Protokoll der Sitzung vom 05.02.2003

Nicht so hitzig. Beim Drogenthema kommt wieder Stimmung in die Bude, das ist doch ganz angenehm.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Eben wurde etwas geschmunzelt, als Herr Wersich erzählt hat, dass er nachts durch St. Georg gegangen sei und sich dort einmal die Szene angesehen habe. Ich kann das bestätigen. Ich bin bei einer dieser nächtlichen Touren dabei gewesen.

(Petra Brinkmann SPD: Das ist ja toll!)

Wir haben uns St. Georg angesehen, ich bin schon oft nachts gegen ein oder zwei Uhr durch St. Georg gegangen. Ich kann für meinen Teil nur feststellen, dass sich die Situation auch in den Seitenstraßen deutlich geändert hat.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Man kann heute wieder ohne Probleme die Bremer Reihe hinuntergehen, man kann heute ohne Probleme zum Hansaplatz gehen. Bei dem einen Rundgang war es so, dass ich innerhalb von 20 Minuten drei Doppelstreifen gesehen habe, die mir entgegengekommen sind. Wer hier erzählt, er wohne dort und es sei genauso schrecklich wie früher, es habe sich nur ein bisschen verlagert,

(Farid Müller GAL: Noch schlimmer!)

oder Sie rufen gerade, noch schlimmer, der versucht, die Sache nach wie vor zu eskalieren, und verschließt die Augen vor einer deutlich verbesserten Situation in Hamburg.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Manfred Mahr GAL: Sie wollen die Wahrheit nicht sagen!)

Der Abgeordnete Dr. Maier hat das Wort.

Herr Senator, nur eine kurze Bemerkung. Es ist nicht Ihre Aufgabe, dem Parlament vorzuwerfen, dass es Fragen stellt, die Ihrer Behörde Arbeit machen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Michael Freytag CDU: Nun haben Sie es uns aber gegeben, Herr Maier!)

Meine Damen und Herren! Ich sehe keine Wortmeldungen mehr. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 17/1632 an den Gesundheitsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Diese Überweisung ist mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich stelle damit fest, dass die Große Anfrage, Drucksache 17/1632, besprochen worden ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf, Drucksache 17/1953, Antrag der SPD-Fraktion: Perspektiven für Wilhelmsburg – Sanierungs- und Nutzungskonzept für die Altspülfelder.

[Antrag der Fraktion der SPD: Perspektiven für Wilhelmsburg – Sanierungs- und Nutzungskonzept für die Altspülfelder – Drucksache 17/1953 –]

Die Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive beantragt eine Überweisung dieser Drucksache federführend an den Umweltausschuss und mitberatend an den Bauund Verkehrsausschuss.

Wer möchte das Wort? – Herr Rosenfeldt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem Müll darf der Senat Wilhelmsburg nicht alleine lassen.

(Ekkehard Rumpf FDP: Da gebe ich Ihnen Recht!)

Die Antwort des Senats auf meine Kleine Anfrage hat es sehr deutlich gemacht: Das Altspülfeld in Obergeorgswerder ist weitaus stärker mit Gift belastet als in der Vergangenheit angenommen. Im Boden und im Wasser ist alles drin, was Sorgen macht. Dioxine, Furane, Arsen, Cadmium, Blei, PCB, Öl und was es sonst noch so gibt. Ein echtes Kaleidoskop von Industrieschadstoffen. Die bereits in der Vergangenheit vereinbarten und verfügten Einschränkungen beim Gemüseanbau und Ackerbau reichen nicht mehr aus.

