Gruppe, eine Kriegserklärung gegen Jugendliche, Flüchtlinge und Migranten in dem Bereich der beruflichen Schulen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Militanter Sprachgebrauch!)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wir haben von Konzepten gehört. Herr Senator Lange hat einmal gesagt, er hätte Ziele und deshalb bräuchte er keine Konzepte.

Meine Damen und Herren! Da sind wir schon ziemlich tief gesunken.

(Wilfried Buss SPD: Eben!)

Die Antwort ist nämlich beim Abitur mit zwölf Jahren, dass Sie uns Stundentafeln vorgeben, aber vom Konzept sind Sie weit entfernt.

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP: Sie haben weder Ziele noch Konzepte!)

Sie wissen anscheinend gar nicht, was vor Ort los ist. Deshalb begrüße ich außerordentlich, dass das „Hamburger Abendblatt“, „NDR 90,3“ und „Hamburg Journal“ diese Umfrage machen.

(Wolfgang Drews CDU: Unter Ihrer Mitwirkung!)

Vielleicht wird dann endlich Licht in das Dunkel Ihrer vertrackten Schulpolitik gebracht.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Dagmar Reim sagt selbst, es sei keine repräsentative Umfrage!)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen individuelle Förderung und Leistung, aber keine dauernde Auslese in das nächst tiefere System. Dafür haben wir unverdächtige, ebenso kritische Bündnispartner durch McKinsey und auch den baden-württembergischen Handwerkstag. Sie werden eine bittere Erfahrung machen müssen, dass die Bildungsbeteiligung immens sinken wird, je mehr Sie homogenisieren.

Ich will dann damit enden, dass ich der festen Überzeugung bin – und ich glaube, das sind die Petenten auch –,

(Christa Goetsch GAL)

dass Sie tatsächlich die Zukunft der Kinder in Hamburg nicht mehr ernst nehmen. Die Kinder stehen bei Ihnen im Abseits und die Eltern, Schülerinnen und Lehrerinnen lassen sich das nicht bieten. Deshalb ist die Volkspetition wirklich der erste dicke Schuss vor den Bug, Herr Senator Lange.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Woestmeyer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Goetsch! Ich dachte eigentlich, dass gerade Ihre Fraktion mit dem Wort „Krieg“ etwas vorsichtiger umgehen würde.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

In diesem Zusammenhang passt vielleicht einer der Leitsprüche aus dem Zeitalter der Aufklärung:

„Lerne, deinen Verstand zu benutzen.“

Seit der Aufklärung betreibt die Menschheit schließlich ein großes Projekt, nämlich das Wissen allen zugänglich zu machen und alle zu befähigen, daran teilzuhaben.

Dieses große Projekt der Moderne ist noch lange nicht beendet. Früher war das Wissen vor allem den Menschen verschlossen und den Monarchen vorbehalten, die sich ihre Forscher finanzierten und so der Menschheit schließlich nur einen sehr abstrakten Dienst erwiesen haben. Heute sprechen wir von der Wissensgesellschaft. Wissen ist nicht mehr weggeschlossen und doch bleibt es vielen verschlossen oder vielen unerschlossen.

Bildung ist der Schlüssel. Diesen Schlüssel wollen wir allen bieten, vor allem den Kindern an unseren Schulen. Da bin ich mit den Unterschreibenden dieser Volkspetition völlig einig: Bildung ist die Voraussetzung für die Teilhabe am sozialen Leben, für die Lösung von Herausforderungen für jeden Einzelnen, aber auch für eine Gesellschaft und für den sozialen Frieden einer Gemeinschaft. So steht es in den Forderungen der Volkspetition.

(Ingo Egloff SPD: Sagen Sie das mal Ihrem Sena- tor!)

Deshalb bin ich mit den Petenten einig, dass Bildung erste Priorität hat, und froh, dass wir dies auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Über den Weg dahin kann man natürlich trefflich streiten. Ich verstehe die Unterschriften der über 40 000 Petenten nicht als Aufruf zum Streit. Ich möchte das ehrliche Anliegen, das mit dieser Petition vorgetragen wird, nicht zänkisch und kriegerisch aufgreifen, wie es Frau Goetsch und Herr Buss getan haben.

(Jenspeter Rosenfeldt SPD: Ich denke, es war Hetze?)