Protokoll der Sitzung vom 05.02.2003

Wir müssen Drogen zurückdrängen, statt sie zu akzeptieren, und wir müssen sie zurückdrängen aus Kindheit und Jugend. Unterstützen Sie auch von der Opposition eine rationale und an den Ergebnissen ausgerichtete Sichtweise auf das Drogenproblem, anstatt Sozialromantik und Verherrlichung einerseits

(Petra Brinkmann SPD: Bla, bla, bla!)

und ein Aufhetzen gegen die Polizei und gegen den Rechtsstaat andererseits zu betreiben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wirken auch Sie mit im Interesse unserer Stadt und seiner Bürger.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Barth-Völkel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Anlass dieser Debatte ist die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Drogenpolitik in Hamburg. Es ist ein guter Anlass, um über die neue Drogenpolitik des Bürgersenats, die inzwischen seit mehr als einem Jahr durchgeführt wird, Bilanz zu ziehen. Sie haben bestimmt alle in der „Bild“-Zeitung vom 27. Januar den Artikel unter der Überschrift „Zahl der Drogentoten sinkt“ gelesen:

„Die Zahl der Drogentoten ist drastisch gesunken. Im vergangenen Jahr kamen 79 Menschen ums Leben, im Jahr davor waren es noch 101. Das bedeutet ein Minus von 22 Prozent. Erstmals seit 13 Jahren waren es somit weniger als 100 Opfer.“

(Ingo Egloff SPD: Was für ein Glück, dass es die „Bild“-Zeitung gibt! – Petra Brinkmann SPD: Gut, dass es die „Bild“-Zeitung war!)

Diese Zahlen sind nicht hausgemacht. Jeder kann sie in der Statistik nachlesen. Wenn man die Zahlen und Angaben betrachtet, stellt man fest, dass das eine außerordentlich erfolgreiche Bilanz ist, denn wir haben dringend nötige und neue Aspekte in der Hamburger Drogenpolitik gesetzt und werden das auch zukünftig tun.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Erfolgreiche Drogenpolitik kann nur eine Kombination aus ausstiegsorientierter Drogenpolitik und konsequentem polizeilichen Vorgehen gegen Dealer sein. Die Auflösung der verfestigten Drogenszene am Hauptbahnhof war nur der Anfang einer Wende in der Drogenpolitik. Wer heute in das ehemalige Elendsquartier von St. Georg kommt, sieht deutlich die Erfolge unserer repressiven Politik gegen die offene Drogenszene.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Die offene Drogenszene ist komplett aufgelöst und jeder Versuch, sie an einer anderen Stelle wieder zu etablieren, ist beim ersten Anzeichen mit polizeilichen Maßnahmen wirksam unterbunden worden.

(Ingo Egloff SPD: Gehen Sie mal auf die andere Seite des Hauptbahnhofs!)

Inzwischen hat sich die Zahl der Haftbefehle gegen Dealer vervielfacht. Die Anzahl der Abschiebungen im Zusammenhang mit Drogendelikten nimmt drastisch zu. Die Beschaffung von Drogen wird schwieriger, die neue Polizeistatistik kommt morgen heraus und Sie werden überrascht sein, wie das Ergebnis sein wird, zum Beispiel gibt es weniger Beschaffungskriminalität. Aber ich möchte dem nicht vorgreifen, das wird ebenfalls ein Erfolg unserer Regierungskoalition sein. Es wird schwieriger sein, in der Öffentlichkeit den Handel mit Drogen zu betreiben. Hamburg wird zunehmend unattraktiver für Dealer und Konsu

(Dietrich Wersich CDU)

menten. Das war unser vorrangiges Ziel und das haben wir erreicht.

Wir haben von Ihnen, meine Damen und Herren von SPD und GAL, mit der offenen Drogenszene am Hauptbahnhof ein schweres Erbe angetreten. Sie haben über Jahre hinweg immer wieder behauptet, dieses Problem sei nicht zu lösen. Aber wir haben innerhalb eines guten Jahres gezeigt, dass sich da doch etwas ändern wird und ändern lässt. Man muss nur den politischen Willen dazu haben.

Damit sind wir bei der dritten Komponente erfolgreicher Drogenpolitik, nämlich klaren Konzepten und klaren Zielvorstellungen. Wir haben in Hamburg ein außerordentlich gut aufgebautes Hilfesystem,

(Petra Brinkmann SPD: Von wem Sie das wohl haben?)

mit dem jeder Drogenabhängige in Hamburg erreicht werden kann und in dem er Hilfe findet, wenn er will. Wir wollen, dass den Süchtigen jede notwendige Hilfe zuteil wird, die sie brauchen. Diese Hilfe muss ein klares Ziel haben, den Ausstieg aus der Drogenszene und ein normales Leben ohne Drogen. Wir werden niedrigschwellige, ausstiegsorientierte Institutionen unterstützen. Suchtkranke sind kranke Menschen,

(Petra Brinkmann SPD: Das ist ja ganz neu!)

denen wir alle notwendige Hilfe geben wollen, um ihnen den schrittweisen Ausstieg aus Sucht und Verelendung zu ermöglichen. Was wir nicht wollen, ist Drogenarbeit, die den Süchtigen keine Perspektive für ein Leben ohne Drogen eröffnet, sondern nur den Status quo bewahren will. Es ist falsch, immer nur mehr Einrichtungen für Abhängige zu fordern, denn das bedeutet nicht automatisch eine Verbesserung. Wir brauchen nicht mehr Drogeneinrichtungen, sondern wir müssen eine neue Qualität der Drogenarbeit erreichen, deren Ziel immer eine Veränderung der Situation der Abhängigen sein muss, und zwar in Richtung eines Lebens ohne Drogen.