Beim Gemüse wurde schon 2001 eine Schwermetallanreicherung festgestellt, die das Doppelte der Richtwerte erreichte. Mit diesem Problem dürfen wir die Landwirte in Wilhelmsburg nicht alleine lassen. Das so genannte Handlungskonzept des Senats greift bei dieser Lage viel zu kurz. Es hat bezeichnenderweise den intelligenten Titel „Nutzungskonzept zur standortverträglichen Nutzung der Altspülfelder“. Es beschränkt sich auf eine Flächensanierung in geringem Umfang. Ganz kleinräumig, wenn es um die Sicherung von Betrieben geht – völlig ungeklärt dabei, welche Betriebe unter welchen Bedingungen. Es regt eine Ersatzflächenbereitstellung an und lässt kein Wort darüber anklingen, wo dies bitte schön kleinräumig zur Existenzsicherung der Betriebe geschehen soll. Es setzt auf weitere Anbaubeschränkung, lässt aber offen, wie das Risiko von den Bauern weiter getragen werden soll.

Futtermittelpanscherei, um die Schadstoffbelastung zu senken, kann jedenfalls nicht die Lösung sein.

(Beifall der SPD und der GAL)

Das Mindeste, was getan werden kann, ist, dass die versprochenen Ausgleichszahlungen an die Bauern, die schon für 2002 kommen sollten, endlich geleistet werden und das Ganze nicht weiter verzögert wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Was die Landwirte und Bauern dort betrifft, ist zu fordern, dass Betriebsverlagerungen und Ankaufsverhandlungen und sozial abgefederte Verhandlungen zur Betriebsauf

(Senator Peter Rehaag)

gabe endlich vernünftig geprüft werden. Das heißt aber nicht, dass es dabei stehen bleibt, wie es im so genannten Handlungskonzept der Fall ist. Man muss mit den Bauern gemeinsam darüber reden und nicht mit jedem einzeln verhandeln und gucken, ob nicht jemand doch noch vorzeitig in Rente geht, damit einem dann eine Lösung in den Schoß fällt. Individuelle, an der konkreten Situation der Betriebe orientierte Lösungen müssen her und das fehlt in diesem Konzept völlig.

Diesem Konzept fehlt auch der Mut, den Futtermittelanbau nicht mehr zuzulassen. Jeder weiß, dass das auf Dauer nicht tragen wird. Dann sollte man dies auch den Bauern jetzt sagen, statt sie mit dem Risiko der Vermarktung völlig allein stehen zu lassen.

Die Bauern kommen in die Situation, dass sie die Futtermittel nicht vermarkten können. Der nächste Schritt ist, dass man ihnen sagt, ihr habt zwar jetzt kein Geld verdient, aber ihr müsst jetzt die Schadstoffentsorgung bezahlen. Das heißt doppelter Schaden. Diesem Problem sollte sich der Senat stellen und nicht versuchen, sich durch Wegschieben dieser Problematik zu entledigen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist jedenfalls allemal besser, jetzt eine klare Perspektive aufzuzeigen, als die Bauern weiter im Ungewissen hängen zu lassen.

Zu der angedachten Entscheidung, diese Futtermittel für ein Jahr weiterlaufen zu lassen, darf es auch nicht kommen. Sie gelangen in den Nahrungsmittelkreislauf, da braucht man sich nichts vorzumachen. Das ist nicht verantwortbar, weder gegenüber den Produzenten noch den Verbrauchern.

Eine Sanierungsplanung für kleine Teilflächen greift auch ziemlich kurz. Wir müssen einen Gesamtblick bekommen. Es fehlt ein Konzept für die Sanierung und Nutzung der Altspülfelder, ohne den verengten Blick nur auf ein paar Betriebe zu richten. Es muss ein Konzept her, das die Interessen von Gesamt-Wilhelmsburg im Auge behält.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Was der Senat vorgelegt hat, ist nicht wirklich falsch. Es ist aber kein Handlungskonzept. Es ist eine Idee, dass es ein Handlungskonzept geben sollte. Dies reicht für die Betroffenen aber nun wirklich nicht aus. Warum wird mit keinem Wort erwähnt, dass der Senat plant, das Altspülfeld Obergeorgswerder jetzt als Gewerbegebiet auszuweisen. Die HHLA will dort nicht hin. Das wäre im Übrigen auch großer Quatsch. Sie sagt, das kommt überhaupt nicht in Frage. Vielleicht will man sie nun dazu zwingen. Was als Perspektive bleibt, ist wahrscheinlich so eine Art Billiglösung der Sanierung: Betondecke obendrauf für Container und Lkws. Das kann es für den Stadtteil und die Insel Wilhelmsburg nun wirklich nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Wer, wie der Senat behauptet, eine neue Perspektive für Wilhelmsburg als attraktiven Standort für Wohnen und Arbeiten haben will – die Elbinsel hat das Potenzial mit ihrer Lage –, der muss sein Augenmerk auf die ganze Insel richten, der muss die Bürger an seinen Entscheidungen beteiligen und sie nicht immer im Unklaren lassen, was nun eigentlich gewollt ist.

Es geht nicht an, dass der Senat in Sonntagsreden die Entwicklung von Wilhelmsburg beschwört, in der Realität

jedoch den Stadtteil wie eine Restfläche Hamburgs behandelt.

Darum schlagen wir vor, ein Konzept für die Sanierung des Altspülfeldes Obergeorgswerder zu erarbeiten, dabei im Übrigen auch die Bewaldung dieser Fläche als Puffer gegenüber der Affinerie zu prüfen, die ja gute Produktionszahlen aufzuweisen hat, aber deutlich mehr Staub in die Luft abgibt, als das vorher der Fall war.

Wir brauchen ein Nutzungskonzept für alle Altspülflächen in Wilhelmsburg, das die vorhandene Vielfältigkeit der Landschaft im Wilhelmsburger Osten fördert und die Wohn- und Freizeitqualität und damit die Attraktivität der Insel insgesamt erhöht.

Für die betroffenen Betriebe in Wilhelmsburg müssen individuelle, betriebspezifische Perspektiven, die nicht den Bauern die Last für gesamthamburgische Altlasten auferlegt, entwickelt werden.

Wir schlagen vor, ein Gewerbeflächenkataster für Wilhelmsburg vorzulegen. Wer die Attraktivität von Wilhelmsburg auch als Wohn- und Arbeitsort steigern will, darf die Insel nicht mit immer neuen Gewerbegebieten zupflastern, sondern muss die vorhandenen effektiv nutzen.

Der Grad der Verseuchung hat eine neue Situation geschaffen. Es muss dann, wenn es nun so ist, auch neu entschieden werden. Ein Flächennutzungsplan ist änderbar. Man muss eine Gesamtkonzeption vorlegen. Wir wollen eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Nutzung gar nicht völlig ausschließen, aber flächenfressendes Gewerbe mit wenigen Arbeitplätzen, das nützt Wilhelmsburg nichts.

Der Senat soll sich darum kümmern, die Lebensqualität in Wilhelmsburg zu verbessern. Ich glaube, dass es besser ist, das Spülfeld in Obergeorgswerder zu begrünen und zu sanieren, anstatt die Gelder für Ausgleichsflächen zu verwenden, um, wie es der Senat jetzt vorhat, die Lebens- und Wohnqualität in Schleswig-Holstein zu erhöhen. Es macht doch deutlich mehr Sinn, keine Kürzungen an dem Flächensanierungsprogramm vorzunehmen, wie bisher geschehen, sondern hier in Wilhelmsburg zu investieren. Hier kann man deutliche Verbesserungen in kurzer Zeit erreichen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Wilhelmsburger müssen über ihre Gremien, über den Ortausschuss und den Stadtteilbeirat und die Zukunftskonferenz, denn da gibt es ja noch welche, die weiterarbeiten, an der Entscheidungsfindung beteiligt werden. Sie müssen ferner darüber informiert werden, was der Senat vorhat, nicht immer nur häppchenweise.