Leider hat sich diese Erkenntnis noch nicht bis zu jeder Einrichtung im Drogenhilfebereich herumgesprochen. Deshalb werden wir in Hamburg für eine ausstiegsorientierte Reform des Drogenhilfebereichs sorgen. Die Gesamtzahlen belegen den Erfolg unseres Kurswechsels. Es ist sowohl die Zahl der Erstkonsumenten harter Drogen als auch besonders die Zahl der ganz jungen Erstkonsumenten bis einschließlich 17 Jahren gesunken.

Es ist besonders erfreulich und es gibt unserer Strategie Recht, deutlich aufzuzeigen, dass Drogenkonsum kein sozial adäquates und ganz bestimmt auch kein akzeptiertes Verhalten ist. Dieses Ziel erreichen wir einerseits durch verstärkte polizeiliche Präsenz im Umfeld dieser Einrichtungen, andererseits aber auch durch die Förderung der Prävention in Schulen, Kindergärten und Jugendeinrichtungen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Die Prävention beginnt schon im Kindergarten und muss in der Schule konsequent fortgeführt werden. Eine besondere Rolle kommt hier den Lehrern zu, die den Kindern und Jugendlichen die Gefahr des Drogenmissbrauchs glaubwürdig und eindringlich nahe bringen sollen. Lehrer müssen in der Lage sein, drogenbedingte Auffälligkeiten ihrer Schüler zu erkennen und angemessen zu reagieren, wenn Jugendliche mit Drogen in Berührung kommen.

(Antje Möller GAL: Ein Märchen, das Sie da erzäh- len!)

Wir befinden uns auf einem guten Weg. Die Kombination aus Prävention, konsequentem polizeilichen Vorgehen gegen Dealer und jede neue Verfestigung einer offenen Drogenszene und einer ausstiegsorientierten Reform des Hamburger Drogenhilfebereichs sind die Eckpfeiler einer erfolgreichen neuen Hamburger Drogenpolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Laut Senat gibt es keinen Anlass, die Zahlen zum Drogenkonsum, die im Suchtbericht von 1999 genannt sind, zu korrigieren. Damit steht außer Frage, der Konsum und die Abhängigkeit von legalen Drogen, vor allem von Alkohol, stellt auch in Hamburg ein weitaus größeres Problem dar als der Konsum von illegalen Drogen,

(Zuruf von der CDU: Nicht seit heute!)

und zwar hinsichtlich der gesundheitlichen und sozialen Folgen der gesamtgesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen und auch hinsichtlich der Kriminalität, Verkehrsunfällen und Gewalthandlungen. Vor allem die innerfamiliäre Gewalt steht sehr oft im Zusammenhang mit Alkoholismus.

(Beifall bei der GAL)

Circa 23 Prozent der Bevölkerung im Alter von 15 bis 59 Jahren – das sind immerhin 250 000 Menschen in Hamburg – weisen einen sehr riskanten Alkoholkonsum auf. Als alkoholabhängig und damit medizinisch behandlungsbedürftig gelten circa 50 000 Hamburgerinnen und Hamburger. Der Senat versteht trotz dieser Datenlage unter Drogenpolitik in erster Linie die Bekämpfung der offenen Drogenszene – wir haben es eben wieder von Herrn BarthVölkel gehört – und damit wird er dem Drogenproblem in dieser Stadt nicht gerecht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn der Senat jetzt stolz verkündet, die offene Drogenszene in Hamburg sei aufgelöst, heißt das hinsichtlich des Suchtproblems in dieser Stadt herzlich wenig.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Also war die offene Drogenszene nicht so schlimm!)

Das Dealen und Konsumieren geschieht mittlerweile mehr im Verborgenen. Das wissen Sie so gut wie ich.

(Beifall bei der GAL)

Die Fokussierung auf die offene Drogenszene ist ärgerlich, denn sie geht einher mit der Negierung anderer schwerwiegender Drogenprobleme.

(Zuruf von Christian Maaß GAL – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das ist wohl eine Frechheit, Herr Maaß, Schnösel!)

Ich möchte dieses an den Kindern und Jugendlichen deutlich machen, die erheblich durch den Alkoholkonsum ihrer Eltern belastet sind, denn vom Alkoholismus ist nicht nur der Konsument selbst betroffen, sondern immer auch die Angehörigen.

(Wolfgang-Barth Völkel Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Ich frage mich beim Lesen dieser Drucksache, wie der Senat eigentlich dazu kommt, kürzlich auf eine andere Anfrage der SPD zu behaupten, es lägen keinerlei Daten zur Anzahl der Kinder vor, die in suchtbelasteten Familien aufwachsen.

(Unruhe im Hause – Glocke)